Titel: Ueber die Fabrikation der brennzeligen Holzsäure im Großen in Frankreich, nebst dem Verfahren, aus derselben die reine Essigsäure fabrikmäßig darzustellen.
Fundstelle: Band 9, Jahrgang 1822, Nr. LXVIII., S. 431
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LXVIII. Ueber die Fabrikation der brennzeligen Holzsäure im GroßenUeber Gewinnung der Holzsaͤure vergleiche man polytechn. Journal Bd. 7. S. 264. D. in Frankreich, nebst dem Verfahren, aus derselben die reine Essigsäure fabrikmäßig darzustellen. Aus dem Dictionnaire Technologique in Gill's technical Repository. N. VI. 1822. S. 401. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Ueber die Fabrikation der brennzeligen Holz- und reinen Essigsäure in Frankreich. Diese Operation gruͤndet sich auf die allgemeine Eigenschaft der Hize, die Elemente der Pflanzen-Koͤrper zu entbinden, in anderer Ordnung wieder zusammen zu stellen, und hiedurch Koͤrper zu erzeugen, welche vor ihrer Einwirkung in den Pflanzen nicht vorhanden waren. Das respective Verhaͤltniß dieser Products ist nicht bloß in verschiedenen Substanzen, sondern auch nach dem groͤßeren oͤder geringeren Grade der angewendeten Hize, und noch mehr nach der groͤßeren oder geringeren Sorgfalt, die man waͤhrend des Verlaufes dieses Processes auf denselben wendete, verschieden. Wenn man einen Pflanzen-Koͤrper in verschlossenen Gefaͤßen destillirt, so erhalt man zuerst das in demselben enthaltene Wasser; dann kommt das Wasser, welches aus dem in diesem Koͤrper enthaltenen Sauerstoffe und Wasserstoffe erzeugt wird; es bildet sich eine verhaͤltnißmaͤßige Menge von Kohle, und durch allmaͤhliche Vermehrung der Hize verbindet sich ein kleiner Antheil des Kohlenstoffes mit Sauerstoff und Wasserstoff, und bildet Essig-Saͤure, welche man lang unter dem Namen der brennzeligen Holzsaͤure als eine besondere Saͤure betrachtete. Da der Kohlenstoff hier vorwaltet, so verbindet er sich in hoͤherem Verhaͤltnisse mit anderen Stoffen, und bildet zuerst ein fluͤchtiges, brennzeliges, etwas gefaͤrbtes Oel, welches an Farbe und Dichtigkeit zunimmt, und endlich mit einer Menge Kohlenstoffes beladen uͤbergeht. Verschiedene elastische Fluͤßigkeiten begleiten die verschiedenen Produkte. Kohlensaures Gas entwikelt sich, obschon in geringer Menge; dann wird viel gekohlstofftes Wasserstoffgas erzeugt, und gegen das Ende der Operation kommt eine große Menge gasartigen Kohlenstoff-Oxides. Alle Kohlen, welche nicht zu diesen verschiedenen Verbindungen verbraucht wurden, bleiben in der Retorte zuruͤk, und behalten gewoͤhnlich die Form des Pflanzen-Koͤrpers, der sie lieferte. Seit wir anfingen uͤber die verschiedenen Verfahrungs-Weisen in Kuͤnsten und Gewerben reiflich nachzudenken, und sie auf wissenschaftlichen Fuß zu behandeln, gelang es uns, Verbesserungen in verschiedenen Zweigen des Fabrik-Wesens anzubringen, von welchen man sich ehevor kaum etwas haͤtte traͤumen lassen koͤnnen. Daher die ungeheueren Fortschritte in der Koͤhlerei, und die Moͤglichkeit mit bedeutendem Gewinne Producte zu erzeugen, die man ehevor gaͤnzlich vernachlaͤßigte. Um Holz in Waͤldern zu verkohlen, schlichtet man dasselbe, nach der gewoͤhnlichen Routine, in kegelfoͤrmigen Haufen auf, und laͤßt zwischen den Scheitern am Grunde derselben Raum genug, um die Verbrennung zu beguͤnstigen; dekt dann den Haufen mit Erde, und bildet so eine Art von Ofen. Oben werden hie und da Spalten, als Rauchzuͤge, offen gelassen, durch welche Rauch und Dampf entweichen kann. Nachdem das Holz so