Titel: Beurtheilung des vorstehenden Aufsazes, mit einer Gegenberechnung.
Autor: Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND]
Fundstelle: Band 18, Jahrgang 1825, Nr. X., S. 55
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X. Beurtheilung des vorstehenden Aufsazes, mit einer Gegenberechnung. Von Joseph Ritter von Baader. Baader's, Beurtheilung des vorstehenden Aufsazes, mit einer Gegenberechnung. Die Frage, ob zum Betriebe eines großen Maschinenwerkes, an einer Stelle, wo es an hinreichender Wasserkraft fehlet, die Anwendung thierischer Kraͤfte oder einer Dampfmaschine in oͤkonomischer Hinsicht vortheilhafter sey, kann zwar im Allgemeinen nicht beantwortet werden, da hiebei in jedem einzelnen Falle so viele oͤrtliche Verhaͤltnisse in Betrachtung kommen, welche bald fuͤr die Eine, bald fuͤr die Andere dieser Bewegungskraͤfte entscheiden muͤssen. Zum voraus ist indessen leicht zu begreifen, daß uͤberall, wo das Brenn-Material aͤußerst theuer, dagegen die Unterhaltung von Pferden sehr wohlfeil ist, die Anlage einer Roßkunst raͤthlicher, als jene einer Dampfmaschine seyn muͤsse; so wie im Gegentheile in solchen Gegenden, wo Brennholz, Steinkohlen oder Torf im Ueberfluße und wohlfeil genug zu haben sind, die Dampfmaschine, selbst bei gewoͤhnlichen Mittlern Preisen von Heu und Haber, den Vorzug behaupten wird, und zwar um so mehr, je bedeutender die zu leistende Wirkung seyn soll. Denn es ist bekannt, daß die Kosten einer Dampfmaschine, fuͤr Anlage, Unterhaltung, Brenn-Material und Bedienung, in einem weit geringern Verhaͤltnisse zunehmen, als ihre Kraft, so daß z.B. eine Maschine von 40 Pferde-Kraͤften im Ganzen nicht zehn Mahl, sondern nur ungefaͤhr sechs Mahl so viel kostet, als eine von 4 Pferde-Kraft, da hingegen bei der Anwendung thierischer Kraͤfte der Aufwand in geradem Verhaͤltnisse mit der zu leistenden Wirkung stehet. Uebrigens kann auch die Anwendung der Leztern nur bis zu einem gewissen Maße Statt finden, da im Gegentheile jener des Dampfes fast keine Graͤnzen gesezt sind. So, z.B. ist eine Dampfmaschine von 60 Pferde-Kraͤften noch kein Riesenwerk; sie kann in einem kleinen Raume aufgestellt werden, und ihr Gang ist eben so regelmaͤßig und gleichfoͤrmig, als der einer Maschine von 4 Pferden. Wie ungeheuer, plump und unbehilflich wuͤrde aber eine Roßkunst in allen ihren Dimensionen ausfallen, an welcher sechzig Pferde zugleich arbeiten? – Wie schwer, oder vielmehr unmoͤglich waͤre es, eine solche Heerde von Thieren zusammen in bestaͤndig gleichfoͤrmigen Gang und Zuge zu erhalten? Wie viel von ihrer gesammten Kraft wuͤrde endlich durch die gewaltigen Reibungen so vieler schweren Massen und uͤbersezter Raͤderwerke verloren gehen? – Wenn wir indessen auch keinen außerordentlichen Fall dieser Art annehmen, sondern nur bei einer mittleren Wirkung stehen bleiben wollen, wie solche Hr. Weinrich selbst zu seiner Vergleichung gewaͤhlt hat, so erhalten wir, bei einer gehoͤrigen Berechnung, fuͤr die meisten Faͤlle doch ein Resultat, welches von demjenigen ganz verschieden ist, welches H. W. nach seiner irrigen Weise herausbringt, indem er die Kosten seiner Roßmuͤhle in allen Stuͤken viel zu gering; dagegen jene einer Dampfs-Maschine von gleicher Wirkung in den meisten Posten zu hoch angesezt, und es vorzuͤglich darin versehen hat, daß er den Gang von Beiden taͤglich nur zu 16 Stunden angenommen hat, da doch fast alle großen Maschinenwerke, wie z.B. Muͤhlen, Wasserkuͤnste in Bergwerken, und andere hydraulische Werke, bei Tag und Nacht ununterbrochen im Gange erhalten werden muͤssen. Wir wollen daher Hrn. Weinrich's Berechnung Punkt fuͤr Punkt pruͤfen, und dann eine auf