Titel: Ueber Einführung und Vervollkommnung der durch Dampfmaschinen betriebenen Drukerpressen; von Hrn. Séllique, Mechaniker etc.
Fundstelle: Band 16, Jahrgang 1825, Nr. II., S. 8
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II. Ueber Einführung und Vervollkommnung der durch Dampfmaschinen betriebenen Drukerpressen; von Hrn. Séllique, Mechaniker etc. Aus dem Bulletin de la Société d' Encouragement pour l'Industrie nationale. N. 240. S. 157.Hr. Séllique erhielt dafuͤr den ausgesezten Preis von 2000 Franken. Baiern verdankt einem seiner achtbarsten Guͤterbesizer, dem Freyherrn von Cottendorf, gleichzeitig mit Frankreich, das sonst immer vor Deutschland voraus war, eine Dampfmaschinen-Drukerei zu Augsburg. Hr. von Cottendorf that als Privatmann, was in Frankreich nur eine ganze Gesellschaft zu Stande brachte. A. d. Ueb. Mit Abbildungen auf Tab. II. Séllique, über Einführung und Vervollkommnung der durch Dampfmaschinen betriebenen Drukerpressen. Die bisher in Frankreich (und auch in Deutschland) gewoͤhnlichen Drukerpressen wurden nur durch Menschenarme betrieben; nothwendig mußte daher der Druk derselben an Staͤrke, wie an Zahl der Blaͤtter, ungleich, und zwar nach dem Maße der Geschiklichkeit, Behaͤndigkeit und Kraft der Arbeiter, verschieden ausfallen. Fuͤr den bisherigen geistigen Bedarf reichten diese Pressen hin; gegenwaͤrtig sind sie in wissenschaftlicher, wie in technischer und politischer Hinsicht unzureichend geworden; man mußte schneller, und nicht theurer, druken lernen. Die Aufgabe war schwer; sie wurde durch die Dampfmaschine geloͤst; die Ehre hiervon gebuͤhrt den Englaͤndern, die zuerst die Dampfmaschine mit Erfolg auf die Drukerei anwendeten. Die Socièté d'Encouragement wollte die Franzosen nicht hinter ihren Nachbarn zuruͤkbleiben lassen; auch sie sollten des Vortheiles der Anwendung der Dampfmaschine auf die Drukerpresse sich erfreuen. Hr. Séllique, dem Wunsche der Gesellschaft entsprechend, legte derselben eine Drukerpresse vor, die durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesezt wurde, und auf welche er am 6ten October 1821 ein Einfuͤhrungs- und Vervollkommnungs-Patent sich geben ließ. Die englische Maschine bedrukt ein Blatt nur auf einer Seite, da sie nur eine Form hat; man muß dieses Blatt auf eine zweite Maschine bringen, um dasselbe auf der anderen Seite zu bedruken, was doppelte Arbeit beim Auflegen und bei der Abnahme des Blattes nothwendig macht. Hr. Séllique hat diese doppelte Arbeit vermieden, durch welche bedeutend viel Zeit verloren geht. Seine Maschine drukt, mittelst einer zweiten Trommel, uͤber welche das Blatt laͤuft, nachdem es auf die erste gelegt wurde, auf beiden Seiten, und da diese beiden Trommeln zugleich, und in entgegengesezter Richtung, sich drehen, geschieht der Druk auf beiden Seiten beinahe eben so schnell, als er auf einer allein geschieht. Die Schwaͤrze wird in vollkommenster Gleichfoͤrmigkeit durch dieselbe Bewegung auf den beiden Trommeln vertheilt, und das auf beiden Seiten bedrukte Blatt loͤst sich von selbst zwischen den beiden Trommeln, und breitet sich auf dem zu seiner Aufnahme bestimmten Theile der Maschine aus, so daß zum Auftragen der Schwarze, zum Abnehmen des bedrukten Blattes und zum Auflegen des zu bedrukenden man weder den Gang der Maschine zuruͤk noch aufzuhalten braucht. Hieraus