aufgeschlichtet ist, wird es angezuͤndet; es faͤngt an zu brennen; das in dem Holze enthaltene Wasser geht in Dampfgestalt davon, und nachdem die Hize einen gewißen Grad von Hoͤhe erreicht hat, und gleichfoͤrmig vertheilt ist, schließt man die Zugloͤcher zu. Die erhoͤhte Temperatur der ganzen Masse wird eine Zeit lang unterhalten, und die Verkohlung faͤhrt fort, bis die Verbrennung aus Mangel des Zutrittes der Luft aufhoͤrt. Jezt verfahrt man aber anders, und erhalt erfreulichere Resultate. Man bringt das zu verkohlende Holz in große kreisfoͤrmige oder vierekige Gefaͤße A (Fig. 13 Tab. VI.), die aus zusammen genieteten Eisen-Platten bestehen, und oben mit einem kleinen Cylinder, gleichfalls aus Eisenblech, versehen sindEine etwas konische Form ist zu diesem Behuf geeigneter. D.. An dem oberen Theile des Gefaͤßes ist ein eiserner Dekel B, welcher mittelst Stiften und Klammern darauf befestigt ist. Dieses, so geschlossene, Gefaͤß bildet, wie die Figur zeigt, eine sehr große Retorte. Nachdem dieses Gefaͤß auf obige Weise vorgerichtet wurde, hebt man dasselbe mittelst eines großen Krahnes C in den Ofen D, der nach dem Gefaͤße erbaut ist, und bedekt die obere Oeffnung desselben mit dem mit Ziegelwerk umgebenen Dekel E. Hierauf wird mit irgend einem tauglichen Brennmateriale Feuer angeschuͤrt, und geheizt. Zuerst geht die in dem Holze enthaltene Feuchtigkeit in Dampfgestalt aus dem Ofen. Aber bald verlieren diese Dampfe ihre Durchscheinenheit und werden rauchig; und nun ist es Zeit, den Verlaͤngerer, oder einen Cylinder mit einer Handhabe an zu sezen. Dieser Verlaͤngerer paßt in eine Roͤhre von derselben Neigung, und faͤngt den Verdichtungs-Apparat an. Die Art dieser Verdichtung ist, nach Umstaͤnden, verschieden. In einigen Fabriken kuͤhlt man bloß durch die Luft, und laͤßt die Dampfe durch eine lange Reihe von Cylindern, Faͤssern oder Gefaͤßen laufen, die genau in einander passen; gewoͤhnlich bedient man sich aber zur Verdichtung des Wassers, wo man dasselbe in reichlicher Menge und leicht sich verschaffen kann. Der einfachste Apparat, den man hiezu waͤhlen kann, besteht aus zwei Cylindern, FF, die einander umhuͤllen, und Raum genug zwischen sich halten, um reichlich Wasser durchstroͤmen zu lassen, und dadurch die Dampfe abzukuͤhlen. Dieser Doppel-Cylinder wird an den Destillir-Apparat unter gleicher Neigung angepaßt; an diesen Apparat kommt ein zweiter, und nicht selten noch ein dritter: alle sind genau von gleicher Form und laufen, um Raum zu gewinnen, in Zig-Zag unter einander hin. Das Wasser wird durch eine sehr sinnreiche, jezt in vielen Fabriken angewendete, Vorrichtung im Kreislaufe erhalten. Aus dem unteren Ende des Apparates G steigt eine senkrechte Roͤhre empor, welche etwas hoͤher seyn muß als alle uͤbrigen Theile. Bei H ist eine kurze gegen den Boden hin abgeneigte Roͤhre angebracht, die als Ausguß, dient. Das Wasser, welches aus einem Behaͤlter kommt, laͤuft durch die senkrechte Roͤhre an den unteren Theil des Apparates hinab, und fuͤllt, nach und nach aufsteigend, den Raum zwischen allen Cylindern aus. Wenn die Maschine im Gange ist, erhoͤhen die Dampfe, so wie sie sich verdichten, die Temperatur des Wassers, welches, dadurch mehr ausgedehnt und leichter werdend, oben bei H heraus tritt. (Kaltes Wasser wird dann wieder durch die Roͤhre G nachgelassen.) Der Verdichtungs-Apparat endet sich in einen von Baksteinen gemauerten Kanal I unter der Erde. Am Ende dieses Kanales ist K eine gekruͤmmte Roͤhre, welche die Fluͤßigkeit in die erste