Titel: Neu entdekte Eigenschaft der Nordhäuser-Schwefelsäure. Von Barthol. Bizio.
Fundstelle: Band 21, Jahrgang 1826, Nr. XXXI., S. 142
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XXXI. Neu entdekte Eigenschaft der Nordhäuser-Schwefelsäure. Von Barthol. Bizio. Aus dem Giornale di Fisica, Chimica etc. Dec. II. T. VIII. 1825. Sesto Bimestre S. 393. Bizio's, neu entdekte Eigenschaft der Nordhäuser Schwefelsäure. Beobachtung einer Erscheinung, welche die angegebene Saͤure hervorbringt; Erklaͤrung derselben und Versuche, durch welche sie bestaͤtigt wird. Nachdem ich bereits vor einem Jahre wiederholt und auf verschiedene Weise mehrere sehr sonderbare Erscheinungen, welche mir die Nordhaͤuser Schwefelsaͤure darbot, beobachtet hatte, kam mir Bussy's Abhandlung uͤber diese SaͤureSiehe Annales de Chimie et de Physique. T. XXVI. P. 411. (Wir entnahmen diese Abhandlung aus dem Journal de Pharmacie, welche wir in Bd. XIV. S. 461. im polyt. Journal mittheilten, wo wir bei diesem Anlasse auf unsere Anmerkungen daselbst aufmerksam machen. A. d. R.)zu Gesicht. Da dieselbe von einer so ausgezeichneten Gesellschaft mit dem Preise gekroͤnt worden war, so hoffte ich sehr viele schoͤne und neue Sachen darin zu finden; allein wie sehr hatte ich mich geirrt! Mit Erstaunen sah ich darin nicht nur die alten Dinge des beruͤhmten Melandri von Bussy fuͤr neu ausgegeben, sondern dieselben auch von einer achtbaren Gesellschaft, welche diese Abhandlung mit dem Preise kroͤnen zu muͤssen glaubte, als solche aufgenommen. Vor bereits 16 Jahren machte Melandri durch den Druk bekannt, worin eigentlich die Natur der sternfoͤrmigen und einfoͤrmigen Saͤure bestuͤnde, indem er sich frei der Meinung Fourcroy's und anderer Chemiker widersezte, welche dieselbe fuͤr schwefelige Saͤure hielten. Da er diese Saͤure in der Folge noch viel genauer studirte, so lehrte er von seinem Katheter aus eine Menge sehr schoͤner Gegenstaͤnde, welche sich nicht in Bussy's Arbeit befinden; um so mehr da er mit seinen eigenen Erfahrungen auch jene seines Collegen, des beruͤhmten Carburie, verband. Waͤhrend Hr. Bussy es unternahm, die Chemiker (wie er glaubte) uͤber die Natur der sternfoͤrmigen und eisfoͤrmigen Saͤure aufzuklaͤren, erwaͤhnt er mit keinem Worte einer Erscheinung, welche ich beobachtete, obschon sich (wie ich spaͤter zeigen werde) mit Recht schließen laͤßt, daß sie auch unter seinen Augen Statt haben mußte. Da ich diesem seinem Fehler abhelfen will, so will ich zuerst meine Beobachtungen angeben, und hierauf die zahlreichen Versuche beschreiben, welche mich von der sonderbaren Eigenschaft der rauchenden Saͤure uͤberzeugten. Im Fruͤhlinge des Jahres 1824 verschaffte ich mir durch Destillation hoͤchst reine Nordhaͤuser Schwefelsaͤure. Da diese Saͤure nicht von den concentrirtestenDie saͤchsische Schwefelsaͤure ist, obgleich sie immer raucht, doch nicht immer in gleichem Grade concentrirt, und zwar deßwegen, weil sie von den Kaufleuten nicht immer so sorgfaͤltig verwahrt wird, daß sie kein Wasser aus der Luft anziehen koͤnnte, wodurch sie an ihrer Concentration verliert.war, so erhielt ich sie wasserklar und farblos, aber doch ziemlich rauchend. Diese Saͤure brachte ich in eine glaͤserne Flasche mit eingeriebenem Stoͤpsel; so lange dieselbe voll war, erfolgte nichts von Bedeutung; als ich aber etwas davon herausgenommen hatte, und der oberste Theil der Flasche leer war, sammelten sich nach einigen Tagen an der inneren Woͤlbung einige Tropfen einer dunklen Substanz, welche mit der Zeit beinahe die Farbe des Harzes bekam. Ich suchte nun dieselbe herauszubringen, was mir auch gelang. Diese Substanz war sauer, schwarz und klebrig, so daß sie sich etwas schwer in derselben Schwefelsaͤure aufloͤsen ließ. Ich wußte anfangs nicht, wie sie entstehen konnte, und da ich nicht glaubte, daß sich diese Substanz wieder bilden wuͤrde, so ließ ich die Flasche da, wo sie war; allein, gegen meine Vermuthung erschienen die Tropfen wie vorher; aus diesem Grunde goß ich, obschon ich uͤberzeugt war, daß die Ursache nicht in Unreinigkeit der Flasche gelegen seyn konnte, weil dieselbe neu und gut gereinigt war, die Saͤure in eine andere aͤhnliche Flasche, und entfernte sie von dem Orte, wo sie bisher stand, indem ich im Zweifel war, ob nicht andere Substanzen, welche sich ebenfalls an diesem Orte befanden, durch ihre Verwandtschaft zu dieser Erscheinung beigetragen haben konnten; ich stellte die Flasche daher an einen Plaz, wo ich sicher war, daß kein anderer Koͤrper, als die atmosphaͤrische Luft, an dem Entstehen dieser Erscheinung Antheil haben koͤnnte; allein auch hier erfolgte das bereits Angegebene. Diese Erscheinung wurde, soviel ich weiß, noch von Niemand beobachtet, indem Thenard allein bei Gelegenheit, wo er von der Schwefelsaͤure spricht, sagt: „daß sie weder bei der gewoͤhnlichen Temperatur, noch erhizt auf das Sauerstoffgas und auf die atmosphaͤrische Luft wirkt, indem sie aus diesen gasfoͤrmigen Fluͤßigkeiten bloß den darin enthaltenen Wasserdampf anzieht, und zwar in dem Maße, daß ihr Gewicht dadurch verdoppelt wird. Dieß erfolgt (sagt er) nach einigen Tagen, wenn man die Saͤure in einem Schuͤsselchen dem freien Zutritte der Luft aussezt; zu bemerken ist, daß die Saͤure, waͤhrend sie diese große Menge Wasserdampf aus der Luft anzieht, wenn sie vorher auch wasserklar und ungefaͤrbt war, gelb wird; diese Faͤrbung ruͤhrt davon her, daß vegetabilische oder animalische Theile, welche in der Luft herumfliegen, in die Saͤure fallen, welche dieselben durch ihre zersezende Kraft verkohlt.Siehe dessen Traité élémentaire de la Chimie théoretique et practique. Man sieht aber wohl den großen Unterschied zwischen dem, was Thenard sagt, und meinen Beobachtungen. Die Tropfen der schwarzen