Titel: Chemische Untersuchungen über das Stärkmehl und verschiedene, im Handel vorkommende, mehlartige Substanzen. Von Hrn. J. B. Caventou.
Fundstelle: Band 21, Jahrgang 1826, Nr. CXIII., S. 450
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CXIII. Chemische Untersuchungen über das Stärkmehl und verschiedene, im Handel vorkommende, mehlartige Substanzen. Von Hrn. J. B. Caventou. (Vorgelesen in der Académie royale de Médecine.) Aus den Annales de Chimie et de Physique. April. 1826. Caventou's, chemische Untersuchungen über das Stärkmehl und verschiedene mehlartige Substanzen. Ich habe seit mehr als acht Jahren eine Arbeit uͤber die verschiedenen staͤrkmehlartigen Substanzen, die im Handel unter dem Namen Salep, Sago, Tapioka, und Arowroot vorkommen, unternommen. Zu derselben Zeit gab ich von meinen ersten Untersuchungen der Société de Pharmacie Kunde, und glaubte nicht, dieselben oͤffentlich bekannt machen zu muͤssen, weil mehrere meiner Resultate mir nicht die allgemeinen Charaktere, auf die ich besonders abzielte, darzustellen schienen. Ich kannte damahls die Veraͤnderungen und Verfaͤlschungen nicht, denen diese Substanzen im Handel unterworfen sind. Ueberdieß hatte ich mir auch vorgenommen, neue Untersuchungen uͤber das Staͤrkmehl oder Sazmehl anzustellen, dessen chemische Charaktere unter gewissen Umstaͤnden mir nicht hinreichend genau bestimmt, ja sogar gaͤnzlich unbekannt zu seyn schienen. Im Jahre 1822 stellte ich neue Versuche an, und fand einige sehr interessante Thatsachen, die ich in dem Hefte meiner Beobachtungen hinterlegte, ohne weiteren Gebrauch davon zu machen, weil ich immer hoffte, die Arbeit, die ich vorhatte, vollenden zu koͤnnen. Umstaͤnde machten mich diese meine fruͤheren Erfahrungen vergessen, als vor Kurzem Hr. Edwards mir von einem Aufsaze uͤber das Saz-Mehl Nachricht gab, der von H. Raspail bekannt gemacht, und in das December-Heft 1825 der Annales des Sciences naturelles eingeruͤkt wurde. Ich muß gestehen, daß die Thatsachen, die dieser Aufsaz enthielt, mich lebhaft interessirten. Da ich aber daruͤber Beobachtungen gemacht habe, von welchen der Verfasser nichts erwaͤhnt hat, und wir uͤberdieß in der Erklaͤrungsweise der Erscheinungen nicht uͤbereinstimmen; so habe ich geglaubt, daß es vielleicht nicht unnuͤz seyn wird, meine Arbeit, wenn auch noch unvollstaͤndig, oͤffentlich bekannt zu machen. Verhalten des Staͤrkmehles zum Wasser. Bei der Aufzaͤhlung meiner Erfahrungen muß ich vorher bemerken, daß ich die Erscheinungen immer in der Ueberzeugung bewirkt und angesehen habe, daß das Saz-Mehl ein unmittelbar reiner und gleichhaltiger Stoff ist. Diese Ansicht scheint mir wichtig und bemerkenswert!). Es ist bekannt, daß das kalte Wasser keine merkliche Wirkung auf das Staͤrkmehl aͤußert; daß es aber, wenn es sich einer Temperatur von + 60 bis + 70° C. naͤhert, dasselbe aufloͤst, und eine durchscheinende gallertartige Masse bildet, die allgemein unter dem Namen Kleister bekannt ist. Was ist nun dieser Kleister? Dieser Kleister ist, wie man seit langer Zeit sagt, die Aufloͤsung oder Verbindung des Staͤrkmehles mit einer bestimmten Menge Wassers; also ein Staͤrkmehl-Hydrat. Dieß ist, wie ich glaube, die Meinung, die in allen Buͤchern uͤber die Natur des Kleisters aufgestellt ist. Wenn man jedoch die Eigenschaften desselben nach dieser Behandlung betrachtet, so ist es leicht sich zu uͤberzeugen, daß er von dem Staͤrk-Mehle auffallend verschieden ist, oder vielmehr, daß das Staͤrk-Mehl in dieser angefuͤhrten Verbindung seine kenntlichste Eigenschaft die Unaufloͤslichkeit in kaltem Wasser, verloren hat; denn, so wie Starkmehl in Kleister umgewandelt ist, ist es unmoͤglich, dasselbe daraus wieder so zu erhalten, wie es vor dem Versuche gewesen ist. Es loͤst sich mehr oder weniger in kaltem Wasser auf; eine Eigenschaft, die das reine Staͤrkmehl nicht hat. Dieses Resultat scheint also zu beweisen, daß dieser Stoff bei der Umwandlung in Kleister durch die Einwirkung des kochenden Wassers seine Natur veraͤndert, und daß der Kleister nicht schlechthin ein Hydrat ist. Von dem Staͤrkmehl-Kleister. Ich unterscheide zwei Arten von Kleister: 1) Mit einem Minimum von Staͤrkmehl, der ganz durchsichtig oder nur leicht opalisirend ist: und 2) mit einem Maximum von Staͤrkmehl, der beinahe oder ganz undurchsichtig ist. Der erstere, wenn er ganz erkaltet ist, zergeht in einer großen Menge Wassers, und loͤst sich darin auf; er hinterlaͤßt nur eine geringe Menge weißen Ruͤkstandes unaufgeloͤst, der Starkmehl ist. Die davon abfiltrirte Fluͤßigkeit ist hell und klar, und gibt nach dem Abdampfen durchscheinende gelbliche Plattchen, die in kaltem Wasser sich ohne Ruͤkstand wieder aufloͤsen; obschon die Aufloͤsung mit Jod schoͤn blau, und voll Bleiessig (basisch-essigsaurem Blei), und Gallaͤpfel-Aufguß gefaͤllt wird; lauter Eigenschaften, die bisher der Aufloͤsung des Staͤrkmehles in kochendem Wasser zugeschrieben wurden, so ist die vegetabilische Substanz, welche sie enthaͤlt, doch von diesem verschieden, weil sie sich in kaltem Wasser wieder aufloͤst. Nach dieser sehr klaren Thatsache laͤßt sich, wie mir scheint, wohl vernuͤnftiger Weist schließen, daß die Einwirkung des kochenden Wassers auf das Staͤrkmehl die Natur desselben veraͤndert, weit es dadurch in kaltem Wasser aufloͤslich gemacht wird. Aber wie wirkt hier das kochende Wasser? Geschieht die hervorgebrachte Veraͤnderung nur durch die Waͤrme, die es enthaͤlt? Ist seine Aufloͤsungskraft dabei nichts? Wenn die Temperatur des kochenden Wassers zur Hervorbringung eines solchen Resultates hinreichend waͤre, so wuͤrde man dasselbe auf gleiche Weise erhalten, wenn man das Starkmehl einige Zeit derselben Waͤrme aussezen wuͤrde: allein die Erfahrung beweist das Gegentheil. Sobald man die Temperatur bis zu 100 und einige Grade erhoͤht, naͤmlich bis nahe an den Grad, wo sich des Staͤrke Mehl zersezt; so nimmt es bald eine schwach braͤunliche Farbe an, entwikelt einen Geruch wie neugebakenes Brod, und, wenn man es dann erkalten, und kaltes Wasser darauf einwirken laͤßt, so loͤst es sich darin auf, und die Fluͤßigkeit, die man dadurch erhaͤlt, besizt alle Eigenschaften derjenigen, von welcher weiter oben die Rede war. So ist die Wirkung des Wassers erwiesen; es dient gewißer Massen statt eines Waͤrme-Ueberschußes im Verhaͤltnisse zu seiner Aufloͤsungskraft, die eine neue Anordnung der Bestandtheile des Mehles erleichtert und bestimmt. Wenn die Temperatur noch weiter, als vorhin, erhoͤht wird, bis naͤmlich das Staͤrkmehl stark gerostet ist, so wird dieser Stoff dann gaͤnzlich veraͤndert. Er loͤst sich sehr leicht in Wasser auf, und gibt mit