Titel: Erklärung des dem Baron Karl Philipp de Thierry, ehemals in der Pfarre St. Georg, Hannover-Square, in Middlesex, jezt in Bath Hampton in der Grafschaft Somerset, gegenwärtig aber in Bristol, auf ein Gebiß für Kutschen- und Reitpferde, welches Gebiß er Menschen-Heil-Gebiß nennt. (The humane Safety-bit. dd. 20. Sept. 1819.)
Fundstelle: Band 2, Jahrgang 1820, Nr. XLV., S. 470
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XLV. Erklärung des dem Baron Karl Philipp de Thierry, ehemals in der Pfarre St. Georg, Hannover-Square, in Middlesex, jezt in Bath Hampton in der Grafschaft Somerset, gegenwärtig aber in Bristol, auf ein Gebiß für Kutschen- und Reitpferde, welches Gebiß er Menschen-Heil-Gebiß nennt. (The humane Safety-bit. dd. 20. Sept. 1819.) Aus dem Repertory of Arts, Manufactures, et Agriculture. Second Series. N. CCXIX. August 1820.Der Hr. Baron, der seinem Nahmen nach kein Englaͤnder zu seyn scheint, scheint jedoch in England etwas gelernt zu haben; die Kunst ein Patent auf dasjenige zu nehmen, was der liebe Gott in jedes vorsichtigen Menschenhirn und Arm reichlich gelegt hat. Mir nehmen dieses Patent bloß seiner rareté wegen auf. Man vergleiche mit diesem Patentzaume den in dem Kunst- und Gewerb-Blatte des polytechnischen Vereins im Koͤnigreich Baiern Nro. 44. 1819 S. 603 beschriebenen bride Mecanique. Mit Abbildungen Tab. XVI. Thierry's Gebiß für Kutschen- und Reitpferde. Mein Gebiß fuͤr Kutschen und Reitpferde, welches ich Menschen-Heil-Gebiß nenne (the humane safety bit) hat noch ein Nebenmundstuͤck (bar, or port, or mouth) welches auf den beiden Stangen (cheeks) des Gebisses so angebracht ist, daß es sich mittelst der Trense (curb-rein) darauf oder darin hin und her schieben, und auch von dem Mundstuͤcke, das wie gewoͤhnlich quer durch den Mund laͤuft, abziehen oder entfernen laͤßt. Fig. 1. zeigt mein Gebiß von vorne und Fig. 2. von der Seite. ABAB sind die beiden Stangen des Gebisses, welche mit dem Mundstuͤcke CD, das quer uͤber in dem Munde des Pferdes liegt, fest vereiniget sind. H ist die Kinnkette, welche an jedem der beiden Enden der Stangen AA eingehaͤngt ist. Meine Erfindung besteht aber in dem unteren Mundstuͤcke FE, welches sich bewegen laͤßt, und nicht an den Stangen befestigt, sondern mittelst einer Aushoͤhlung so auf oder in denselben angebracht ist, daß es sich an ihnen hin- und herschieben laͤßt, und entweder, wie die Zeichnung ausweiset, an dem feststehenden Mundstuͤcke CD dicht anliegt, oder, wie die punktirten Linien bei G zeigen, herabgeschoben und von CD entfernt werden kann. Bei meinem Gebisse braucht man, wie Fig. 3. zeigt, zwei verschiedene Zaͤume, welche beide in den Ringen EF an den Enden des beweglichen Mundstuͤckes befestigt sind. Einer dieser Zaͤume k laͤuft gerade von diesen Ringen in des Reiters Hand, wenn geritten wird; wenn gefahren wird, wird er der Tragzaum (bearing rein oder gag rein): beim Reiten bedient man sich dieses Zaumes wie der gewoͤhnlichen Trense (snaffle or bridoon). Der andere Zaum laͤuft durch die Ringe BB an den unteren Enden der Stangen, und dieses Zaumes bedient sich der Reiter, wann das Pferd eine Mahnung (a curb) noͤthig hat. In diesem Falle muß er die Trense oder den oberen Zaum k nachlassen, und hierauf den unteren L ziehen: dadurch wird dann das untere Mundstuͤck von dem oberen in die Lage der punktirten Linie G herabgebracht, und das Gebiß fuͤllt einen groͤßeren Raum in dem Munde des Pferdes, wirkt folglich mit groͤßerer Gewalt durch die Hebelkraft, welche man beim Anziehen des durch die unteren Enden der Stangen laufenden Zaumes erhaͤlt. Will der Reiter von dieser Mahnung nicht weiter Gebrauch machen, so laͤßt er den Zaum L nach, und zieht die Trense K an, wodurch das bewegliche Mundstuͤck wieder zu dem festen hinaufgezogen wird, so daß das Gebiß wieder weniger Raum im Munde des Pferdes einnimmt. Da der Zaum k an den Ringen am Ende des Mundstuͤckes angebracht ist, so kann er nicht als Hebel wirken, sondern bloß als gewoͤhnliche Trense. In den Stangen sind Haͤlter angebracht, wodurch der Bewegung des beweglichen Mundstuͤckes Graͤnzer gesezt werden. Das Stuͤck L kann dort, wo es durch die Ringe BB laͤuft, zugerundet, oder es kann eine feine Trensenkette hier statt des Riemens angewendet werden. Fuͤr Kutschenpferde bleibt derselbe Bau des Gebisses, nur lasse ich dasselbe durch eine Stange verstaͤrken, welche an den unteren Enden der Stangen quer von B gen B in der Richtung der punktirten Linie M laͤuft. Urkunde dessen.Wir haben uͤber diesen Zaum das Urtheil erfahrener unb verdienter Cavallerie-Offiziers eingezogen. Sie erklaͤrten einstimmig, daß dieses Gebiß wohl bei Pferden mit sehr starken Ganaschen, zumal wenn sie, wie die englischen Pferde, den Kopf stark vorgestrekt in den Wind tragen, gute Dienste leisten mag; daß aber unsere feinkoͤpfigen und weichmaͤnligen Pferde durch ein solches Gebiß ehe zu Narren gemacht wuͤrden, als daß man sie durch dasselbe baͤndigen koͤnnte. Sie bemerken ferner, daß hier die Kinnkette viel zu hoch hinaufkommt, und fast alle Wirkung verliert. Anm. d. Uebers.

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Tafel Tab. XVI
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