sicherere Voraussezungen und richtigere Grundsaͤze gebaute Rechnung anstellen. Die Kosten, welche Hr. W. fuͤr den Transport und die Aufstellung einer englischen Dampfmaschine von 20 Pferde-Kraft ansezt, sind wenigstens um die Haͤlfte uͤbertrieben, und es koͤnnen hinfuͤr nur hoͤchstens 5000 Gulden in Anschlag gebracht werden, fuͤr welche Summe ich mich erbiete, den Transport und die Aufstellung von dergleichen Maschinen zu Duzenden in jeder Stadt von Deutschland zu uͤbernehmen. Die Unterhaltungskosten einer ganz von Eisen gut construirten Dampfmaschine werden in England gewoͤhnlich zu 5 pro Cent. angenommen. Wir wollen indessen, mit Ruͤksicht auf die fruͤhere Abnuͤzung der Kessel, (welche, wenn sie von Eisenblech gemacht werden, gewoͤhnlich nur 3 bis 4 Jahre dauern), mit Hrn. W. 10 pro Cent gelten lassen. Die Menge des verbrauchten Brenn-Materials haͤngt zwar uͤberhaupt großen Theils von der Qualitaͤt desselben ab. Nach den mit der groͤßten Sorgfalt und Genauigkeit an verschiedenen Dampfmaschinen in Cornwall angestellten Beobachtungen bedarf eine Watt'sche Maschine von 20 Pferde-Kraͤften nicht mehr als 8,3 Pfund Steinkohlen von mittlerer Guͤte (wie man dort aus dem suͤdlichen Wales erhaͤlt), fuͤr jede Pferdes-Kraft in einer Stunde, also 160 Pfund (englischen avoir du poids Gewichtes) im Ganzen. Wenn wir demnach, wie sich gehoͤrt, die Maschine in bestaͤndigem ununterbrochenen Gange annehmen, so betraͤgt der Auswand dieses Brenn-Materials taͤglich, oder in 24 Stunden 3984 Pfund, wofuͤr wir in runder Zahl 4000 Pfund ansezen wollen, sohin jaͤhrlich 1. 460,000 Pfund, oder in runder Zahl 15,000 Centner englischen Gewichtes, was auf baierisches Normal-Handlungs-Gewicht reduzirt (von welchem 100 Pfd. = 123 englischen Pfunden sind) 12,195 2/10 oder 12,200 Centner betraͤgt.Die nach dem Princip der Expansion des Dampfes erbauten Maschinen mit zweien Cylindern (einem kleinem und einem groͤßern) worauf Hr. Woolf in den Jahren 1804, 1805 und 1810 Patente erhalten hat, verbrauchen zu gleicher Wirkung nur ohngefaͤhr halb so viel Brenn-Material als die Watt'schen Maschinen; ihr Bau ist aber auch complizirter und kostbarer. Der Preis der Steinkohlen zu 1/2 Gulden fuͤr den Centner duͤrfte wohl nur in solchen Gegenden anzunehmen seyn, welche ziemlich weit von Steinkohlen-Gruben entfernt sind. In der Naͤhe derselben wird man dieses Brenn-Material um Vieles wohlfeiler erhalten. Wir wollen indessen auch 30 kr. als Mittelpreis annehmen. Zur Bedienung einer Maschine von der angenommenen Groͤße sind, wenn diese Tag und Nacht ununterbrochen im Gange erhalten werden soll, drei Arbeiter, naͤmlich ein Kunstwaͤrter und zwei Heizer, noͤthig, fuͤr deren Loͤhnung wir jaͤhrlich 700 fl. ansezen. Nach diesen Bestimmungen ergeben sich die jaͤhrlichen Kosten einer Dampfmaschine von 20 Pferde-Kraft, wie folgt: Zinsen des Anlagskapitals, 15,000 zu 5 pro Cent fl.   750. – Unterhaltungskosten, 10 pro Cent vom Fabrikpreise fl. 1000. – Brenn-Material, 12,200 Centn. Steinkohlen zu 30 kr. fl. 6100. – Personal zur Bedienung fl.   700. – –––––––– zusammen fl. 8550. – Soll statt der Steinkohlen hartes Brennholz zum Betriebe der Maschine verwendet werden, so werden woͤchentlich 20 Klafter (das Klafter zu 108 Kubikfuß, naͤmlich 6 Fuß im Quadrat mit 3 Fuß Scheiter-Laͤnge) hinreichen, also jaͤhrlich 1040 Klafter verbraucht werden. Ein solches Klafter des besten Buchenholzes ist in vielen Gegenden unsers Vaterlandes um 4 bis 5 fl. in der Hauptstadt selbst um 7 fl., bei leichter Zufuhr im Sommer auch wohlfeiler, zu haben. Nehmen wir 6 fl. als Mittel-Preis an, so kostet das Brenn-Material jaͤhrlich 6240 fl. (um 140 fl. mehr als die