Titel: Verfahren, baumwollene und leinene Gespinnste in allen Abstufungen ächt Violett und Lilas zu färben.
Autor: Dr. phil. Johann Gottfried Dingler [GND]
Fundstelle: Band 22, Jahrgang 1826, Nr. XXIV., S. 135
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XXIV. Verfahren, baumwollene und leinene Gespinnste in allen Abstufungen aͤcht Violett und Lilas zu faͤrben. Vom Herausgeber. Dingler's Verfahren baumwollene und leinene Gespinnste aͤcht Violett und Lilas zu faͤrben. Um den vielfachen Aufforderungen zur Mittheilung dieses interessanten, bis jezt noch nicht beschriebenen Faͤrbungs-Prozesses zu entsprechen, theilen wir ihn in nachfolgender Beschreibung mit. Bei dieser Mittheilung sezen wir indessen voraus, daß diejenigen, welche diese aͤchte Farben erzeugen wollen, im wirklichem Besize einer Tuͤrkischrothfaͤrberei, oder doch mit den Details der Einrichtungen und den Handgriffen dieser Faͤrbungsweise so innig vertraut sind, daß es weder einer umstaͤndlichen Beschreibung einer Tuͤrkischrothfaͤrberei-Einrichtung noch einer ausfuͤhrlichen Beschreibung der Handgriffe hier bedarf.Wer sich uͤber die Tuͤrkischrothfaͤrberei in allen Details unterrichten will, findet in Bancrofts neuem Farbebuche, deutsche Ausgabe von Dingler und Kurrer, Nuͤrnberg bei Schrag 1817 und 1818, Bd. 2. S. 341–387, und in dem Anhange S. 388 ebd. alles zusammengestellt, was bis zu jener Zeit daruͤber bekannt geworden ist, mit Hinweisung auf die hieruͤber bisher erschienene Literatur. Das Neuere hieruͤber findet man in Vitalis Grundriß der Faͤrbekunst, deutsche Ausgabe von. Dingler und Kurrer, Stuttgart bei Cotta 1824. Die zu diesem Faͤrbungs-Prozesse in Arbeit zu nehmenden baumwollenen Gespinnste werden gleichwie zum Tuͤrkisch- oder Adrianopelrothfaͤrben entschaͤlt. Diese Vorbereitung besteht in vier- bis fuͤnfstuͤndigem Kochen der Baumwollen-Gespinnste in einer eingraͤdigen Lauge. Auf hundert Pfund Baumwollengarn sind hiezu an 600 Pfund Wasser und 6 Pfund Pottasche ausreichend. Die Beendigung der Entschaͤlung erkennt man daran, wenn die Gespinnste von selbst im Kessel untersinken. Man wascht die Gebinde hierauf in fliessendem Wasser, macht sie lufttroken, und roͤstet sie sodann im warmen Trokenzimmer. Die Leinen-Gespinnste muͤssen zu diesem Faͤrbungs-Prozesse etwas mehr als halbweiß gebleicht seyn, und kein gelbes Ansehen haben, weil im leztern Falle die Farbe etwas anders nuͤancirt zum Vorschein kommen wuͤrde. Nach diesem Vorgange sind die Gespinnste zu dem Impraͤgniren mit den alkalisch-oͤhligen Beizen geschikt, deren sie nach und nach acht bis zehn bekommen. Die erste und zweite Beize werden von einem frischen Ansaz von 1/4 Pfund Oehl auf das Pfund Gespinnst mit einer zwei- bis dreigraͤdigen Pottaschen-Lauge gegeben. Die Beize wird in einem Kessel auf 25° Reaumur gebracht, und in dieser Temperatur unterhalten. Die zum ersten Mahl gebeizten Garne werden auf einem Tische in einen Haufen gelegt, worauf man sie, mit einer wollenen Deke bedekt, 48 Stunden lang liegen laͤßt, sodann auf Stangen ausbreitet und lufttroken werden laͤßt. Hierauf werden sie im Trokenzimmer bei einer nach und nach bis auf 48° R. zu steigernden Waͤrme abgeroͤstet. Nach der zweiten Beize werden sie sogleich dem Lufttroknen und darauf dem Rosten ausgesezt. Die dritte, vierte, fuͤnfte, sechste, siebente und