Titel: Ueber die Behandlung der Merino-Schafe, und der Schafe von Merino-Raße. Von Hrn. Garret zu Lavington.
Fundstelle: Band 9, Jahrgang 1822, Nr. LVI., S. 375
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LVI. Ueber die Behandlung der Merino-Schafe, und der Schafe von Merino-Raße. Von Hrn. Garret zu Lavington. Aus den Letters und Papers of the Bath und West of England Society. Im Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture N. CCXLI. Juni 1822. S. 27.Da Schafzucht bei uns in Baiern so sehr vernachlaͤssigt ist, und wir, ungeachtet der verkannten Bemuͤhungen des großen Churfuͤrsten Maximilian, und ungeachtet unserer herrlichen Weideplaͤze, die doppelte Schande erleben muͤßen, daß, wie dieß wenigstens im Oberdonau-Kreis der Fall ist, Auslaͤnder unsere Weidplaͤze pachten und benuͤzen, denen wir hernach Wolle und Tuch zugleich abkaufen, so glauben wir unserem Vaterlande einen Dienst zu erweisen, wenn wir wenigstens die kuͤnftigen Befoͤrderer dieses Zweiges der Landwirthschaft und der Industrie (denn gegenwaͤrtig scheint sich außer unserem angebetheten Koͤnige und Vater des Vaterlandes, Max Joseph, Niemand um diese ersten Quellen des National-Wohlstandes auch nur im Schlaft zu kuͤmmern,) die kuͤnftigen Guͤterbesizer und Finanzmaͤnner, auf die Bemerkungen des Hrn. Garret aufmerksam zu machen. A. d. Ueb. Garret über die Behandlung der Merino-Schafe. Mein Pachtgut besteht vorzuͤglich aus Huͤgelland in der sogenannten Salisbury-Plain. Es ist bei uns herkoͤmmlich, die Pachtgruͤnde in sechs Theile zu theilen: naͤmlich in Lucerne, die ungefaͤhr 6 Jahre anhaͤlt, dann aufgebrochen, gereinigt, und mit Turnips bestellt wird, worauf im zweiten Jahre Wiken, im dritten Weizen, im vierten Turnips, im fuͤnften Gerste mit Gras-Samen und breitem und hollaͤndischen Klee (durch Clover, Trifolium repens), Klee, Lolch, (Rangraß)Dieser Lolch (Lolium perenne) ist das wahre englische Raygraß; nicht, wie einige glauben, Ducken (Triticum repens). A. d. Ueb., welche zwei Jahr lang als Futter liegen bleiben, und dann auf Weizen umgebrochen werden. Ehe man die Lucerne umbricht, muß nothwendig immer dieselbe Menge Landes auf Futter verwendet werden. Außer dem auf Lucerne verwendeten Theile der Pachtgruͤnde werden die fuͤnf noch uͤbrigen Theile derselben nach und nach auf Turnips, Gerste, Gras, und zwei Jahre auf Weizen benuͤzt. Auf diese Weise verfahre auch ich regelmaͤßig mit den meinigen. Außer meinem Akerlande habe ich noch ungefaͤhr 150 AcresEin Acre ist 1065 franz. □ Klafter. A. d. Ueb. Duͤnen-Land, um meine Schafe zu weiden, welche aus einer Herde von 950 Stuͤken besteht, naͤmlich 500 reinen Merinos, aus der koͤnigl. Herde gekauft, und 450 aus mit South-downsSo viel als Suͤd-Duͤnen. Duͤnen nennt man sanfte, meistens unfruchtbare, sandige Huͤgel am Ufer des Meeres. R. d. Ueb. Schafen gekreuzten Merinos. Mehrere meiner Freunde machten mir gegen die spanischen Schafe, gegen die Merinos, viele Einwuͤrfe; sie sagten: 1tens sie koͤnnten nimmermehr unsere kalten hohen Huͤgel im Winter, und das Pferchen vertragen. Da ich seit mehreren Jahren mich fuͤr die Merinos interessire, so versprach ich meinen Freunden, ihnen und den Merinos eine schoͤne Lection zu geben; denn ich wußte bereits aus Versuchen im Kleinen, daß sie so gut wie andere Schafe in unserem Lande die Haͤrte des Winters zu ertragen