Jod, statt einer blauen, eine purpurrothe Farbe, wie aus den Erfahrungen erhellt, die zu. verschiedenen Zeiten von den HHrn. Bouillon-Lagrange, Doebereiner und Lassaigne oͤffentlich bekannt gemacht worden sind. Die zweite Art des Kleisters ist der Beschaffenheit und Zusammensezung nach der vorhergehenden aͤhnlich; sie unterscheidet sich davon nur durch eine groͤßere Menge reinen Staͤrkmehles, das sich darin schwebend oder verbunden findet, welches naͤmlich die Undurchsichtigkeit und die Consistenz dieses Kleisters hervorbringt; auch hinterlaͤßt diese Verbindung, mit kaltem Wasser behandelt, einen weit betraͤchtlicheren Ruͤkstand, als die vorhergehende. Diesen Thatsachen gemaͤß ist der Kleister also eine dreifache Verbindung aus reinem Staͤrkmehle, veraͤndertem Staͤrkmehle und Wasser. Die Gegenwart dieser drei Bestandtheile ist zur Bildung eines guten Kleisters unerlaͤßlich. Das veraͤnderte Staͤrkmehl ist fuͤr sich nicht zureichend zur Erzeugung dieser Verbindung: denn wenn man Staͤrkmehl laͤngere Zeit mit Wasser, das man sorgfaͤltig in dem Maße wieder erneuet, als es verdampft, kochen laͤßt, wie Vogel es gethan hat; so erhaͤlt man am Ende statt des Kleisters eine harte, hornartige, durchsichtige Substanz, die im kaltem Wasser wieder aufloͤslich ist, und in welcher man keine merklichen Spuren von reinem Staͤrkmehle mehr findet. Es ist leicht nach dem Vorhergehenden zu schließen, daß bei diesem langen Kochen das Wasser Zeit gehabt hat, auf die ganze Masse von Staͤrkmehl einzuwirken, und es bis in den lezten Theilchen zu veraͤndern. Dieses so veraͤnderte Staͤrkmehl haben zwar die Chemiker schon erkannt, aber nie zum Gegenstande eines besonderen Studiums gemacht; man hat sich immer begnuͤgt zu sagen, daß das Staͤrkmehl, nachdem es in kochendem Wasser aufgeloͤst worden ist, sich zum Theile wieder in kaltem Wasser aufloͤst. Nur H. v. Saussure hat in der neueren Zeit es mit dem Namen Amidine bezeichnet, aber als ein Product der freiwilligen Zersezung des Kleisters angesehen. Ich glaube indessen nicht, daß das Entstehen der Amidine im Wesentlichen der Erfolg einer freiwilligen Zersezung sey; ich bin im Gegentheile uͤberzeugt, daß diese Art der Faͤulniß des Kleisters bei der Erzeugung dieser Substanz ganz ungewoͤhnlich ist, und daß es hinreicht, um sich hiervon zu uͤberzeugen, wenn man einen Blik auf das Verfahren wirft, wodurch Herr von Saussure die Amidine erhielt, naͤmlich dadurch, daß er den in kaltem Wasser unaufloͤslichen Ruͤkstand des selbst zersezten Kleisters kochen ließ, die Fluͤßigkeit nach dem Erkalten filtrirte, und wieder bis zur Trokenheit brachte, wobei er eine zerbrechliche, Substanz erhielt, welche die Amidine darstellt. Ist es nun nach der so eben in Betrachtung gezogenen Beschaffenheit des Kleisters nicht klar, daß der unaufloͤsliche Bestandtheil des dem Sauerwerden uͤberlassenen Kleisters groͤßten Theils aus reinem Starkmehle bestehen muß, das vermoͤge seines Aggregat-Zustandes am meisten der Faͤulniß widersteht? Ist es nicht klar, daß bei der Behandlung dieses staͤrkmehlartigen Ruͤkstandes mit kochendem Wasser H. v. Saussure durch diesen Act selbst die Natur des Staͤrkmehles veraͤndert, und in Amidine umgewandelt hat? Ich bin um so mehr berechtigt, dieß zu glauben, als diese Amidine alle Eigenschaften unseres veraͤnderten Staͤrkmehles hat; es wird durch Jod geblaͤuet, durch Gallaͤpfel-Aufguß gefaͤllt etc. Also hat, nach meiner Meinung, H. v. Saussure, statt die Amidine ausgezogen zu haben, dieselbe selbst gebildet, und die Wahrheit, auf die er sich in seinem Aufsaze stuͤzte, verkannt, „daß man bei dem gewoͤhnlichen Verfahret in unseren Laboratorien die Beschaffenheit der Koͤrper, die man naͤher kennen will, erst bildet, und oft noch veraͤndert.“ Die wesentlichen Eigenschaften der Amidine sind nun die Aufloͤslichkeit in kaltem Wasser, und die Eigenschaft vom Jod eine blaue Farbe zu erhalten. Wir haben auch bewiesen, daß man sie auf zweierlei Weise erhalten kann, entweder durch die Einwirkung des lochenden Wassers auf Starkmehl, oder durch Einwirkung einer hoͤheren Temperatur, der man dasselbe unmittelbar aussezt. Man hat bei beiden Methoden, die zu demselben Erfolge fuͤhren, gesehen, wie sehr ein sehr schwaches chemisches Agens statt des Ueberschusses eines anderen weit staͤrker wirkenden zu dienen vermag, hauptsaͤchlich im Verhaͤltnisse zu einem organischen Koͤrper, dessen Elemente sehr lose sind. Wir wollen nun diese Erscheinungen weiter verfolgen. – Wenn man eine waͤsserige Aufloͤsung der Amidine laͤngere Zeit kochen laͤßt, so verliert sie die Blaͤungs-Faͤhigkeit fuͤr Jod, und nimmt damit eine purpurrothe Farbe an, obwohl sie noch immer durch Gallapfel und Bleizuker faͤllbar ist; dann hat die Amidine ihre Natur veraͤndert, und ist in Wasser viel aufloͤslicher geworden. In diesen Zustand kann man das Staͤrkmehl oder Sazmehl versezen entweder durch ein sehr starkes Roͤsten, oder dadurch, daß man, wie ich gethan habe, es mit Schwefelsaͤure, die mit ihrem zwoͤlffachen Gewichte Wassers verduͤnnt worden ist, in der Waͤrme in Beruͤhrung bringt. Es loͤst sich darin auf der Stelle auf, und die Fluͤßigkeit, zum Kochen gebracht und wieder erkaltet, gibt mit Jod eine purpurrothe Farbe, und ist durch Wasser nicht mehr faͤllbar. Wenn das Kochen dann laͤngere Zeit fortgesezt wird, bringt das Jod keine merkliche Faͤrbung mehr zum Vorscheine. Ich weiß nicht, ob man durch eine unmittelbare behutsame Roͤstung des Staͤrkmehles eine gummiartige Materie erhaͤlt, die mit Jod nicht purpurroth wird, wie in den vorhergehenden Faͤllen. Ich halte es aber fuͤr wahrscheinlich. Mit dem mit der Zeit zersezten Kleister erhaͤlt man zum Theile dieselben Erscheinungen. Man nimmt vielleicht zu wenig auf die Zeit Ruͤksicht, die jedoch in vielen Faͤllen ein kostbares chemisches Mittel ist. Ich habe Kleister nicht aus Erdaͤpfel-, sondern aus Weizen-Staͤrkmehl genommen, und waͤhrend mehr als sechs Wochen in der Sommerhize sich selbst uͤberlassen. Er wurde sauer. Wenn man ihn in diesem Zustande in Wasser ruͤhrte, und auf ein Filter brachte, so wurde die ungefaͤrbte Fluͤßigkeit auf Zugießen von Jod schoͤn purpurroth; waͤhrend die auf dem Filter gebliebene unaufloͤsliche Substanz mit dem naͤmlichen Reagens augenbliklich eine schoͤne blaue Farbe annahm. Dieses Resultat kann nur in so ferne Statt haben, als alle Amidine in dem Kleister zersezt, und entweder in Gummi oder in Zuker umgewandelt worden ist. Obwohl ich dieß nicht dargethan habe, so veranlaßt mich doch die Analogie, zu glauben, daß das Hervortreten der purpurrothen Farbe nur von der Art Gummi, die, in diesem Falle, durch das Sauerwerden erzeugt wurde, herruͤhrt, und