Titel: Kurze Geschichte der Gas-Beleuchtung und ihrer Verbesserungen, nebst Vorschlägen zu neuen Verbesserungen. Von G. Atkins.
Fundstelle: Band 21, Jahrgang 1826, Nr. CIX., S. 438
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CIX. Kurze Geschichte der Gas-Beleuchtung und ihrer Verbesserungen, nebst Vorschlägen zu neuen Verbesserungen. Von G. Atkins. Aus dem Repertory of Patent-Inventions, August, 1826. S. 84. (Im Auszuge.) Atkins's, kurze Geschichte der Gas-Beleuchtung und ihrer Verbesserungen. Der Hr. Verfasser uͤbergeht in dieser kurzen Geschichte absichtlich alle jene Vorschlaͤge, welche von Zeit zu Zeit gemacht wurden, und nicht praktisch anwendbar gefunden worden sind. „Die erste zuverlaͤßige Nachricht uͤber Entdekung eines brennbaren Gases aus Steinkohlen ist jene von Dr. Clayton in den Philosophical Transactions vom J. 1739. Indem er seine Versuche mit einer kleinen in offenes Feuer gebrachten Retorte beschreibt, sagt er: „Anfangs ging bloß ein Phlegma uͤber, spaͤter ein schwarzes Oehl, und dann ein Geist, den ich durchaus nicht verdichten konnte, denn er sprengte entweder meinen Kitt oder meine Glaser. Ich bemerkte, daß der Geist, welcher herausdrang, an der Flamme einer Kerze sich entzuͤndete, und fortfuhr mit Heftigkeit zu brennen, so lang er in einem Strome hervordrang; ich konnte ihn mehrere Mahle nach einander ausblasen und wieder anzuͤnden. Ich befestigte hierauf eine ausgedruͤkte luftleere Blase an der Roͤhre der Vorlage. Das Oehl und Phlegma ging in den Recipienten uͤber; allein der Geist stieg immer in die Hoͤhe, und blies die Blase auf. Ich fuͤllte endlich eine Menge Blasen mit demselben, und haͤtte noch eine unendliche Menge von Blasen fuͤllen koͤnnen; denn der Geist ging mehrere Stunden lang ununterbrochen uͤber, und fuͤllte die Blasen beinahe so schnell, wie ein Mann sie mit seinem Munde haͤtte aufblasen koͤnnen; indessen war die Menge der Kohlen, die ich destillirte, sehr gering. Ich bewahrte diesen Geist eine bedeutende Zeit uͤber in den Blasen auf, und suchte ihn zu verdichten; allein vergebens. Um meine Freunde zu unterhalten, habe ich oͤfters eine dieser Blasen genommen, und mit einer Nadel ein Loch in dieselben gestochen; wenn ich nun die Blase in der Nahe der Flamme einer Kerze sacht zusammendruͤkte, so entzuͤndete sich dieser Geist, und brannte so lang fort, bis er ganz aus der Blase ausgedruͤkt war.““ Mit Ausnahme der Benennungen der Producte: Phlegma, schwarzes Oehl und Geist, statt Ammonium-Fluͤßigkeit, Kohlentheer und Gas, war also Dr. Clayton der Entdeker des brennbaren Gases durch Destillation der Steinkohlen; er scheint aber keine Idee von dem Umfange des Nuzens seiner Entdekung gehabt zu haben. Lord Dundonald stellte spaͤter mehrere Versuche im Großen uͤber die verschiedenen Producte an, die man durch Zersezung der Steinkohlen erhaͤlt, in der Absicht Brenn-Material zu ersparen, und die Producte bei der Koks-Bereitung alte zu gewinnen. Auch der sel. Bischof Watson machte sehr viele Versuche uͤber Destillation der Steinkohlen, und er hat das Verdienst, der Erste gewesen zu seyn, der in seinen Chemical Essays den chemischen Charakter der verschiedenen Producte bei der Steinkohlen-Destillation festgesezt hat. Er erwaͤhnte zugleich auch die wichtige Thatsache, daß das aus Kohlen erhaltene Gas nicht bloß seine Brennbarkeit behaͤlt, sondern auch noch ein weit helleres Licht gewahrt, wenn man es durch Wasser durchziehen laͤßt. Clayton's und Watson's Entdekungen ungeachtet scheint man doch vor dem Jahre 1792 keinen Versuch gemacht zu haben, Kohlen-Gas als Surrogat fuͤr Oehl oder Talg zur Beleuchtung zu benuͤzen. Um diese Zeit stellte Hr. Murdoch (Superintendent einiger Bergwerke in Cornwall) eine Reihe von Versuchen uͤber brennbare Gase an, die er durch Destillation der Steinkohlen, des Holzes und des Torfes und anderer brennbarer