Steinkohlen) und der gesammte jaͤhrliche Aufwand betraͤgt 8690 fl., oder in runder Zahl 8700 fl. Um nun auch die wahren Kosten auszumitteln, welche eine durch Pferde betriebene Maschine von gleicher Wirkung verursachen wuͤrde, muß vor Allem bemerkt werden, daß, wegen dem sehr bedeutenden Widerstande, welchen die Reibung des hoͤlzernen Raͤderwerkes, (welches, um eine so schnelle Bewegung, wie bei der Dampfmaschine zu erhalten, doppelt uͤbersezt seyn muß), bei jeder auf gewoͤhnliche Art construirten Maschine dieser Art verursacht, zur Erzielung eines reinen nuzbaren Effectes von 20 Pferden, wie solchen die Dampf-Maschine hervorbringt, eine gleichzeitige Anstrengung von wenigstens 24 Pferden erfordert wird. Soll nun, wie wir vorausgesezt haben, die Maschine in ununterbrochenem Gange erhalten werden, so muß man, da ein Pferd nicht mehr als 2 Schichten, jede von 4 Stunden, taͤglich arbeiten kann, die dreifache Zahl von Pferden, d.i. 72 Stuͤke, und uͤberdieß, der Sicherheit halber, zur Aushilfe bei einer ploͤzlich vorfallenden Erkrankung oder Unbrauchbarkeit, noch wenigstens 4 Pferde en reserve, also im Ganzen 76 Pferde halten. Zu einer solchen Arbeit sind junge und leichte Pferde, wie Hr. W. sie vorschlaͤgt, ganz unbrauchbar, und durchaus nur 5- bis 6 jaͤhrige schwere und starke Zug-Pferde zu gebrauchen, dergleichen man hier zu lande bei der gegenwaͤrtigen Wohlfeile keines unter 18–20 Carolins bekoͤmmt. Rechnen wir im Durchschnitte nur 200 fl. fuͤr jedes Stuͤk, so betraͤgt der erste Ankauf von 76 solchen Pferden 15,200 fl. – ein Kapital, welches dasjenige, wofuͤr eine Dampfmaschine von gleicher Wirkung angeschafft wird, schon bedeutend uͤbersteigt, und wovon die Zinsen eine bestaͤndige jaͤhrliche Auslage von 760 Gulden verursachen. Da ferner ein Pferd, welches bestaͤndig im Kreise herum gehen muß, weit mehr angestrengt wird, als beim geraden Zuge an einem gewoͤhnlichen Fuhrwerke, so kann man fuͤr die Dauer eines solchen Pferdes im gluͤklichsten Falle hoͤchstens auf 7 Jahre zaͤhlen, und es muß daher der ganze Vorrath von 76 Pferden alle sieben Jahre erneuert, oder, was gleichviel ist, es muͤssen im Durchschnitte jaͤhrlich 10 bis 11 neue Pferde nachgeschaft werden. Dieß gibt fuͤr die Abnuͤzung der bewegenden Kraft (was die Englaͤnder wear and tear nennen) eine bestaͤndige jaͤhrliche Auslage von 2,200 Gulden.Außerordentliche Ungluͤks-Faͤlle und Seuchen, wodurch oft Pferde zu Hunderten schnell hingerafft werden, sind hier nicht in Anschlag gebracht. Da solche Pferde bei einer so harten Arbeit, gleich den schweren Fuhr-Pferden, gut genaͤhrt werden muͤssen, so kann die Unterhaltung an Heu, Haber und Stroh, selbst bei der gegenwaͤrtigen Wohlfeile, nicht weniger als 36 kr., und, mit Einschluß von Zeug und Geschirr, 40 kr. fuͤr jedes Pferd taͤglich kosten.So viel und noch mehr rechnen die Fuhrleute in Baiern fuͤr ihre Pferde, denen sie in der Regel so viel Haber geben, als sie fressen wollen, und welche bei der von Herrn Weinrich vorgeschriebenen Diaͤt verhungern wuͤrden. Dieß macht fuͤr 76 Stuͤke taͤglich 50 fl. 40 kr., mithin jaͤhrlich 18,493 1/3 fl. So viele Pferde zu warten, zu fuͤttern, zu puzen, zur Maschine und zuruͤk in den Stall zu fuͤhren, anzuspannen und auszuspannen, in der Muͤhle anzutreiben u.s.w. haben, bei einem Tag und Nacht ununterbrochen fortgesezten Betriebe, 20 Knechte alle Haͤnde voll zu thun; und da man diesen Leuten ein so bedeutendes Kapital anvertrauen muß, und von ihrer Aufmerksamkeit, Nuͤchternheit und Ehrlichkeit der gute Gang und die Erhaltung des ganzen Werkes abhaͤngt, so ist 1 fl. 24 kr. das Geringste, was man fuͤr Loͤhnung und Kost eines Jeden taͤglich ansezen kann. Die