Cisterne leitet, und diese Cisterne entleert sich, wenn sie voll ist, mittelst einer Ausguß-Roͤhre in einen groͤßeren Behaͤlter. Das hiebei entwikelte Gas wird von einer Seite des Kanales durch die Roͤhre LL unter das Aschenloch in den Ofen geleitet. Diese Roͤhre ist mit einem Hahne M versehen, der in einiger Entfernung von der Vorderseite des Ofens angebracht ist, um die Gas-Roͤhre stellen, und nach Belieben die Verbindung mit dem Inneren des Apparates unterbrechen zu koͤnnen. Der Theil der Roͤhre, welcher unter dem Herde befindlich ist, steigt einige Zoll senkrecht aus dem Boden empor, und endet daselbst in einen Knopf, N, der wie die Brause an einer Gießkanne gestaltet ist. Auf diese Weise verbreitet das Gas sich gleichfoͤrmig unter dem Gefaͤße, ohne daß man befuͤrchten duͤrfte, daß die Roͤhre durch Kohlen oder Asche verlegt wuͤrde. Die zur Verkohlung noͤthige Hize bedarf nicht besonders groß zu seyn; gegen das Ende hin muß sie jedoch so verstaͤrkt werden, daß das Gefaͤß roth gluͤhend wird, und die Laͤnge dieser Operation haͤngt nothwendig von der Menge Holzes ab, welches auf einmal verkohlt werden soll. Fuͤr ein Gefaͤß, das ein Demi-DécastéreEin Décastére ist 316,6 Wiener Kubikfuß; ein Demi-Décastére also 158,3 Wien. Kub. Fuß. oder ungefaͤhr 7/10 Wiener Klafter. A. d. Ueb. Holz faßt, reichen 8 Stunden hin. Aus der Farbe der Gas-Flamme erkennt man leicht, wann die Verkohlung vollendet ist. Anfangs ist diese Flamme roͤthlich gelb; dann wird sie blau, weil sie dann mehr Kohlenstoff-Oxid als gekohlstofftes Wasserstoffgas bei sich fuͤhrt; am Ende wird sie vollkommen weiß, wahrscheinlich weil das Gefaͤß dann am heißesten ist, und die Verbrennung fuͤr vollendet angesehen werden kann. Es gibt noch eine andere Methode, die Vollendung dieser Operation zu beurtheilen, auf welche man haͤufiger Ruͤksicht nimmt; man sieht naͤmlich auf das Abkuͤhlen der oberen Theile der Roͤhren, die nicht vom Wasser umgeben sind, und wirft einige Tropfen Wassers darauf: wenn dieses ohne Gezisch verduͤnstet, so haͤlt man die Operation fuͤr lang genug fortgesezt. Der Verlaͤngerer oder Anpasser muß nun vom Kitte befreit und abgenommen, und die Oeffnung alsogleich mit einer Platte von Eisenblech geschlossen, und diese mit Ofenlehm aufgekittet werden. Hierauf wird der Dekel des Ofens mittelst des Krahnes ab- und das Gefaͤß mittelst eben desselben herausgehoben, und alsogleich durch ein anderes bereits vorgerichtetes ersezt. Nachdem das aus dem Ofen gehobene Gefaͤß beinahe ganz erkaltet ist, wird es geoͤffnet, und die Kohle herausgenommen. Ein Demi-Décastére Holz gibt ungefaͤhr 7 1/2 Karren Kohle. Man mag was immer fuͤr eine Holzart anwenden, die Resultate sind in Hinsicht auf die erhaltene Saͤure beinahe dieselben, nicht aber in Hinsicht auf die gewonnene Kohle, welche desto besser wird, je dichter das Holz warDieß ist nicht allgemein guͤltig. A. d. Ueb.. Man hat bemerkt, daß das Holz, welches lange Zeit an der Luft lag, eine schlechtere Kohle liefert als jenes, welches noch in demselben Jahre verkohlt wird, wo man dasselbe geschlagen hat: denn ersteres wird dadurch mehr poroͤs und folglich schlechter, gibt eine Kohle, die leicht bricht, und zu Staub zerfaͤllt. Die auf obige Weise erhaltene brennzelige Holzsaͤure muß nun gereinigt werden, denn sie ist roͤthlich braun, und haͤlt eine Menge brennzeliges Oel und Theer aufgeloͤst, welche beide zu gleicher Zeit mit der Saͤure erzeugt werden. Ein anderer Theil des Produktes erscheint in dem Zustande einer duͤnneren Mischung. Die