Titel: Ueber das Einweichen des Flachses, und die Wirkung dieser Operation auf die Farbe und die Güte des Flachses, nebst einigen Bemerkungen über die Vortheile des Ausraufens des Flachses vor der vollen Reife desselben. Von Gavin Inglis, Esqu.
Fundstelle: Band 16, Jahrgang 1825, Nr. C., S. 460
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C. Ueber das Einweichen des Flachses, und die Wirkung dieser Operation auf die Farbe und die Güte des Flachses, nebst einigen Bemerkungen über die Vortheile des Ausraufens des Flachses vor der vollen Reife desselben. Von Gavin Inglis, Esqu. Aus Gill's technical Repository. November 1824. S. 328. (Im Auszuge) Inglis, über das Einweichen des Flachses, und die Wirkung dieser Operation auf die Farbe und die Güte des Flachses. Herr Gill bemerkt in einem kurzen Vorworte zu diesem aus dem Philosophical Magazine, 1813 entlehnten Aufsaze, daß die neuere Methode, Hanf und Flachs ohne Roͤstung zuzubereiten, und den Alkohol zur Ausziehung der gummiharzigen Theile statt der Faͤulniß zu benuͤzen, so wie die haͤufige Erneuerung des Roͤstungs-Wassers, wodurch der Flachs und Hanf in 12 Tagen statt, wie gewoͤhnlich, in drei Wochen gar wird, und zugleich eine mehr biegsame und seidenartige Faser erhaͤlt, nicht neu ist, sondern von Hrn. Inglis, zu Streathendry Bleackfield, schon im October 1817 in der oben angefuͤhrten Zeitschrift angegeben wurde. „Als ich im Jahre 1801 in Dumbartonshire die Dampfbleiche einfuͤhren wollte, gab man mir einige Spindeln mit Garn, das zum Weben zugerichtet werden sollte. Ich bemerkte an der Glatte des Fadens etwas, das meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nachdem ich dieses Garn uͤber Nackt in warmes Wasser eingeweicht hatte, um es zur Dampfbleiche zuzubereiten, erstaunte ich uͤber die Veraͤnderung an der Farbe desselben, und uͤber die Menge Faͤrbestoffes, die das Wasser aufgeloͤset hatte. Das Garn wurde dann gewaschen, ausgerungen und in schwacher Kali-Lauge gedeucht, worauf es auf ungebleichter Leim wand ausgebreitet wurde, um den Dampf auf dasselbe einwirken zu lassen. Nachdem Lezteres die gewoͤhnliche Zeit uͤber geschehen war wurden die Deken abgenommen, und man fand das Garn weißer, als man es ehevor unter aͤhnlichen Umstaͤnden noch nie gesehen hat. Es wurde im Strome so lange, als noch einiger Faͤrbestoff aus demselben abging, gewaschen, und zwei Tage lang auf dar Gras gelegt Ich erinnere mich wohl, daß die Farbe desselben von der Art war, daß sie in mir die Idee erwekte, als ob irgend eine wichtige Entdekung fuͤr die Flachsbereitung das Resultat hiervon werden koͤnnte, wenn man dieselbe weiter verfolgen wollte. Ich erkundigte mich alsogleich nach der Frau, welcher dieses Garn gehoͤrte, und sie sagte mir, daß sie es von einer Person in der Nachbarschaft habe, deren Namen sie mir nannte. Ich fragte bei dreier Perlon nach, und erfuhr, daß sie es auf dem Markte zu Kilmarnock gekauft hat. Dabei blieb es, bis im naͤchsten Sommer der Flachs gerauft wurde. Ich wuͤnschte sehr, der Sache, wo moͤglich, auf die Spur zu kommen, und hielt es fuͤr das beste, die ganze Streke zwischen Stirling und Kilmarnock zu durchreisen. Meine Zeit war zu beschraͤnkt; ich sah aber genug, um zu begreifen, daß das ganze Geheimniß darin bestand, den Flachs ehe zu raufen, als er zu sehr reif geworden ist; ich fand aber auch, daß durch ungeschikte Waͤsserung her ganze Vortheil wieder verloren gehen kann. Ich sah den Flachs in. allen seinen Perioden vom Raufen biß zum Troknen nach