Substanz, welche sich in dem leeren Raume der Flasche ansammelten, konnten nicht von den, in der Luft befindlichen Koͤrperchen herruͤhren; denn die Flasche war genau mit einem eingeriebenem Stoͤpsel verschlossen, der durchaus keinen Staub eindringen ließ.Daß diese schwarze Substanz nicht durch den Staub der Luft erzeugt wurde, beweist der Umstand, daß derselbe nicht in die Flasche kommen konnte, und wird auch dadurch bestaͤtigt, daß, wenn man auch annehmen wollte, daß sie durch den Staub entstuͤnde, welcher mit der Luft hinein kam, die zur Ausfuͤllung des leeren Raumes noͤthig war, die Luft nicht soviel davon enthalten konnte, daß alle schwarze Materie dadurch haͤtte hervorgebracht werden koͤnnen; denn diese wuͤrde sich dann nicht immer mehr vermehrt und an Dichtigkeit zugenommen haben, so daß sie von dem anfangs fluͤssigen Zustande in einen zaͤhen und klebrigen uͤberginge. Es ließe sich dann auch nicht erklaͤren, warum der Staub, nachdem er sich ganz ruhig in der Flasche befand, sich nicht auf der Oberflaͤche der Saͤure absezte, sondern, im Gegentheile, oben an der Flasche anlegte; und nur unvollkommen waͤre es zu erklaͤren, warum nach Entfernung der Tropfen, ohne die Flasche zu schuͤtteln, d.h. nach Aufloͤsung derselben in der Saͤure durch Schuͤtteln, sie nach einigen Tagen neuerdings wieder erscheinen, denn in diesem Falle war gewiß kein Staub in der Luft mehr vorhanden. Hieraus erhellt, daß die von mir beobachtete Erscheinung mit dem, was Thenard sagt, in keinem Zusammenhange steht.Wenn also der Staub diese Schwaͤrzung nicht hervorbringen konnte, so weiß ich die Ursache dieser Erscheinung nur auf folgende Weise zu erklaͤren. Die rauchende Nordhaͤuser Schwefelsaͤure besizt eine so große Verwandtschaft zum Wasser, daß sie, wie Thenard versichert, eine so große Menge davon aus der Luft anzieht, daß ihr Gewicht um das Doppelte zunimmt. Da es nun sehr schwer ist, ein Gesaͤß so genau zu verschließen, daß die Luft nicht in dasselbe einzudringen vermag, wie uns die gewoͤhnlichen Luftpumpen beweisen, an welchen sich der leere Raum nie laͤngere Zeit hindurch erhaͤlt, so reichen die angegebenen Stoͤpsel (wenigstens an den bei uns verfertigten Flaschen) nicht hin, um zu verhindern, daß die große Kraft der Saͤure nichts von dem, in der aͤußeren Luft enthaltenen, Wasserdampfe in den inneren Raum ziehe. Der auf diese Weise hereingekommene Dampf wird durch die Kraft der Saͤure sehr verdichtet, sezt sich ab, und fließt an der inneren Woͤlbung der Flasche herab. Bis hierher ergibt sich jedoch noch kein Grund des erfolgenden Schwarzwerdens. Wenn wir aber annehmen, daß sich vegetabilische und animalische Substanzen als feiner Dunst in die Luft erheben, so ist es leicht zu begreifen, wie dieser Dampf in Verbindung mit dem Wasserdampfe, und durch Beihuͤlfe von diesem lezteren, in den inneren Raum der Flasche gelangt, wo sich dann diese Substanzen durch die Schwaͤrzung, die durch die zersezende Kraft der Saͤure erfolgt, zu erkennen geben. Durch die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist auch die Entstehung der Tropfen und die allmaͤhlige Verdichtung derselben erklaͤrt. Daß sich vegetabilische und animalische Substanzen als feiner Dunst erheben, ist eine von den Physikern und Chemikern allgemein angenommene Meinung; auch scheinen jene ungesunden Ausduͤnstungen, die uns mit anstekenden Krankheiten belaͤstigen, dieser Natur zu seyn, indem sie durch Raͤucherungen zerstoͤrt werden; allein der Beweis ihrer Existenz wurde (soviel ich weiß) bis jezt noch von Niemand zur Thatsache erhoben; die hoͤchst genaue Arbeit des beruͤhmten Brocchi scheint ebenfalls gerade das Gegentheil zu beweisen.Siehe Bibliot. italiana. T. XII. facc. 209. Obschon an der eben angefuͤhrten Thatsache nicht zu zweifeln ist, so koͤnnte es doch auch seyn, daß der Dunst der vegetabilischen und animalischen Substanzen durch die Kaͤlte nicht so leicht verdichtet wird, als der Wasserdampf, obschon er von der Schwefelsaͤure maͤchtig angezogen bleibt; und in diesem Falle, vorausgesezt, daß es nach Brocchi's Versuchen wahr ist, daß sich in dem, von der atmosphaͤrischen Luft aufgenommenen Wasser keine Spur von vegetabilischer oder animalischer Materie befindet, ist es nicht minder wahr, daß die rauchende Saͤure einige organische Ausduͤnstungen anziehen koͤnne. Es ist leicht einzusehen, daß diese besondere Eigenschaft der rauchenden Schwefelsaͤure, wenn sie ein Mahl hinlaͤnglich erwiesen ist, ein hoͤchst schaͤzenswerthes Mittel werden kann, um uns die in der Luft befindlichen faulen Ausduͤnstungen zu zeigen; vielleicht gelingt es uns auch noch durch vergleichende Versuche jene unter denselben zu unterscheiden, welche besondere Krankheiten unter uns erzeugen, so wie auch jene, welche ganz unschaͤdlich sind, oder unserer Gesundheit nur geringen Nachtheil bringen. Die vielfachen Versuche, welche ich angestellt habe, scheinen mir so gewichtig, daß sie hinlaͤnglich sind, um diesen Gegenstand außer Zweifel zu sezen. Ehe ich zur Angabe derselben uͤbergehe, will ich aber auf einen Umstand aufmerksam machen, der, wenn er fruͤher beachtet worden waͤre, uns fruͤher zur Kenntniß der angefuͤhrten Eigenschaft der rauchenden Saͤure gefuͤhrt haͤtte. Jedermann weiß, daß die, durch Verbrennung des Schwefels erhaltene, Schwefelsaͤure im Handel zwar nicht wasserklar, aber doch farblos, vorkommt, waͤhrend die rauchende sachsische Schwefelsaͤure immer eine mehr oder weniger dunkle Farbe besizt. Ruͤhrte diese Faͤrbung der saͤchsischen Saͤure von dem Staube der Luft, welche in die Flaschen eindringt, oder von einer zufaͤlligen Vermischung mit organischen Substanzen her, so muͤßte auch die englische oder franzoͤsische Saͤure gefaͤrbt seyn, indem der Staub der Luft oder irgend eine