Saͤure wird von diesen Produkten so bald als moͤglich abgeschieden, was durch bloßes Sezenlassen der schwereren Theile sehr leicht geschieht. Es wurde bereits oben bemerkt, daß der Destillir-Apparat sich in einen unterirdischen Behaͤlter endet, in welchem die Products aller Gefaͤße gesammelt werden. An diesem Behaͤlter ist eine gewoͤhnliche Pumpe angebracht, deren roͤhre bis an den Grund derselben reicht, um den Theer aufzupumpen, welcher in Folge seiner Dichtheit zu Boden sinkt: diese Pumpe wird gelegentlich gezogen. Eine Abzug-Roͤhre ist etwas hoͤher an dem Behaͤlter angebracht, durch welche die hellere Saͤure in einen Ausguß-Brunnen geleitet, und aus diesem durch eine andere Pumpe aufgezogen wird. Die auf diese Weise von dem nicht aufgeloͤsten Theere abgeschiedene brennzelige Holzfaͤule wird aus dem Ausguß-Brunnen in große eiserne Kessel aufgezogen, wo sie entweder mit gebranntem oder ungebranntem Kalk gesaͤttigt wirdVortheilhafter ist es, die essigsaure (holzsaure) Daͤmpfe bei dem Destillations- oder Verkohlungs-Prozeß unmittelbar in Kalk zu leiten. D.. Die Saͤure scheidet waͤhrend dieser Saͤttigung eine neue Menge Theeres aus, welcher mit Schaum-Loͤffeln herausgenommen wird: man erlaubt dann dem Ruͤkstande einige Zeit um sich zu sezen, worauf man die uͤbrig gebliebene Saͤure durch bloßes Abgießen abscheiden kann. Der auf diese Weise erhaltene essigsaure Kalk zeigt, wenn er mit Wasser gewaschen wird, denselben Grad, den die angewendete Saͤure ausweiset. Diese Aufloͤsung wird so lang abgeraucht, bis sie 15° am Araͤometer zeigt, wo dann eine concentrirte Aufloͤsung von schwefelsamer Soda zugesezt wird. Die Saͤuren verwechseln nun ihre Basen; auf der einen Seite bildet sich Gips oder schwefelsaurer Kalk, der zu Boden faͤllt; auf der anderen essigsaure Soda, welche aufgeloͤst bleibt. In einigen Fabriken loͤst man mit Huͤlfe der Waͤrme schwefelsaure Soda in dieser Essigsaͤure auf, und saͤttigt sie spaͤter mit Kalk; auf diese Weise erspart man das Wasser bei Aufloͤsung des schwefelsauren Salzes, und erhalt ohne Abrauchung ein eben so concentrirtes Salz, wie auf die vorige Weise. In jedem Falle laͤßt man aber den Gips vorlaͤufig sich sezen, und gießt dann die helle Fluͤßigkeit sacht ab. Der Niederschlag wird abgewaschen, und das angewendete Wasser zu den folgenden Aussuͤßungen gebraucht. Die aus dieser doppelten Zersezung erhaltene essigsaure Soda wird nachher bis auf 27 oder 28° abgeraucht, je nachdem naͤmlich die Jahreszeit ist. Wenn die Aufloͤsung diesen Grad von Concentration erreicht hat, wird sie in weite Krystallisir-Gefaͤße gegossen, und nach drei bis vier Tagen, je nachdem die Gefaͤße groß sind, wird die Mutterlauge abgezogen. Aus dieser ersten Krystallisation erhalt man eine Menge rhomboidaler Prismen, die stark gefaͤrbt sind, breite Flaͤchen und deutlich ausgebildete Kanten haben. Die Mutterlauge wird wiederholt abgeraucht und krystallisirt, und wenn keine Krystalle mehr anschießen, wird sie bis zur Trokenheit abgeraucht und in kohlensaure Soda verwandelt. Um leere Versuche zu vermeiden (die immer nachteilig sind, sowohl wegen des Zeitverlustes, den sie verursachen, als wegen der unsicheren Resultate, die sie nur zu haͤufig gewaͤhren), ist es gut, wenn man vorlaͤufig das Verhaͤltniß genau berechnet, das zur wechselseitigen Zersezung nothwendig ist: dieß ist aber nur dann unerlaͤßlich noͤthig, wenn entweder die Saͤure oder das schwefelsaure Salz geaͤndert wird. Wenn zwei Salze von demselben Saͤttigungs-Grade faͤhig sind, sich