Titel: Ueber ein neues Gärbe- und Färbematerial.
Fundstelle: Band 2, Jahrgang 1820, Nr. XXII., S. 163
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XXII. Ueber ein neues Gärbe- und Färbematerial. Auszug aus Tilloch Philos. Magaz. August 1819. p. 148. [Ueber ein neues Gärbe- und Färbematerial.] Obschon der Kastanienbaum, der die eßbaren, nicht die Roßkastanien, traͤgt, die edle Castanea vesca, (Fagus Castanea L.), bei uns nicht mit Vortheil auf Fruͤchte gezogen werden kann, so koͤnnte sie es doch in unserem rauheren Klima an etwas geschuͤzten Stellen in Waͤldern, selbst wenn sie blosses Unterholz bliebe, an Holz und Rinde werden. Die Rinde und das Holz dieses im Suͤden von Europa so herrlichen Baumes, gibt naͤmlich, wie Hr. Sheldon zu Springsfield in Amerika in Silliman's Journal uns lehrt, und Hr. Silliman durch wiederholte Versuche bestaͤttigte, ein hoͤchst brauchbares Mittel zu gaͤrben und zu faͤrben. Sie enthaͤlt zwei Mal soviel Gaͤrbestoff als Eichenrinde, und 6/7 mehr Faͤrbestoff als Campeche-Holz (logwood). Das damit gegaͤrbte Leder ist fester, dichter, und doch geschmeidiger. Wahrscheinlich ist, was vielleicht Dr. Bancroft zuerst bemerkte, der hoͤhere Grad von Oxygenirung der Rinde die Ursache hiervon. Die Rinde ist das beste Materiale zu Dinte: sie wird schoͤn blauschwarz mit Eisen. Der Lack aus der Rinde scheint aussen blau, wie Indigo, gibt aber auf Papier die schoͤnste schwarze Farbe. Im Faͤrben hat sie mehr Verwandschaft zur Wolle, als Sumach, und ist sonst wenig von diesem und von Gallus verschieden; sie fordert also auch weniger Sieden, als Sumach. An der Sonne und im Wetter bleibt die Farbe dauerhaft. Man ist in Amerika schon auf Ausfuhr dieses Artikels bedacht, und baut Schneidemuͤhlen auf dieses kostbare Faͤrbeholz! Das Extrakt hiervon kommt dem Catechu sehr nahe, und Prof. Dewey am William's College fand, daß es ein Viertel mehr Gelatine niederschlaͤgt, als dieses. Der Geschmack von beiden ist so sehr aͤhnlich, daß man sie auf der Zunge kaum zu unterscheiden vermag; nur ist er von dem Kastanienholze etwas schaͤrfer. Die Amerikaner hoffen dieses Kastanien-Katechu den Ostindern zu ihrem Betel zuzufuͤhren. Sonderbar genug waͤre es, wenn, nachdem wir bereits durch 3 Jahrhunderte Faͤrbehoͤlzer aus Amerika hohlten, die Amerikaner uns unser europaͤisches Holz als eines der besten Faͤrbehoͤlzer zufuͤhrten. Dafuͤr sind wir aber auch Europaͤer, den Kopf stets voll Philosophie und Theologie und hoher und tiefer Gelehrsamkeit, ohne auch nur darauf zu denken, wo wir Dinte genug hernehmen werden, um unsere Weisheit zu verewigen. Parmentier und Montet haben uns laͤngst auf unsere Kastanien aufmerksam gemacht; wir haben die Lektion vergessen; daher ist es wohl sehr gut, wenn die Amerikaner kommen, und uns dafuͤr das Leder gaͤrben.