andere, auch noch so geringe, Menge einer vegetabilischen oder thierischen Substanz hinreicht, dieselbe zu faͤrben. Dieser Unterschied beweist, daß es nicht der Staub oder eine andere zufaͤllige Substanz ist, welche die Saͤure faͤrbt, sondern daß die Ursache davon in einer besonderen Eigenschaft dieser Saͤure liegt, welche (wie gesagt) darin besteht, die, in der Luft befindlichen organischen Aushauchungen aufzusaugen. Ich theilte die Beobachtung der schwarzen, in dem leeren Raume der Flasche entstandenen Tropfen meinem Lehrer, dem beruͤhmten Melandri, mit, der, sowohl weil er diese Saͤure mehr als irgend jemand anderer studirt hatte, als wegen seiner tiefen Kenntnisse, das Fortschreiten meiner Versuche unterstuͤzen konnte, wenn ihm meine Meinung recht schien; er fand die Erklaͤrung, welche ich von dieser Erscheinung gab, nicht bloß passend, sondern er sagte mir auch, daß er ebenfalls die Entstehung dieser schwarzen Substanz in den Flaschen beobachtete, von welchen er eine große Menge in seinem Laboratorium hat. Durch diese Mittheilung wurde ich zur Fortsezung der angefangenen Untersuchung ungemein aufgemuntert. Um mich also noch mehr zu uͤberzeugen, daß es die Ausduͤnstungen organischer Substanzen sind, welche die schwarzen Tropfen und die Verdunkelung der Saͤure hervorbringen, machte ich folgenden vergleichenden Versuch. Ich brachte etwas Schwefelsaͤure, welche so rauchend, als nur moͤglich, war, in ein glaͤsernes Flaͤschchen; sezte dieses auf einen reinen glaͤsernen Teller, und stuͤrzte eine zwei Fuß hohe Glasgloke daruͤber. In ein anderes, von dem beschriebenen kaum verschiedenes, Flaͤschchen goß ich etwas von derselben Saͤure, und sezte es durch Glasroͤhren mit zwei tubulirten Flaschen von etwas großer Capacitaͤt in Verbindung; in die leztere dieser Flaschen wurde faules Fleisch gethan. Hier befand sich die Saͤure mit einer, mit faulen Duͤnsten geschwaͤngerten, Luft in Verbindung, waͤhrend sie im ersten Falle nur mit atmosphaͤrischer Luft von gewoͤhnlicher Reinheit in Beruͤhrung kam; ruͤhrte also die Faͤrbung wirklich von den organischen Duͤnsten her, so mußte sie dort, wo sich das faulende Fleisch befand, viel groͤßer seyn, als unter der Gloke, in welcher bloß atmosphaͤrische Luft war, was ich auch wirklich beobachtete. In dem Flaͤschchen, in welchem sich die von dem, in Faͤulniß begriffenen, Fleische herruͤhrenden Daͤmpfe befanden, sammelten sich an der inneren leeren Woͤlbung aͤhnliche Tropfen von dunkler Farbe, welche anfangs lichtbraun waren, nach einigen Tagen aber sehr dunkel wurden, und diese Farbe auch der Saͤure mittheilten; waͤhrend in der unter der Gloke befindlichen Flasche sich keine solchen Tropfen zeigten, und die Saͤure selbst viel schwaͤcher, als in der anderen Flasche, gefaͤrbt wurde. Es ist auch noch eine andere, bei der Faͤrbung der Saͤure beobachtete, Erscheinung zu bemerken. Alle Saͤure hatte schon eine leichte Faͤrbung angenommen; allein in der Masse der Saͤure, mehr gegen die Oberflaͤche, als gegen den Boden, war parallel mit dem Horizonte ein zwei Linien diker, beinahe schwarzer Kreis, als wenn die Saͤure in drei verschiedene Schichten getheilt waͤre. An der Oberflaͤche, oder vielmehr gegen die Oberflaͤche, hatte sie eine sehr hellblaue Farbe, hierauf kam der angegebene schwarze Kreis, und unter diesem war die Saͤure etwas mehr gefaͤrbt, als an der oberflaͤchlichen Schichte, oder besser gesagt, an der ersten, uͤber dem schwarzen Kreise befindlichen, Schichte. Dasselbe, was ich von der unter der Gloke befindlichen Saͤure sagte, erfolgte auch mit jener, welche sich in Beruͤhrung mit den faulen Ausduͤnstungen befand; nur war hier die Saͤure bloß in zwei Schichten getheilt; die schwarze oder dunkel gefaͤrbte befand sich am Boden oder nahe an demselben, die andere minder gefaͤrbte aber oben. Die Resultate der angefuͤhrten Versuche scheinen mir wichtig genug, um die Wirkung der Nordhaͤuser Saͤure auf die vegetabilischen oder animalischen Ausduͤnstungen zu beweisen. Die staͤrkere Schwaͤrzung der Saͤure, welche mit der faulen Ausduͤnstung in Beruͤhrung stand, laͤßt sich nur diesen Duͤnsten zuschreiben, welche von der Saͤure aufgesogen und verbrannt wurden; indem die rauchende Saͤure weder auf den Stikstoff, noch auf den Kohlenstoff, noch auf irgend eine andere Substanz wirkt, welche sich bei der Faͤulniß entwikelt, wenn man sie einzeln darauf wirken laͤßt; sie wirkt auch nicht auf eine gewoͤhnliche Verbindung derselben, wie das Ammonium ist; nie erhaͤlt man dadurch die oft erwaͤhnte gefaͤrbte Substanz, so daß folglich die Faͤrbung bloß durch die Wirkung der Saͤure auf die faulen Duͤnste hervorgebracht wird. Da die Abscheidung der Saͤure in verschieden gefaͤrbte Schichten auch zum Beweise beitraͤgt, daß die Faͤrbung von organischen Ausduͤnstungen herruͤhrt, so wollen wir nicht weiter gehen, ohne auch uͤber diese sonderbare Erscheinung etwas zu sprechen. Die rauchende Saͤure zieht aus der Luft den Wasser-Dampf und zugleich die in demselben enthaltenen organischen Fluͤßigkeiten an. Dieses Einsaugen der Saͤure erfolgt auf der Oberflaͤche derselben. Da nun die Saͤure durch Anziehen von Wasser specifisch leichter wird, so befindet sich oben eine Schichte Saͤure, welche verduͤnnt, und daher leichter ist, als die untere; allein, waͤhrend die Saͤure den Wasserdampf anzieht, nimmt sie zugleich auch die organischen Duͤnste auf, welche, indem sie zersezt werden, ein groͤßeres specifisches Gewicht annehmen, als die auf der Oberflaͤche befindliche verduͤnnte Saͤure; auf diese Weise sinken sie unter, und sezen sich da ab, wo die Saͤure dichter ist; ein Beweis hiervon ist auch das, daß die schwarze Schichte, welche sich in dem mit der Gloke bedekten Flaschchen befand, nach und nach zu Boden sank, und sich hierauf