wechselweise zu zersezen, so darf keines von beiden vorwaltend, und die Menge der wirklichen Saͤure muß in beiden dieselbe seyn. Diese wirkliche Menge der Saͤure sieht aber im Verhaͤltnisse mit dem absoluten Gewichte dieser Saͤure und mit der Saͤttigungs-Faͤhigkeit derselben, das heißt mit dem Saͤure messenden Grade, welcher als das Product des absoluten Gewichtes multiplicirt mit diesem Grade dargestellt werden kann. Wenn nun vor der Saͤttigung der Essigsaͤure der Grad derselben auf dem Saͤure-Messer bestimmt wurde, wird dieser mit der Zahl der Kilogramme, welche man anzuwenden gedenkt, multiplicirt, und das erhaltene Produkt ist die wirklich in der ganzen Menge enthaltene Saͤure, die in essigsauren Kalk zu verwandeln ist. Eben so bestimmt man den Grad der Saͤure, der in dem schwefelsauren Salze enthalten ist, und hierauf theilt man die Zahl, welche die wirklich vorhandene Essigsaͤure ausdruͤkt, mit der Zahl, welche den Grad des schwefelsauren Salzes bezeichnet; der Quotient druͤkt die Zahl der Kilogramme von schwefelsaurer Soda aus, welche zur Zersezung noͤthig sind. Man seze z.B. 1500 Litres Essigsaͤure von 8°, so ist die Menge der in denselben wirklich vorhandenen Essigsaure = 12,000, das Produkt obiger beiden Zahlen. Man seze ferner, daß das angewendete schwefelsaure Salz 30° zeige, und finde die Zahl, welche, mit 30 multiplicirt, 12,000 gibt, d.h. man theile 12,000 durch 30, so werden demnach 400 Kilogramme schwefelsauren Salzes von 30° am Saͤure-Messer den essigsauren Kalk vollkommen zersezen, der aus der Saͤttigung von 1500 Litres Essigsaͤure von 8° am Saͤure-Messer entsteht. Es bleibt nun nur noch uͤbrig zu zeigen, wie man den Grad des schwefelsauren Salzes erkennt, und dieß geschieht auf eine sehr einfache Weise. Man loͤst eine gewiße Mengt dieses schwefelsauren Salzes in destillirtem Wasser auf, und sezt der Aufloͤsung eine etwas geringere Menge von salzsaurer Baryt-Aufloͤsung zu, und saͤuert dieselbe zugleich mit etwas weniger Salpetersaͤure. Hierauf wird diese Mischung filtrirt, der schwefelsaure Ruͤkstand auf dem Filtrum mit destillirtem Wasser ausgesuͤßt, getroknet und endlich gewogen. Da nun die Zusammensezung des schwefelsauren Barytes genau bekannt ist, so wird hiedurch die Menge Schwefelsaͤure, welche in dem untersuchten Theile schwefelsaurer Soda enthalten ist, leicht abgeleitet, und folglich auch der Grad am Saͤure-Messer, den diese Menge ausdruͤckt: wobei nicht zu vergessen ist, daß im schwefelsauren Baryte die Saͤure wasserfrei, und folglich ein Fuͤnftel ihres Gewichtes an Wasser zugegeben werden muß, um sie auf 66° Beaumé, oder auf den angenommenen Normal-Punct zu bringen. Wir duͤrfen hier nicht ermangeln zu bemerken, daß, ungeachtet aller Vorsorge, bei dieser doppelten Zersezung eine bedeutende Menge schwefelsaurer Soda und Essigsaͤure immer gaͤnzlich verloren gehen wirdWenn sorgfaͤltig gearbeitet wird, dann verliert man nur 8 Prozent schwefelsaures Soda. Hat man die Holzsaͤure vorher uͤber etwas Kohle destillirt, dann verliert man 1/5tel Saͤure, bei Anwendung der rohen Saͤure 1/3tel Essigsaͤure. D.. Ist es nicht wahrscheinlich, daß hier, wie bei den Salzpfannen, ein unaufloͤsbares dreifaches Salz aus Schwefelsaͤure, Kalk und Soda sich bildet? Wenn dieses waͤre, so koͤnnte man sich diesen Abgang leicht erklaͤren. Es ist bisher nicht moͤglich, alle diese Zwischen-Verbindungen zu umgehen, wenn man die Essigsaͤure von den brennzeligen Producten, die ihre Bildung begleiten, befreien will. Der Chemiker, welcher ein Mittel