Koͤrper erhielt, um zu bestimmen, in wie fern man dieselben statt der Kerzen oder Lampen benuͤzen koͤnnte. Hr. Murdoch bediente sich eiserner Retorten, und leitete das Gas mittelst zinnerner oder kupferner Roͤhren ungefaͤhr 70 Fuß weit. Diese Roͤhren breiteten sich in verschiedenen Richtungen mittelst Seitenroͤhren aus, und hatten verschiedene Durchmesser, je nachdem man naͤmlich an verschiedenen Stellen verschiedene Mengen Lichtes noͤthig hatte. An verschiedenen Enden hatte man zwei bis drei kreisfoͤrmige Loͤcher angebracht, oder auch concentrische Ringoͤffnungen zum Durchgange der Flamme, wie bei den Argand'schen Lampen. Hr. Murdoch zeigte auch die Moͤglichkeit, das Gas aus einem Gefaͤße in das andere uͤber zu leiten, um dasselbe noͤthigen Falles als einzelnes freies Licht zu gebrauchen. Indessen verstrichen sechs Jahre seit den ersten Versuchen des Hrn. Murdoch, ehe derselbe Gelegenheit fand, die Nuͤzlichkeit der Anwendung des Kohlengases an der Stelle der Kerzen und Lampen praktisch zu erweisen. Der erste Apparat hierzu ward im J. 1798 in der Fabrik der HHrn. Boulton und Watt, in Soho bei Birmingham, errichtet, und man hatte bei der ersten Einfuͤhrung, wie es sich erwarten laͤßt, eine Menge unvorgesehener Schwierigkeiten zu beseitigen, selbst bei der Beihuͤlfe jener ausgezeichneten Talente, welche den Glanz dieser Fabrik so sehr erhoͤhten. Nur Erfahrung konnte darthun, wie bald die Roͤhren, durch welche das Gas geleitet wurde, sich verlegen. Diese Ungelegenheit zeigte sich aber sehr bald, und bewies die Nothwendigkeit, das rohe Gas auf eine kraͤftigere Weise von dem Erdharz- oder Theer-Dampfe zu reinigen, der darin schwebend erhalten wird. Ein anderer kaum geringerer Nachtheil war der uͤble Geruch, welcher sich zeigte, wenn man das rohe Gas in geschlossenen Raͤumen verbrannte. Hr. Murdoch wiederholte drei bis vier Jahre lang seine Versuche, diese neue Beleuchtungs-Methode zu verbessern, indem er das Gas in verschiedenen Maͤßigkeiten wusch, um den uͤblen Geruch desselben zu beseitigen, und so viel moͤglich allen Theer absezen zu lassen, ehe dasselbe in die Roͤhren zum Verbrennen gelassen wird. Im Jahr 1802 wurden diese Versuche oͤffentlich und feierlich angestellt, und das ganze ungeheuere Fabrik-Gebaͤude zu Soho wurde mit Gas beleuchtet, welches man aus Kohlen erhielt. Man ist also der Beharrlichkeit des Hrn. Murdoch, der durch die geistreichen und unternehmenden Besizer der Fabrik zu Soho unterstuͤzt wurde, die praktische Anwendung des Kohlengases zur Beleuchtung schuldig.Es ist sonderbar, daß Hr. Atkins der fruͤheren Thermolampe der Franzosen, die Hr. Winzler auch in Deutschland hinfuͤhrte, nicht erwaͤhnt. A. d. Ueb. Ungefaͤhr anderthalb Jahre spaͤter, als die Fabrik zu Soho bereits mit Gas beleuchtet war, machte Hr. Winsor im Lyceum-Theater am Strande eine Beleuchtung mit Devisen aller Art aus Gaslicht. Dieser Hr. schien mehr eine Art von Spektakel geben, als diese Beleuchtungs-Art allgemein verbreiten zu wollen, denn er hielt die Weise, wie er sein Gas erzeugte und reinigte, sehr geheim. Er hat indessen das Verdienst, gezeigt zu haben, daß man Kohlen-Gas nicht bloß als eine Art Illumination im Hause benuͤzen kann, sondern er war auch der Erste, der dieses Gas zur Straßen-Beleuchtung vorschlug. Hr. Winsor ließ sich im J. 1804 ein Patent auf Gaserzeugung aus Steinkohlen ertheilen (Siehe Repertory of Arts Vol. V., Second Series, p. 172.), und, nachdem man ihm lange entgegengekaͤmpft hatte, erhielt er Erlaubniß, als Versuch im Großen, eine Roͤhren-Reihe in Pall-Mall zu legen. Der erste Versuch mit diesen Lampen zeigte, daß seine Idee vollkommen ausfuͤhrbar, und daß das auf diese Weise erhaltene Licht weit besser als das gewoͤhnliche Oehllampen-Licht war. Man fand indessen, daß, ungeachtet aller Lobpreisungen, welche Hr. Winsor uͤber das vollkommene Gelingen