vermoͤgen. Ich fing im October 1812 an, ungefaͤhr 200 Merino-Mutterschafe, und ungefaͤhr 100 Mutterschafe von Merino-Raße auf einem so kalten Huͤgel zu pferchen, als irgend einer in der Gegend umher zu finden war. Sie wurden regelmaͤßig jede Nacht auf diesem Huͤgel bis Ende Februars 1813 gepfercht, wo ich dann die Herde in die Niederungen hinab treiben ließ, um ihre jungen Laͤmmer abzusezen. Diese Schafe bekamen nur wenig Turnips, die sie sich auf einem entfernten Felde suchen mußten, und erhielten zugleich schlechtes Heu und Gersten-Stroh bis Weihnachten. Obschon die Merinos in dieser der Kaͤlte so sehr ausgesezten Lage so schlecht gehalten wurden, starb doch auch nicht ein einziger. Ich behandelte diese armen Thiere so grausam, bloß um meinen Freunden und der Welt zu zeigen, daß die Merinos eine Behandlung auszuhalten vermoͤgen, unter welcher Schafe von anderer Raße sicher zu Grunde gegangen seyn wuͤrden. Die Merinos steken von den Ohren bis zu den Fuͤßen in Wolle, und die Natur deutet an ihnen handgreiflichen, daß sie die Kaͤlte besser zu ertragen vermoͤgen, als Schafe, die keine Wolle um die Beine, und nur sehr wenig um den Bauch, den Hals und um den Kopf habenWenn auch die Merinos die Winter im westlichen England im Freien ertragen koͤnnen, so werden sie dieß nimmermehr in Baiern: ein strenger Winter in England ist kaum rauher als ein November bei uns. A. d. Ueb.. Der 2te Einwurf gegen die Merinos ist: daß sie nur wenig Duͤnger auf die Pferche bringen, und daß selbst dieser nicht so gut ist, als jener der von Schafen groͤßeren Schlages faͤllt. Es ist allerdings richtig. daß die Merinos nicht so viel fressen, als Schafe von staͤrkerem Schlage, und daß man daher, gleiche Anzahl von Stuͤken gerechnet, nicht so viel Duͤnger von ihnen erwarten darf: in Verhaͤltniße zu ihrem Gewichte fressen sie aber in gleichem Alter, und unter gleichen Verhaͤltnissen eben so viel. Mir scheint es, daß zwei South-down Schafe so viel fressen, als drei Merinos: ich pferche daher auf demselben Staͤke Landes 300 Merinos, wo ich sonst nur 200 South-down Schafe pferchen konnte, in dem das Land immer wieder so viel von der Herde zuruͤk erhaͤlt, als die Herde frißt. Was die Guͤte meiner Korn-Ernten betrifft, so fallen diese auf den von Merinos geduͤngten Gruͤnden eben so gut aus, als auf jenen, wo ich South-down Schafe weide: und dieser Einwurf kuͤmmert mich am wenigsten. Der 3te Einwurf ist der: daß das Fleisch der Merinos, wie man sagt, so schlecht ist, daß kein Hund daran anbeißt, und daß Merinos nimmermehr gemaͤstet werden. Im Herbste des Jahres 1812 kam ein alter erfahrener Wiesen-Paͤchter zu mir, um meine spanische Herde zu sehen. Ich zeigte ihm eines meiner beßten spanischen Mutterschafe. Er konnte nicht aufhoͤren zu lachen und zu spoͤtteln. „Das beßte Schaf meiner Herde“ sagte er, „wuͤrde kaum zu einem Mittagmahle fuͤr seine kleine Familie hinreichen. Er wuͤrde sich schaͤmen, solche Schafe auf seinen Feldern zu sehen. Was nuͤzts, „meinte er,“ einen seinen Rok und nichts im Magen zu haben? Solche Schafe sind nur fuͤr die Parks von großen Herren, nicht aber fuͤr uns Paͤchter.