Titel: Ueber diejenigen Pflanzen, aus welchen die russische Soda gewonnen wird.
Fundstelle: Band 2, Jahrgang 1820, Nr. VIII., S. 61
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VIII. Ueber diejenigen Pflanzen, aus welchen die russische Soda gewonnen wird. Auszug aus Pallas illustrationes plantarum minus cognitarum etc. Von J. H. Schultes. Ueber diejenigen Pflanzen, aus welchen die rußische Soda gewonnen wird. Wir glauben unseren Lesern keinen unangenehmen Dienst zu erweisen, wenn wir ihnen uͤber die Pflanzen, aus welchen die rußische SodaDie rußische Soda so wie die rußische Potasche finden in mehreren technischen Gewerben, vorzuͤglich aber in den adrianopelroth Faͤrbereien eine sehr bedeutende und nuͤzliche Anwendung. Dingler. gewonnen wird, einige Nachrichten aus einem Werke geben, welches theils seiner Kostbarkeit, theils seines rein botanischen Inhaltes wegen, nur wenigen Technikern zur Hand gekommen seyn wird. Es ist indessen doch immer interessant, jene Pflanzen wenigstens dem Namen nach genau zu kennen, welche uns einen fuͤr die Manufakturen so unentbehrlichen Artikel, wie die Soda, liefern. Wir theilen daher aus des unsterblichen Pallas Illustrationes Plantarum minus cognitarum diejenigen Notizen im Auszuge mit, in welchen dieser große Naturforscher seine Beobachtungen und Erfahrungen uͤber den Sodagehalt der Halophyten bekannt gemacht hat, und erlauben uns dieselben mit einigen Bemerkungen zu begleiten. »Die Pflanzen der Familie der Halophyten, welche alle salzigen Boden lieben, und sogar meistens ohne Salz kaum leben und Samen tragen koͤnnen, nehmen alle mehr oder minder Kochsalz auf und erzeugen es, oder sie bereiten vielmehr Mineral-Kali, Natron, welches von dem uͤbrigen Pflanzen-Kali bekanntlich specifisch verschieden ist. Sie haben dieß mit einigen Arten von Atriplex, die gleichfalls salzigen Boden lieben, und mit einigen anderen Seepflanzen gemein, da aber besonders die Salsolae, Suedae Pallas nannte einige Halophyten, die man jezt unter die Gattungen Salsola und Chenopodium gebracht hat, Suedae. und Polycnema Kali haltig sind und weniger Kochsalz liefern, so werden sie vorzuͤglich zur Soda gesammelt, ja sogar an einigen Orten in dieser Hinsicht gebaut. Die Arten, welche dazu besonders geeignet sind, habe ich zuerst unterscheiden gelehrt. Wenn man naͤmlich einen Zweig oder ein Blatt irgend einer getrockneten Salsola, Suaeda oder eines Polycnemum an der Flamme eines Lichtes verbrennt, so haͤngt die Asche mit mehr Festigkeit zusammen, und wenn man das Feuer nur etwas laͤnger einwirken laͤßt, so sieht man dieselbe in Gestalt eines schlackenartigen Tropfens zusammenlaufen, sobald die Pflanze reich an Soda ist; wenn nicht, so zerfaͤllt die Asche gleich zu Staube. Ich muß jedoch bekennen, daß man auch jene Pflanzen, deren Asche sich nicht verschlackt, zu schlechterer Soda brauchen kann; z.B. das Atriplex laciniatum, welches die Griechen und Tataren um Caffa und auf der Halbinsel Krimm haͤufig unter dem Namen Lapata zugleich mit der Salsola altissima zu einer Art Soda verbrennen, um sie in's Ausland zu versenden. Bemerkenswerth ist es aber, daß einige Salsolae und Polycnema, die auf nicht salzigem Boden wachsen, weniger Mineral-Kali, aber zugleich einen Theil Potaschen-Lauge geben, die sich nicht krystallisieren laͤst; daß hingegen Pflanzen, welche Suͤmpfe bewohnen, die viel Kochsalz enthalten, wie die Salicorniae, (besonders die acetaria,) mehr unzerseztes Kochsalz, und nur einen sehr kleinen Theil Mineral-Kali liefern. Wenn die Chemiker gezeigt haben, daß das Pflanzen-Kali vor dem Verbrennen in den Pflanzen existiere, so gilt dieß noch mehr von den Salzpflanzen, insofern aus ihnen durch das Verbrennen Salze gewonnen werden. Das Natron oder Mineral-Kali scheint einzig durch Zersezung des Kochsalzes mittelst der Organe der Pflanzen erzeugt zu werden. Dieß beweiset der Umstand, worauf ich so eben aufmerksam machte, daß in den Salicornien außerordentlich viel Kochsalz und weniger Kali in den Salsolen, wenn sie auf nicht salzigem Boden wachsen, vorhanden ist. Dieß beweisen auch die Versuche des Herrn Lorgner, nach welchem selbst andere Pflanzen, die keinen salzigen Boden lieben, wie Cynara Dipsacusetc., auf salzigem Boden gezogen Soda gaben, ebenso auch die Versuche Duhamel's (Acta Paris. 