gleichmaͤßig in der ganzen Masse vertheilte, nachdem alle Saͤure einen gleichen Grad von Dichtheit erlangt hatte.Bei allen diesen Versuchen war Hr. Steph. Marianini, Prof. der Physik, der mich oͤfter bei meinen Arbeiten mit seiner Gegenwart beehrt, zugegen. Da ich uͤberzeugt war, daß die Verdunkelung der Saͤure von der Anziehung und Zersezung der organischen Ausduͤnstungen herruͤhre, und daß die, in dem angefuͤhrten Versuche erwaͤhnten, schwarzen Tropfen ebenfalls aus dieser organischen Substanz in Verbindung mit der bereits vorher durch Wasser verduͤnnten, Saͤure bestuͤnden, so schien es mir, daß die Wirkung der Saͤure auf diese Tropfen um so groͤßer seyn muͤßte, wenn ich dieselbe in Dampf-Gestalt auf eine groͤßere Menge davon wirken lassen wuͤrdeImmer ist es die Saͤure in Dampf-Gestalt, welche die organischen Fluͤßigkeiten anzieht, und welche die oft erwaͤhnten Tropfen in den Zustand einer kohligen Substanz versezt; deßwegen ist es auch ganz natuͤrlich, daß eine groͤßere Menge dieses sauren Dampfes eine noch groͤßere Wirkung hervorbringt. Ich bemerkte, daß bei der gewoͤhnlichen Temperatur in dem leeren Raume der Flaͤschchen, in welchen sich Schwefelsaͤure befindet, immer eine Atmosphaͤre von saurem Dampfe ist, der sehr große Verwandtschaft zum Wasser zu besizen scheint. Ich befestigte im Grunde einer Gloke einen mit Lakmuß gefaͤrbten Papierstreifen, und stuͤrzte dieselbe uͤber ein Flaͤschchen, in welchem sich Schwefelsaͤure befand; in wenigen Minuten war der Papierstreifen ganz roth gefaͤrbt, obwohl er mehr als 22 Zoll von der Saͤure entfernt war; die Faͤrbung des Lakmußpapieres erfolgte noch viel schneller, wenn dasselbe befeuchtet war, was zu beweisen scheint, daß der saure Dampf nicht mit Feuchtigkeit gesaͤttigt war, was vielleicht daher kommen mag, daß er, indem er in jener Atmosphaͤre zuerst dem Wasserdampfe begegnet, und sich mit demselben verbindet, zur gewoͤhnlichen Saͤure wird, und dann als eine, so wenig Feuchtigkeit enthaltende, Saͤure nicht in elastischem Zustande bleiben kann.; deßwegen erhizte ich das Flaͤschchen so lang, bis sich haͤufige Daͤmpfe der Saͤure erhoben, worauf ich bemerkte, daß die Tropfen, welche eine kastanienbraune Farbe besaßen, in wenigen Augenbliken schwarz wie Ruß wurden. Dieser Versuch bestaͤtigte mir nicht bloß, daß es die organische Substanz ist, welche die Saͤure faͤrbt, sondern uͤberzeugte mich auch von der besonderen Wirkung der Saͤure auf dieselbe. Es ist schon laͤngst bekannt, daß die Farbe der rauchenden saͤchsischen Schwefelsaͤure durch Sieden verschwindet, und daß man dieselbe dadurch wasserklar erhalten koͤnne; allein nie wurde sorgfaͤltig untersucht, welche Natur die Substanz besizt, die beim Sieden verloren geht; ich, trachtete daher durch einige Versuche mir Aufklaͤrung uͤber diesen Umstand zu verschaffen. Da sich beim Sieden der Saͤure keine gasfoͤrmigen Fluͤßigkeiten erheben, welche uns auf die Natur der faͤrbenden Substanz der Saͤure schließen lassen, und da sich in derselben nichts ausfindig machen laͤßt, dem diese Eigenschaft zugeschrieben werden koͤnnte, so versuchte ich die Saͤure kuͤnstlich mit vegetabilischen und animalischen Substanzen zu faͤrben, und die Wirkung des Siedens auf diese Saͤure auszumitteln. Ich brachte daher in vollkommen wasserklare Saͤure einige vegetabilische Substanzen, welche derselben die Farbe der gewoͤhnlichen kaͤuflichen Saͤure gaben; um diese Farbe zu erhalten, sind sehr geringe Mengen, wie z.B. Bruchtheile eines Granes auf 3–4 Unzen Saͤure hinreichend. Ich erhielt diese gefaͤrbte Saͤure durch Kochen waͤhrend einiger Minuten jedes Mahl farblos, so daß es schien, als waͤre sie nie durch irgend eine Substanz gefaͤrbt gewesen. Nachdem ich auf diese Weise gefunden hatte, daß die, der Saͤure durch vegetabilische Substanzen mitgetheilte, Farbe durch das Feuer verloren geht, so wollte ich auch mit animalischen Stoffen, wie mit Muskelsubstanz, Faserstoff, Gallerte, Fett, Knochen, Federn und dergl. Versuche anstellen; ich fand, daß die, durch diese Koͤrper hervorgebrachte, Faͤrbung durch Sieden ganz verloren geht; nur ist zu bemerken, daß einige derselben die Saͤure mehr faͤrben als andere; die Fette z.B. theilen derselben auch in der geringsten Menge eine ziemlich dunkle Farbe mit, welche durch Sieden nicht mehr ganz verschwindet, sondern eine etwas strohgelbe Faͤrbung zuruͤklaͤßt, daher darf man dieselben nur in der geringsten Menge anwenden, wie zu 1/10 oder 1/12 Gran auf 4 Unzen Saͤure, wenn man will, daß auch keine Spur der Faͤrbung zuruͤkbleiben soll. Federn, Gallerte und Knochen hingegen faͤrben die Saͤure nur wenig, so daß sie dadurch kaum die Farbe der kaͤuflichen Saͤure erhaͤlt; sie verliert auch durch Sieden ihre Farbe wieder ganz, so daß sie wasserklar wird.Wenn man Stuͤkchen von Muskeln, Federn, Hausenblase etc. auf die Saͤure wirft, so entstehen dadurch dieselben sonderbaren Bewegungen, welche der Kampfer und andere Substanzen auf der Oberflaͤche des Wassers zeigen; die Drehungen sind unbestimmter, wenn die Saͤure erhizt ist, denn dann geschieht die Zersezung schneller. Ich muß hier noch bemerken, daß die, bei diesen Versuchen angewendete, Saͤure durch Sieden, und nicht durch Destillation, entfaͤrbt worden war, und daß sie, nachdem sie z.B. mit Gallerte probirt und dann wieder entfaͤrbt worden war, auch noch zu Versuchen mit anderen Substanzen diente; denn daraus ergibt sich, daß dieselbe mehrere Mahle nach einander gefaͤrbt werden koͤnne, ohne daß sie zulezt auch nur eine Spur von Faͤrbung beibehielte, oder daß sie in hohem Grade die Eigenschaft besizt, bei Erhizung bis zum Sieden, die organischen Substanzen, von welchen sie gefaͤrbt ist, zu zerstoͤren. Da sich aus dieser Reihe von Versuchen ergibt, daß die, kuͤnstlich mit