daß der Zuker dabei ohne Wirkung ist. Diese Resultate lassen mich schließen, daß das Jod wirklich faͤhig ist, mit dem Starkmehle eine Verbindung einzugehen, und zwar nach folgender Thatsache: Wenn man der obigen filtrirten und mit Jod purpurrot!) gefaͤrbten Fluͤßigkeit ein wenig Amidine, oder Starkmehl zusezt; so machen diese beiden Koͤrper die purpurrothe Farbe verschwinden, und erzeugen eine blaue Verbindung, die aufgeloͤst bleibt, wenn sie durch Amidine gebildet wurde, und sich praͤcipitirt, wenn sie durch Starkmehl erzeugt worden ist. Wenn man diese leztere Verbindung durch ein Filter scheidet, so kann man noch nach und nach die purpurrothe und blaue Faͤrbung hervorbringen, wie oben. Beweist diese Thatsache nicht, daß zwischen dem Jod und dem Staͤrkmehle wirklich eine chemische Thaͤtigkeit Statt findet, und daß die Faͤrbung nicht geradezu durch eine physische Wirkung bestimmt ist, wie so eben H. Raspail vorgibt? Wenn eine so auffallende Verwandtschaft Statt hat, kann man da noch die chemische Wirksamkeit in Zweifel ziehen? Anwendung der vorhergehenden Beobachtungen auf die naͤhere Kenntniß der im Handel vorkommenden mehlartigen Substanzen. So wie ich schon am Anfange meines Aufsazes sagte, habe ich anfaͤnglich unmittelbar mit dem Studium des Salep, des Sago, der Tapioka und Arowroot begonnen, und die chemischen Erscheinungen, die ich an diesen Substanzen beobachtet hatte, haben mich veranlaßt, den Sago und die Tapioka vorzuͤglich als neue Arten des Staͤrkmehles anzunehmen; allein, ich hatte meine Versuche in der Meinung angestellt, daß das Mehl uns schon in allen seinen chemischen Eigenschaften vollends bekannt ist, und gerade dieses hatte mich bewogen, aus meinen Resultaten eine in einem gewissen Sinne allzu fruͤhe Folgerung zu ziehen: deßwegen werden aber die Thatsachen, die ich zu jener Zeit bekannt gemacht habe, immer dieselben seyn. Ich werde nur in der Art und Weise, sie zu betrachten und zu erklaͤren abweichen. Von dem Salep. (Dieser Artikel ist ein buchstaͤblicher Auszug aus meinen Notizen; ich habe nichts daran veraͤndert.) Gepulverter Salep, in kaltes Wasser geruͤhrt, zertheilt sich darin leicht, und bildet eine Art eines halbfluͤßigen und durchsichtigen Kleisters. Dieser Kleister, in einer hinreichenden Menge kalten Wassers vertheilt, und auf ein Filter gebracht, gibt eine durchsichtige, gummiartige Fluͤßigkeit von schwach salzigem Geschmake. Auf dem Filter bleibt eine gallertartige, zitternde, sowohl in kaltem, als auch in warmem Wasser unaufloͤsliche Masse zuruͤk, die in demselben aber an Volumen bedeutend zunimmt. Diese, des aufloͤslichen Stoffes beraubte, gallertartige Substanz wurde anfaͤnglich mit kaltem, und dann mit kochendem Wasser zur weiteren Pruͤfung zur Seite gestellt. Es wird davon sogleich die Rede seyn. Waͤsseriges Macerat des Salep. Dieses Macerat, mit einigen Reagentien gepruͤft, verhaͤlt sich auf folgende Weise: es ist faͤllbar durch salpetersaures Silber und kleesaures Ammonium; der aͤzende Queksilber-Sublimat bringt darin nur eine schwache Truͤbung hervor; Bleizuker erzeugt nur dann, wann die Fluͤßigkeit sehr concentrirt ist, einen Niederschlag; der Bleiessig aber einen sehr haͤufigen. Diese Fluͤßigkeit sezte nach dem Abdampfen eine schleimige Materie ab, die dem Gummi sehr aͤhnlich ist. Sie wird vom Jod nicht veraͤndert, vom Alkohol in Gestalt weißer Floken gefaͤllt; ist aber darin verschieden, daß sie sich in einer hinreichend großen Menge verduͤnnter Salpetersaͤure nicht leicht wieder aufloͤst. Ein Theil dieser Materie, in einem Platin-Tiegel gegluͤht, hinterließ einen Ruͤkstand, aus welchem kaltes Wasser Kochsalz auszieht, waͤhrend gesaͤuertes Wasser den ruͤkstaͤndigen phosphorsauren Kalk ganz aufloͤst. Die Gegenwart des Meersalzes im Salep, wenn sie nicht zufaͤllig ist, ist sehr merkwuͤrdig; denn man hat dieses Salz uͤberhaupt nur in Meeres-Pflanzen gefunden, und ich glaube nicht, daß der Salep dahin gehoͤre. In Betreff des phosphorsauren Kalkes aber, der sich hier in einer nicht sauren Fluͤßigkeit aufgeloͤst findet, koͤnnte man sich wundern, wenn nicht in dieser Fluͤßigkeit eine bestimmte Menge schleimiger Materie vorhanden waͤre; die sich mit dem Kalksalze verbindet, und dasselbe aufgeloͤst erhaͤlt. Man weiß uͤberdieß, daß Hr. Vauquelin bei seiner Analyse des Reises eine aͤhnliche Thatsache bekannt gemacht hat, nur mit dem Unterschiede, daß Hr. Vauquelin statt mit Gummi, mit Staͤrkmehl zu thun hatte: und er mußte, um eine betraͤchtliche Menge phosphorsauren Kalkes aufzuloͤsen, die Mischung selbst der Waͤrme aussezen; denn das kalte Wasser hatte darauf keine Einwirkung. Somit ist es also ziemlich gewiß, daß der phosphorsaure Kalk sich nicht bloß mit Huͤlfe der Sauren in Wasser aufloͤst, sondern auch mit Huͤlfe des Staͤrkmehles, das diese Wirksamkeit von dem kochenden Wasser und einem Gummi, das dem im Salep enthaltenen aͤhnlich ist, erhaͤlt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß man in der Folge andere vegetabilische Stoffe, die dieselbe Eigenschaft besizen, finden wird, die uͤbrigens auch mehreren thierischen Stoffen zukommt. Waͤsserige Abkochung des mit kaltem Wasser ausgezogenen Salep. Der Salep wurde, nachdem er so viel moͤglich mit kaltem Wasser ausgezogen war, mit kochendem Wasser behandelt, welchem er eine geringe Menge einer Substanz uͤberließ, die dem Wasser ein opalisirendes Ansehen gab. Diese Fluͤßigkeit, filtrirt und mit Jod gepruͤft, wurde schon blau, und ließ in Zeit von einigen Stunden Jod-Staͤrkmehl faͤllen. In diesem Absude habe ich weiter nichts gefunden; nur hatte ich Ursache mich uͤber die geringe Menge Starkmehl, die sich darin befand, zu wundern, weil der Salep allgemein als ein beinahe reines staͤrkmehlhaltiges Sazmehl angesehen wird. Außerdem blieb eine große Menge einer durchsichtigen, gallertartigen und sehr aufgequollenen Substanz zuruͤk, die sich in Wasser nicht mehr aufloͤste, wohl aber sehr leicht in Salzsaͤure, mit Salpetersaͤure Kleesaͤure bildete, und sich ganz wie Bassorin verhielt. 