Titel: Ueber Cultur der Ranunkeln und Anemonen. Von dem hochw. Hrn. Wilh. Williamson etc.
Fundstelle: Band 10, Jahrgang 1823, Nr. LIX., S. 339
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LIX. Ueber Cultur der Ranunkeln und Anemonen. Von dem hochw. Hrn. Wilh. Williamson etc. Aus den Transactions of the London Horticultural Society. IV. B. 1822. in Gill's technical Repository. November 1822. Im Auszuge uͤberseztVielleicht wissen diejenigen unserer Leser, die uns tadeln, daß wir Garten-Cultur so sehr beruͤksichtigen, nicht, daß schon vor beinahe 300 Jahren eine einzige Wurzel einer schoͤnen Anemone in Holland um 300 Goldgulden verkauft wurde, und daß auf dem Blumenmarkte zu London oft an einem Tage 12–20,000 fl. verkehrt werden. A. d. Ueb.. Williamson über Cultur der Ranunkeln und Anemonen. Ranunkeln und Anemonen fodern beinahe dieselbe Wartung und Pflege; indessen gelten folgende Beobachtungen vorzuͤglich von den Ranunkeln. Gewoͤhnlich waͤhlt man, um diese Pflanzen stark und groß bluͤhen zu machen, einen sehr fruchtbaren Boden; allein dieser wird eben dadurch, daß man ihn so sehr fruchtbar macht, so leicht, daß man dadurch seine Wirkung bei diesen Blumen verfehlt. Man kann bekanntlich nie mit Sicherheit mehrere Jahre nach einander auf schoͤne Blumen bei diesen Pflanzen aus einer und derselben Wurzel rechnen: denn sie sind keine Zwiebel, und brauchen, wie alle Gewaͤchse mit faserigen Wurzeln, wenn ihre Blumen stark werden sollen, zur Zeit der Bluͤthe starken Antrieb. Man glaubt ferner allgemein, daß die Wurzeln der Anemonen und Ranunkeln durchaus keinen Frost ertragen koͤnnen, und pflanzt sie daher so spaͤt im Fruͤhlinge, daß sie weder die in den ersten Perioden ihres Wachsthumes so noͤthige Feuchtigkeit, noch selbst Zeit genug finden koͤnnen, eine hinlaͤngliche Menge von Blaͤttern zu treiben, die den Wurzeln Staͤrke genug geben koͤnnte, ehe die trokenen Fruͤhlings-Winde kommen, die die Erde so schnell ausdoͤrren. Wenn aber Wurzeln in den ersten Perioden ihres Wachsthumes verkuͤmmern muͤssen, koͤnnen die Blumen der naͤchsten Bluͤthezeit nicht groß und schoͤn werden, und es werden oft zwei und drei Jahre vergehen, ehe die Blumen ihre ganze Vollkommenheit erreichen. Die Wurzeln dieser Pflanzen fodern nicht bloß einen fruchtbaren, sondern zugleich einen festen Boden, und ein Gemenge aus festem bindenden Lehmen, und einem Viertel guten verfaulten Duͤnger scheint fuͤr sie die beßte Erdmischung: wenn aber der Gartengrund ohne dieß lehmig ist, so ist der Duͤnger uͤberfluͤßig. Im Garten des Hrn. Williamson ist die Erde ein fruchtbarer lichtbrauner Lehmboden, der bis auf 2 Fuß in die Tiefe anhaͤlt, und Ziegelerde als Unterlage hat. Der Grund wird im Oktober scharf, aber nicht tief umgegraben, so daß die Unterlage durchaus nicht beruͤhrt wird. Wenn die Wurzeln in einen solchen Boden gepflanzt werden, durchdringen sie denselben bald mit ihren Fasern, ziehen die Feuchtigkeit desselben an sich, und bluͤhen freudig. Da Hr. Williamson haͤufig die Wurzeln dieser Pflanzen mehrere Jahre lang in demselben Boden baut, so wird dann endlich Duͤnger noͤthig; der Boden muß aber tiefer, und so fruͤhe als moͤglich umgegraben werden, damit er sich schließen und fest werden kann, ehe die Wurzeln eingepflanzt werden, und der Duͤnger sich mit der Erde vorher gehoͤrig vereinigt. In England gilt die Regel, daß selten ein zweiter Winter von einiger Dauer oder Strenge nachkommtEine Regel, auf welche wir im suͤdlichen Deutschland nicht bauen duͤrfen. A. d. Ueb.; man pflegt daher die Wurzeln unmittelbar nach dem Ende