vegetabilischen oder animalischen Substanzen gefaͤrbte, Schwefelsaͤure sich auf dieselbe Weise entfaͤrben laͤßt, wie die kaͤufliche Saͤure, so laͤßt sich der Analogie zufolge vermuthen, daß auch leztere von aͤhnlichen Koͤrpern gefaͤrbt sey, welche, indem sie sich aus den fruͤher angegebenen Gruͤnden nicht in festem Zustande befinden koͤnnen, gasfoͤrmig vorhanden seyn muͤssen, und in diesem Zustande von der Saͤure angezogen werden. Es muß ferner auch alle kaͤufliche Saͤure auf gleiche Weise gefaͤrbt seyn, und wir brauchen wohl die Erscheinungen der Faͤrbung, welche in verschlossenen Flaschen und in solchen erfolgt, die mit fauler Atmosphaͤre in Beruͤhrung stehen, nicht weiter zu erklaͤren. Beobachtungen bei der Destillation der rauchendsten Nordhaͤuser Schwefelsaͤure, die es geben kann. Da ich mir zu meinen Versuchen eine hoͤchst rauchende und zugleich vollkommen farblose Saͤure verschaffen wollte, so unterwarf ich diese Saͤure in einem hoͤchst reinen Apparate, zu dem ich weder Stoͤpsel noch Kitt brauchte, da alles genau in einander eingerieben war, der Destillation. Nachdem Alles zur Destillation zubereitet war, brachte ich Feuer unter die Retorte; als die Saͤure sich zu erheben und aus dem Halse der Retorte zu fließen begann, wunderte ich mich nicht wenig, dieselbe eben so gefaͤrbt zu sehen, als sie war, ehe ich sie in die Retorte brachte; dieß dauerte eine kurze Zeit, denn hierauf wurde sie ungefaͤrbt, wie es bei jeder anderen Destillation dieser Saͤure der Fall zu seyn pflegt. Als ich sie ungefaͤrbt uͤbergehen sah, nahm ich das Feuer weg, und unterbrach die Destillation fuͤr diesen Tag; den folgenden Tag sezte ich, nachdem ich die, in dem Ballon befindliche, gefaͤrbte Saͤure beseitigt hatte, die Feuerung fort; allein die Saͤure, welche zuerst uͤberging, war, wie den Tag zuvor, gefaͤrbt; dieß schien mir der Aufmerksamkeit werth, indem dadurch die Erklaͤrung der fruͤher erwaͤhnten Erscheinung bestaͤtigt werden konnte. Die Faͤrbung der ersten Saͤure konnte ich, obschon der Apparat ausgezeichnet rein war, der Unreinigkeit der Retorte zuschreiben; allein waͤre dieß der Fall gewesen, so wuͤrde die, am ersten Tage uͤbergegangene, Saͤure denselben ganz ausgewaschen haben, weil die zulezt uͤbergegangene ganz farblos war; auch haͤtte die, am zweiten Tage destillirte, Saͤure dann ganz ungefaͤrbt seyn muͤssen. Da sich durch diese Voraussezung keine Rechenschaft uͤber die Erscheinung ablegen laͤßt, so glauben wir dieselbe dadurch passend zu erklaͤren, daß wir annehmen, die Faͤrbung dieser Saͤure geschehe durch Zersezung der organischen Ausduͤnstungen, welche sich in der Luft des Apparates befinden, indem der wasserfreie saure Dampf, der sich zuerst erhebt, diese Zersezung mit großer Heftigkeit bewirkt; denn beim Abkuͤhlen des Apparates trat neuerdings Luft in den Apparat, welche gleichfalls neue organische Ausduͤnstungen mit sich brachte, welche bei der Erhebung der Saͤure in Daͤmpfen auf dieselbe Weise, wie vorher, zersezt wird. Um diese hoͤchst rauchende SaͤureDie Saͤure, welche ich destillirte, enthielt nicht soviel wasserfreie Saͤure, daß ich bei einer Temperatur der Luft von + 14° R. eisfoͤrmige oder sternfoͤrmige Saͤure erhielt, ohne den Ballon mit Eis zu umgeben.ganz farblos zu erhalten, muß man einen tubulirten Ballon nehmen, und die erste, gefaͤrbt uͤbergehende, Saͤure, die immer nur sehr wenig betraͤgt, beseitigen, und hierauf bis zum Ende mit der Destillation fortfahren; denn will man die sternfoͤrmige und eisfoͤrmige Saͤure nicht von der gewoͤhnlichen Saͤure getrennt erhalten, so wird sie von der lezteren, welche nachfolgt, aufgeloͤst, und man erhaͤlt so die rauchendste und ganz farblose Nordhaͤuser Saͤure; dieß gelang mir auch jedes Mahl vollkommen nach den oben angefuͤhrten Versuchen.Die sternfoͤrmige und eisfoͤrmige Saͤure, welche man zugleich mit der geringen Menge der angefuͤhrten gefaͤrbten Saͤure erhaͤlt, ist jedoch farblos, und so weiß als moͤglich, und zwar aus dem Grunde, weil die wenige Saͤure, welche man dann in fluͤßigem Zustande erhaͤlt, auch bloß wasserfreie Saͤure in Verbindung mit der, in der Luft des Apparates enthaltenen, Feuchtigkeit, und in Verbindung mit den anderen organischen Substanzen ist; daher kommt es, daß der ganze groͤßere Theil, der bei dieser Verbindung keinen Antheil hat, in festem Zustande und ganz rein bleibt. So wie ich bloß zur Bestaͤtigung der neu entdekten Eigenschaft der rauchenden Saͤure mehrere Mahle die angefuͤhrte Destillation unternahm, so versuchte ich, nachdem ich gesehen hatte, daß die wasserfreie Saͤure, oder die erste, welche als Dampf, der durch die Erwaͤrmung sehr elastisch gemacht worden, uͤbergeht, eine sehr bedeutende Wirkung auf die in der Luft befindlichen organischen Fluͤßigkeiten habe, so versuchte ich, sage ich, diese Saͤure kraͤftig in die Luft ausstroͤmen zu lassen, um den Erfolg davon zu sehen. Nachdem ich also diese Saͤure in die Luft gebracht hatte, indem ich die Rohre des Ballons, als der Apparat gut erhizt worden war, oͤffnete, zeigte sich jener weiße Rauch nicht, welcher entsteht, wenn sie die Feuchtigkeit gemaͤchlich anzieht, sondern es entstand ein zerstreuter und schwaͤrzlicher Dampf, gleich jenem, der sich beim Verbrennen vegetabilischer Substanzen erhebt; ich wiederholte diesen Versuch oͤfter mit Erfolg, so daß ich mich berechtigt halte, zu glauben, daß die wasserfreie Saͤure im Zustande eines sehr elastischen Dampfes so kraͤftig auf die organischen Fluͤßigkeiten wirkt, daß sie dieselben sogleich verbrennt, wie sie damit in der Luft in Beruͤhrung kommt. Gewiß ist es, daß, wenn ein Strom dieses Dampfes auf organische Koͤrper kommt, diese sogleich verkohlt werden, als waͤren sie vom heftigsten Feuer angegriffen worden. Ich sagte am Anfange dieser Abhandlung, daß Hrn. Bussy eine, den angefuͤhrten aͤhnliche, Erscheinung vorgekommen seyn muͤsse. Er sagt auch, nachdem er alles bei der Destillation Noͤthige angeordnet: „diese Zurichtung des Apparates ist hoͤchst nothwendig, weil es unmoͤglich ist, Korkstoͤpsel oder irgend eine Art von Kitt zu bereiten, wodurch man im Stande waͤre, die Gefaͤße genau zu verschließen, waͤhrend es doch so wichtig ist, die Saͤure vor dem Zutritte der atmosphaͤrischen Luft zu schuͤzen.