Titel: Ueber Vergiftung durch bleierne Gefäße.
Fundstelle: Band 3, Jahrgang 1820, Nr. XXX., S. 225
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XXX. Ueber Vergiftung durch bleierne Gefäße. Nebst einem Zusaze. Ueber Vergiftung durch bleierne Gefäße. Dr. Accum sagt in seiner Schrift uͤber Faͤlschung der Lebens-Mittel etc. S. 359 u. f.: »Die Glasur der gewoͤhnlich rahmfarbigen irdenen GeschirreAlso auch der Toͤpfermarkt soll und muß ein Rubrum bilden im polizeilichen Visitations-Register! A. d. Uebers., welche aus einer Composition von Bleioxyd bereitet wird, gibt der Einwirkung von Weinessig und von salzigen Zusammensezungen bald nach. Daher sind solche glasirte Kruͤge und Toͤpfe zur Aufbewahrung sogenannter Compots und Marmeladen oder aͤhnlicher eingemachten Sachen durchaus untauglich. Saͤure soll man nie in solchen glasirten irdenen Geschirren aufbewahren. Ganz ungeeignet ist die an einigen Orten bestehende Gewohnheit, Milch zum Gebrauche fuͤr die Milchkammer in bleiernen Geschirren zu haltenZum Aufbewahren der Milch eignet sich am besten das sogenannte Coblenzer Steingut-Geschirr, welches jezt in vielen Gegenden erzeugt wird, wo wir fuͤr unsere Gegend das in Luisensruhe bei Augsburg vom Baurath von Hoͤßlin erzeugte Steingut-Geschirr mit Recht empfehlen koͤnnen. Da diese Geschirre sehr dichte sind, so werden sie von der Milch nicht durchdrungen und so die Saͤurebildung verhindert. Die Zersezung der Milch geht in solchen Gefaͤßen langsam und regelmaͤsig vor sich, wodurch mehr Rahm, folglich auch mehr Butter erhalten wird. D.. In einigen Gegenden des noͤrdlichen Englands pflegt man in Gasthaͤusern Muͤnzen-Salat in einem großen Gefaͤße von Holz mittelst einer 12 bis 14 Pfund schweren bleiernen Kugel zu zerreiben und zu bearbeiten; die Pflanze wird zerrissen, und nicht unbedeutende Bleitheilchen loͤsen sich mit jeder Umwaͤlzung ab. Auch Braukessel finden sich daselbst, deren Boden von Kupfer und die ganzen Seiten von Blei sind. Das Backen von Frucht-Torten in rahmfarbigen Erdengeschirre, das Einsalzen in bleiernen Gefaͤßen ist gleich verwerflich. Alle Arten von Speisen mit freien vegetabilischen Sauren oder Salz-Praͤparaten greifen glasirte Geschirre an, und zur Glasur kommt immer auch Blei als Bestandtheil. Die Blei-Schichten der Pressen zum Quetschen der Frucht beim Cyderbereiten haben schon unsaͤgliches Unheil gestiftet. Diese Folgen treten nicht ein, wenn Blei mit Zinn verbunden wird; dieses Metall widersteht der Oxydation und hindert die BleiaufloͤsungMan sagt zwar, und der Hr. Verfasser tritt, wie wir unten sehen werden, selbst dieser Meinung bei, daß Blei mit Zinn verbunden nicht von Saͤuren angegriffen wird. Allein es lassen sich gegen diese von Hrn. Proust aufgestellte und von vielen verdienten Maͤnnern vertheidigte BehauptungAp. Gummi in Culmbach und Prof. Fischer in Breslau haben Prousts Angaben vollkommen bestaͤttiget gefunden. Auch hat neulich Dr. Buͤchner bei seinen toxikologischen Vorlesungen einen neuen zinnernen Becher (vom schlechtesten blaͤulichen Zinne ohne Probe) mit starkem Essig gefuͤllt, und denselben 6 Tage lang darin stehen gelassen; als er nachher den Essig in Gegenwart seiner Zuhoͤrer untersuchte, fand er ihn etwas getruͤbt, und Zinnhaltig, aber ohne die geringste Spur von Blei. D. noch immer einige bedeutende Zweifel erheben, welche die tumultuarische Weise, nach welcher so oft verzinnt wird, so daß man selbst