Titel: Ueber Mahlerei auf geschnittenem Manchester; von Hrn. Pajot-Descharmes.
Fundstelle: Band 22, Jahrgang 1826, Nr. XIII., S. 66
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XIII. Ueber Mahlerei auf geschnittenem Manchester; von Hrn. Pajot-Descharmes.Man hat in Frankreich schon vor dem Jahre 1789 Manchester (velours de coton), gemahlet und gedrukt. Hr. Bonvalet zu Amiens hatte alle Arten von Stoffen, selbst wollene, mit Oehlfarben bemahlt und gedrukt. Ich habe im Jahre 1788 (im Journal de Physique), um die Fortschritte dieses achtbaren Kuͤnstlers zu beschleunigen, ein leichtes Verfahren bekannt gemacht, Cylinder und Platten zu graviren, die er bei seiner Drukerei brauchte. A. d. O. Aus den Annales de l'Industrie. Juli. 1826. S. 71. Pajot-Descharmes, uͤber Mahlerei auf geschnittenem Manchester. Man kennt die Schoͤnheit der Gemaͤhlde des Hrn. Vauchelet auf Manchester (velours á coton) zu Meubeln. Die Bewunderung die sie erregten, veranlaͤst den Wunsch, das Verfahren bei diesem neuen Zweige der Industrie alsogleich nach Verlauf des Brevet-Termines zur allgemeinen Kenntniß gebracht zu sehen. Folgende Thatsache beweiset, daß, ob schon dieses Brevet im Jahre 1815 verfallen, und im J. 1823 bekannt gemacht wurde, Hr. Vauchelet doch noch immer privilegirt bleibt. Einer meiner Bekannten, der sich des Verfahrens des Hrn. Vauchelet, (der fuͤr den ErfinderDie Englaͤnder haben schon vor dem Jahre 1810 auf Manchester nach Vauchelet's Art gewaͤhlt. Ich besize Blumen-Bouquets, die in England auf diesen Stoff gemahlt wurden, und ungemein schoͤn sind, und an welchen die Farben in den zartesten Nuancen in einander uͤbergehen, so daß sie eine herrliche Wirkung hervorbringen. A. d. D. desselben gilt, und im J. 1810 ein Brevet auf 5 Jahre nahm, das im V. Bande der Brevets publiés en 1823Auf S. 164. Das Verfahren der Mahlerei haben wir in diesem Journale Bd. XII. S. 252, und die Zubereitung des Oehles hiezu im Bd. XIV. S. 373., wie solche in dem Brevet d'Invention beschrieben ist, mitgetheilt. A. d. R. abgedrukt ist), bedienen wollte, versuchte vergebens nach der vorgeschriebenen Methode zu arbeiten, obschon er dasselbe auf das genaueste, Punct fuͤr Punct, befolgte. Er dach mich dasselbe in meiner Gegenwart wiederholen zu duͤrfen, um zu sehen, ob er vielleicht irgendwo gefehlt haͤtte. Ich eilte seiner Bitte zu willfahren, und erstaunte nicht wenig, als, nach der genauesten Befolgung der vorgeschriebenen Regeln, ich nicht nur sehen mußte, daß dieses Verfahren, so wie Hr. Vauchelet dasselbe angibt, nicht nur gaͤnzlich unanwendbar, sondern sogar hoͤchst nachtheilig ist, selbst wenn die beiden damit verbundenen Mangel beseitigt wuͤrden. Diese beiden Mangel sind: 1) Die Zubereitung des Oehles, welches, in Folge der dabei angewendeten Ingredienzen, ganz schwarz wird. 2) Das Auseinanderfließen desselben auf dem Stoffe, und das Durchschlagen durch den lezteren. Ich vermuthete zwar ein aͤhnliches Resultat schon bei dem bloßen Durchlesen der Beschreibung des Brevet, und glaubte daß, um sich den Genuß desselben fuͤr ewige Zeiten zu sichern, Hr. Vauchelet dem wahren Verfahren ein anderes unterschoben hat, wodurch er dann nichts fuͤr den ferneren Besiz; seines Eigenthumes zu besorgen hatte.So scheint es wenigstens, da Hr. Vauchelet bisher der Einzige ist, der sein Verfahren anwendet, d.h. dasjenige, das er fuͤr sich behielt, und was von den von ihm bekannt gemachten ganz verschieden ist. A. d. D. Ich rieth daher meinem Bekannten folgendes Verfahren 1) auf seinen Manchester sowohl an der Vorder- als an der Ruͤkseite mit einem Pinsel eine Lage von Traganth-Gummi Aufloͤsung (der so weiß als moͤglich seyn muß), aufzutragenUnter gewisser Vorsicht koͤnnte man zur Beschleunigung dieser Arbeit den Stoff in diese Aufloͤsung tauchen. A. d. O. 2) die Farben mit gereinigten und geklaͤrtem Leinoͤhle anzumachen. Die Erfahrung zeigte, daß auf diese Weise die Farbe: nicht bloß ihre lebhaften und zarten Nuancen behielten, sondern auch, daß das Oehl nicht uͤber die Farben hinaus lief, und nicht durch den Stoff durchschlug. Hieraus erhellt, 1. daß dieses neue VerfahrenDieses Verfahren ist nicht neu, und in Deutschland schon viel fruͤher als sich Hr. Vauchelet darauf patentiren ließ, von unsern Mahlern