1767 et 1774.) welcher aus den im Garten gezogenen Salsolen im zweiten Jahre Pflanzen-Kali erhielt. Ja selbst die Fucus geben fast die Haͤlfte ihres Gewichtes Natron aus ihrer Asche. Etwas Sonderbares beobachtete ich aber an der Salsola prostrata, die ich auf einem steinigen und kaum merklich salzigen Huͤgel Taurien's sammelte, wo sie die groͤßten Stoͤcke bildete, und welche ich so rein als moͤglich ohne Beimischung irgend einer anderen Pflanze verbrannte. Ich erhielt keine schlackenartige Asche, jedoch, als ich dieselbe ausgelaugt hatte, beinahe eine ebenso große Menge Mineral-Kali, welches in Prismen krystallisierte, und Pflanzen-Kali, das an der Luft zerfloß. Die Lauge dieses lezteren brauchte zur Saͤttigung wenig Salpeter-Saͤure; die Aufloͤsung des Ersteren aber unter laͤnger anhaltendem Aufbrausen verhaͤltnißmaͤßig viel mehr, und gab, was sonderbar ist, keinen kubischen Salpeter, sondern den wahren prismatischen, obschon jenes Natron auch bei feuchter Luft in vollkommen trocknen Krystallen sich erhielt. Merkwuͤrdig ist es auch, daß alle Salsolen, Sueden und Polycnema vor dem Bluͤhen verhaͤltnißmaͤßig mehr Soda geben, als wenn sie ausgewachsen sind. Die ganz reifen geben kaum etwas davon: die Salze scheinen also in dem Safte enthalten zu seyn.“ »Salicornia foliacea Pallas. Illustr. Tab. V. et VI. (Salicornia foliosa Vahl.)Wir fuͤgen die gegenwaͤrtig angenommenen systematischen botanischen Namen den Pallas'schen in ( ) bei, so daß man unter denselben die systematische botanische Beschreibung, die besten Abbildungen etc. in der neuen Ausgabe von Linne's Systema Vegetabilium etc. bei Cotta nachsehen kann. Wo wir keinen anderen Namen in ( ) beifuͤgten, gilt jener des sel. Pallas. Die Asche dieser Pflanze wird von den Tataren und Rußen zum Waschen gebraucht. Sie erzeugt Schaum; daher wird sie bei diesen Muilnaja trava (d.h. Seifenpflanze) und bei jenen Gyreyk genannt. Sie ist zur Sodabereitung sehr brauchbar, da sie sehr haͤufig und sehr groß ist.« »Anabasis tatarica. Pallas. Illustr. Tab. VIII. (Anabasis aphylla. Linn.) Getrocknet brennt sie sehr leicht, und geht in eine schlackenartige Soda uͤber, obschon sie gewoͤhnlich in wenig salzigem Boden vorkommt. Aber die etwas mehr mageren, in sandigem Boden wachsenden, Abarten verschlacken ihre Asche nicht; auch nicht der holzige Theil ihrer Wurzel, so daß die Soda nur in dem Safte ihren Siz zu haben scheint.« »Salsola prostrata. Pallas. Illustr. Tab. X. (Kochia prostrata. Schrader.) Diese Salsola gibt, zu Asche gebrannt, theils krystallisirbares, theils zerfliessendes Alkali; indessen gab auch jenes mit Salpeter-Saͤure hinlaͤnglich gesaͤttigt gemeine Salpeterkrystalle und keinen kubischen.« »Salsola dendroides. Pallas. Illustr. Tab. XIV. (Salsola ericoides Marsch. a Bieb.) Sehr gut zur Soda-Bereitung.« »Salsola nitraria. Pallas. Illustr. Tab. XV. (Salsola spissa. Marsch. a Bieb.) Diese giebt die beste Soda.« »Salsola rosacea. Pallas. Illustr. Tab. XVIII. Zur Soda-Bereitung dient sie vorzuͤglich theils ihrer Natur, theils ihrer Menge nach.« »Salsola spicata. Pallas. Illustr. Tab. XIX. (Salsola glauca. Marsch. a Bieb.) An der Kerze verbrannt, verschlackt sich diese sehr gut zur Soda.« »Salsola lanata. Pallas. Illustr. Tab. XXI. (Salsola laniflora. Linn.) Sie ist sehr salzig und dicht, vorzuͤglich zur Soda-Bereitung.