“ Dieses sorgfaͤltige Beschuͤzen der Saͤure vor dem Zutritte der atmosphaͤrischen Luft kann wohl nicht wegen der wenigen Feuchtigkeit, welche sie aufnehmen koͤnnte, so sehr empfohlen werden, sondern wegen des Verbrennens der organischen Fluͤßigkeiten, das durch die wasserfreie Saͤure in elastischem Zustande bewirkt wird. Daher geschieht es, wie ich durch Versuche erwiesen habe, daß, bei dem Eintritte der Luft in den Ballon, nicht bloß die feste Saͤure, welche sich in demselben befindet, aufgeloͤst wird, sondern daß auch jener schwaͤrzliche Rauch entsteht, der bei seinem Verschwinden an den Waͤnden des Ballons und auf der Saͤure selbst Troͤpfchen einer dunklen Substanz absezt, so daß bei oͤfterer Wiederholung dieses Versuches die Saͤure durch die Abscheidung der erwaͤhnten Substanz ziemlich getruͤbt wird. Dieser Versuch laͤßt sich auf folgende Weise anstellen: die rauchende saͤchsische Saͤure wird auf die fruͤher angegebene Weise in's Feuer gebracht, und die zuerst uͤbergehende geringe Menge gefaͤrbter Saͤure beseitigt; ist die Luft groͤßten Theils aus dem Apparate vertrieben, so kuͤhlt man den Apparat schnell ab, indem man ihn mit einer Kaͤlte erzeugenden Mischung umgibt, und oͤffnet hierauf die Roͤhre, wo dann die Luft mit Heftigkeit eindringen wird. Sogleich, wie diese mit dem Dampfe der wasserfreien Saͤure, der sich aus der erhizten Saͤure entwikelt, in Beruͤhrung tritt, wird sie verbrannt, oder besser, es werden die, in ihr enthaltenen organischen Fluͤßigkeiten verbrannt, so daß Rauch entsteht, und sich, wie schon oͤfter gesagt wurde, eine dunkle Substanz absezt. Die Beobachtung dieser ausgezeichneten Wirkung der wasserfreien Saͤure im Zustande einer elastischen Fluͤßigkeit auf die organischen Duͤnste, brachte mich auf die Idee, daß dieselbe vielleicht ein sehr gutes Mittel seyn koͤnnte, um die Gegenwart dieser Ausduͤnstungen zu beweisen, wenn sie als ein, durch den Waͤrmestoff hoͤchst elastisch gemachter, Dampf mit der Luft in Beruͤhrung gebracht wuͤrde. Um diese neue Art chemischer Untersuchungen zu irgend einem Ziele zu bringen, mußte ich also ein gehoͤriges, zwekmaͤßiges Verfahren ersinnen. Es gelang mir eines ausfindig zu machen, welches allen meinen Versuchen entsprach, so daß ich eine ausfuͤhrliche Beschreibung davon geben zu muͤssen glaube, zu der ich nun sogleich uͤbergehe. Das hierzu noͤthige Instrument will ich Diaftoroskop nennen, was soviel heißt als Weiser der Anstekung, die sich in der Luft befindet. Vom Diaftoroskop und den damit angestellten Versuchen. Zur Ausmittelung der in der Luft enthaltenen organischen Ausduͤnstungen, wozu die Wirkung der wasserfreien Schwefelsaͤure im Zustande eines elastischen Dampfes nothwendig ist, ließ ich folgendes Instrument verfertigen: zu demselben gehoͤrt eine glaͤserne Gloke, welche dazu bestimmt ist, die Luft zu enthalten, mit welcher man den Versuch anstellen will. In diese Gloke muͤndet, ungefaͤhr in der Mitte ihrer Hoͤhe, eine eingeriebene konische Glasroͤhre, deren groͤßerer Durchmesser beilaͤufig 4, der kleinere 2 Linien betraͤgt. Diese Roͤhre reicht in der Gloke an der Seite ihres kleineren Durchmessers beinahe bis gegen die Achse derselben; waͤhrend sie an der anderen Seite um einen Zoll oder etwas mehr aus der Gloke hervorragt. Der hervorstehende Theil dieser Roͤhre ist in eine andere Roͤhre eingerieben, die einen glaͤsernen Hahn hat, und in eine dritte Roͤhre paßt, welche 3–4 Zoll in horizontaler Richtung, wie die ersteren Roͤhren, fortlaͤuft, sich dann umbiegt und in perpendiculaͤrer Richtung 2–3 Zoll fortlaͤuft, und zulezt in einen kleinen glaͤsernen Recipienten eingerieben ist, der bestimmt ist, die rauchende saͤchsische Saͤure aufzunehmen. Um diesen Apparat bei den Versuchen gehoͤrig benuͤzen zu koͤnnen, braucht man einen Tisch von folgender Form: er besteht aus einem, von vier Fuͤßen getragenen Parallelepipede, das um 3 Zoll kuͤrzer ist, als der Apparat. Auf einer Seite dieses Tisches befindet sich eine 2 Zoll hohe oder etwas hoͤhere Basis, auf welche die Gloke gestellt werden muß; hinter dieser erhebt sich ein Saͤulchen, welches die auf der Basis befindliche Gloke um einen halben Zoll uͤbersteigt, und welches auf einer Glasplatte ruht, die sich auf der Basis befindet. An der Spize des erwaͤhnten Saͤulchens ist ein Arm von Messing, der sich gegen die Gloke neigt, und an dessen Ende eine Schraube angebracht ist, welche mittelst eines Schaͤlchens von Messing, das sich an derselben befindet, die Gloke auf der Basis festhaͤlt, auf welcher sie ruht, damit sie sich nicht so leicht bewegt, und sich beim Oeffnen und Schließen des Hahnes nicht verruͤkt. Am anderen Ende des Tisches befindet sich eine kurze, in der Mitte durchbohrte, Saͤule, an deren Mitte ein Staͤngelchen von Messing angebracht ist, welches durch eine Schraube hoͤher und niedriger gestellt werden kann, und dazu dient die gekruͤmmte Roͤhre und die anderen damit verbundenen Roͤhren zu befestigen. Der Recipient mit der Saͤure befindet sich außerhalb des Tisches, und da auch er unterstuͤzt werden muß, so ist an der Seitenflaͤche des Tisches ein Ring angebracht, der sich durch eine Schraube hoͤher und niedriger stellen laͤßt, so daß, wenn der Recipient mit der krummen Roͤhre verbunden ist, der Ring soweit emporgebracht wird, bis