der Waͤsserung, und ich fand allgemein, daß man denjenigen Flachs, der zu den feinsten Arbeiten bestimmt ist, vor allen anderen rauft, so daß er unter allem der gruͤnste ist, und daß der weißeste Flachs derjenige ist, der nach dem Troknen in Quellen gewaͤssert wurde. Man war in dieser Gegend sehr aufmerksam auf die Waͤsserung des Flachses, und ließ denselben nicht so lang im Wasser, als ich nach meinen bisherigen Ansichten, und dem bei uns gebraͤuchlichen Verfahren fuͤr noͤthig hielt; man breitete auch denselben nach dem Wassern nicht auf dem Rasen aus, wie es bei uns gewoͤhnlich ist, sondern troknete denselben nach dem Wassern in Huͤtten (hutting). Da das Bleichen der Hauptgegenstand meiner Untersuchungen war, so mußte ich natuͤrlich auf die verschiedenen Nuͤancen der Farbe nach dem Waͤssern sehr aufmerksam seyn, und ich fand uͤberall, daß der weiße Flachs in Quellen, und der dunklere in Suͤmpfen oder Gruben gewaͤssert wurde, die man dort grub, wo man sich am leichtesten Wasser verschaffen konnte. Wenn ich von Quellen spreche, so verstehe ich darunter einen kleinen Wasserstrahl, der einen Damm noͤthig macht, um das Wasser in einer fuͤr eine kurze Zeit uͤber gegrabenen Grube zu fassen, in welcher es den Flachs bedekt. (Es ist also eben so viel, bemerkt Hr. Gilt, als wenn man, nach der neueren Methode, das Wasser alle Stunden und so lange wechselt, bis es nicht mehr von dem Flachse gefaͤrbt wird). Das immerwaͤhrende Zustroͤmen von frischem reinen Wasser hindert, wie es mir scheint, die Ablagerung des Farbestoffes (von welchem ich weiter unten sprechen werde), indem es denselben immer abwascht und wegfuͤhrt, nachdem er bereits aus dem Flachse ausgezogen worden ist. Ich hatte spaͤter Gelegenheit mich hiervon zu uͤberzeugen, als ich eine Grube auf diese Weise anlegte, wodurch der Flachs bedeutend weiß geworden ist, waͤhrend derselbe Flachs, in mehreren Gruben, die keinen Abzug hatten, obschon diese in derselben Erde angelegt waren, und dasselbe Wasser erhielten, eine sehr dunkle Farbe hatte. Meine damahligen Verhaͤltnisse gestatteten mir nicht. Versuche in jenem Umfange anzustellen, in welchem die Wichtigkeit der Sache dieselbe erforderte. Ich will jedoch erzaͤhlen, wie weit ich dieselben damahls trieb. Das Resultat, welches ich erhielt, bestand darin, daß das Waͤssern des Flachses unter verschiedenen oͤrtlichen Umstaͤnden verschieden abgeaͤndert werden muß, und uͤberall von den Verhaͤltnissen abhaͤngt, welche Quellen, Baͤche, Suͤmpfe, Moose etc. in der Naͤhe des Feldes, auf welchem der Flachs gebaut wird, so lange derselbe noch auf die gewoͤhnliche Weise gezogen wird, darbiethen. Die Farbe des Flachses haͤngt, nach dem Waͤssern, gar sehr von den folgenden Umstaͤnden ab, naͤmlich: von der Reife des Flachses vor dem Raufen; von dem Grade der Faͤulniß des stillstehenden Wassers; von den Mineralien, welche das Wasser enthaͤlt; ob der Flachs in einer bloßen gewoͤhnlichen Grube, oder in einer solchen geroͤstet wird, in welcher ein kleiner Back oder uͤberhaupt fließendes Wasser gedaͤmmt wird; oder ab, was zuweilen der Fall ist, nach und nach mehrere Buͤndel Flachs in derselben Grube gewaͤssert werden, wo dann jeder einzelne Buͤndel von dem beschmuzenden Faͤrbestoffe ergriffen wird, der durch die Gaͤhrung der fruͤheren erzeugt wurde. In dem Verlaufe meiner Beobachtungen fand ich die Menge und Aufloͤsbarkeit des Farbestoffes immer in umgekehrtem Verhaͤltnisse mit dem Grade der Reife, und in dem allerreifsten Flachse fand ich einen