100 Theile Salep verlieren beim Gluͤhen 96 Theile: also enthaͤlt er 4 p. C. fixe Bestandtheile, die aus Kochsalz, phosphorsauren Kalk, und einer Spur schwefelsauren Kalk bestehen. Somit ist der Salep aus drei schon bekannten Koͤrpern zusammengesezt, deren respective Mengen auf folgende Weise ausgedruͤkt werden koͤnnen: Wenig Gummi, sehr wenig Staͤrkmehl, und viel Bassorine. Dem zu Folge kann man dem Salep den Rang streitig machen, den man ihm allgemein unter den starkmehlhaltigen Substanzen angewiesen hat. Er wird im Gegentheile viel besser an die Seite des Traganth-Gummi gestellt seyn; denn, nach Bucholz, ist dieses Gummi von aͤhnlicher Zusammensezung. Es enthaͤlt ebenfalls einen in kaltem Wasser aufloͤslichen gummoͤsen Antheil, und einen Stoff, der darin bedeutend aufquillt, sich aber nicht darin aufloͤst. Dieser ist zwar von der Bassorine des Salep verschieden, indem er sich im warmen Wasser aufloͤst, und so seine merkwuͤrdigste Eigenschaft, naͤmlich seine Unaufloͤslichkeit und schwammige Beschaffenheit im kalten Wasser, verliert. Das Staͤrkmehl, das man in dem Salep und nicht in dem Traganth-Gummi findet, will ich nicht in Betrachtung ziehen, weil es in so geringer Menge darin vorhanden ist, daß man es, strenge genommen, nur als zufaͤllig betrachten kann. Ueberdieß hat man guck) in den lezteren Zeiten die Gegenwart des Staͤrkmehles in einigen Traganth-Gummi-Sorten bestaͤtiget. Diese Analyse des Salep beweist also, daß seine naͤhrende Kraft nicht vom Amylon herruͤhre. Dennoch muß ich aber gestehen, daß nicht alle Wurzeln von Orchis von derselben Beschaffenheit, wie der Salep, sind. Hr. Vauquelin hat mir gesagt, daß er aus inlaͤndischen Orchiswurzeln eine sehr große Menge schoͤnen Staͤrkmehles ausgezogen habe, waͤhrend mir Hr. Robiquet versicherte, daß er keine Spur davon aus denselben darstellen konnte. Diese widersprechenden Resultate beweisen, wie unbestaͤndig die Gegenwart dieses mehligen Stoffes in diesen Wurzeln ist, und wie wenig Einfluß er auf ihre Heilkraͤfte haben muß. In der Absicht spaͤter daruͤber handeln zu koͤnnen, will ich hier kurz ein Verfahren von Hrn. Mathieu de Dombasle (Ann. de Chim. t. 77.) anfuͤhren, den Salep aus inlaͤndischen Orchis-Arten zu bereiten. Der Verfasser hat seine Versuche mit Orchis mascula, O. pyramidalis, latifolia und maculata angestellt. Er reinigt die Knollen von den kleinen Wurzeln und Sproͤßlingen sorgfaͤltig, und waͤscht sie in frischem Wasser ab. Nachdem sie so gereinigt sind, faßt er sie an Faden in Form von Rosenkraͤnzen an, und laͤßt sie in vielem Wasser kochen, bis einige Knollen aufquellen, was gewoͤhnlich 20 bis 30 Minuten erfordert. Geschieht das Kochen nicht lange genug, so behaͤlt der Salep einen unangenehmen viroͤsen sehr starken Geschmak. Wenn die Knollen hinreichend gekocht sind, so laͤßt man sie an der Sonne oder in einer Kammer troknen. (pag. 109.) Da ich nicht Gelegenheit hatte, inlaͤndische Orchis-Wurzeln zu pruͤfen, so konnte ich zwischen diesen und dem orientalischen Salep keine Vergleichung anstellen; indessen will ich nur bemerken, daß die Abhandlung des Hrn. Mathieu de Dombasle hinreichend die große Aehnlichkeit in der Zusammensezung zwischen diesen zwei Koͤrpern zeigt. Sie beweist deutlich, daß der inlaͤndische Salep an Staͤrkmehl nicht reicher ist, als der auslaͤndische, und daß dasselbe nicht der Grund der naͤhrenden Eigenschaften des Salep ist. Ueberdieß sagt Hr. Mathieu de Dombasle selbst, daß die Orchis-Wurzeln, die er zu seinen Versuchen anwendete, groͤßten Theils aus einem schleimigen, dem Traganth-Gummi aͤhnlichen Stoffe, bestehen. Von dem Sago. Eine bestimmte Menge ausgesuchter und gepulverter Sago-Koͤrner wurde mit kaltem Wasser macerirt. In der Zeit von 24 Stunden war die Fluͤßigkeit opalisirend, ein wenig schleimig, und nach dem Filtriren vollkommen klar. Sie verhielt sich zum Alkohol und zur Salpetersaͤure, wie das mit Salep erhaltene Macerat; wurde vom Bleiessige gefaͤllt, und hinterließ nach dem Abdampfen durchsichtige Planchen, die, mit Salpetersaͤure behandelt, keine Spur von Milch-Zuker oder Schleimsaure gaben. Diese bisherigen Eigenschaften des Sago haben nichts Auszeichnendes, und wuͤrden erlauben, die durch kaltes Wasser aufgeloͤste Materie fuͤr ein Gummi zu halten; denn viele Gummi geben mit Salpetersaͤure auch keine Schleimsaͤure; aber sie unterscheidet sich sehr auffallend dadurch, daß sie mit Jod eine herrliche blaue Farbe annimmt, und ein in kaltem Wasser aufloͤsbares Joduͤr bildet, das sich aber beim Erwaͤrmen wie Jod-Staͤrkmehl verhalt. Kann man in der Fluͤßigkeit, in welcher diese Substanz sich aufloͤste, die Gegenwart von Staͤrkmehl annehmen, das doch bis jezt die einzige bekannte vom Jod blau werdende Substanz ist? Das ist nicht moͤglich; denn das Starkmehl ist in kaltem Wasser gaͤnzlich unaufloͤslich, wenn es nicht mit Huͤlfe einer Saͤure darin aufgeloͤst wird; unsere Fluͤßigkeit war aber neutral! Man kann nicht vermuthen, daß das Starkmehl sehr vertheilt durch die Poren des Filters ging; denn ich habe die Vorsicht gebraucht, die Fluͤßigkeit durch drei Filtern zu filtriren, von denen das eine aus doppelt uͤbereinander gelegten: Papiere gemacht war. Will man auch annehmen, daß eine gummoͤse Materie die Aufloͤsung von ein wenig Staͤrkmehl erleichtert hat, wie es beim phosphorsauren Kalke in dem Salep geschah? Dann frage ich, warum diese Erscheinung nicht auch bei dem Salep Statt gefunden hat. Ueberdieß gaben kuͤnstliche Mischungen aus großen Quantitaͤten Gummi, sowohl Traganth als auch arabisches Gummi, mit wenig Staͤrkmehl, nachdem sie in Wasser macerirt und nach 24 Stunden filtrirt worden waren, eine rein gummoͤse Aufloͤsung, in welcher das Jod nicht die mindeste Spur von Staͤrkmehl anzeigte. Man muß also nothwendig schließen, daß der Sago eine ganz besondere Varietaͤt von Staͤrkmehl enthaͤlt, das sich durch seine Aufloͤslichkeit im kalten Wasser auszeichnete, und vom Gummi durch die Wirkung des Jod unterscheidet. Der Sago, der zum ersten Mahle in kaltem Wasser 24 Stunden macerirt wurde, ist betraͤchtlich aufgequollen, und blieb in der Fluͤßigkeit auf dem Boden zuruͤk; ein zweites Mahl, ein drittes Mahl und noch viel oͤfter mit Wasser von gleicher Temperatur behandelt, wurden immer merkliche Mengen aufgeloͤst, die dieselben Erscheinungen, wie das erste Mahl, darbothen. Endlich mit kochendem Wasser behandelt, loͤste er sich bis auf einige Faden vollkommen auf, und die Aufloͤsung besaß dieselben Eigenschaften, wie die mit kaltem Wasser bereitete, nur noch bezeichnender. Diese Resultate zeigen also, daß der Sago in seiner Zusammensezung gleichartig ist, und daß er nur in einer Varietaͤt von Staͤrkmehl besteht, das in kaltem Wasser aufloͤslich, und noch aufloͤslicher in heißem ist. Von der Tapioka. Nach dem Sago folgt die Tapioka, eine sehr weiße Mehlsorte in unregelmaͤßigen Koͤrnern, die man als Maniok-Sazmehl betrachtet, das von der scharfen Substanz, von der sie begleitet wird, durch mehrmahliges Abwaschen mit kaltem Wasser, und durch eine leichte Roͤstung auf eisernen Platten befreit wurde. Diese Substanz quillt, mit kaltem Wasser behandelt, in demselben auf, und loͤst sich zum Theile auf; und die abfiltrirte Fluͤßigkeit verhaͤlt sich wie die vom Sago erhaltene. Die sehr oft wiederholten