ergeben sich die Vortheile der Maschine des Hrn. Séllique vor der englischen, und um so mehr vor der gemeinen Drukerpresse; sie liefert, in derselben Zeit, wenigstens drei Mahl so viel Abdruͤke, als die lezteren. Eine einzige Dampfmaschine kann mehrere Drukerpressen in Bewegung sezen: die Zahl der lezteren haͤngt lediglich von der Staͤrke der Maschine ab, die des Hrn. Séllique treibt gegenwaͤrtig 6 Pressen. Die bedeutende Ersparung bei Anwendung dieser Maschine geht, 1tens: aus der Verminderung des anzuwendenden Sazes, 2tens: aus der Vermehrung der Exemplare in einer gegebenen Zeit, 3tens: aus der Verminderung der Zahl der Arme an den Pressen hervor. Erklaͤrung der Bestandteile der neuen Drukerpresse im Aus- und Grundrisse. Fig. 1 und 2. auf Tab. II. A, Basis oder Traͤger der Presse. B, Schlitten, der den Marmor und die Druker-Formen traͤgt. C, Bahn oder Falz, in welchem der Schlitten hinlaͤuft, D, Trommel, welche das Blatt zum ersten Druke aufnimmt. D, Trommel, auf welcher das Papier zum zweiten Druke sich aufrollt; E, Stuͤzen, auf welchen die Achsen der beiden Trommeln ruhen. F, andere Stuͤzen in Form eines Galgens, welche die Schwaͤrzwalzen und einen Theil der Walzen des Schnuͤrsystems aufnehmen; G, eiserner Galgen, welcher die Rollen und die Cylinder des Schnuͤr-Systems traͤgt. H, ein anderer Galgen hinter der Trommel D zu demselben Zweke. Mit diesem Galgen ist der Arm eines Hebels, I, verbunden, dessen Mittelpunct der Bewegung in S, ist, und der, wo der Schlitten B auf dem Puncte ist seine ruͤkgaͤngige Bewegung anzufangen, die Trommel D mittelst eines Stuͤkes Eisen, K, hebt, welches die Achse der Trommel umfaßt. L, Pfeiler, welcher die Achsen der Cylinder verbindet, und an seinem oberen Ende das Verbindungs-Mittel zwischen den beiden Trommeln traͤgt. M, Eisenstange, die die Entfernung der Trommeln von den Pfeilern L bestimmt. N, lange Stange, die an jedem ihrer Ende mit einem Winkel-Rade, N', versehen ist, welches auf einer Seite in einen Triebstok O, auf der anderen in den Triebstok O' eingreift. Lezterer treibt ein Rad, O'', welches in die an dem aͤußeren Umfange der Trommel D' befindlichen Zahne eingreift; ein aͤhnliches Getriebe hat bei den Zaͤhnen der Trommel D Statt. P', ist ein doppelter Hebel, der sich auf der Stuͤze H bewegt, und den Flug der Trommel aufhaͤlt. P'', Stuͤk fuͤr den Ergaͤnzungsweg, der zuruͤkgelegt wird, nachdem das Stuͤk P aufgehalten hat. Q, großer doppelter Hebel, der sich um die Puncte rr dreht, und die Trommel hebt, damit sie nicht auf die Lettern druͤkt. Q' Brett, auf welches das Papier gelegt wird, nachdem es den doppelten Druk aufgenommen hat. R, Hebelarm zum Ausheben der Walze, die bei der Ruͤkkehr des Schlittens, welcher die Lettern traͤgt, dem Marmor die Schwaͤrze mittheilt. SS, unmittelbare Schwaͤrz-Walzen. S', Walze, die die Schwaͤrze dem Marmor mittheilt; S'', andere Walze, die die Schwaͤrze, welche sie von dem Marmor nimmt, auf die Lettern traͤgt, T, Schwaͤrzlade. U, Buͤrste zur gleichfoͤrmigen Vertheilung der Schwaͤrze. VV, kleine Walzen des Schnuͤrsystemes zur Leitung des Papieres. XX, Uebertrag-Walzen um das Papier zu halten und zu fuͤhren. YY, Rollen des Schnuͤr-Systemes. ZZ, kleine metallne Rollen, die einen Theil des Uebertragungs-Systemes bilden. a, Stuͤze des Leiters b, welcher das Papier in seinem Laufe auf der Trommel