seines Versuches laut werden ließ, die kleineren Roͤhren und die Oeffnungen der Brenner sich bald mit einer theerartigen Substanz verlegten, und daß es ihm durchaus nicht gelungen war, das Gas von allen schaͤdlichen Beimischungen zu reinigen. Diese Bemerkungen sollen uͤbrigens das Verdienst des Hrn. Winsor, welcher der Erste gewesen ist, der unsere Hauptstadt mit Gaslicht beleuchtete, durchaus nicht schmaͤlern; haͤtte er in seinem Prospectus nicht eine so lange Liste von Vortheilen aufgezahlt, die sich in Praxi nie ausfuͤhren ließen, so wuͤrde wahrscheinlich die Gasbeleuchtung bei ihrem ersten Entstehen weniger Gegner gefunden haben, als er fand. Es ist keine Unehre fuͤr ihn, daß ihm in einer so delicaten Sache nicht Alles nach Wunsch gelang; nur in dieser Hinsicht allein verdient Hr. Winsor Tadel, daß er sich als den Entdeker oder Gruͤnder der Gasbeleuchtung betrachtet wissen wollte, da er doch wußte, was Hr. Murdoch in England dafuͤr gethan hat, und ein Hr. Le Bon zwei Jahre fruͤher zu Paris sich ein Patent auf Gas aus Holz geben ließ, und im J. 1802 auch wirklich ein großes Haus damit erleuchtet hat. Nachdem nun Hr. Winsor auf diese Weise gezeigt hatte, welche Vortheile man von Gasbeleuchtung zu erwarten hat, lenkten mehrere geistreiche Maͤnner ihre Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand, und obschon die Pfarr- und Distrikts-Oberaufseher etwas langsam in Anerkennung dieser Vortheile, oder in Ertheilung der Erlaubniß gewesen sind, Roͤhren legen zu duͤrfen, um die Straßen mit Gas statt mit Oehl zu erleuchten, so waren doch schon in den ersten 12 Monaten nach Hrn. Winsor's Beleuchtung zahlreiche Privat-Gasapparate in verschiedenen Theilen der Stadt errichtet, vorzuͤglich in den Vorstaͤdten zur Beleuchtung der Fabriken. Indessen ereigneten sich mehrere, mehr oder minder bedeutende, Unfaͤlle aus Mangel an hinlaͤnglicher Vorsicht der Arbeiter, und der Erfahrung an dem Aufseher derselben. Es ist wahrlich zu wundern, daß, bei der Explosionskraft gewisser Gemenge aus Kohlengas und atmosphaͤrischer Luft, zur damahligen Zeit, nicht noch mehr Unfaͤlle entstanden. Obschon Gaslicht weit bequemer und mit weniger Feuers-Gefahr verbunden ist, als Kerzenlicht, wenn nur einige Vorsicht gebraucht wird, so kann doch, durch straͤfliche Nachlaͤßigkeit, wenn man zuviel Gas durch die Sperrhaͤhne entweichen laͤßt, eine fuͤrchterlich explodirende Mischung entstehen. Solche Zufaͤlle trugen vor 14 Jahren allerdings maͤchtiglich bei, das Publicum von Anwendung der Gasbeleuchtung abzuhalten. Denn das Publicum denkt nicht auf den wirklichen Ursprung oder die entfernte Ursache irgend einer Thatsache, sondern wirft seinen Tadel auf die Sache selbst, besonders wenn sie neu ist, oder gegen das herrschende Interesse streitet. Das Publicum sezte sich daher auf eine furchtbare Weise gegen die Gasbeleuchtung, theils weil der groͤßte Theil desselben vor dieser Art von Beleuchtung Grausen trug, theils weil eine große Anzahl von Individuen unter demselben seinen Vortheil dabei fand, diesen Grausen zu vermehren. Dieß war der Zustand bei Einfuͤhrung der Gasbeleuchtung in der Hauptstadt London bis zum J. 1807, wo Hr. Winsor sich ein anderes Patent auf gewisse Verbesserungen an seinem Apparate und an seinem Verfahren, Steinkohlen zu destilliren, ertheilen ließ. Auf dieses Patent erfolgte die Bildung der gegenwaͤrtigen Actien-Gesellschaft (joint-stok-Association) die unter der Firma the Westminster Gas-light and Coke Company bekannt ist. Mehrere verstaͤndige und erfahrene Maͤnner waren damahls der Meinung, und zwar wegen der Schwierigleiten, die sich bisher bei Leitung des Gases durch eine lange Streke von Roͤhren zeigten, indem sich dieselben oͤfters durch Ansammlung von Theer verlegen, schaͤdliche Daͤmpfe sowohl vor als nach dem Verbrennen ausstroͤmen lassen etc., daß alle die verheißenen