Abwaschungen gaben immer mit Jod blau werdende Fluͤßigkeiten; was bis zur voͤlligen Aufloͤsung der Substanz fortgesezt werden konnte. Um eine solche Aufloͤsung zu erhalten, darf man das Wasser nur einige Secunden damit in Beruͤhrung lassen. Diese Erscheinungen zeigen also eine sehr große chemische Aehnlichkeit, ja ich moͤchte sagen Identitaͤt, zwischen Sago und Tapioka, und die Aerzte werden, nach meiner Meinung, sie ohne Schwierigkeit fuͤr einander gebrauchen koͤnnen. Wenn man mich nun fragt: Ist in dem Sago und in der Tapioka sogenanntes Starkmehl enthalten? so werde ich antworten, nein: 1) weil man diese beiden Substanzen in kaltem Wasser gaͤnzlich aufloͤsen kann; 2) weil sie mit Jod blaue in Wasser aufloͤsliche Verbindungen darstellen; und 3) weil sie mit kochendem Wasser keinen Kleister bilden. Von der Arowroot. Diese Substanz wird sehr wahrscheinlich nach dem Ausziehen und Troknen (wie wir es mit dem Kartoffelmehle machen) zu uns gebracht. Ich will davon nur sehr wenig sagen, weil sie sich in chemischer Hinsicht wie die vorhergehende verhalt. Sie gibt an das kalte Wasser nur eine unbedeutende Spur eines gummigen Stoffes ab, und bleibt ganz unaufgeloͤst zuruͤk, waͤhrend das kochende Wasser sie wie gewoͤhnliches Staͤrkmehl aufloͤst, und in Amidine umwandelt. Betrachtungen uͤber die wahre und urspruͤngliche Beschaffenheit des Sago und der Tapioka. Sind der Sago und die Tapioka so, wie wir sie unserer Pruͤfung unterworfen haben, in den Pflanzen, die sie erzeugen, enthalten, oder befinden sie sich daselbst in anderen Zustanden? Erleiden diese vegetabilischen Producte bei dem Ausziehen aus ihren entsprechenden Pflanzen keine, in ihrem Aeußeren unerkennbare, Veraͤnderung, und sind sie nicht faͤhig, ihre chemische Beschaffenheit zu veraͤndern? Wenn wir uns auf die Nachrichten der Naturforscher uͤber die Gewinnung dieser beiden mehlartigen Stoffe stuͤzen, und noch das Vorhergehende hinzunehmen, so wird die Losung dieser Frage uns nicht schwer werden. Der Sago ist, wenn man ihn aus dem markigen Theile der Sagopalme auszieht, weiß. Man zerdruͤkt naͤmlich denselben, ruͤhrt ihn in Wasser, laͤßt die staͤrkmehlhaltige Milch, die man dadurch erhaͤlt, durch ein Sieb laufen, und absezen. Der Sago faͤllt als sehr feines weißes Pulver nieder, das man gelinde troknet. Es ist fast dasselbe, wie bei der Tapioka. Ist es aber, nach dieser einfachen Darstellung der Gewinnungsweise, nicht klar, daß diese zwei mehlartigen Koͤrper in kaltem Wasser unaufloͤslich sind, und daß sie sich in demselben nicht so verhalten, wie wir von den naͤmlichen, im Handel vorkommenden Stoffen bemerkt haben? Wenn wir aber die Darstellungs-Weisen dieser Substanzen bis zu ihrer Vollendung verfolgen, so nehmen wir wahr, daß man die noch feuchte Tapioka in flachen Beten gelinde erwaͤrmen muß, um sie troknen und koͤrnen zu koͤnnen; daß der Sago einer aͤhnlichen Operation unterworfen, und daß das Troknen des lezteren oft bis zu dem ersten Grade der Roͤstung fortgesezt wird, um demselben die eigenthuͤmliche braͤunliche Farbe zu geben. Ist noch mehr noͤthig, um die chemische Beschaffenheit dieser staͤrkmehlhaltigen Mehlarten zu veraͤndern? Ueberdieß scheint es, daß der Zustand dieser Substanzen im Handel nicht immer gleich ist, was uͤbrigens bei der Unregelmaͤßigkeit der Austroknung, der man sie unterwirft, nicht zu wundern ist. Man wird leicht begreifen, daß die Aufloͤslichkeit vollkommen oder zum Theile Statt haben kann, je nachdem die zur Austroknung angewandte Temperatur mehr oder weniger erhoͤht, fortgesezt, und mit mehr oder weniger Gleichfoͤrmigkeit auf die ganze Masse dieser Substanzen angewendet wurde. So hat man mir Sago geliefert, der nur einen aͤußerst schwachen Grad von Aufloͤslichkeit in kaltem Wasser besaß, und wieder anderen, der sich gar nicht aufloͤste. Hr. Boutron hat mir auch drei Proben von Tapioka gegeben; die eine war von den Inseln, und die anderen zwei hielt er fuͤr in Frankreich nachgemachte. Die erstere verhielt sich zum kalten Wasser wie die, die ich zur Untersuchung anwandte; die Kuͤnstlichen schienen aus zwei verschiedenen Substanzen zusammengesezt zu seyn; die eine davon bestand aus runden, durchsichtigen und sehr regelmaͤßigen Koͤrnern; die andere aus sehr unregelmaͤßigen, großen, undurchsichtigen Koͤrnern. Diese beiden Substanzen wurden von einander getrennt, und mit kaltem Wasser in Beruͤhrung gebracht, um sie mit der echten Tapioka zu vergleichen. Die drei Fluͤßigkeiten verhielten sich auf folgende Weise: Mit Jod nahm das Macerat der durchsichtigen Koͤrner eine schwache blaͤulichgruͤne Farbe an; das der undurchsichtigen Koͤrner blieb unveraͤndert, waͤhrend das Macerat der echten Tapioka eine schoͤne blaue Farbe annahm. Man muß uͤbrigens in diese Resultate nicht mehr Werth legen, als sie verdienen; denn nichts beweist, daß ich wirklich mit kuͤnstlicher Tapioka zu thun hatte. Es wird auch nicht zu wundern seyn, wenn man sehr reine, amerikanische Tapioka findet, die in kaltem Wasser vollkommen unaufloͤslich ist. Wenn man, wie es zu vermuthen ist, in Frankreich kuͤnstliche Tapioka aus Kartoffelmehl bereitet, so scheint mir nichts schwerer, als dieselbe auf chemische Weise von der wahren, westindischen zu unterscheiden, besonders wenn man das Baken des feuchten Saz-Mehles, um es zu koͤrnen, geschikt anstellt. Ueberdieß koͤnnte das sehr bezeichnende Aufschwellen in kaltem Wasser, was die wahre Tapioka zu erkennen gibt, und nach meiner Meinung der Tapioka von unserem Mehle nicht zukommt, irgend ein Kennzeichen gegen den Unterschleif darbieten. Ich sehe indessen keine boͤse Folge bei einer solchen Substitution, wenn sie oͤffentlich, aus Vaterlandsliebe, und nicht aus schaͤndlichem und gierigem Interesse geschieht. Ich habe frischen Staͤrkmehl-Kleister in kaltes Wasser geruͤhrt; nachdem das Starkmehl, welches weder zersezt noch modificirt war, in der Ruhe sich praͤcipitirte, wurde die Fluͤssigkeit abgegossen und filtrirt. Sie war vollkommen durchsichtig, und wurde mit folgenden Reagentien gepruͤft; sie wurde schwach getruͤbt vom Bleiessige, gab mit Gallapfelaufguß einen haͤufigen Niederschlag, und nahm mit Jod eine blaue Farbe an. Das waͤsserige Macerat der echten Tapioka, und der erkaltete und filtrirte Absud derselben verhielten sich zu denselben Reagentien auf gleiche Weise; nur war die durch Bleiessig erzeugte Truͤbung weniger merklich in dem Macerate, als in dem Absude; allein, nach dem, was wir vorhin angefuͤhrt haben, koͤnnen diese Resultate nach den Umstaͤnden verschieden seyn, unter welchen die Probe-Fluͤßigkeit bereitet worden war, und es scheint uns die Ursache auch leicht erklaͤrlich. Somit kann man nach