Grundstoff, von dessen Daseyn in dem Flachse ich ehevor niemahls etwas gehoͤrt habe, naͤmlich Eisen, von welchem man sagen kann, daß es in reifem Flachse im Ueberfluße vorhanden ist. Am unreifen Flachse fand ich den Faͤrbestoff im Wasser aufloͤsbar; er wurde aber immer weniger und weniger aufloͤsbar, bis das Wasser endlich wenig oder gar keine Wirkung mehr auf denselben aͤußerte. Die Laͤnge der Zeit, waͤhrend welcher der Flachs geroͤstet werden muß, haͤngt, in einem gewissen Grade, von der Witterung ab, aber noch weit wehr von dem Grade der Reife, als die meisten Landleute zu glauben scheinen. In dem unreifen Flachse befinden sich die Saͤfte in einem schleimigen Zustande; daher ihre Aufloͤsbarkeit im Wasser. Wenn der Flachs noch unreif gewassert wird, unterstuͤzt der Schleim durch seine Aufloͤsbarkeit den Zwek der Waͤsserung noch maͤchtig, indem er die Waͤhrung foͤrdert. Wenn man aber den Flachs so lange auf dem Felde stehen laͤßt, bis er eine rostbraune Farbe erhaͤlt, und der Same ganz reif geworden ist, werden die schleimigen Saͤfte der Pflanze in harzige verwandelt, und sind, als solche, nicht mehr im Wasser aufloͤsbar, außer man wendet besondere Aufloͤsungsmittel an. In diesem Zustande hat man, statt einer Menge Schleimes, welche die Waͤhrung foͤrderte, Harz, welches den Flachs einige Zeit uͤber gegen die Einwirkung des Wassers sichert, und dadurch die Waͤhrung nur sehr langsam vor sich gehen laͤßt. Die zum Roͤsten des Flachses erforderliche Zeit muß daher verschieden seyn, je nachdem der Flachs mehr oder minder reif gerauft wurde. Waͤhrend der Zeit, als unreifer Flachs hinlaͤnglich gewaͤssert wird, wird das Wasser kaum die aͤußere Rinde des reifen Flachses durchdringen, so wie waͤhrend der Zeit, die der reife Flachs zur Waͤsserung erfordert, der unreife ganz zerstoͤrt werden wuͤrde. Die Wahl des Wassers, wo man dasselbe waͤhlen kann, die Erde, in welche die Grube gegraben wird, der Bach oder das fließende Wasser, in welches der Flachs eingesenkt wird, sind Umstaͤnde von der hoͤchsten Wichtigkeit in Hinsicht auf die Farbe, Menge und Guͤte des Flachses. Daß an dem Verfahren, den Flachs von seiner Rinde und von den Agen zu sondern, solche Verbesserungen angebracht werden koͤnnen, wodurch die Roͤstung desselben weniger ungesund, weit sicherer und eben so vortheilhaft werden kann, daran zweifle ich keinen Augenblik. Es waͤre aber sehr der Muͤhe werth, daß der Honowrable Board of Trustees, ehe man irgend eine bloß speculative Theorie hieruͤber bekannt macht, eine vollstaͤndige Reihe von Versuchen in einem groͤßeren Maßstabe von einigen geschikten und erfahrnen Beobachtern anstellen ließe, wodurch man mit der Sache in's Reine kaͤme, alle Zweifel uͤber einen so wichtigen Gegenstand loͤsen, und dem Paͤchter und Landmann, der sich mit Flachsbau beschaͤftigt, eine solche Unterweisung geben koͤnnte, daß er nicht mehr im Stande waͤre, zu fehlenDieß ist bereits durch des sel. Hrn. Lee's Patent-Verfahren*), und auf verschiedenen anderen Wegen mit dem besten Erfolge geschehen. Wir besizen Flachs-Muster, die auf Lee's gefurchten Walzen bearbeitet, dann bloß in warmem Wasser gewaschen, hierauf durch schwaches Seifenwasser gezogen, und zulezt der Sonne nur wenige Stunden uͤber auf Gras ausgesezt wurden, und dadurch die herrlichste Weiße und einen solchen Seiden-Glanz erhielten, daß Seidenhaͤndler selbst dieselben wirklich fuͤr Seide gehalten haben. Gill. (Die gleichen Resultate erhielt ich vor mehreren Jahren, als ich mich mit Versuchen im Großen mit ungerotteten Flachs auf der Christian'schen Flachsbrechmaschine befaßte. D.)