der Recipient gut unterstuͤzt ist; schließt man nun die Schraube, so wird lezterer fest mit der Roͤhre, die dazu gehoͤrt, in Verbindung gehalten. Will man einige Versuche mit diesem Apparate machen, so bringt man die zu untersuchende Luft in die Gloke, und verschließt den Hahn, so daß keine Verbindung zwischen der Gloke und dem Recipienten besteht, in welchem die Schwefelsaͤure enthalten ist; diese wird dann mit einer Weingeistlampe bis zum Sieden und so lang erhizt, bis sich in der gekruͤmmten Roͤhre und in dem leeren Raume des Recipienten durch das Erhizen eine Atmosphaͤre von sehr elastischer wasserfreier Saͤure bildet; hierauf oͤffnet man den Hahn, wo dann der elastische Dampf der Saͤure, sowohl wegen seiner Elasticitaͤt, als wegen der Neigung der Roͤhren gegen einander, mit großer Gewalt in die Gloke stroͤmt; hier begegnet sie der Atmosphaͤre, und verbrennt die darin enthaltenen organischen Daͤmpfe, wodurch die Absezung einer kohligen Substanz erfolgt, welche uns das Daseyn der erwaͤhnten Daͤmpfe beweist. Bei den Versuchen, welche ich anstellte, zeigte die Luft, (die jene meines Laboratoriums war), immer Spuren einer kohligen Substanz; da ich keine so reine Luft fand, welche nichts davon zeigte, wie es z.B. mit der Gebirgsluft der Fall seyn moͤchte, und ich daher nicht sehen konnte, in wiefern die Luft-Arten von einander abweichen, so suchte ich diesen Gegenstand so viel als moͤglich in's Reine zu bringen, indem ich solche Atmosphaͤren zur Untersuchung unter die Gloke brachte, welche sehr viel organischen Dunst enthielten, er mochte fauler oder anderer unschaͤdlicher Natur seyn. Nachdem ich faulende animalische Substanzen unter die Gloke gebracht, und die Saͤure auf die angegebene Art in dieselbe geleitet hatte, zeigte sich etwas mehr kohlige Substanz, als in der einfachen atmosphaͤrischen Luft. Doch ist hier zu bemerken, daß das Instrument, dessen ich mich hierzu bediente, schlecht verfertigt warIch war nicht im Stande, hier dieses Instrument besser verfertigen zu lassen, und wenn ich auch an einem anderen Orte sagte, daß es allen Versuchen, die ich damit anstellte, ziemlich gut entsprach, so ist das so zu verstehen, daß man selbst mit einem schlechten und unvollkommenen Instrumente den Erfolg sieht, der also bei einem genau gearbeiteten Apparate noch viel ausfallender seyn muͤßte., weil die Fugen der Roͤhren nicht so gut in einander paßten, daß kein Dampf der Saͤure herausdringen konnte; der Hahn selbst schloß auch so schlecht, daß, ohne derselben zu oͤffnen, Saͤure in die Gloke eindrang. Wegen dieser Unvollkommenheit des Instrumentes zeigten sich die Erscheinungen nicht so auffallend, als es der Fall haͤtte seyn muͤssen, wenn eine groͤßere Menge wasserfreie Saͤure mit Schnelligkeit in die Gloke gelangt waͤre. Ich konnte dem Dampfe der Saͤure nur sehr wenig Elasticitaͤt geben, so daß er, bei Oeffnung des Hahnes, sehr langsam in die Gloke drang; außerdem war es auch noch sehr nachtheilig, daß schon vor dem Oeffnen des Hahnes etwas Saͤure hineinkam. Wenn eine große Menge wasserfreie Saͤure in die Gloke gelangt, so reicht die, in der Luft, der Gloke enthaltene, Feuchtigkeit bei weitem nicht hin, um alle in gewoͤhnliche Saͤure zu verwandeln, und es bleibt noch eine große Menge wasserfreie Saͤure zuruͤk, welche kraͤftig auf die organischen Duͤnste einwirkt; dringt aber dieselbe nur in geringer Menge und langsam ein, so wird sie ganz von der Feuchtigkeit der Luft in gewoͤhnliche Saͤure verwandelt, in welcher sich die organischen Duͤnste aufloͤsen, so daß die oben erwaͤhnte kohlige Substanz nicht mehr entsteht; dieß geschieht jedoch nicht bei jener geringen Menge gewoͤhnlicher Saͤure, die sich bildet, wenn die Saͤure in großer Menge in die Gloke gelangt; indem die Wirkung der Saͤure auf die Feuchtigkeit zugleich mit jener auf die organischen Duͤnste erfolgt, so daß diese verbrannt werden, ehe sie Zeit haben sich mit der entstandenen gewoͤhnlichen Saͤure zu verbinden. Ich bemerkte oft, wie sich im Augenblike der Wirkung der Saͤure die kohlige Substanz sehr sichtbar absezte, waͤhrend sie, nachdem sie in der Saͤure, welche Feuchtigkeit anzog, sich aufloͤste, kaum mehr sichtbar ist. Aus den eben angefuͤhrten Gruͤnden, (welche von der Unvollkommenheit des Instrumentes herruͤhren), konnte ich in der Gloke die Absezung von verkohlter Substanz nicht bemerken, wohl aber in den Roͤhren, am Hahne und kurz an allen jenen Stellen, bei welchen sich die Saͤure schneller vorbei bewegte; in einigen Faͤllen erzeugte sich die dunkle Substanz auch rund um den Hahn, in der konischen Roͤhre etc., so daß es mir schien, die daselbst befindliche Saͤure ziehe aus den angegebenen Ursachen die organischen Duͤnste so schnell an, daß auch die, in der Luft der Gloke zerstreuten, in die Roͤhren gezogen und dort verbrannt werden. Dem mag jedoch seyn wie ihm wolle, so ist soviel gewiß, daß sich an den bemerkten Stellen kohlige Substanz ansezte. Bemerken muß ich, daß die Roͤhren nach jedem Versuche sorgfaͤltig mehrere Mahle mit destillirtem Wasser abgewaschen, dann ohne weiters in Papier eingewikelt, und in der Sonne, oder im Trokenofen getroknet werden muͤssen, denn ohne diese Vorsichtsmaßregeln koͤnnte der Staub der Luft, oder irgend etwas anderes in die Roͤhren gelangen, und so bei dem Versuche eine verkohlte Substanz erzeugen, welche nichts weniger als von den, in der Luft enthaltenen, organischen Duͤnsten herruͤhrt. Nachdem ich mit aller Vorsicht, die jeden Irrthum unmoͤglich machte, die Luft in natuͤrlichem Zustande, und mit faulen Duͤnsten (wie von faulem Fleische, Urin etc.) geschwaͤngert, untersucht hatte, unterwarf ich auch solche Luft meinen Versuchen, die mit Alkohol-Dampf, mit aͤtherischen Oehlen, Kampfer, und anderen riechenden fluͤchtigen