allen diesen Annaͤherungen zwischen dem Kartoffelmehle, dem Sago, und der Tapioka schließen: 1) daß, wenn diese beiden lezteren Substanzen sich von der ersteren durch ihre Aufloͤslichkeit in kaltem Wasser unterscheiden, sie nichts desto weniger von aͤhnlicher urspruͤnglicher Beschaffenheit sind, und daß die Verschiedenheit ihres Zustandes im Handel von der Art der Gewinnung, die in dem Lande, wo sie erzeugt werden, angewendet wird, herruͤhrt. 2) Daß es sehr leicht ist, dem Kartoffelmehle eine aͤhnliche Eigenschaft zu geben, wie dieß bei Zubereitung der Poulinta des Hrn. Cadet de Vaux, und sehr wahrscheinlich auch bei der franzoͤsischen Tapioka der Fall ist. 3) Endlich, daß man bei diesen Operationen eine der ausgezeichnetsten Eigenschaften des staͤrkmehlhaltigen Mehles zerstoͤrt, dasselbe mag aus was immer fuͤr einer Pflanze hergenommen seyn, indem es, nach meiner Meinung, dann mit der von Hrn. v. Laussure sogenannten Amidine uͤbereinkommen muß. Vor dem Schlusse erklaͤre ich noch, daß ich alle diese mehlartigen Stoffe, die aus verschiedenen Vegetabilien gezogen werden, nicht fuͤr vollkommen identisch halte. Die neueren Beobachtungen des Hrn. Planche uͤber das Sazmehl des schwarzen Rettiges, und die sehr interessanten Beobachtungen des Hrn. Payen in Beziehung auf die Unterschiede, welche die verschiedenen Sazmehl-Arten in ihrem specifischen Gewichte darbieten, wuͤrden hinreichend seyn, um eine solche Behauptung zu widerlegen. Ich hatte nur die Absicht durch Vergleichung der Erscheinungen, welche sich unter denselben Umstaͤnden ergaben, ihre große chemische Aehnlichkeit zu beweisen. Beobachtungen uͤber die neue Art, nach welcher Hr. Rasvail das Kartoffel-Sazmehl betrachtet. Wenn die Beobachtungen des Hrn. Raspail, die er uͤber das Kartoffel-Sazmehl so eben bekannt machte, richtig sind; so wird in Zukunft keinem Chemiker mehr erlaubt seyn, ohne Mikroscope zu arbeiten. Seit langer Zeit ist das Staͤrkmehl als einer der ausgezeichnetsten vegetabilischen Stoffe betrachtet worden; die beruͤhmtesten Chemiker hatten in dieser Beziehung nur Eine Meinung. Dieß beweisen die glaubwuͤrdigsten und bestimmtesten Thatsachen. Und dennoch sollen diese Chemiker sich betrogen haben. Ihre Erfahrungen waͤren unzureichend gewesen, sie aus einem Irrthume zu ziehen, den ihnen nur das Mikroscop aufdeken konnte. Ich gestehe, daß in den physischen Wissenschaften nur bedingtes oder relatives Glauben denjenigen zu Theil werden kann, die sich mit denselben beschaͤftigen; der fortschreitende und immer mehr und mehr aufgeklaͤrte Gang des menschlichen Geistes gebietet maͤchtig diese Ansicht. Ich stelle mir aber auch den Schmerz vor, eine. Meinung aufzugeben, an die man so zu sagen gewohnt war, weil sie durch die Zeit und durch die Erfahrung geheiliget schien; und ich wundere mich nicht, wenn sehr achtbare Chemiker Ergebenheit und Ueberzeugung fuͤr die Lehre von Stahl, ihrem Meister, bis in's Grab gehabt haben. Wenn man sich auch nicht uͤberzeugt, daß die Theorie, wornach Hr. Raspail die chemischen Erscheinungen des Staͤrkmehles erklaͤrt, richtig, und fuͤr die Annahme hinreichend begruͤndet ist, so wird sie nicht minder das Verdienst haben, den Chemikern zu beweisen, daß die Anwendung des Mikroscopes bei ihren gewoͤhnlichen Arbeiten zuweilen uͤber sonderbare Erscheinungen Auskunft geben kann. Ich will nun die vorzuͤglichsten Beweise, die von dem Verfasser gefuͤhrt wurden, pruͤfen; aber vorher glaube ich seine wichtigsten Schluͤsse aufzaͤhlen zu muͤssen. 1) Das Sazmehl besteht aus vegetabilischen Organen, welche die Gestalt kleiner Kuͤgelchen besizen. 2) Jedes Koͤrnchen Sazmehl ist zusammengesezt: 1) aus einer glatten Deke, die fuͤr Wasser und Saͤuren bei der gewoͤhnlichen Temperatur undurchdringlich, und faͤhig ist, sich lange Zeit uͤber von Jod zu faͤrben; 2) aus einer aufloͤslichen Substanz, die beim Abdampfen das Faͤrbungs-Vermoͤgen durch Jod verliert, und alle Eigenschaften des Gummi besizt. 3) Folglich sind die Gummiarten, die aus den Vegetabilien fließen, nichts anderes, als diese aufloͤsliche Substanz des Saz-Mehles, das an der freien Luft das Vermoͤgen, blau gefaͤrbt zu werden, verloren hat. 4) Endlich kommt die Eigenschaft, von Jod blau gefaͤrbt zu werden, einer fluͤchtigen Substanz zu. Ich bin Zeuge gewesen (durch die Guͤte des Hrn. Edwards, der ein Mikroscop besizt), daß die Koͤrner des Kartoffel-Sazmehles eine kugelige Gestalt Habelt, deren Durchmesser unendlich verschieden ist; aber nichts hat mir darin eine gummiartige Substanz erwiesen. Hr. Raspail hat diese Sazmehl-Koͤrner mit Jodtinctur unter dem Vergroͤßerungsglase behandelt, und ihre Faͤrbung gesehen, ohne daß sie ihre Form verloren haben, und wenn er sie dann wieder mit Kali oder Ammonium behandelte, so wurden sie entfaͤrbt, ohne die mindeste Veraͤnderung in ihrer Gestalt und in ihrem Ansehen zu erleiden; demnach schließt der Verfasser, daß es kein Staͤrkmehl-Joduͤr gibt, weil zwischen dem Jod und Staͤrkmehle keine chemische Wirkung, sondern nur eine einfache Ablagerung der kleinsten Theile des Jod's auf die Oberflaͤche der Sazmehl-Koͤrner Statt findet. Diese Erfahrung beweist, nach meiner Meinung, daß die Sazmehl-Koͤrner keine sehr große Porositaͤt zur Absorption des Jod's besizen, und daß, da die chemische Wirkung zwischen beiden Koͤrpern sehr schwach ist, das staͤrkmehlhaltige Kuͤgelchen seinen Aggregat-Zustand nicht aͤndert, sondern seine primitive Form behaͤlt; aber dieses ist noch kein Grund, um nicht eine, wenigstens oberflaͤchliche, Verbindung anzunehmen. Verlieren die thierischen und vegetabilischen Gewebe bei'm Faͤrben durch die Fixirung der Farben ihre primitive Form? Und dennoch wird man nicht sagen, daß hier keine Verbindung Statt hat. Demnach sind die Sazmehl-Koͤrner in den Zellen der Pflanze ganz gebildet, und frei vorhanden. Aus ihrer glatten und gerundeten Form, aus ihrer Unveraͤnderlichkeit in kaltem Nasser, aus ihrer Faͤrbung mit Jod und ihrer Entfaͤrbung mit Alkali schließt Hr. Raspail, daß das Sazmehl nicht unmittelbar ein Stoff der Pflanzen sey, und eine Reihe von Erfahrungen scheint ihm zu beweisen, daß die Sazmehl-Koͤrner Organe sind, gebildet aus einer glatten, von Saͤuren bei der gewoͤhnlichen Temperatur undurchdringlichen Deke, und dann aus einer darin eingehuͤllten Substanz, die er fuͤr Gummi haͤlt. Wir wollen diese Erfahrungen eine nach der anderen anfuͤhren, und die Folgerungen davon untersuchen. Der Verfasser sezte Sazmehl der Waͤrme aus, so daß die obere Schichte sich verkohlte, und beeilte sich dann, einige Kuͤgelchen aus der mittleren Sazmehl-Schichte unter das Mikroscop zu bringen, in dessen Mittelpunct er einen Tropfen