finden wuͤrde, wodurch man sich dieselben ersparen koͤnnte, wuͤrde sicherlich hohen Vortheil davon ziehen koͤnnen. Man sollte glauben, daß es hinreichend waͤre, die brennzelige Holzsaͤure mit Kalk zu verbinden, und den essigsauren Kalk zu calciniren, um alles brennzelige Oel zu zerstoͤren, und hierauf durch directe Einwirkung der Schwefelsaͤure reine Essigsaͤure zu erhalten, allem, so sorgfaͤltig man auch hiebe!, und vorzuͤglich bei der Calcination, verfahren mag, so gibt der essigsaure Kalk doch niemals gute Essigsaure. Ja man hat sogar behauptet, daß die aus dem reinsten essigsauren Kalke wieder dargestellte Essigsaͤure (aus essigsaurem Kalke, der mit der reinsten Essigsaͤure bereitet wurde) weit hinter derjenigen zuruͤkbleibt, die man zur Bildung des essigsauren Kalkes angewendet hat. So viel ist gewiß, daß bis jezt kein Chemiker der essigsauren Soda entbehren konnte. Mehrere haben versucht, dieses Salz durch Saͤttigung der Essigsaͤure mit roher Soda zu erhalten: der hoͤhere Preis der reineren wird indessen durch Zeit- und Kohlen-Ersparung reichlich ersezt. Ueberdieß entsteht bei Anwendung der rohen Soda auch noch der Nachtheil, daß waͤhrend der Saͤttigung derselben ein abscheulicher Gestank entsteht, in dem eine Menge geschwefelten Wasserstoffes aus dem Schwefel entwikelt wird, welcher in der rohen Soda enthalten ist. Die essigsaure Soda laͤßt sich leicht durch Krystallisation und Roͤstung reinigen. Diese lezte Operation befreit sie, wenn sie gehoͤrig durchgefuͤhrt wird, vollkommen von allen zuruͤkbleibenden Theer-Theilen, welche sie allenfalls noch enthalten mag. Diese Roͤstung, die man in den franzoͤsischen Fabriken fritte nennt, fodert viele Aufmerksamkeit und Geschiklichkeit: sie geschieht gewoͤhnlich in Kesseln von Gußeisen. Waͤhrend ihrer ganzen Dauer (400 Kilogramme fodern gewoͤhnlich 24 Stunden) muß diese essigsaure Soda bestaͤndig mit einer Kruͤke umgeruͤhrt werden, und man muß sich sehr in Acht nehmen, daß die Hize nie so hoch steigt, daß das essigsaure Salz durch dieselbe zersezt werden koͤnnte, sondern uͤberall gleichfoͤrmig und gehoͤrig fortwirkt: wenn das kleinste Theilchen der Masse anfaͤngt sich zu zersezen, so schreitet diese Zersezung mit solcher Raschheit durch die ganze Masse fort, daß sie nur mit der aͤußersten Muͤhe noch aufgehalten werden kann. Nie darf die Hize so groß werden, daß das essigsaure Salz zu rauchen anfaͤngt. So bald die ganze Masse schoͤn geflossen ist, hoͤrt die Entwikelung von Blaͤschen auf, und die Operation ist vollendetDurch dieses Roͤsten verliert man bei angewendeter destillirter Saͤure die Haͤlfte und bei Anwendung roher Saͤure ein 3/4tel der angewendeten Saͤure. Die Anwendung der lezteren ist jedoch mehr oͤkonomisch. D.. Man laͤßt dann die Masse abkuͤhlen und sich aufloͤsen, oder vielleicht ist es noch besser, sie in Faͤsser zu werfen, welche mit Wasser gefuͤllt sind. Bei diesem lezteren Verfahren entsteht jedoch eine solche Detonation, daß, um alles Ungluͤk zu vermeiden, die Faͤsser in die Erde eingesenkt, und mit starken Brettern wohl befestigt werden muͤßen. Nachdem dieses essigsaure Salz aufgeloͤst wuͤrde, muß das kohlige Wesen, welches durch Zerstoͤrung des Theeres entstand, abgeschieden werden, und hiebei erzeugen sich einige Schwierigkeiten, indem dieser Ruͤkstand meistens aus so kleinen und allgemein verbreiteten Theilchen besteht, daß die die Fluͤßigkeit im Durchgange durch das Filtrum hindernDieses, wird durch Filtrir-Apparate, denen die Fluͤßigkeit durch eine hohe Saͤule, wie