des ersten Winters zu legen. Hr. Williamson legt sie nie spaͤter, als bis zum 10. Februar. Ehe die Blaͤtter zum Vorscheine kommen, laͤßt er das Beet mit der hollaͤndischen Haue behauen, theils um das Unkraut zu entfernen, theils um die oberste Deke des Beetes immer loker zu halten, was fuͤr diese Pflanzen so sehr zutraͤglich ist: nach dem Erscheinen der Blaͤtter laͤßt er sie mit der Hand-Haue zwischen den Reihen behauen. Nach den Erfahrungen des Hrn. Verfassers leiden die Wurzeln der Anemonen und Ranunkeln nicht sehr vom Froste. Sie ertragen, wo der Boden nicht von Natur aus naß ist, einen ziemlichen Grad von Kaͤlte. Er hatte im lezten Fruͤhjahre an mehreren Tausenden die Erfahrung gemacht, daß sie, ohne Verlust einer einzigen Pflanze, eine Kaͤlte von 11° unter dem Eispuncte (also – 6° R.) auszuhalten vermoͤgen. Dieser Frost war jedoch mit Haarfrost begleitet, der weniger gefaͤhrlich ist, als trokene Kaͤlte, wenn diese auch niedriger waͤre. Der groͤßte Theil dieser Wurzeln war Saͤmlinge, die der Kaͤlte besser zu widerstehen vermoͤgen, als die alten Sorten: sie waren alle unbedekt, und von mehreren konnte man sogar die Krone sehen. Die Wurzeln gehen nicht so sehr im Winter, als am Ende des Fruͤhlinges, nach den Fruͤhlings-Regen, zu Grunde. Es scheint also, daß, wenn man sie im Winter und im Fruͤhlinge waͤhrend anhaltender Regen, mit Segeltuch bedeken wuͤrde, sie immer im Freien aushalten wuͤrden: doch dieß ist bloße Vermuthung, die einen Versuch um so mehr verdient, als Blumen und Wurzeln zugleich dadurch an Groͤße, Schoͤnheit und fruͤherer Bluͤthe gewinnen wuͤrden. Was das Ausnehmen der Wurzeln betrifft, so weicht Herr Williamson hier wieder von der allgemein angenommenen Meinung ab, und glaubt, daß man sie nach der Bluͤthe zu lang im Boden laͤßt. Man soll, meint er, wenn der Saft des heurigen Jahres Nahrung fuͤr die Blaͤtter und Blumen des kuͤnftigen Jahres gibt, den Saft so viel moͤglich in der Wurzel sich anhaͤufen lassen; man muß also, meint er, die Wurzeln ausnehmen, ehe die Blaͤtter wechseln, damit der Saft der Blaͤtter in den Wurzeln bleibt, und nicht durch die Wurzelfasern in die Erde tritt. Der Reinlichkeit wegen wascht er die Wurzeln, obschon dieß nicht unmittelbar noͤthig ist, breitet sie in einem luftigen Zimmer auf dem Boden aus, wo sie allmaͤhlich getroknet werden, sortirt sie hierauf, und bewahrt sie bis zur kuͤnftigen Legezeit. Man vermehrt diese Pflanzen durch Samen, durch Auslaͤufer oder durch Zerschneiden der Wurzeln. Neue Spielarten koͤnnen allein durch Samen erhalten werten. Bekanntlich bringen Samen von Blumen, welche bereits halbgefuͤllt sind, ehe halb- oder ganzgefuͤllte Blumen hervor, als Samen von einfachen Blumen. Man muß sich daher vor Allem Wurzeln mit halbgefuͤllten Blumen verschaffen; denn von ganz gefuͤllten Blumen erhaͤlt man keine Samen, da die Staubgefaͤße zu Blumenblaͤttern geworden sind. Die vielen Klagen uͤber das nicht Aufgehen der Samen schreibt der Hr. Verf. der fehlerhaften Behandlung derselben zu, und raͤth folgendes Verfahren. Die Samen muͤßen, der noͤthigen Feuchtigkeit wegen, und da sie gewoͤhnlich sechs bis acht Wochen lang in der Erde liegen bleiben, ehe sie keimen, fruͤhe gesaͤet werden; vom September bis Ende Jaͤners: wenn der Winter mild ist, so ist die Herbstsaat viel besser als die im Fruͤhlinge, und daher baut der Hr. Verf. die eine Haͤlfte seiner Samen im Herbste, so daß sie bis November hin aufgehen, die andere so fruͤhe als moͤglich im Jaͤner: die leztere dieser Saaten gelingt meistens, aber die Wurzeln bleiben kleiner. Die Samen duͤrfen