das dem Zinne zugesezte Blei mit freiem Auge deutlich unterscheiden kann, eben nicht ganz zu beseitigen im Stande ist. Am kluͤgsten unter allen Voͤlkern handeln die guten Schweden, die, obschon sehr reich an Kupfer, den Gebrauch dieses ihres Reichthumes zu Kuͤchengeschinen gaͤnzlich verboten haben. Anm. e. Lesers. Accum aͤußert mit Recht auch gegen das Bemahlen des Spielzeugs mit Menning, Gruͤnspan etc., und hat nachdruͤcklich dagegen gewarnt. Zusaz eines Lesers. Wenn man sich uͤberzeugen will, wie schlecht unsere baiersche Toͤpferwaare glasirt ist, so laufe man auf dem naͤchsten besten Toͤpfermarkte oder bei dem naͤchsten besten Toͤpfer eine irdene glasirte Schuͤssel, oder einen glasirten Topf oder Tiegel, gieße guten Essig in denselben, und lasse denselben einige Tage darin stehen. Man untersuche den Essig mit der Bleiprobe, und man wird gestehen, daß wir nicht zu schwarz sehen, wenn man alsobald bei dieser Probe selbst schwarz sehen wirdDieses ist leider mit der Toͤpferwaare fast aller Gegenden der Fall! D.. Noch leichter kann man sich bei irdenen glassirten Schuͤsseln hiervon uͤberzeugen. Man fuͤlle sie mit Essig, und stelle sie sodann an die Sonne, oder auf den Ofen, damit der Essig schneller verduͤnstet. Man wird, sobald der Essig verduͤnstet ist, die Schuͤssel mit einem schmuzig weißlichen Staube bedeckt finden, und wenn man mit der gehoͤrigen Vorsicht nur etwas weniges von diesem Staube kostet, sich uͤberzeugen, daß es Bleizucker ist, den man hier erhielt. Wer uns brauchbare wohlfeile eiserne emaillirte Kuͤchengeraͤthe liefern wird, wird sich unsterblich gemacht haben, weil er uns minder sterblich machteSchoͤnes und ungemein wohlfeiles emaillirtes Gußeisengeschirr, wird seit kurzem in Bodenwaͤhr (bei Regensburg) fabricirt, und wie wir hoͤren bereits in großer Menge verkauft. Mehrern damit angestellten Versuchen zufolge ist es fuͤr den haͤuslichen so wie fuͤr den Fabrikengebrauch sehr empfehlungswerth. D.. Noch eine Bleivergiftung, deren Accum nicht erwaͤhnte, hat bei dem Rauch- und Schnupftobacke statt, der in Blei verkauft oder aufbewahrt wird. Alle Toback-Beizen sind oder werden saͤuerlich und loͤßen folglich das Blei auf, wie jeder sich an seinen Bleibuͤchsen, die bald weiß bald schwarz von dem darin aufbewahrten Toback werden, uͤberzeugen kannIn einigen Tobacksfabriken verpackt man seit einiger Zeit den Schnupftoback in verzinnten Bleibuͤchsen. Die Darstellung des hierzu geeigneten verzinnten Blei ist aber bis jezt noch von keiner solchen Vollkommenheit, auch noch nicht so allgemein, als daß die angefuͤhrte Warnung uͤberfluͤssig waͤre. D.. Wenn man nun den Toback raucht oder schnupft, so kommt er, in sofern er als Rauchtoback mit Blei vergiftet ist, als Bleidampf in der gefaͤhrlichen Form des Bleigiftes auf die Nerven, als Schnupftoback in die Nasenhoͤhle und in den Schlund. Da Hr. Accum in seinem Werke nirgendwo uͤber Tobackverfaͤlschungen ein Woͤrtchen sprach, so wollen wir hier nur bemerken, daß der Toback nicht bloß mit noch staͤrkeren Pflanzengiften als er selbst ist, (z.B. sogar nach dem Rathe des Hrn. Schrank mit Hyosciamus) sondern auch als Rauchtoback mit Opium, Schwefel, Salpeter etc. und als Schnupftoback mit dem aͤzenden Euphorbium, den giftigen Tonca-Bohnen, ja sogar mit Sublimat vergiftet wird. Toback-Fabriken verdienen hohe Aufmerksamkeit von Seite der medizinischen und – sit venia verbo – polizeilichen Polizei.