“ Ich lud ihn auf einen Inbiß ein, den er willig annahm, und sezte ihm ein Stuͤk Merino vor, das er ohne es fuͤr ein solches zu erkennen, unter vielen Verwuͤnschungen des schlechten Merino-Fleisches mit vielem Behagen verzehrte, „als einen koͤstlichen, fetten Bissen, der zart wie Huhn und schmakhaft wie Wildpret waͤre, und ganz anders schmekte als die fatalen Merinos“ mir und einem Freunde pries, den ich mit zu Gaste geladen hatte, und der so gut, wie ich, wußte, daß wir einen alten Merino-Widder speisten. Ich hoffe noch, die Zeit kommen zu sehen, wo Erfahrung das Vorurtheil besiegen und Merino-Fleisch theurer als anderes Lamm-Fleisch verkauft werden wirdDer Uebersezer, der Merino-Fleisch an der spanischen Graͤnze eine laͤngere Zeit uͤber aß, konnte bei seiner Ruͤkkehr nach Baiern lang kein heimisches Schaf-Fleisch mehr genießen. Nach seinem Geschmake ist das spanische Schaf-Fleisch das beßte, was es gibt, und selbst dem ungrischen weit vorzuziehen. A. d. Ueb.. Der 4te Einwurf, den man gegen Merino-Schaft wacht, ist der: „daß ihre Wolle durch Einwirkung des Klimas und des Bodens grob wird.“ Allein, es ist gewiß, daß das Klima auf die Wolle keinen Einfluß hat, und nicht die Ursache ihrer Verschlimmerung ist. Die saͤchsische Wolle, die wir einfuͤhren, ist so gut als die spanische. Ich besize Schafe, die seit 20 Jahren in England gezogen wurden, und ihre Wolle ist so sein, als die feinste spanische. Dieß scheint mir Beweises genug, daß das Klima die Wolle nicht groͤber macht. Die Gruͤnde, auf welchen ich meine Schafe weide, sind ein armer, unfruchtbarer Boden; und auf solchem Boden, wie er fuͤr Schafweide allgemein gebraucht wird, artet die Wolle nicht aus. Auf sehr fruchtbarem, fetten Boden, auf tiefen Wiesen hingegen wird die Merino-Wolle bedeutend schlechter. Ich verkaufte einen Merino-Widder an Hrn. S. Watts, Esq., bei Yeovil. Als ich im folgenden Jahre diesen Herrn besuchte, und seine Schafe ansah, fand ich die Wolle laͤnger, und das Haar etwas groͤber; im Jahre darauf beides noch aͤrger. Seine Gruͤnde sind aber guter, fetter, reicher Boden. Solcher Gruͤnde darf man nur zur Mastung, nicht zur Anzucht sich bedienen; denn bei ersterer wird das, was an Feinheit der Wolle durch das Groͤberwerden derselben verloren geht, durch die groͤßere Menge wieder ersezt. Es ist hoͤchst noͤthig, daß die Schafe regelmaͤßigen Nachwuchs an gruͤnem Futter erhalten, welchen ich ihnen dadurch verschaffe, daß ich auf meine Niederungen fuͤnfmal des Jahres Wiken baue: 1tens Wiken im September; 2tens Winter-Wiken gegen Ende Hornungs; 3tens Fruͤhlings-Wiken im Maͤrz; 4tens im April; 5tens Ende Mais, und endlich im Mai und Junius noch Turnips. Im folgenden Winter treibe ich alle meine Schafe auf die Huͤgel: ich werde ihnen aber, um sie recht gesund zu erhalten, gutes Heu geben. Haͤtte ich, nach meinem oben angestellten Versuche, gefunden, daß die Merinos nichts taugen, so wuͤrde ich alle weggegeben haben; denn ich habe mich stets beeilt, begangene Fehler wieder gut zu machen. Viele Leute sagen, daß die Merino-Mutterschafe schlechte Muͤtter sind, und nur wenig Milch geben. Ich fand das Gegentheil, und hatte weniger Muͤhe, die Merino-Muͤtter ihre Laͤmmer annehmen zu machen, als bei anderen Schafen. Daß ein kleineres Schaf nicht so viele Milch geben kann, als ein großes, ist sehr natuͤrlich; ich glaube aber, daß die Milch der Merinos reicher, nahrhafter ist, als die von groͤßeren Schafen, was auch durch Versuche erwiesen werden kann. Es geht hier wie bei den Alderney- oder bei anderen Kuͤhen von kleiner Raße und einem Haare, wenn man sie mit den