beider Real'schen Preße, zugefuͤhrt wird, sehe erleichtert. D.. Die Leichtigkeit dieser Theilchen macht ihre Abscheidung durch Abgießen unmoͤglich, wenn die Fluͤßigkeit hoͤher als 15° am Saͤure-Messer ist: sonst aber koͤnnen sie leichter davon geschieden werden. Durch neue Abrauchung erhaͤlt man ein vollkommen reines Salz, und in diesem Zustande von Reinheit wird dann die Essigsaͤure durch Zersezung mittelst Schwefelsaͤure aus demselben abgeschieden. Diese texte Operation, so einfach sie scheint, fodert viele Vorsicht und Erfahrung. Die krystallisirte essigsaure Soda muß gepuͤlvert in einen Siedekessel gebracht, und sodann die zur Zersezung der ganzen angewendeten Menge derselben noͤthige Schwefelsaͤure zugesezt werden. Man laͤßt beide eine hinlaͤngliche Zeit uͤber bei einander; allmaͤhlich verlaͤßt die Essigsaͤure ihre Verbindung, und steigt an die Oberflaͤche. Der groͤßte Theil der nun erzeugten schwefelsauren Soda sezt sich als Pulver oder in kleinen Krystallen ab, waͤhrend ein anderer Theil derselben in der Fluͤßigkeit aufgeloͤst zuruͤk bleibt Die Essigsaͤure wird nur durch Destillation von der schwefelsauren Soda abgeschieden, und erhaͤlt auf diese Weise einen eben so feinen Geschmak als Geruch; gegen das Ende der Destillation wird, sie aber etwas brennzelig und etwas entfaͤrbt, so daß es nothwendig wird, dasjenige, was zulezt uͤberging, von dem, was man zuerst erhielt, abzusondern. Die Essigsaͤure, die man bei Tische gebraucht, muß in einer Blase destillirt werden, deren Helm und Verdichtungs-Roͤhren von Silber sind. Die auf diese Weise erhaltene Saͤure zeigt gewoͤhnlich 40° am Araͤometer fuͤr Sauren. Will man dieselbe jedoch in einem sehr concentrirten Zustande, so maß derselben kochsalzsaurer Kalk in reichlicher Menge zugesezt, und sie dann neuerdings destillirt werden. Diese sehr concentrirte Essigsaͤure wird hierauf dem Froste ausgesezt, wo der staͤrkste Theil derselben krystallisirt. Die Fluͤßigkeit wird abgegossen, die Krystalle werden bei einer Temperatur von 15 bis 20° zerlassen, und diese Operation so lang wiederholt, bis die Saͤure ohne allen Ruͤkstand bei einer Temperatur von 12 bis 13° friert: dann hat sie ihr Maximum erreicht, und zeigt an dem Araͤometer fuͤr SaͤurenSaͤnren 88 bis 90°. Die wasserfreie Essigsaͤure hat 100°, d.i. auf demselben Grade, auf welchem 66 graͤdige Schwefelsaͤure sich befindet. Wir wollen diesen Artikel mit einer Bemerkung uͤber die Zersezung der essigsauren Soda durch Schwefelsaͤure beschließen. Wenn man die Schwefelsaͤure zu sacht zusezt, so werden sich bei dieser Operation viele Schwierigkeiten zeigen; denn die außerordentliche Hize, welche sich dabei entwikelt, reißt eine solche Menge Essigsaͤure mit sich fort, daß die Arbeiter davon laufen muͤßen. Dieser Nachtheil kann dadurch durch vermieden werden, daß man alle Schwefelsaͤure auf einmal zugießt; sie geht dann auf den Boden des Gefaͤßes hinab, und zersezt nur jene Theile, mit welchen sie in Beruͤhrung kommt: die hiebei entwikelte Hize wird daher nothwendig in einem weiten Raͤume vertheilt, und aͤußert kaum eine, fuͤhlbare Wirkung. Wenn die Schwefelsaͤure eine Art von Trichter oder einen kleinen Krater bildet, so schiebt der Arbeiter mit der Kruͤke ein Stuͤk essigsaure Soda um das andere in denselben, und die Zersezung geht allmaͤhlich fort. Die ersten Ideen zu dem angegebenen Verfahren dankt man dem Erfinder der Thermo-Lampe, dem Franzosen, Lebon. Der erste Apparat dieser Art ward zu Havre in der Absicht errichtet, Gas fuͤr den Leuchtthurm