verduͤnnten Alkohol brachte. Auf der Stelle sah er Kreis-Bewegungen, ein auffallend schnelles Anziehen und Abstoßen der Mehl-Koͤrner, und nahm Spuren von Gummi wahr, der sich langsam in der Fluͤßigkeit verlor, als wenn selbst der verduͤnteste Alkohol Gummi in sich aufnehmen koͤnnte. Der Verfasser fuͤgt noch hinzu, daß, wenn man das Sazmehl, ehe es der Hize ausgesezt wird, faͤrbt, man unter dem Mikroscope die ungefaͤrbte Fluͤßigkeit heraustreten sieht. Mit reinem Wasser ist das Experiment nicht so entschieden, weil es den gummiartigen Antheil sehr schnell aufloͤst; man ist auch mit dem verduͤnnten Alkohol nicht auf der Stelle gluͤklich, und man muß, nach dem Verfasser, den Versuch oͤfters wiederholen, um die Fluͤßigkeit aus ihrer Huͤlle hervortreten zu sehen; man findet auch immer unter dem Mikroscope eine Menge der unaufloͤslichen Deken, und eine gummiartige Substanz, die man durch Aufloͤsen in einem Tropfen Wasser davon trennen kann. Nach der Unsicherheit dieser Resultate laͤßt es sich begreifen, daß es sehr schwer ist, mit dem Mikroscope richtig zu beobachten. Ist es nicht leichter und einfacher, diese Erscheinungen, ohne Annahme der Deken und des nach diesen unsicheren Versuchen fuͤr Gummi erkannten Bestandtheiles, bloß nach den chemischen Verwandtschaften zu erklaͤren. Es ist doch allgemein bekannt, daß das Starkmehl bei der Einwirkung der Hize oder des siedenden Wassers seine Beschaffenheit aͤndert; und es ist auch nicht zu wundern, daß unter den drei Umstaͤnden, unter welchen Hr. Raspail diese Substanz mikroscopisch gepruͤft hat, er aus derselben Wasser frei werden sah. Gerade dieses Resultat wird eine Veraͤnderung in der Grundform bewirkt haben. Der Verfasser wurde jedoch nach dem Resultate der drei vorhergehenden Versuche noch mehr in seiner Idee uͤber die Zusammensezung der Sazmehl-Koͤrner bestaͤrkt. Hr. Raspail unterwarf auch Satzmehl der Einwirkung des kochenden Wassers, und er sah zum Theile die vorigen Erscheinungen wieder, naͤmlich, die zerrissenen Decken in der Fluͤßigkeit schwimmen, getrennt von dem gummiartigen Bestandtheile, der nach seiner Meinung in dem Wasser aufgeloͤst seyn mußte. Somit wird der Kleister, statt aus Wasser, Amidine und Staͤrkmehl, aus einer Aufloͤsung von Gummi, das aus einer bestimmten Anzahl Satzmehlkoͤrner mit Wasser ausgezogen wurde, aus den dadurch zerrissenen Decken, und aus einigen unveraͤnderten Satzmehlkoͤrnern bestehen, die durch das warme Wasser nur erweitert wurden. Nach dem Verfasser wird es leicht seyn, die Decken von dem Gummi zu trennen; man darf den Kleister nur mit vielem Wasser verduͤnnen, so wird man das Gummi aufgeloͤst, und die Decken auf dem Filter ruͤckstaͤndig finden. Wenn nun das Gummi, das in den Satz Mehl-Koͤrnern enthalten ist, nicht von andern Gummiarten verschieden ist, wie der Verfasser angibt; so darf es durch Jod nicht blau werden. Dieß war eine Schwierigkeit, die Hr. Raspail lange beschaͤftigte. Nach dem vorhin erwaͤhnten Versuche hatte er nun auch ein Mittel in der Filtration, diese beiden Stoffe zu trennen, und die Zusammensetzung der Satz Mehl-Koͤrner darzuthun, was er auch anwendete; allein, die Resultate waren, daß sowohl die Decken, als auch die gummiartige Fluͤssigkeit von Jod blau gefaͤrbt wurde, was bei allem Wiederhohlen und Veraͤndern des Versuches sich immer wieder ergab. Diese, fuͤr die Haupt-Idee des Verfassers viel zu harte Thatsache machte, daß er seine Zuflucht zu seinem Mikroskope nahm, wo er sah, daß in der gummiartigen Fluͤssigkeit eine große Menge von Haͤuten, die durch die Poren des Filters durchgegangen seyn mochten, sich zeigten, was diese, scheinbar widersprechende, Thatsache ihm ganz natuͤrlich erscheinen ließ, und ihm einen Beweggrund darboth, in seiner Beobachtungsweise fortzufahren. Wenn die Sache sich so verhalt, so muß die Faͤrbung mit Jod in dem Verhaͤltnisse abnehmen, als die Zahl der Decken in der Fluͤßigkeit weniger wird. Und dennoch sagt H. Raspail, daß, wenn er mit dem Mikroskope hoͤchstens nur eine Decke in Einem Zolle wahrnehmen konnte, die Fluͤßigkeit auf Zusatz von Jod so blau wurde, als mit Satz-Mehl selbst. Es laͤßt sich also schliessen, daß eine andere, von den Decken unabhaͤngige, Substanz vorhanden ist, die von Jod blau wird. Diesen Gedanken hatte der Verfasser aufgefaßt; denn die Thatsachen, von denen er sich uͤberzeugte, konnte er nicht laͤugnen; er nimmt daher, einige Zeilen unten, selbst an, daß der gummiartige Antheil auch von Jod blau werden kann, wenn er aufgeloͤst ist, und schreibt dieses der Bildung von Haͤutchen zu, die in dem Verhaͤltnisse verschwinden, als die blaue Farbe sich verdunkelt. Was laͤßt sich aus dieser Thatsache anders schließen, sagt H. Raspail, als daß das Satz-Mehl vom Jod nur gefaͤrbt wird, wenn es haͤutig geworden ist? Daher bleiben die Decken immer gefaͤrbt zuruͤck. Also naͤhert sich, nach H. Raspail, der gummige Bestandtheil seiner Natur nach besonders den Decken, weil er im Zustande der Aufloͤsung, wie diese, eine haͤutige Gestalt anzunehmen faͤhig ist, wodurch er dann mit Jod eine blaue Farbe erhalten kann. Aber wenn des sorgfaͤltigsten Filtrirens ungeachtet, das Mikroscop in der gummigen Fluͤßigkeit immer einige Decken gezeigt hat, und wenn diese immer gefaͤrbt bleiben, wie kann die Fluͤßigkeit nach 12 bis 15 Stunden in Beruͤhrung mit der Luft ihre blaue Farbe verlieren, die sie auf Zusatz einer neuen Menge Jod wieder erhaͤlt? Also bleiben die Decken nicht immer gefaͤrbt, so wie der angefuͤhrte gummige Antheil. Es ist schwer diese Thatsachen nach Hrn. Raspail's Ansicht zu vereinigen. Ferner sagt der Verfasser: „Die aufloͤsliche Substanz verliert nicht nur an der Luft die blaue Farbe, sondern sie wird auch durch Einwirkung der Waͤrme des Vermoͤgens beraubt, sich noch zu faͤrben. Man weiß, daß der Satzmehl-Syrup bei den Apothekern fertig ist, wenn ihn das Jod nicht mehr faͤrbt. Man hat diese Erscheinung, sagt er, einer Umwandlung zugeschrieben, die vom langen Kochen herfuͤhrt: wir waren jedoch entfernt, diese in der vegetabilischen Chemie so gebraͤuchlichen Erklaͤrungsweisen anzunehmen, und die folgende Beobachtung reicht hin, um diese Idee von der Umwandlung ganz zu entfernen.“ Diese Haupt-Beobachtung ist nun folgende: „Wenn man, sagt er, die aufloͤsliche Substanz des Satzmehls bis zu dicklichen Schichten verdampfen laͤßt, so wird man eine Substanz erhalten, die in ihren physischen Eigenschaften dem Gummi voͤllig gleich ist, und sich weder im festen, noch im aufgeloͤsten Zustande mehr faͤrbt. Die Faͤrbung des Satzmehles ruͤhrt also ganz sicher von einer fremdartigen, fluͤchtigen Substanz her, die durch das Abdampfen verschwindet.