achte Beize besteht blos aus einem Zusaze zu der noch uͤbrig gebliebenen Beize von Degraisirbruͤhe, oder der vom Ausweichen der Beizen erhaltenen alkalisch-oͤhligen Fluͤßigkeit, welche, da sich das darinnen geloͤste Oehl in einem gewissermaßen oxidirten Zustande befindet, den Vorbereitungsproceß besser basirt, als eine frisch bereitete Fluͤßigkeit aus schwacher Lauge und Oehl. Hat man aber keine solche alte Beize vorraͤthig, dann muß man sich eine hinlaͤngliche Quantitaͤt frische alkalisch-oͤhlige Beize bereiten und auf jedes Pfund Baumwolle ein halbes Pfund Oehl in Anwendung bringen. Daß die Gespinnste nach jedesmaligem Beizen an der Luft getroknung und darauf in der Trokenstube abgeroͤstet werden muͤssen, versteht sich von selbst. Es ist vortheilhaft, wenn zwei bis drei Partieen Gespinnste so in Arbeit genommen werden, daß jeden dritten Tag eine Partie zum Beizen kommt, und die Zwischentage zum Lufttroknen und Abroͤsten verwendet werden. Die Leinen-Gespinnste muͤssen vier Mahl mehr als die baumwollenen, demnach zwoͤlf Mahl, in der alkalisch-oͤhligen Fluͤssigkeit behandelt werden. Nach diesen Vorarbeiten schreitet man zum Degraisiren oder Entfetten der Gespinnste. Dieses wird am besten bezwekt, wenn man die Gespinnste in ein laͤngliches hoͤlzernes Gefaͤß legt und mit einer zweigraͤdigen Lauge (aus 2 Theilen reinster Potasche und 98 Theilen Wasser), welche eine Waͤrme von 25° R. haben muß, uͤbergießt und mit einer hoͤlzernen Keule einstoͤßt. In dieser Einweichung bleiben die Gespinnste 36 bis 48 Stunden liegen. Nun bringt man etwas zweigraͤdige Lauge in die Beizkuͤbel und arbeitet in derselben zwei Haspen oder Gebinde der Gespinnste gerade so durch, wie man die Gespinnste mit der alkalisch-oͤhligen Fluͤßigkeit durchzutraͤnken pflegt; windet sie darauf auf dem Stoke aus, und legt sie zum Auswaschen bei Seite. So arbeitet man die ganze Partie nach und nach durch. Die beim Auswinden sich sammelnde Fluͤssigkeit hebt man als Degraisirbruͤhe zum neuen Beizproceß auf.Da man in der Regel mehr von dieser Fluͤssigkeit erhaͤlt, als man zum Beizen braucht, so kann man den Ueberfluß als ein treffliches Duͤngungsmittel verwenden, vorzuͤglich fuͤr Wiesen, wozu man sie mit der sechs bis achtfachen Quantitaͤt Wasser vorher verduͤnnt. Nach dem Auswinden werden die Gespinnste in reinem fließenden Wasser so lange geschweift, als sie noch Fettigkeit abfallen lassen. Im Winter ist es gut, sie zuerst in einem Kessel voll warmen Wassers zu schweifen und das weitere Auswaschen in fließendem Wasser vorzunehmen. Die ausgewaschenen Gespinnste muͤssen bei starkem Winden das Wasser klar von sich geben, worauf vorzuͤglich zu sehen ist, wenn anders der Faͤrbungs-Prozeß gut gelingen soll. Nachdem hierauf die Gespinnste lufttroken gemacht worden sind, werden sie in der Trokenstube leicht abgeroͤstet. Beize fuͤr Dunkelviolet. Um den so vorbereiteten Gespinnsten nun den Grund fuͤr dunkelviolett zu geben, loͤse man auf 100 Pfund in Arbeit genommener Baumwollen- oder Leinengespinnste 7 Pfund Eisenvitriol (schwefelsaures Eisen oder sogenanntes Kupferwasser) und 1 1/4 Pfund Kupfervitriol (schwefelsaures Kupfer) in 100 Pfund Wasser auf, und seze der Aufloͤsung noch 2 1/2 Pfund concentrirte Schwefelsaͤure zu. In dieser Beize werden nun die Gespinnste in einer Beizschale, jedesmal zu zwei