Vortheile bloße Chimaͤren waͤren; diese Meinung war so allgemein, daß noch mehrere Jahre nach Bildung dieser Gesellschaft die Interessen im Ruͤkstande blieben. Zum Beweise jedoch, was Beharrlichkeit mit dem Beistande des Talentes vermag, wird es hinreichen auf den heutigen bluͤhenden Zustand dieser ausgedehnten Gesellschaft hinzuweisen. Die heutige privilegirte (chartered) Gas-light Company liefert das deutlichste Beispiel, wieviel das Publicum und eine Gesellschaft gewinnen kann, wenn mehrere Individuen sich zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen verbinden. Denn es ist unbestreitbar, daß ohne ein großes Capital und ohne vereinigtes Interesse vieler Subscribenten nimmermehr eine Gasbeleuchtung in der Hauptstadt eingefuͤhrt werden konnte. Man entdekte bald, daß die Errichtungs-Kosten eines Gas-Apparates den Vortheilen der Gas-Beleuchtung nur gleich kamen, wenn beide nur im Kleinen betrieben werden; und da die Aufsicht bei der Gas-Erzeugung nicht bloß eine sehr unangenehme Beschaͤftigung, sondern diese Fabrikation selbst der naͤchsten Nachbarschaft sehr laͤstig ist, so wird es notwendig, Gas im Großen zu erzeugen, oder das Ganze durchaus aufzugeben. Da nun kein Individuum das hierzu noͤthige Capital besizt, oder es wagen wollte, dasselbe damahls an ein solches Unternehmen zu sezen, so kann man wohl sagen, daß die Errichtung der Gas-light and Coke Company und die Beharrlichkeit, mit welcher die Directoren derselben ihren Zwek verfolgten, diese unschaͤzbare Erfindung vor Verachtung und gaͤnzlichen Verfalle retteten, und dadurch den Grund zur Errichtung aͤhnlicher Anstalten in jeder bedeutenden Stadt des Koͤnigreiches legten; Anstalten, die den Unternehmern eben so eintraͤglich, als den Einwohnern in polizeilicher Hinsicht nuͤzlich sind. Sobald die Gas-light and Coke Company im Jahr 1807 gegruͤndet war, ward die Aufmerksamkeit der Mechaniker auf die Moͤglichkeit der Verbesserung in allen Theilen des hierzu noͤthigen Apparates gerichtet. Die Hauptsache war die Reinigung des Gases nicht bloß vom Theer-Dampfe und Ammonium, welche dasselbe von der Retorte her begleiten, sondern auch von dem geschwefelten Wasserstoffe, mit welchem es immer mehr oder minder verbunden ist. Man hat sich bei den fruͤhesten Versuchen der Gasbereitung uͤberzeugt, daß der erste Theil der gasartigen Producte von der Retorte her vorzuͤglich aus Wasserdampfen in Verbindung mit Ammonium besteht, oder mit fluͤchtigem Alkali. Hierauf folgt eine bedeutende Menge erdharzigen Stoffes als dichter undurchsichtiger Dampf, und hierauf gekohlstofftes Wasserstoffgas oder unsichtbares bleibendes Gas. Dieses Gas ist jedoch mehr oder minder mit Kohlensaͤure, Kohlenstoff-Oxid, und geschwefeltem Wasserstoffgase, auch mit etwas Stikstoff oder Salpeterstoff verunreinigt. Um nun das rohe Gas das Ammonium und gasartige Erdharz absezen zu lassen, wurde es durch eine Reihe von Roͤhren geleitet, wodurch die Temperatur desselben beinahe auf die Temperatur der atmosphaͤrischen Luft herabgesezt wurde. Hierauf wurde das Gas durch Gefaͤße mit Wasser geleitet, um es von allen Unreinigkeiten, die es enthalten mochte, zu befreien, ehe es in das Gasometer kommt, aus welchem es zur Beleuchtung abgegeben wird. Man bemerkte sehr bald, daß Wasser nur als mechanisches Mittel diente, um das Gas von den Theerdaͤmpfen und von dem Ammonium zu reinigen; daß aber die permanenten Gasarten, auch wenn sie durch eine große Menge Wassers stroͤmen, wenig oder gar keine Verminderung an ihrem Umfange erleiden. Es war noͤthig, das Gas durch Wasser durchstroͤmen zu lassen, welches irgend etwas enthielt, das eine Art chemischer Verwandtschaft gegen einige seiner Bestandteile aͤußert, und bis auf den heutigen Tag hat man kein wohlfeileres und kraͤftigeres Mittel zu diesem Zweke gefunden, als Kalkwasser. Die Fortsezung im naͤchsten Hefte.