Titel: Ueber den Einfluß des Studiums der Naturgeschichte auf Künste und Gewerbe.
Fundstelle: Band 16, Jahrgang 1825, Nr. XXXIII., S. 110
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XXXIII. Ueber den Einfluß des Studiums der Naturgeschichte auf Künste und Gewerbe. Roxbourgh's, über den Einfluß des Studiums der Naturgeschichte auf Künste und Gewerbe. Herr Gill theilt in seinem technical Repository, November 2824. S. 298 und Dezbr. S. 367 einige Notizen aus dem XXXIII. Bd. der Transactions of the Society for the d'Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce mit, aus welchen wir hier bloß einen Auszug liefern wollen, um diejenigen, die es allenfalls noch nichtnicht nicht wissen, daß das Studium Studium der Naturgeschichte Basis der Oekonomie und Technologie, und folglich auch des Handels, ist, und dieses Studium auf alle nur moͤgliche Weise unterdruͤkenDas zoologische Cabinet an der Universitaͤt zu Landshut, hatte, z.B. mitten in den Kriegsjahren, als das Vermoͤgen der Universitaͤt noch das Gluͤk hatte, vom Staate aus verwaltet zu werden, 300 fl. jaͤhrlich angewiesen; der botanische Garten 1500 fl., das botanische Cabinet 100 fl. gegenwaͤrtig, und seit der Universitaͤt die Administration ihres Vermoͤgens uͤberlassen wurde, hat das zoologische Cabinet jaͤhrlich 100 fl., und der botanische Garten sammt dem botanischen Cabinete 900 fl. So foͤrdern bei uns die sogenannten gelehrten Herren das Wohl der Wissenschaften und des Vaterlandes, und die Ehre ihrer eigenen Lehranstalt, waͤhrend alle anderen Lehranstalten in Deutschland, selbst die Kleinsten, ihre Institute jaͤhrlich vergroͤßern! O Patria! O cives! A. d. Ueb., hierauf aufmerksam zu machen. So sehr Roxburgh's Name allen Botanikern aller Welttheile bekannt ist, so wenig scheint er unter den Technikern jene Celebritaͤt erlangt zu haben, die er so sehr verdient; und vielleicht wissen selbst nicht alle Botaniker, daß ihr Collega die Kuͤnste (naͤmlich die schlechten Kuͤnste, die gemeinen Kuͤnste, die niedrigen Kuͤnste, die Handwerke, denen wir nicht mehr zu danken haben, als daß wir uns anstaͤndig kleiden koͤnnen, und etwas Gutes zu essen und zu trinken haben“ – in diesem Gegensaze gegen die sogenannten schoͤnen und freien Kuͤnste,“ deren hohe Wuͤrde wahrlich keiner solchen Antithese bedarf, lehrt man unserer studierenden Jugend, die einst Kuͤnste und Gewerbe im Lande mit obrigkeitlicher Gewalt zu leiten haben wird, die Kuͤnste und Gewerbe, (arts et métiérs, arts utiles kennen!) daß Roxburgh, die Kuͤnste eben so sehr foͤrderte, als die Wissenschaft. M. Dr. Roxburgh (geb. zu Underwood, bei Lymington, Ayrshire, im J. 1740; gest. zu Edinburgh im May 1815) war, mit Sir William Jones, Warren Hastings, Lord Teignmouth, Stifter der so beruͤhmt und wohlthaͤtig gewordenen Asiatic-Society, und ward, nach zweimahliger Reise nach Ostindien, eingeladen als General-Arzt der Ost Indischen Compagnie (in einem Alter von 25 Jahren!) zu Madras zu bleiben. Er zog indessen die Stelle eines Oberaufsehers (Superintendant) des botanischen Gartens der Ostindischen Compagnie zu Calcutta diesem eintraͤglichen und hoͤchst ehrenvollen Anerbiethen vor, ohne jedoch der heilbringenden Kunst untreu zu werden: denn er blieb Sir John Pringle's treuer Freund und College, und theilte diesem, unter anderen, auch seine Entdekung uͤber das taͤgliche zweimahlige Steigen und Fallen des Barometers innerhalb der Tropen mit. Im Jahre 1789 und 90 beschrieb er in den Asiatic Researches das kostbare Insect (Coccus Lacca Linn, Coccus Ficus Fabr .) und fuͤgte seiner Beschreibung die Vermuthung bei, daß es besser waͤre, diesem Insecte seinen Faͤrbestoff zu entziehen, so lange die Farbe desselben noch in ihrem vollen