*) (Siehe polytechn. Journ. Bd. V. S. 168. D.). Die Gegenwart des Eisens in dem Flachse entdekte ich bei meinen Versuchen, den Flachs auf verschiedene Weise zu bleichen, waͤhrend welcher ich auszumitteln suchte, ob außer Schleim, Harz und Oehl auch noch andere Stoffe in demselben enthalten sind; in welcher Periode seines Wachsthumes die Saͤfte desselben anfangen, unaufloͤsbar im Wasser zu werden, und in welcher Menge diese Substanzen vorhanden sind, um darnach auch die Staͤrke der verschiedenen Anwendungen des Alkali bei den verschiedenen Bleichungs-Arten bestimmen zu koͤnnen. Alkalien sind die gewoͤhnlichen Aufloͤsungs-Mittel, deren sich die Bleicher bedienen; ich fand sie aber zu meinem Zweke durchaus nicht angemessen. Ich nahm Alkohol (wie neulich Hr. Delisle S. 41 in diesem polytechn. Journale. D.) und es gelang mir, unreisen Flachs in seiner fruͤheren Periode mittelst desselben sehr schoͤn weiß zu bleichen, so wie aber der Flachs mehr und mehr reifte, verlor der Alkohol seine Kraft. Ich sezte vollkommen ausgereiften Flachs der Einwirkung des Alkohols sowohl in tropfbarem Zustande, als in Dampfgestalt, aus bis ich mich vollkommen uͤberzeugt hatte, daß aller harzige Stoff vollkommen ausgezogen war, und doch blieb noch immer einige Farbe zuruͤk. Ich unterzog ihn der Einwirkung einer oxigenirt kochsalzsauren Verbindung, und erstaunte; das Daseyn des Eisens durch dieselbe in einem so hohem Grade dargethan zu sehen. Ich nahm eine andere Partie dieses vollkommen ausgereiften Flachses, und kochte dieselbe in einer Lage von blausaurer Pottasche, welche durch Caleination gemeiner Pottasche aus gruͤnem Ulex europaeus Hr. Inglis schreibt Whins; Hr. Gill bemerk in einer Note: or furze. Lezteres ist Ulex europaeus; Whins kann dieser, aber auch Genista anglica seyn: zwei Pflanzen, die in England sehr haͤufig, auf dem festen Lande aber, wenigstens in der Mitte desselben, selten sind. A. d. Ueb. bereitet wurde; nach dem Auswaschen und Eintauchen in Kalk-Chloruͤr war dieser Flachs sehr schoͤn lichtblau. Diesen Versuch wiederholte ich, bis ich, beinahe durch dasselbe Verfahren, aus dem unreifen Flachse einen sehr schoͤn weißen, und aus dem vollkommen ausgereiften einen schoͤn und satt berlinerblauen Flachs erhielt. Hierdurch erklaͤren sich, auf eine sehr genuͤgende Weist, mehrere Phaͤnomene bei dem Bleichen, die ich fruͤher nie begreifen konnte, und die mir immer als etwas Wunderbares in den Werten der Natur erschienen: Bildung eines Metalles in den Saͤften einer Pflanze, dessen Daseyn man durch dieselben Mittel in derselben Pflanze vor 14 bis 20 Tagen nicht entdeken konnte, und das jezt so deutlich sich darstellt Auch Gaͤrbestoff kommt im Flachse vor, und ist in dem Wasser sehr aufloͤsbar. Waͤhrend des Roͤstens des Flachses wird das Waͤsser in der Grube mit Gaͤrbestoff geschwaͤngert. Der Gaͤhrungsproceß schreitet fort, in dem Verhaͤltnisse, in welchem auf das Eisen gewirkt wird. Das Eisen und der Gaͤrbestoff verbinden sich, fallen zu Boden, und bilden eine beinahe unzerstoͤrbare Farbe. Auf diese Weise wird durch Unaufmerksamkeit bei dem Roͤsten des Flachses Muͤhe und Arbeit und Auslage bei dem Bleichen unendlich vergroͤßert; der Flachs verliert seine Staͤrke und Dauerhaftigkeit durch die bei dem Bleichen nothwendigen Arbeiten, und durch die Zerstoͤrung des Faͤrbestoffes, welcher, bei gehoͤriger Aufmerksamkeit, nimmermehr auf denselben gefallen seyn wuͤrde.“