Harzen und Gummiharzen impraͤgnirt war; ich wollte auch den Dunst des Schwefel-AethersHr. Prof. Marianini beehrte mich bei einigen dieser Versuche mit seiner Gegenwart.untersuchen; allein ich erhielt damit nicht mehr kohlige Substanz, als mit gewoͤhnlicher atmosphaͤrischer Luft. Die groͤßte Menge kohliger Substanz gab, unter den angegebenen Koͤrpern, der Weingeistdunst, und nach diesem der Kampfer; indessen zeigten auch die uͤbrigen einen groͤßeren Gehalt davon, als die einfache atmosphaͤrische Luft. Aus den angegebenen Versuchen glaube ich schließen zu duͤrfen, daß mein Diaftoroskop, wenn es genau verfertigt wuͤrde, geeignet waͤre, uns die, in der Luft enthaltenen, organischen, Duͤnste zu beweisen. Uebrigens glaube ich, daß es am besten waͤre, wenn man den Recipienten und die Roͤhren aus Metall, statt aus Glas, machte, weil man dann dem sauren Dampfe mehr Elasticitaͤt geben koͤnnte, ohne Gefahr zu laufen, daß das Instrument zerspringt, und weil dann der Erfolg groͤßer seyn wuͤrde. Das hierzu am tauglichsten Metall waͤre die Platinna, da es das wohlfeilste unter jenen Metallen ist, die von Schwefelsaͤure nicht angegriffen werden; allein auch die Platinna ist zu theuer, als daß sich ein Jeder mein Instrument daraus verfertigen lassen koͤnnte; daher halte ich es fuͤr passend, hier einige Versuche anzufuͤhren, welche ich anstellte, um zu beweisen, daß auch die gewoͤhnlichsten Metalle zur Verfertigung meines Apparates verwendet werden koͤnnten. Die wasserfreie Schwefelsaͤure greift keines der gewoͤhnlichen Metalle an. Nach Erlaͤuterung der neuen Eigenschaft der wasserfreien SaͤureIch gebe dieser Saͤure nach dem Beispiele anderer beruͤhmten Chemiker den Beinamen wasserfrei, ohne deßwegen behaupten zu wollen, daß sie auch nicht die geringste Menge Wasser enthaͤlt., wollte ich auch die Wirkung derselben auf die Metalle und die salzfaͤhigen BasenDie Wirkung der wasserfreien Saͤure auf die salzfaͤhigen Basen werde ich in einer anderen Abhandlung bekannt machen.untersuchen; ich will hier aber bloß jener auf die Metalle erwaͤhnen, da sie mit meiner gegenwaͤrtigen Aufgabe unmittelbar zusammenhaͤngt. Bei Untersuchung der Wirkung der wasserfreien Saͤure auf die leicht oxidirbaren Metalle muß die, in der Gloke und in den Roͤhren befindliche, Luft so troken als moͤglich seyn, damit kein Atom gewoͤhnliche Saͤure entsteht. Um die Luft auf einen hohen Grad von Trokenheit zu bringen, sezte ich, nachdem ich die Gloke und die Roͤhren so troken als moͤglich gemacht hatte, eine silberne SchaleIch bediente mich eines silbernen Schaͤlchens, um, bei auf einander folgenden Versuchen, das Chloruͤr neuerdings troknen zu koͤnnen, ohne es von einem Gefaͤße in ein anderes umgießen zu muͤssen, und um es, damit es alle seine Wirksamkeit besize, sehr warm unter die Gloke bringen zu koͤnnen.von großer flacher Oberflaͤche mit stark getroknetem Calcium-Chloruͤr unter die Gloke, die ich so anbrachte, daß von außen keine Luft mehr eindringen konnte; in diesem Zustande ließ ich den Apparat einige Stunden lang, waͤhrend welcher ich die Roͤhren und die Gloke erwaͤrmt hielt, damit sich alle Feuchtigkeit davon trennt, und vom Chloruͤr angezogen wird. Nachdem ich mich auf diese Weise versichert hatte, daß keine Feuchtigkeit mehr in der Luft sey, und nachdem ich bereits die Metalldraͤhte oder Metall-Blaͤttchen in die kegelfoͤrmige Roͤhre gebracht hatte, erhizte ich die Saͤure, und erzeugte wasserfreie Saͤure, die gerade auf das, der Untersuchung unterworfene, Metall wirken mußte. Zink, Kupfer, Eisen, Silber, Blei, Zinn, Messing, welche ich in die kegelfoͤrmige Roͤhre meines Diaftoroskop'sDieses Instrument taugt, wenn es gut eingerichtet ist, auch sehr gut zu Versuchen dieser Art; denn man braucht in diesem Falle nur den Hahn immer offen zu lassen, damit alle, in dem Instrumente enthaltene Luft gut erhizt werde; diese Luft ist vollkommen troken, wenn sich beim Erhizen des Recipienten kein Dampf in dem leeren Raume zeigt; denn der Dampf erhebt sich durch den Waͤrmestoff als eine unsichtbare Fluͤßigkeit. brachte, und uͤber welche ich beinahe Eine Stunde lang den Dampf der wasserfreien Saͤure streichen ließ, blieben bei diesem Versuche so glaͤnzend, wie zuvor; woraus folgt, daß die wasserfreie Saͤure keine Wirkung auf diese Metalle hatte. Ich muß jedoch bemerken, daß man beim Entfernen der Metalle von ihrer Stelle sehr schnell seyn muͤsse, wenn man dieselben vollkommen glaͤnzend sehen will, weil sich auf der Oberflaͤche derselben ein Hauch von wasserfreier Saͤure befindet, welcher, in Beruͤhrung mit der Luft, Feuchtigkeit anzieht, und zugleich auch das Metall angreift, so daß eine Oxidation oder eine Verdunkelung entsteht, welche zu falschen Schluͤssen verleiten koͤnnte. Macht man aber mit einem Instrumente diesen Versuch, so ist ein solcher Irrthum unmoͤglich; denn man sieht den Glanz des Metalles sehr gut, wenn es sich noch in der kegelfoͤrmigen Roͤhre befindet, und wenn es vollkommen gegen den Einfluß der aͤußeren Luft geschuͤzt ist. Da Hr. Vogel Siehe Annales de Chimie. Tom. 84. P. 270.beobachtete, daß die eisfoͤrmige Saͤure, wenn sie auf Queksilber kaum etwas erhizt wird, die Entwikelung einer großen Menge schwefeligsauren Gases veranlaßt, waͤhrend dabei Queksilber-Sulphat entsteht; so war ich begierig, zu sehen, wie die Saͤure im Zustande der vollkommensten Trokenheit auf dieses Metall wirken wuͤrde. Ich machte daher unter den angegebenen Vorsichtsmaßregeln einen Versuch damit; die Saͤure zeigte keine Wirkung auf das Metall, denn dieses wurde auf der Oberflaͤche nur ein wenig matt, vielleicht weil es vorher nicht gut ausgekocht wurde. Ich glaube daher mit allem Grunde schließen zu koͤnnen, daß die wasserfreie Schwefelsaͤure keine Wirkung auf die Metalle hat.