haͤlt. c, Drukhebel der Trommel auf die Lettern. d, Anheftungspunct dieses Hebels. e, gebrochener Hebel des Hebelarmes I, welcher die Trommel hebt. f, Leiter, welcher das Papier an die Trommel D' anhaͤlt. g, Stuͤze des Stuͤkes f und einer der kleinen Walzen Z; h, Stuͤze der beiden anderen Walzen, ZZ. i, excentrische Stuͤke, welche die Trommeln mittelst des Hebels I heben, k, ein Stuͤk, welches eine Schnur fuͤhrt, wodurch die Lage der Rollen geaͤndert wird, um die Schnuͤre zu spannen oder nachzulassen. l, Form, die auf dem Schlitten B aufgesezt ist. m, Marmor auf dem Schlitten, zur Aufnahme der auf der Walze S' aufgetragenen Schwaͤrze bestimmt. o, gebrochene Aufhaͤlter zur Bestimmung der Laͤnge des Laufes der Trommeln. p, Rollen, auf welchen die Ketten, qq, laufen, mittelst welcher man die Schlitten ruͤkwaͤrts oder vorwaͤrts ziehtStatt dieser Ketten braucht man gegenwaͤrtig doppelte Kerbestangen, Fig. 3, in welche ein Triebstok greift. A. d. O.. rr, Mittelpunct der Bewegung des Hebels Q. ss, Mittelpunct der Bewegung des Armes des Hebels I. Alle Stuͤke, welche die zweite Abtheilung der Presse bilden (in der Figur zur Rechten) sind mit accentirten Lettern (lettres primes) bezeichnet. Die Schnuͤre, welche das Papier ergreifen, und dasselbe bis zu seinem Ausgange, Q', leiten, sind mit den Buchstaben, etc, bezeichnet. Die mit uu bezeichneten Schnuͤre halten das Papier bei seiner Uebertragung von einer Trommel auf die andere. Bemerkungen. Eine Dampfmaschine von der Kraft zweier Pferde kann drei Pressen mit doppeltem Saze in Gang bringen. Jede dieser Pressen wird von zwei Personen bedient, wovon die eine das Papier auflegt, die andere dasselbe wegnimmt. Das Minimum der Erzeugung einer jeden Presse ist, wenn die Arbeiter nur etwas daran gewoͤhnt sind, 1200 Exemplare in einer Stunde, und, wenn sie gehoͤrig eingeuͤbt sind, 1500. Vortheile der neuen Presse. Diese Presse drukt auf beiden Seiten mittelst der zwei Trommeln, unter welchen die Blaͤtter sich nach und nach von selbst bedruken in dem Maße, als der Schlitten B, welcher die Lettern traͤgt, von der Kette q gezogen wird. Das Uebertragen der Blaͤtter geschieht mittelst eines Systemes von Schnuͤren tt, welches dieselben von einer Trommel auf die andere fuͤhrt, und aus welchem sie sich entwikeln, und frei auf den Mittelpunct der Presse fallen, wo das Brett Q' zur Aufnahme derselben bereit liegt. Ein Weib oder ein Kind darf nur mit einem Holzspahne die Blaͤtter in dem Maße, als sie herabfallen, und sich uͤbereinander legen, leiten, nachdem sie auf beiden Seiten gehoͤrig bedrukt sind. Dieses Brett faßt 500 bedrukte Blaͤtter oder 1000 Exemplare einer Zeitung, die dann zum Zusammenlegen abgegeben werden koͤnnen, ohne daß es noͤthig waͤre sie vorher in die Hand zu nehmen. Ein einziger Arbeiter reicht zu, um die Blaͤtter auf die erste Trommel D aufzulegen, und hat nichts anderes zu thun, als das Blatt zu nehmen und aufzulegen. Ein Weib oder ein Junge von 15 bis 18 Jahren kann hier eben so gut, wie ein geuͤbter Druker, verwendet werden, indem diese Arbeit, die nichts wie Aufmerksamkeit fordert, keine besonderen Kenntnisse noͤthig macht. Die Person, die mit dem Auflegen der Blaͤtter beschaͤftigt ist, kann, wenn sie noch nicht gewohnt ist mit Papier umzugehen, in einer Stunde ungefaͤhr 600 Blaͤtter durchlaufen lassen; bei einiger Uebung