Haspen, gut durchgearbeitet. Wenn man zu Beizen anfangt, schuͤttet man die Haͤlfte, der benoͤthigten Menge Fluͤssigkeit, Wasser in die Beizschale und gibt die andere Haͤlfte von der vorstehenden Beize hinzu. Sind die zwei Gebinde gut darinnen durchgenommen und durchgewalkt und darauf ausgewunden, so sezt man gerade soviel von der Beize zu, als die Fluͤssigkeit wegen des Durchnehmens der zwei Gebinde abgenommen hat und faͤhrt auf diese Weise fort, bis die ganze Partie der Gespinnste durchgenommen ist. Man muß genau darauf sehen, daß der Zusaz der Beize in einem gleichen Maße geschieht, sonst faͤllt die Farbe beim darauf folgenden Farben ungleich aus. Die so gebeizten Gespinnste werden auf Stangen unter fleißigem Kehren und Schuͤtteln blos an der Luft getroknet, und darauf sorgfaͤltig in fließendem Wasser ausgewaschen. Ehe wir zum Faͤrbungs-Prozesse uͤbergehen, wollen wir die Zusammensezung der Beizen fuͤr die verschiedenen Abstufungen von Violett und Lilas noch vorausgehen lassen. Beize fuͤr die Veilchenfarbe. In 100 Pfund Wasser loͤse man     3 Pfund schwefelsaures Eisen kalt auf, und seze derAufloͤsung     1 Pfund konzentrirte Schwefelsaͤure zu. Beize fuͤr Hellviolett. In 100 Pfund Wasser loͤse man   24 Loth schwefelsaures Eisen kalt auf, und seze derAufloͤsung     8 Loth concentrirte Schwefelsaͤure zu. Je mehr oder weniger Wasser zu diesen Beizen in Anwendung gebracht wird, um so Heller oder dunkler lassen sich alle Abstufungen der Veilchen- oder violetten Farben darstellen. Ansaz fuͤr die Lilasbeize. In 25 Pfund Wasser loͤse man warm 12 Pfund Alaun auf, und seze der Aufloͤsung 10 Pfund Bleizuker (kristallisirtes essigsaures Blei) zu.Die Mischung wird gut geruͤhrt und nach demvoͤlligen Erkalten derselben noch 50 Pfund essigsaures Eisen (Eisen- oder Rostbruͤhe, Tonne noire) hinzugesezt, worauf man die Mischungnochmals recht gut durcheinander ruͤhrt und dannzum Absezen stehen laͤßt. Beize fuͤr Lilas. Zu 100 Pfund Wasser menge man     5 Pfund guten Essig und darauf     4 Pfund von dem vorstehenden klaren Ansaze fuͤrdiese Lilasbeize. Mehr oder weniger von obigem Ansaze dem Wasser beigemengt, so wie ein Zusaz von einer Alaun-Aufloͤsung, oder besser von essigsaurer ThonerdeDie essigsaure Thonerde bereitet man sich zu diesem Behufe, wenn man wie bei dem Ansaze fuͤr die Lilasbeize in25Pfund Wasser,12Pfund Alaun warm aufloͤst und derselben10Pfund Bleizuker zusezt,das Ganze gut und anhaltend ruͤhrt, wovon nach einigen Tagen die klare Fluͤßigkeit als essigsaure Thonerde verwendet werden kann., bewirken dunklere oder hellere Abstufungen von Lilas, je nach dem man solche hervorzubringen wuͤnscht. Kirschbraun. Zu 100 Pfund Wasser menge man     8 Pfund Ansaz fuͤr die Lilasbeize und     4 Pfund essigsaure Thonerde. Pfirsichbluͤth-Farbe. Zu 100 Pfund Wasser menge man     3 Pfund von dem Ansaze fuͤr die Lilasbeize und 1 1/2 Pfund essigsaure Thonerde. Auch die Nuancen der vorstehenden Farben lassen sich durch veraͤnderte Mischungsverhaͤltnisse der angegebenen Basen unendlich modificiren. Die Gespinnste, welche mit der Lilasbeize, so wie die, welche fuͤr kirschbraun und fuͤr die Pfirsichbluͤthfarbe getraͤnkt wurden, werden vor dem Auswaschen, unter fleißigem Schuͤtteln und Wenden, gut lufttroken gemacht, darauf haspen- oder gebindeweise in einem Kessel mit heißem Wasser, dem