Glanze, d.h., so lange das Thier noch lebendig oder frisch ist. Diese Vermuthung ward von einigen verstaͤndigen Leuten in Bengalen, wo man mehr Werth auf Naturgeschichte legt, als bei uns, beachtet, und, wie man zu sagen pflegt, realisirt. Dieser Vermuthung eines so einfaͤltigen Menschen, als ein Botaniker in den Augen unserer Staatswirthschaͤftler ist, verdankt Europa jezt den so unentbehrlich gewordenen Artikel: Lak-Lak, (Lak-Lake) einen der wichtigsten Handels-Zweige zwischen Calcutta und London, den die Faͤrber nicht mehr entbehren koͤnnen. „Da die Asiatic Researches ein etwas seltenes Werk sind, das sich nur in den Haͤnden Weniger befindet, so wollen wir hier, „heißt es in den Transactions,“ folgende Stelle woͤrtlich einruͤken.“ „Die Eyer, und die dunkel gefaͤrbte klebrige Fluͤßigkeit, in welcher man dieselben findet, theilen dem Wasser eine sehr schoͤne rothe Farbe mit, so lange beide frisch sind; wenn sie aber getroknet wurden, wird das Wasser nicht mehr so schoͤn davon gefaͤrbt. Es waͤre daher wohl der Muͤhe werth, daß diejenigen, die in Gegenden wohnen, in welchen das Lak-Insect häufig ist, oder wenigstens frisch gesammelt leicht zu haben ist, versuchten ein Extract aus demselben zu bereiten, und den Färbestoff so aufzubewahren, daß er während der Aufbewahrung nichts an Guͤte verliert. Ich zweifle nicht, daß man mit der Zeit ein Mittel entdeken wird, wodurch dieser Färbestoff eben so schäzbar werden kann, als es gegenwärtig die Cochenille ist Diese Prophezeihung ging in Erfuͤllung; denn die englischen Scharlachfärber brauchen jezt häufig Lak-Lak, wie Hr. Gill versichert, und England gewinnt jezt durch die Idee eines Naturforschers, Millionen jährlich. A. b. Ueb..“ „Hrn. Hellot's Verfahren, den Farbestoff aus altem troknen Lak auszuziehen, verdient mit frischem Lak Ende Oktobers oder Anfangs Novembers versucht zu werden, ehe die Insecten noch aus den Eyern gekrochen sind; denn ich fand, daß man die tiefste und schoͤnste Farbe aus den Eyern erhielt, so lange sie noch in dem Neste staken.“ Hellot's Verfahren, auf welches Dr. Roxburgh hindeutet, ist aber folgendes: „Man digerirt gepuͤlverten Lak zwei Stunden lang in einem Absude von Schwarzwurzel (Symphythum officinale), wodurch das Wasser eine schoͤne rothe Farbe erhält, und dar Gummi blaß oder strohfarben wirdDiesen blassen Gummi kann man aber noch, in Alkohol ausgeloͤst, zu blassem Lak-Firnisse brauchen. Gill.. Dieser Tinctur sezt man, nachdem sie klar abgegossen wurde, eine Alaun-Aufloͤsung zu, und, nachdem der Faͤrbestoff sich gesezt hat, gießt man die helle Fluͤßigkeit ab, und troknet den Bodensaz. Dieser wird ungefaͤhr Ein Fuͤnftel des Gewichtes des angewendeten Lakes betragen. Man loͤst ihn in warmem Wasser auf. oder man verduͤnnt ihn in demselben, und sezt etwas Zinn-Aufloͤsung (in Salpeter-Kochfalzsaͤure, Koͤnigswasser)“ zu, wodurch er eine lebhafte, scharlachrothe Farbe erhaͤlt. Diese Fluͤssigkeit gießt man in eine, mit siedendem Wasser bereitete Wein-Stein-Aufloͤsung, und auf diese Weise ist die Farbe fertig. „In Indien gibt es keine SchwarzwurzelDie bei uns an allen Graͤben waͤchst. Hiemit vergl. man auch Bancrofts Faͤrbebuch, deutsche Ausgabe, zweite Auflage, Nuͤrnberg bei Schrag. 