wird sie dieß bald mit 7 bis 800 koͤnnen, indem die Bewegung der Maschine in Bezug auf Schnelligkeit alles zu leisten vermag, was man von der Geschiklichkeit eines geuͤbten Arbeiters im Auflegen und Abnehmen der Blaͤtter erwarten kann. Da jedes Blatt zwei Exemplare Zeitung gibt; so kann die Presse folglich 12 bis 1500 Exemplare in einer Stunde druken. Die Presse drukt mit doppeltem Saze, folglich kann an einer Zeitschrift, die starken Abgang hat, und zu welcher man einen drei- oder vierfachen Saz braucht, Ein Saz, oder selbst zwei erspart werden. Man kann auch nur mit einem Saze druken, wenn man die Breite der Trommeln vermindert, ohne daß man irgend etwas an dem Mechanismus der Presse zu veraͤndern haͤtte; in diesem Falle wird man aber, statt 12 bis 1500 Exemplare in einer Stunde zu liefern, nur 6 bis 700 liefern koͤnnen, und man wird dabei eben so viel. Brenn-Material verbrauchen, wie wenn man das Doppelte erzeugen wuͤrde, und eben so viele Haͤnde zur Bedienung noͤthig haben. Man schaͤzt die Menge Steinkohlen, die man zu einer 10 bis 12stuͤndigen Arbeit noͤthig hat, auf 60 Kilogramme: diese Menge ist aber nach der verschiedenen Guͤte der Steinkohlen verschieden. Die Dampfmaschine, die die Pressen treibt, ist nach Oliver Evans's Systeme gebaut; sie arbeitet mit einem Druke von 5 Atmosphaͤren in dem Kessel; der Dampf wirkt auf einen Staͤmpel von 3 Zoll und 3 Viertel im Durchmesser, und der Staͤmpel durchlaͤuft 16 Zoll. Der Dampf verdichtet sich in einem zu seiner Aufnahme bestimmten Behaͤlter, aus welchem eine kleine Speise-Pumpe denselben auszieht und in den Kessel zuruͤkfuͤhrt, so daß Ein Eimer Wasser (seau) in dem Behaͤlter des Verdichters waͤhrend einer Stunde hinreicht, um den Verlust des Wassers oder des Dampfes, der waͤhrend dieser Zeit Statt hat, zu ersezen. Die Kraft dieser Maschine reicht hin, um drei Pressen auf Ein Mahl zu treiben, welche, in diesem Falle, in derselben Zeit 3600 bis 4500 Exemplare der Zeitschrift auf beiden Seiten bedrukt, liefern wird, so daß, in einem Zimmer, das groß genug ist, um 6 Pressen zu fassen, man mit einer Dampfmaschine von der Kraft von ungefaͤhr 3 Pferden noch ein Mahl so viel Exemplare erhalten koͤnnte, u.s.f. im Verhaͤltnisse zur Kraft der Maschine und zur Zahl der Pressen, die man gleichzeitig in Bewegung sezen will. Man kann die Pressen mittelst eines Apparates, den matt mit dem Arme bewegt, oder mittelst eines Tretrades in einem besonderen Locale von dem Gange der Maschine unabhaͤngig machen. Wenn also an der Maschine selbst ein Unfall Statt haͤtte, kann man sich des einen oder anderen dieser Apparate bedienen, und die Maschine ausbessern, ohne daß man noͤthig haͤtte, den Gang der Pressen zu unterbrechen, wenn an einer Zeitschrift gedrukt wird, die keine Unterbrechung gestattet. Es waͤre uͤberfluͤßig sich in ein genaueres Detail uͤber diese Maschine einzulassen, um dadurch die Vortheile, die sie gewaͤhrt, anschaulich zu machen. Indessen wollen wir bemerken, daß eine Dampfmaschine nur drei Personen zu ihrer Bedienung braucht; eine naͤmlich zum ausschließlichen Dienste an dem Ofen und an der Pumpe: mit diesen 2 Arbeitern erzeugt man 1200 Exemplare, zu deren Verfertigung, in derselben Zeit, man bei den gewoͤhnlichen Drukerpressen 18-20 Personen noͤthig haben wuͤrde.

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