auf jedes Pfund des Gespinnstes 2 Loch gut mit Wasser angeruͤhrte Kreide zugesezt wurden, herumgeschweift, und darauf im fliessenden Wasser moͤglichst gut ausgewaschen. –––––––––– Die so vorbereiteten Gespinnste werden unter denselben Handgriffen gefaͤrbt, wie man das Garn tuͤrkischroth zu faͤrben pflegt. Vielfaͤltige Versuche im Großen ergaben, daß zu diesen Farben sowohl in Bezug auf Ton, Luͤster als Soliditaͤt der hollaͤndische, feine und mittelfeine Krapp vor allen andern Krappsorten den Vorzug verdient. Gespinnste mit avignoner Krapp gefaͤrbt, geben auf diese Farben keine befriedigenden Resultate; bessere Resultate geben zwar die Krappe aus dem Elsaß, aber in Hinsicht des Luͤsters und der Haltbarkeit der Farbe bleiben dieselben zu diesem Behufe weit hinter dem hollaͤndischen Krappe zuruͤk. In der Regel nimmt man auf ein Pfund zu faͤrbendes Gespinnst ein Pfund Krapp, und auf jedes Pfund Krapp 2 Loch geflossene Kreide, welche man mit etwas Wasser gut anruͤhrt und in dem Krappbade zertheilt; auch wird dem Farbbade etwas Rinds- oder Schafsblut zugesezt. Gallus darf bei diesen Farben weder beim Farben noch nach den alkalisch-oͤhligen Beizen in Anwendung kommen. Die gefaͤrbten Gespinnste werden nun nach dem darauf erfolgten Auswaschen und starkem Winden avivirt oder geschoͤnt. Zum ersten AvivirenHat man mit hartem Wasser zu arbeiten, dann ist es noͤthig, das Wasser in dem Avivirkessel nach der in der vorstehenden Abhandlung S. 121. Anmerk. 47 angegebenen Weise zu reinigen, und nachdem die abgeschiedene geronnene Masse mit einem, mit langem Stiel versehenen Schaumloͤffel abgeschoͤpft ist, wird die angegebene Quantitaͤt Pottasche und Seife, welche beide vorher in einem kleinen Kessel mit etwas Wasser aufgeloͤst werden, in den Avivirkessel gegossen. Dieses Reinigen des harten Wassers ist bei jeder Operation des Aviviren und Rosiren unerlaͤßlich noͤthig, wenn anders diese Arbeit, von der die Schoͤnheit der Farbe abhaͤngt, gut gelingen soll. nimmt man auf hundert Pfund Gespinnste 8 Pfund Oehl-Seife und 5 Pfund feine Pottasche. Zum zweiten Aviviren ebenfalls 8 Pfund Oehl-Seife und 4 Pfund Pottasche. Das Kochen geschieht in einem sogenannten AvivirkesselDie Beschreibung und Abbildung eines zwekmaͤßig construirten Avivirkessels findet man in Vitalis Grundriß der Faͤrbekunst, deutsche Ausgabe von Dingler und Kurrer, Stuttgart bei Cotta 1824., in dem die Kochung jedesmal acht bis zehen Stunden lang bei gemaͤßigtem Feuer unterhalten wird. Um diesen Farben nun den hoͤchsten Luͤster zu geben, werden die Gespinnste zum dritten Mahl in dem Avivirkessel gekocht, wo auf die 100 Pfund Gespinnste 6 Pfund Seife und 6 bis 8 Loth Zinnsalz in Anwendung kommen. Das Zinnsalz wird in etwas Wasser aufgeloͤst und wenn die Seifenaufloͤsung im Sude ist, nach und nach in den Avivirkessel gegossen. Die Gespinnste werden in dieser Schoͤnungsfluͤßigkeit 4 bis 5 Stunden lang gekocht. Die so vollendeten Gespinnste entsprechen nun allen Forderungen sowohl in Hinsicht der Schoͤnheit, als auch in der hoͤchsten Soliditaͤt der Farbe. Werden die so gefaͤrbten und belebten Gespinnste nach dem Auswaschen und Lufttroknen in einer klaren Chlorinkalk-Aufloͤsung herumgeschwadet, dann bekommen sie noch ein ganz besonders angenehmes Luͤster. Diese leztere Behandlung ist aber nicht durchaus noͤthig.