1818. Bd. 2. S. 15. D., und jede andere farbenlose farbenlose schleimige Wurzel, Rinde, oder irgend ein Gummi, sagt Roxburgh, wuͤrde wahrscheinlich dasselbe leistenIn dem bereits angefuͤhrten Bancroft'schen Werke, findet man im zweiten Bande von S. 1 bis 66 sowohl das Naturgeschichtliche als das Technische uͤber diesen eben so wichtigen als nuͤzlichen Farbestoff. Das beste und verlaͤßlichste Verfahren, um mit Lak-Lak und Lak-Dye Scharlach eben so schoͤn, wo nicht noch schoͤner als mit Cochenille gefaͤrbt, darzustellen, findet man von mir in der eben angefuͤhrten Abhandlung S. 64; in Dingler's Magazin der. Farbekunst B. 1. S. 1., so wie in Vitalis Faͤrbebuch, deutsche Ausgabe, Stuttgart bei Cotta 1824 S. 311. beschrieben. Seit Bekanntwerdung dieser meiner, aus Versuchen im Großen hervorgegangenen, Beschreibung wird in fast allen bedeutenden Faͤrbereien Deutschlands die Scharlachfarbe mit Lak-Dye erzeugt. D.. In einigen Gegenden auf der Kuͤste von Coromandel, wenn nicht in allen, bedient man sich einer Abkochung der Samen einer daselbst sehr gemeinen Pflanze, der Cassia Tora, welche man zum Blaufaͤrben der Baumwollen-Zeuge anwendet, und mit welcher man die Blau-Kuͤpe bereitet. Sie haͤlt den Indigo so lange schwebend, bis die Gaͤhrung eintritt, die denselben aufloͤst; sie hilft auch diese Gaͤhrung fruͤher erzeugen, als es sonst nicht geschehen wuͤrde. Ungefaͤhr um dieselbe Zeit schrieb Roxburgh seine herrliche Abhandlung uͤber den Bau des Zukerrohres (in Dalrymple's Oriental Repository ( Vergl. Gill's techn. Repos. III. p. 217) und lehrte seine Landsleute in Indien Zuker ohne Menschenblut bauen, indem er ihnen zeigte, wie sie den Pflug dabei benuͤzen koͤnnen, und dadurch den Sclaven-Handel abstellen half, dessen alte Grausamkeit, gerade als auch ob diese legitim seyn muͤßte, wir den neuesten Nachrichten zu FolgeAllg. Zeitung. N. 10. A. d. Ueb., auf franzoͤsischen Schiffen wieder hergestellt sehen. In Bezug auf seine vielen angestellten Versuche uͤber Surrogate fuͤr Flachs und Hanf schrieben die Direktoren der ostindischen Gesellschaft an den Gouverneur in Indien im J. 1800: „Der Preis des Hanfes ist in Europa vom Jahre 1792 bis jezt (1800) von 23 1/2 Pfund bis auf 61 Pfund die Tonne gestiegen: da Rußland beinahe im ausschließlichen Besize dieses Handelszweiges ist, so erhoͤht es den Preis desselben nach seinem Belieben. Eine solche sclavische Abhaͤngigkeit von einer fremden Macht in Hinsicht auf einen Artikel, an welchem unsere politische Existenz gebunden ist, ist ein zu gewagtes Unternehmen, als daß man sich darauf verlassen koͤnnte, vorausgesezt, daß wir diesem Uebel aus unseren eigenen Besizungen abzuhelfen vermoͤgen. „In Ireland und England, heißt es weiter, kann der Hanfbau, wegen Mangels an Boden selbst fuͤr Getreidebau, nicht betrieben werden; in Ost-Indien hingegen, wo so viel Land unbebaut ist, meinten die Herren, koͤnnte der Hanfbau in einem Grade betrieben werden, der England von Rußland unabhaͤngig machen wuͤrde. England brauchte jaͤhrlich, damahls, 25 bis 30,000 Tonnen Hanfes! Die Herren meinten, daß, wenn nur 1000 Tonnen aus Indien jaͤhrlich eingefuͤhrt werden koͤnnten, der Preis des Hanfes dadurch in Europa bedeutend herabgedruͤkt werden koͤnnte, wenn er auch selbst noch theurer kaͤme, als der russische. Wir haben aus den fruͤher mitgetheilten Versuchen Roxburgh's (Polytechn. Journ. B. XV. S. 426.) gesehen, daß die Herren sich in ihrer Erwartung taͤuschten, und daß sie zu den indischen Pflanzen ihre Zuflucht nehmen mußten; zur Sunn, Ejoo, Gomuto etc. Hrn. Roxburgh und dessen Sohne verdankte die ostindische Compagnie ihre Muskatnuͤsse- und Gewuͤrznelken-Plantagen auf Sumatra, von welchen ersteren die Compagnie im J. 1802–3 bereits 22,323 Baͤume, und von den lezteren 7,003 Baͤume besaß, deren Ertrag schon jezt den hollaͤnd'schen Gewuͤrz-Handel schwer druͤkt. RoxburghGill'sRepository December, 1824. S. 367. ward der Retter von Tausenden, als im Jahre 1793 die Hungers-Noth in Ost-Indien wuͤthete. Die indischen Philosophen und Theologen troͤsteten, wie die unsrigen im Jahre 1817, die vor Hunger dahin Sterbenden mit den Worten: „So ist's der Wille Gottes! Es ist Strafe des allguͤtigen Gottes!