und Theer fuͤr die Flotte zu erhalten. Da aber der Erfolg nicht vollkommen entspracht mußte Lebon das Unternehmen aufgeben, und er errichtete eine Holzsaͤure-Fabrik zu Versailles in der Naͤhe der Wasserleitung von Marly: das entwikelte Gas wird zur Heizung der Gefaͤße gebraucht, die im Umtriebe stehen. Seit dieser Zeit haben die Gebruͤder Mollerat, die HHn. Kurz, Payen, Bobée, Lemercier u.a. aͤhnliche Anstalten errichtet, und große Summen verwendet um bessere Produkte zu erzeugen. Indessen bleibt hier noch viel zu leisten uͤbrig, und fruͤher oder spaͤter wird man zu den wohlthaͤtigsten Resultaten gelangenUeber die weitere Verwendung der rohen und gereinigten Holzsaͤure, erstere als antiseptisches Mittel und zur Erzeugung mehrerer Praͤparate, leztere zur Erzeugung des essigsauren Blei's (Bleiezuker) werden wir in der Folge zuruͤkkommen. D.. Hr. Gill theilt in demselben Hefte aus derselben Quelle (dem Dictionn. Technologique) Baron Gedda's (in Stokholm) Verdichter mit, dessen man sich, wenn er hinlaͤnglich groß gemacht wird, eben so gut zu diesem Zweke bedienen kann, als man sich desselben, wegen der Leichtigkeit mit welcher man die Roͤhren reinigen kann, mit Vortheil zur Bereitung der parfuͤmirten Wasser, vorzuͤglich des koͤllnischen Wassers u. d. gl., bedient. Fig. 14 Tab. VI stellt Baron Gedda's Verdichter dar. Die drei Roͤhren AB, CD, EF sind walzenfoͤrmig, ungefaͤhr 3 Fuß 3 Zoll lang, und, wie die Figur zeigt, an einander geloͤthet; sie stehen in ununterbrochener Verbindung mit einander. Die roͤhre AB muß etwas weiter seyn, als der Schnabel der Blase, um denselben aufnehmen, und gehoͤrig verkittet werden zu koͤnnen. An dem anderen Ende B ist sie mit dem Ende D der Roͤhre CD zusammengeloͤthet, und diese beiden Theile sind an eine kurze kupferne Roͤhre G geloͤthet, welche in eine maͤnnliche Schraube endet. Diese roͤhre wird mit einer Kappe H geschlossen, welche in ihrer Hoͤhlung eine weibliche Schraube fuͤhrt, die genau auf die maͤnnliche von G paßt, und auf diese Weise die beiden Roͤhren mit einem Male hermetisch schließt. Auf aͤhnliche Weise sind die Roͤhren CD und EF mit einander verbunden. Dieser Apparat ist an den Puncten A, G, J, F in das Metall-Gefaͤß L, M geloͤthet, welches an seinem unteren Theile mit kaltem Wasser gefuͤllt ist, das waͤhrend der Destillation erneut werden kann. Die Daͤmpfe treten nun in die Roͤhre AB, und verdichten sich in derselben; die gebildete Fluͤßigkeit zieht langsam in die Roͤhre CD, und von da in die Roͤhre EF. Da sie in steter Beruͤhrung mit kaltem Wasser ist, so erreicht sie bald die Temperatur der Atmosphaͤre, und fließt bei der Oeffnung F heraus. Sollte man besorgen, daß dieser Apparat nicht lang genug ist, die Daͤmpfe gaͤnzlich zu verdichten, so koͤnnen noch ein paar Roͤhren auf obige Weise angebracht werden. Es ist nicht noͤthig, daß das Gefaͤß LM sehr groß ist; denn nimmt man die Roͤhre AB zu 3 Zoll im Durchmesser an, so ist, da das Wasser immer erneut werden kann, dieß Weite genug. Diese Einrichtung der Roͤhren gewahrt den Vortheil, dieselben mit der hoͤchsten Leichtigkeit reinigen zu koͤnnen. Man schraubt naͤmlich die Kappen H und J ab, faͤhrt mit einer Stielbuͤrste durch, laͤßt Wasser in dieselben, und reibt die innere Flache rein. An einem bequemen Orte ist unten an dem Gefaͤße LM ein Hahn angebracht, um das Wasser zu entleerenDieser Kuͤhl-Apparat wird auch bei den gewoͤhnlichen Branntwein-Brennereien mit Vortheil angewendet. A. d. Ueb..

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