Wartung und Bedienung der Pferde kostet daher taͤglich 28 fl. und, mit Einschluß eines Aufsehers uͤber das ganze Personale mit taͤglich 2 fl., 30 fl., mithin jaͤhrlich 10,950 fl. Die Stallmiethe, welche man in unsern Staͤdten mit 1 1/2 bis 2 fl. monatlich fuͤr jedes Pferd bezahlt, kann, mit Abrechnung des Duͤngers, als Einnahme, nirgend weniger, als 12 fl. jaͤhrlich, also fuͤr die ganze Anzahl der PferdePerde 912 Gulden betragen. Die gesammten Kosten, welche bloß die bewegenden Kraͤfte jaͤhrlich verursachen, sind demnach folgende: Interessen des zum ersten Ankaufe der Pferde noͤthigen Kapitals fl.   760  – kr. Abnuͤzung derselben fl. 2200  – kr. Futter und Geschirr fl.     18,493 20 kr. Wartung und Aufsicht fl.     10,950  – kr. Stallmiethe fl.   912  – kr. –––––––– ––– –– Summe     33,315 20 kr. Nun haben wir noch keine Maschine und keine Gebaͤude. – Herr Weinrich will die erste mit einem Aufwande von 300 Gulden herstellen, und mit 20 fl. jaͤhrlich unterhalten, und fuͤr das Zweite rechnet er gar Nichts, weil er dieses auch bei der Dampfmaschine nicht in Anschlag gebracht hat. Man braucht indessen nur einige oberflaͤchliche Begriffe vom Maschinenbau zu besizen, um einzusehen, daß jene Summe kaum zur Haͤlfte fuͤr die Beischaffung des Bauholzes hinreichen wuͤrde, welches zu einer solchen Maschine noͤthig ist. Eine stehende Welle von Eichenholz, von bedeutender Dike und Laͤnge, mit 12, wenigstens 18 Fuß langen, Aermen, an welchen so viele Paar Pferde zu spannen sind, mit einem Kammrade von 18 bis 20 Fuß im Durchmesser, und dem zugehoͤrigen Getriebe und anderen Raͤderwerk, alles von hinlaͤnglicher Staͤrke, mit eisernen Zapfen, Schrauben, Reifen und Beschlaͤgen, kann unter 1800 fl. nirgend hergestellt werden, und eben so viel darf man fuͤr das Gebaͤude in Anschlag bringen, welches solid gemauert, 42 Fuß im Innern weit, und mit einem soliden Dachstuhle versehen seyn muß, und welches hier keineswegs in der Rechnung als unbedeutend, wie bei der Dampfmaschine, vernachlaͤßigt werden darf, welche leztere in einem Zimmer von mittlerer Groͤße Raum genug findet. Die ganze Vorrichtung wird demnach wenigstens 3600 fl. kosten, wovon die jaͤhrlichen Zinsen 180 fl. betragen, und fuͤr die Unterhaltung, Reparaturen und Abnuͤtzung eines solchen bestaͤndig gehenden hoͤlzernen Maschinen- Werkes darf man auch sicherlich wenigstens 10 pro Cent, also jaͤhrlich 360 fl. annehmen. Die jaͤhrlichen bestaͤndigen Kosten dieser Vorrichtung belaufen sich daher auf 540 fl., welche zu den obigen 33,315 fl. 20 kr. geschlagen, eine Gesammtsumme von 33,855 fl. 20 kr. bilden; und folglich betragen die Kosten einer durch Pferde betriebenen Maschine, welche so viel als eine Dampfmaschine von 20 Pferde-Kraft leistet, beinahe vier Mahl so viel, als die Kosten dieser leztern! – Die jaͤhrlichen Auslagen unserer Dampfmaschine koͤnnten also noch um 25,305 fl. mehr betragen, als wir Oben gefunden haben, und da hiebei eigentlich nur der Werth des Brenn-Materials eine veraͤnderliche Groͤße bildet, so koͤnnte der Aufwand auf dasselbe jaͤhrlich um 25,305 fl. groͤßer, d.h. 25,305 + 6100 = 31,405 fl. seyn, wenn nur erst beide Vorrichtungen gleich kostbar werden sollten. Oder, mit andern Worten: Der Centner Steinkohlen muͤsse 2 fl. 34 kr., oder das Klafter Brennholz uͤber 30 fl. kosten, wenn die Wahl zwischen einer Dampfmaschine und einer Roßmuͤhle von der angenommenen Groͤße und Wirkung in oͤkonomischem Betrachte frei stehen sollte; und selbst dann wuͤrde gewiß die Erste in Hinsicht auf die weit groͤßere Sicherheit, Sanftheit, Gleichfoͤrmigkeit und Bestaͤndigkeit der Bewegung vor der Leztern noch den entschiedensten Vorzug behaupten.