ausgefuͤhrt worden. Interessanter und vervielfaͤltigter ist das Verfahren, den Sammt oder Manchester mit oͤrtlichen Farben zu druken, woruͤber wir auf die Abhandlung uͤber die Darstellung des Baumwollen-Sammtdrukes mittelst oͤrtlicher Farben, und ihre Befestigung durch Wasserdaͤmpfe,“ v. W. H. v. Kurrer im Bd. II. S. 152. in diesem polytechnischen Journale, so wie auf die Beschreibung der Baumwollen-Sammt-Drukerei in Vitalis Faͤrbebuch, deutsche Ausgabe von Dingler und Kurrer Stuttgart bei Cotta 1824. S. 514 verweisen. A. d. R. mit Vortheil statt desjenigen des Hrn. Vauchelet angewendet werden kann. 2. Daß das von Hrn. Vauchelet beschriebene Verfahre zu dem von ihm angewendeten Zweke nicht taugt, und diejenigen in großen Nachtheil versezt, die es anwenden wollen. 3) daß die Regierung und das Publicum irregefuͤhrt wurde indem sie Bittstellern um Brevets ihr Zutraue. schenken, die nur im Falle eines Rechtsstreites unter Verlust ihres Patent Rechtes ihr Verfahren angeben muͤssen. Dieses Verschweigen oder Entstellen des wahren Verfahrens, dessen Verderblichkeit ich so eben zeigte, brachte mich auf die Idee, daß, um fuͤr die Zukunft einem aͤhnlichen Nachtheile vorzubeugen, es vielleicht gut seyn wuͤrde, wenn, ehe das Brevet ertheilt wird, auf Kosten des Bittstellers eine eigene Commission niedergesezt wuͤrde, die nicht bloß die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit der gegebenen Beschreibung, sondern auch, wo es sich um chemische Producte handelt, die Guͤte derselben pruͤft: hieruͤber haͤtte diese Commission Zeugnisse auszustellen, in welchen uͤbrigens das Verdienst der Erfindung (nach dem Geseze), unberuͤhrt bliebe.Diese Bemerkung ist nur zu richtig, und erwahrt sich taͤglich mehr. A. d. Ueb. Auf diese Weise wuͤrde, wie es scheint, weder die Regierung noch das Publicum mehr der Gefahr ausgesezt seyn, betrogen zu werden: erstere, indem sie ein unbestimmtes Privilegium uͤber einen Gegenstand ertheilt, der unter einem anderen, fuͤr welchen der Patent-Traͤger sein Patent nimmt, verfielt ist; lezteres, indem es gerade dadurch, daß es ein Verfahren benuͤzen will, welches es fuͤr genau und richtig haͤlt, in mehr oder minder bedeutenden Verlust geraͤth. Der lange Zwischenraum zwischen dem Verfalle des Brevets des Hrn. Vauchelet und seiner Bekanntmachung hat zu einer anderen Betrachtung Veranlassung gegeben. Dieser Zwischenraum betrug bei Hrn. Vauchelet ungefaͤhr 8 Jahre, waͤhrend das Patent ihm nur auf 5 Jahre Recht gibt. Aus einer solchen Verlaͤngerung der Bekanntmachung der Brevets entsteht 1) der große Nachtheil, daß das Publicum der mehr oder minder nuͤzlichen Erfindungen beraubt wird, von welchen die Industrie Vortheil ziehen koͤnnte. 2) daß der Privilegirte gegen alles Recht, seines Privilegiums laͤnger allein genießt. Zur Vermeidung dieses doppelten Nachtheiles gibt es, wie es mir scheint, ein sehr einfaches Mittel: dem Publicum durch den Druk anzuzeigen, wann ein Privilegium sein Ende erreicht hat, und dieß zwar das naͤchst folgende Monat darauf, mit der Bemerkung, daß jeder zu Paris in dem Bureau du Directeur du conservatoire des Arts et Métiérs in den Hauptorten der Departements bei dem Bureau des Archives de la Préfecture, wo diese Brevets niedergelegt sind, sich erkundigen kann. Der Director des Conservatoriums der Kuͤnste und Gewerbe zu Paris sollte daher monatlich eine Liste der im vorhergehenden Monate verfallenen Patente bekannt machen, die der Minister des Inneren den Praͤfecten zuzusenden hatte, damit diese dieselben in ihren Departements durch den Druk bekannt machten. Es ist offenbar, daß durch solche Maßregeln alle so eben bezeichneten Nachtheile, die haͤufiger vorkommen, als man glaubt, vermieden werden koͤnnten.Nimmerwehr aber das radicale Boͤse, das in jedem Patente liegt: „ein Patent ist ein crimen laesae humanitas, “ sagte Kaiser Joseph; „meine Unterthanen sollen, so lange ich regiere, gleiche Rechte haben. Jeder kann thun, was er will, insofern er nach den Gesezen des Staates handelt.“ Es ist sonderbar, daß, waͤhrend das Publicum in England und Frankreich jezt allgemein so grob laut uͤber das Patent-Wesen klagt, wir in Deutschland uns bemuͤhen, das Patent-Wesen zur Finanz-Quelle und zum Hunger-Brunnen der Industrie zu erheben. A. d. Ueb.