« »Salsola baccifera. Pallas. Illustr. Tab. XXIII. (Salsola foliosa. Schrad.) Diese giebt beim Verbrennen die beste schlackenartige Soda; sie ist sehr scharf und sehr weiß und giebt ausgelangt aus einem Pfunde, eilf Unzen krystallisirtes Mineral-Alkali und 6 Quentchen Kochsalz, obschon sie nicht auf sehr salzigem Boden waͤchst.« »Salsola kali. Pallas. Illustr. Tab. XXVIII et XXIX. Sie gibt, an salzigen Stellen gewachsen, Kochsalz und Soda; auf nicht salzigem Boden gibt sie die Haͤlfte Pflanzen-Alkali.« »Salsola Soda. Pallas. Illustr. Tab. XXX. Diese ist vorzuͤglich gut zur Soda, findet sich aber in Rußland selten.« »Salsola monandra. Pallas. Illustr. Tab. XXXI. (Anabasis monandra. Schrad.) Sie ist sehr salzig und daher minder gut zur Soda; doch verschlackt sich die Asche gut.« »Suaeda Sieversians. Pallas. Illustr. Tab. XXXVIII. (Kochia scoparia ß. Schrad.) Die Asche derselben verschlackt sich sehr schnell am Kerzenlichte.« »Suaeda salsa. Pallas Illustr. Tab. XXXIX. (Chenopodium maritimum ß. Marsch. a. Bieb.) Diese ist wie alle folgenden (Sueda linifolia.) Tab. XL. (Chenopodium linifolium. Schultes Syst. Veg.), baccifera. Tab. XLI. (Salsola baccifera. Schrad.), altissima. Tab. XLII. (Chenopodium altissimum. Linn.), physophora. Tab. XLIII. (Salsola physophora. Schrad.) microphylla. Tab. XLIV. (Chenopodium parvifolium. Schult. S. V.), albida. Tab. XLV. (Chenopodium hirsutum. Marsch. a. Bieb.) crassifolia. Tab. XLVI. (Chenopodium Pallasianum. Schult. S. V.), prostrata. Tab. XLVII. (Salsola depressa. Pursh.) sehr geeignet zur Sodabereitung.« »Suaeda altissima. Pallas Illustr. Tab. XLII. (Chenop. altissimum L.) Von den Griechen und auch von den Tataren der Krimm wird sie mit Atriplex laciniata gemischt, und zum Soda brennen gebraucht. So lange sie frisch ist, gibt sie sehr viele und gute Soda, aber im Herbste, wann die Samen reif sind, verschlackt sie sich nicht.« »Suaeda physophora. Pallas Illustr. Tab. XLIII. (Salsola physophora Schrad.) Sie gibt sehr gute Soda, allein sie waͤchst seltner als die uͤbrigen Salzpflanzen.« »Polycnemum brachiatum. Pallas. Illustr. Tab. LII. (Polycnemum oppositifol. Vahl.) Die Asche desselben verschlackt sich leicht zu Soda.« »Polycnemum glaucum. Pallas. Illustr. Tab. LIII. et LIV. Dieses schmeckt salzig und gibt sehr gute Soda.« »Polycnemum crassifolium. Pallas. Illustr. Tab. LV. Es schmeckt salzig, die Asche verschlackt sich sehr schnell, und gibt sehr gute Soda.« »Polycnemum sclerospermum. Pallas. Illustr. Tab. LVI. Die Asche der getrockneten Pflanzen verschlackt sich sehr schnell, aber da die Pflanze sehr fett ist, so laͤßt sie sich schwer einaͤschern.« In unserem europaͤischen Binnenlande ist zwar, ausser in einigen Gegenden Ungerns, und zunaͤchst an den Salzwerken, Salzquellen und Salzleitungen, der Boden nirgendwo so salzig, daß man die Halophyten mit Vortheil auf Soda bauen koͤnnte. Indessen laͤßt sich doch fragen: ob die Hunderttausende von Eimern salzhaltiger Fluͤßigkeit, welche jaͤhrlich bei den Salinen ohne alle Benuͤzung abgelassen werden, nicht wenigstens doch dazu dienen koͤnnten, gewisse Stuͤcke Grundes, die jezt durchaus unbenuͤzt liegen bleiben, mit Salz zu schwaͤngern, um auf denselben Salzgewaͤchse zur Soda pflanzen zu koͤnnen? Wir koͤnnen ferner nicht umhin zu bemerken, daß es sehr wuͤnschenswerth waͤre, wenn, bei dem gegenwaͤrtigen Preise des Holzes, das unselige Niederbrennen der Waͤlder zu Pottasche einmal aufgehoben wuͤrde. Wir haben an unseren Hecken, der Artemisien, Chenopodien, Atriplex, Dipsacus und Disteln, die selbst noch unsere Gruͤnde als Unkraut verderben, genug, um zehn Mal mehr Pottasche aus denselben, bloß insofern sie um unsere Doͤrfer wachsen, zu erzeugen, als wir durch das Niederbrennen unseres Holzes nie mit gleichem Vortheile zu erhalten vermoͤgen.