groͤßeren und grobhaarigen vergleicht. Je seiner das Haar bei den Schafen, desto seiner und zarter und nahrhafter ihr Fleisch. Einige ließen sich dadurch von den Merinos abschreken, weil diese die Klauensucht bekamen: die Ursache dieser Krankheit laͤßt sich durch das nasse Gras, in welchem sie bestaͤndig stehen muͤßen, leicht erklaͤren. Wuͤrde man sie die Nacht uͤber einpferchen, und ließe man sie im Fruͤhjahre und im Sommer nicht ehe aus der Pferche, als bis der Thau vom Grase weg ist, so wuͤrde man diese Klauensucht nicht zu besorgen haben; denn auf diese Weise wird derselben sicher vorgebeugt. Ich schneide, wo die Krankheit einmal ausgebrochen ist, die toͤdte rissige Klaue weg, ohne jedoch den Gefaͤßen zu nahe zu kommen, und die Klaue bluten zu machen, und lege taͤglich, auf die Kranke Stelle folgende Salbe aus zwei Unzen des beßten Schießpulvers, einer Unze blauen Vitriol, und einem Loͤffel voll Terpentingeist mit ungefaͤhr einer Viertel-Pinte saurem Holzaͤpfel-Safte oder Essige gemengt auf: ein Mittel, das mir nie fehlschlug. Die Wolle wird vorzuͤglich aus zwei Ursachen schlechter. Die erste und hauptsaͤchlichste von diesen beiden ist, nach meiner Beobachtung, unschikliche Auswahl der Widder; sehr viele Schafwirthe haben die schoͤnsten Widder gewaͤhlt, dabei aber nicht auf die Wolle gesehen; dadurch artete die Wolle jedes Jahr mehr aus, und Klima und Boden (von Wiltshire) die man daruͤber anklagte, sind unschuldig. Ich darf nur auf die South-down Schafe hinweisen, die aus Sussex kamen. Ich war Augenzeuge hievon, da ich mich mehrere Jahre mit der Schafschur in diesen Gegenden beschaͤftigte, und die Wolle genau untersuchte, und fand immer, daß nur dort die Wolle sein wird, wo man feinwollige Widder waͤhlte. Ich kann in dieser Hinsicht mich auf zwei hoͤchst achtbare Herrn in meiner Nachbarschaft, Esqu. Josun Smith, M. P. und Esqu. Joh. Gale zu Stirt berufen, deren Herden jedes Jahr feinere Wolle liefern, weil sie ihre Widder mit Verstand und Umsicht zu waͤhlen wissenDieß lautet freilich anders, als der Lehrvortrag eines Professors der Landwirthschaft an einer unserer Universitaͤten, nach welchem bloß feinwollige Schaf-Muͤtter feinwollige Schafe bringen sollen, und ein Mutter-Schaf mehr zur Verfeinerung der Wolle bei, traͤgt, als ein Widder. A. d. Ueb.. Ich hielt 6 Widder (drei aͤchte seine Merinos, und drei von Merino Rasse) ein Jahr uͤber bei Klee, Wiken, Turnips und der Weide. Der Boden, auf welchem ich sie halte, ist Sand, Kalt und Thon. Gewicht und Feinheit der Wolle war beinahe so, wie im vorigen Jahre, als sie von Klee, Wiken, etwas Turnips, Heu und auf dem armen Duͤnen Lande lebten. Fuͤr eines dieser Schafe erhielt ich von der Witshire Agricultural Society einen Preis. Die zweite Ursache der Verschlechterung der Wolle habe ich bereits oben angezeigt: das Halten der Schafe auf zu reichen, zu tiefen Wiesen. Wer immer solche Gruͤnde besizt, darf die Schafe nur zur Mastung halten. Ich besize hoch und tief liegende Gruͤnde, habe Schafe auf beiden gehalten, aber nicht gefunden, daß Gruͤnde von mittlerer Qualitaͤt die Wolle verderben. Ich verbesserte meine Wolle dadurch, daß ich Widder mit der feinsten Wolle zur Nachzucht waͤhlte. Der Erfolg hievon war jedes Jahr durch die Unterschiede sichtbar, die ich nun bei meiner von verschiedenen Widdern erzeugten, Herde deutlich wahrnahm.