ja nicht zu tief gesaͤet werden; die leichteste Bedekung reicht hin. So lang die Pflaͤnzchen im Wachsen sind, muͤßen sie sorgfaͤltig, und zwar durch Jaͤten, vom Unkraute gereinigt werden. Bei'm Abfallen der Blaͤtter, Anfangs Junius, muß der Grund in hinlaͤnglicher Tiefe vollkommen gereinigt, und die Erde, nachdem die Wurzeln ausgezogen wurden, durchgesiebt werden, damit man keine Wurzeln verliert: denn gewoͤhnlich bringen die kleinsten Wurzeln die schoͤnsten Blumen. Auf diese Weise zieht Hr. Williamson jaͤhrlich viele Tausende, und bei steter Auswahl des beßten Samens hat er unter vielen Tausenden aus Samen gezogenen Pflanzen im lezten Jahre nur eine einzige einfache Blume erhalten, aber gar sehr viele vollkommen gefuͤllte. Er haͤlt die halbgefuͤllten gewoͤhnlich mehrere Jahre lang, indem sie sich vor zwei drei Jahren nicht wuͤrdigen lassen, und durch geschikte Wartung oͤfters spaͤter vollkommen gefuͤllt werden, wenn sie auch Anfangs nur halbgefuͤllt waren. Diese Blumen fuͤllen sich auf doppelte Weise: einmal durch Vervielfaͤltigung ihrer Blumenblaͤtter; so erhaͤlt man sie sehr oft aus dem Samen, und sie aͤndern in der Folge nie ab; zweitens, durch Verwandlung der Staubgefaͤße in Blumenblaͤtter, was nur durch geschikte Wartung erzielt werden kann. In diesem Falle ist die Farbe der inneren Blumenblaͤtter immer die Farbe der Staubgefaͤße, welche von jener der eigentlichen Blumenblaͤtter verschieden ist. So entstehen die herrlichen hollaͤndischen Anemonen, die indessen, wo man sie nicht sehr aufmerksam behandelt, wieder in ihren urspruͤnglichen Zustand zuruͤkkehren. Die Vermehrung durch Auslaͤufer ist bekannt genug, und wird vorzuͤglich zur Fortpflanzung ausgesuchter Sorten verwendet. Eine weniger bekannte Fortpflanzungs-Methode ist die durch Zerschneiden der Wurzeln, deren man sich vorzuͤglich zur Erhaltung einer aus Samen gezogenen Sorte bedient, von welcher man nur eine Sorte besizt. Wenn man die Krone der Wurzeln der Ranunkeln aufmerksam betrachtet, so wird man mehrere kleine Hervorragungen an denselben finden, deren jede ein Schoß treibt. Die Wurzel kann also mittelst eines scharfen Messers in so viele Theile zerschnitten werden, als Hervorragungen an der Wurzel sich zeigen, wodurch folglich die Gefahr, die Sorte zu verlieren, vermindert wird. Diese Wurzel-Schnittlinge bluͤhen im ersten Jahre nicht, geben aber eine vollkommene Wurzel, die im folgenden Jahre bluͤhen wird. Um aus urspruͤnglich einfachen Anemonen gefuͤllte Blumen zu erhalten, saͤete Hr. Williamson mehrere Jahre lang vergebens Samen einfacher Anemone coronaria; es waͤhrte aber Jahre, bis er auch nur die mindeste Anlage zur Vermehrung der Blumenblaͤtter bemerkte; endlich hatten einige ein Blumenblatt mehr als gewoͤhnlich. Von diesen nahm er nun die Samen, baute sie mehrere Jahre lang fort, und erhielt endlich Blumen mit 6 bis 7 Reihen von Blumenblaͤttern. Im Herbste 1818 nahm er 19 Loth gefuͤllte Anemonen Wurzeln, und theilte sie in zwei, dem Gewichte und der Zahl der Wurzeln nach gleiche Theile. Der eine Theil wurde am 10. October 1818 gepflanzt; bei dem Ausnehmen wog er 26 Loth. Die andere Haͤlfte wurde am 10. Februar 1819 gestanzt; bei dem Ausnehmen wog er 11 Loth: ein Unterschied von 15 Loth zu Gunsten der im Herbste gelegten Wurzeln. Am 28. Jaͤner 1820 nahm er wieder 19 Loth, und erhielt bei'm Ausnehmen im Sommer nur 20 Loth. Er schließt hieraus, daß, abgesehen von der nicht sehr großen Gefahr von Seiten des Frostes, es besser ist, diese Pflanzen im Herbste zu bauen, vorausgesezt, daß der Untergrund nicht Naͤsse haͤlt.