“ Und dabei ließen es die hochgelehrten und hochwuͤrdigen Herren bewenden. Man fand in Indien die Magazine nachtheilig, wegen der Feuchtigkeit der Witterung und der zahllosen Menge von Insecten, die Alles verheeren. Nur auf der Kuͤste von Coromandel kann man Getreide in Korn-Gruben aufbewahren, wie es auch in einigen Gegenden Rußlands, und in Schottland mit den Erdaͤpfeln der Fall ist. Roxburgh empfahl daher die Korn-Gruben zur Aufbewahrung des Getreides, und den Genuß und die Cultur anderer genießbarer Pflanzen, „die in Indien,“ sagte er, „so haͤufig sind, daß, wenn auch kein Koͤrnchen Reiß daselbst gebaut wuͤrde, doch nie eine Hungers, Noth, vielweniger Mangel an Lebensmitteln zu besorgen waͤre.“ Nachdem er die Pflanzen alle aufgefuͤhrt hat, die in Indien als Nahrungsmittel dienen koͤnnen, die Halmengewaͤchse, wie die Knollengewaͤchse und die Huͤlsenfruͤchte, sagt er in seinem Bericht: „Auf diese Gewaͤchse muͤssen wir uns verlassen; denn die Landleute in Indien haͤngen mehr als alle andere, an dem Herkommen, an der Weise ihrer Vorfahren. Sie verdammen nicht nur alle neuen Versuche als uͤberfluͤßig und ungereimt, sondern selbst als Gotteslaͤsterung.“ So ist der Mensch in Indien geleitet von Bonzen, wie bei uns geleitet von ihren Ordens-Bruͤdern, dahin gekommen, lieber Hungers zu sterben, als kluͤger seyn zu wollen, als seine schlauen Lehrer, und in seiner erkuͤnstelten Unwissenheit eher eine Strafe des allguͤtigen Gottes zu erkennen, als seine eigene Dummheit. Erdaͤpfel kennt man in Ost-Indien seit mehr dann einem halben Jahrhunderte; ihre Cultur hat sich aber nicht uͤber die Wohnplaͤze der Europaͤer hinaus verbreitet: sie sind dem Stok Indier ein Luxus-Artikel. Die lehren, die Roxburgh uͤber den Erdaͤpfelbau in Indien ertheilt, verkuͤnden den weisen Beobachter der Natur, und seine Wuͤnsche uͤber freie Ausfuhr des Getreides und Regulirung des Kornhandels in Indien den edlen Menschenfreund, der, wie er der Regierung maͤnnlich sagt, „die Rechte des Landmannes nicht mit Fuͤßen getreten,“ sehen kann. Den groͤßten Theil der einzelnen Zweige des Handels mit Indien, den England heute zu Tage mit so vielem Vortheile benuͤzt, hat Roxburgh, wenn man so sagen darf, vorgezeichnet, und England wird noch mehr gewinnen, wenn es seinen klaren Ansichten jene Aufmerksamkeit schenkt, die dieselben so sehr verdienen. Er stellte zahlreiche Versuche mit Indigo an, und lehrte noch andere Pflanzen dieser Gattung kennen, die eben so guten Indig liefern, als Indigofera tinctoria. Sie sind im 31. Bande der Transactions of the Society of Arts beschriebenDeutsche Uebersezung in Bancroft's Faͤrbebuch B. 1. S. 229. D.. Er lehrte statt des gemeinen Seidenwurmes noch zwei andere Seide spinnende Raupen benuͤzen, die in den Transactions der Linnean Society. Vol. I. p. 33Deutsche Uebersezung in Bancroft's Faͤrbebuch B. 1. S. 140. D. schrieben sind. Er fuͤhrte die Cultur mehrerer Arten von Baumwolle in Ost-Indien ein, und lehrte seine Landsleute nicht bloß ostindische Farbehoͤlzer und Arznei-Gewaͤchse kennen, die bereits ihren Weg in unsere europaͤischen Pharmacopaͤen gefunden haben, sondern auch Schiffbauholz, (mehrere neue Arten von Eichen), welches fuͤr ihre Flotten in Indien von der hoͤchsten Wichtigkeit geworden ist. Ihm verdanken seine Landsleute auch eine neue Art von Kautschuk, der jezt so haͤufig in englischen Fabriken benuͤzt wird. Ein bloßes Namen-Verzeichniß seiner Entdekungen in technischer und commercieller Hinsicht wuͤrde mehrere Bogen faͤllen: wir begnuͤgen uns nur einige Puncte hier beruͤhrt zu haben, um zu beweisen, daß das Studium der Naturgeschichte nicht jene Verachtung und Unterdruͤkung verdient, die es in Manchen Laͤndern Deutschlands, vorzuͤglich aber bei uns, bisher gefunden hat.