“ (Pag. 395.) Das Bewunderungswuͤrdigste in einem so neuen, und nach den vorausgehenden Thatsachen eben so unerwarteten Beweise, ist die Leichtigkeit, womit Hr. Raspail die Gegenwart einer fluͤchtigen Substanz, die er weder gesehen noch erhalten hat, annimmt. Kurz vorher hing die Faͤrbung von der haͤutigen Gestalt der Decken ab, und von der naͤmlichen aͤhnlichen Form, die der gummiartige Bestandtheil unter gewissen Umstaͤnden annehmen kann; und jezt, da das Mikroscop keine Haͤute und Deken mehr zeigt, zieht H. Raspail aus seiner Einbildung ein fluͤchtiges Wesen hervor, mit dessen Huͤlfe er der Schwierigkeit entkommt. Das scheint mir sehr bequem. Die Decken, so wie der in Wasser aufgeloͤste gummige Bestandteil werden also auf keine aͤndere Weise jezt mehr vom Jod gefaͤrbt, als durch Beihuͤlfe einer fluͤchtigen Substanz; aber was wird dann aus der Theorie der Faͤrbung und Entfaͤrbung der filtrirten Fluͤßigkeit, von dem in kaltes Wasser geruͤhrten Kleister, werden? Ich will diese Pruͤfung nicht weiter mehr verfolgen; die verschiedenen Stellen, die ich aus der Abhandlung des Hrn. Raspail angefuͤhrt habe, werden hinreichen, um ihren Werth zu bestimmen. Was mich betrifft, bin ich von dem Gegentheile uͤberzeugt; und ich kann nicht begreifen, wie, unter allen den von diesem Naturforscher angefuͤhrten Umstaͤnden, eine mikroscopische Beobachtung fuͤr eine chemische gelten kann. Ich zweifle nicht, daß dieses Instrument, worauf sich die meisten Urtheile des Hrn. Raspail gruͤnden, einst auch in der Chemie von anerkannten Nutzen werden kann; aber nur dann, wann man die mikroscopische Beobachtung mit der chemischen verbindet. Ich kann mich nicht entschließen zu glauben: 1) daß das Satzmehl aus Decken und Gummi zusammengesezt ist; 2) daß die Faͤrbung desselben durch Jod nicht eine Verbindung, sondern nur eine Ablagerung des Jod's auf die Satzmehlkoͤrner ist; und 3) daß eine fluͤchtige Substanz die Ursache der Faͤrbung ist. Uebrigens nehme ich mit dem Verfasser die Kugelform als die Form der kleinsten Theile des Satzmehles an; nur halte ich sie fuͤr gleichartig, und nicht aus zwei verschiedenen Koͤrpern bestehend. Ich will diesen Aufsatz nicht schließen, ohne dem Hrn. Raspail meine rechtliche Huldigung zu bezeugen. Wenn ich ihn auch in seiner Beobachtungsweise angegriffen habe, so lasse ich doch wenigstens seinem entschiedenen Talente, das er darin bewiesen hat, Gerechtigkeit widerfahren. Ich bin uͤberzeugt, daß er mehr als faͤhig ist, die eben so neue als geniale Frage, die er aufgestellt hat, vollkommen zu beantworten; und ich wuͤnsche nur, daß er dahin gelangen moͤge, aus Wahrheitsliebe und zu meiner Belehrung. Dieses Bekenntniß wird dem schaͤtzbaren Verfasser ohne Zweifel bei der Beurtheilung der Beweggruͤnde hinreichen, die mich veranlaßt haben, diese Betrachtungen oͤffentlich bekannt zu machen. –––––––––– N. S. So eben lerne ich eine Arbeit uͤber die Structur der Kartoffel von Hr. A. Villars, Decan der medicinischen Facultaͤt zu Straßburg etc.“ kennen. Diese Arbeit findet sich in dem XLII. V. des Journal général de Médecine, das dermahlen von Hr. Doctor Sedillot redigirt wird, und enthaͤlt eigenthuͤmliche Erfahrungen und Ansichten uͤber die Frage, die ich in Beziehung auf die Gleichartigkeit des Satzmehles behandelt habe, eben so auch uͤber die Vorzuͤge der mikroscopischen Beobachtungen. Ich halte es fuͤr nuͤtzlich, folgende Stellen davon auszuziehen. „(§, 19.) Das Kartoffelmehl besteht aus kleinen eyfoͤrmigen Kuͤgelchen von 1/100 bis zu 1/50, Linie im Durchmesser, und ein Drittel ungefaͤhr noch mehr in der Laͤnge. (Fig. 1.) Ich hatte sie zu Grenoble im J. 1802 beobachtet, beschrieben und bestimmt; vollkommen ausgebildete hatte ich im J. 1810 zu Straßburg beobachtet. Ich habe diese Arbeit mit mehr Genauigkeit und Abaͤnderung mittelst neuer Mikroscope wieder unternommen. Diese Kuͤgelchen sind glatt, glaͤnzend und milchweiß, wie die Kuͤgelchen des Quecksilbers.“ „(§. 20.) Die Kuͤgelchen des Kartoffel-Satzmehles, auf dem Glase mit einer Stahlplatte so viel moͤglich zerdruͤckt, sind um die Haͤlfte oder 2 Drittheile kleiner, ein wenig eckig oder unregelmaͤßig, aber dennoch glatt. (Fig. 2.)“ „(§, 21.) Die naͤmlichen Kuͤgelchen in den Kartoffeln werden gekocht ohngefaͤhr um ein Drittheil groͤßer, gerundeter, weniger vereinigt, nicht glaͤnzend, auf ihrer Oberflaͤche aber, nachdem sie in einer 100 fachen Vergroͤßerung ihres Durchmessers beobachtet wurden, waren sie wie gespalten oder gerizt.“ (Fig. 3.) „(§. 22.) Die naͤmlichen Kuͤgelchen durch ein sehr feines, ohngefaͤhr 1/10, Linie dickes, Stuͤck eines gefrornen Erdapfels beobachtet, haben mir um die Haͤlfte kleiner geschienen, waren vom Wasser umgeben und wie zerflossen. Ich konnte dann mit der naͤmlichen Linse das Netz des Erdapfels oder die Faser, die die Kuͤgelchen zusammenhaͤlt, beobachten. Sie sind darin gruppenweise sich beruͤhrend zerstreut, ohne aber mit den Augen des Netzes zusammenzuhaͤngen. (Fig. 4.)“. „(§. 23.) Ich ließ auf Glaͤsern und Tellern das Erdapfel-Satzmehl in einer Stube und im Sandbade trocknen, bis die Kuͤgelchen anfingen braun zu werden. Sie hatten ein wenig ihren Umfang und ihren Glanz verloren. Sie waren dann nur in der Mitte durchsichtig, waͤhrend der Umkreis undurchsichtig schien, gerade als wenn Luftblasen mit dem Mikroscope beobachtet wuͤrden. In diesem Zustande habe ich sie so gut als moͤglich zwischen zwei Glasplaͤttchen zerdruͤckt; sie haben dennoch kugelig geschienen, aber kleiner und hygroscopischer als zuvor. Ich zweifle nicht, daß diese Kuͤgelchen Krystallisations-Wasser enthalten, wie die Salze. Ich habe hierauf das feine Weizenmehl untersucht, um es in seinen kleinsten Theilen mit den vorigen zu vergleichen. Sie sind in dem Weizen kleiner und unregelmaͤßiger in Ruͤcksicht der Kuͤgelchen und der Molecuͤle. Auch habe ich sehr kleine Querschnitte uͤber ein Weizenkorn gemacht. Die Kuͤgelchen waren rund, sehr gleichfoͤrmig und schienen drei Mahl kleiner, als die der Erdaͤpfel; denn sie hatten nur 1/250 bis 4/100 Linie im Durchmesser. Weder der Haarpuder noch das Staͤrkmehl waren unter dem Mikroscope wesentlich verschieden vom Mehle.“ „Ich vermuthe nicht, daß diese Kleinheit die einzige Ursache sey, die das Mehl zum Pudern eignet; doch die Waͤrme aͤndert dasselbe nicht so leicht, wie das Erdaͤpfelmehl. Es enthaͤlt weniger Wasser, und ist auch weniger faͤhig, es zu verlieren und wieder anzunehmen. Auch erhaͤlt sich das Erdaͤpfelbrod nur zwei oder drei Tage gut, das Weizenbrod 4 bis 8 Tage; waͤhrend das Rockenbrod wenigstens 15–20 Tage, ja ein Monath, sich gut erhaͤlt, wenn man ihm nur die Kleien, wenigstens zum Theile, laͤßt.“