Titel: Ueber Bereitung des eisenblausauren Kalis (Blutlaugensalz), und des Berliner-Blau; von Hrn. Gautier, Apotheker zu Sorins (Seine und Marne.)
Fundstelle: Band 23, Jahrgang 1827, Nr. CXVII., S. 542
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CXVII. Ueber Bereitung des eisenblausauren Kalis (Blutlaugensalz), und des Berliner-Blau; von Hrn. Gautier, Apotheker zu Sorins (Seine und Marne.) Aus dem Journal de Pharmacie. Jaͤnner. 1827. S. 11. Gautier, uͤber Bereitung des eisenblausauren Kalis, Berlinerblau und Blausaͤure. Die Kunst der Bereitung des blau sauren Kalis (Blutlaugensalz), zum Bedarfe der Kuͤnste darf sich nicht auf Anwendung derjenigen Operationen beschraͤnken, welchen man die thierischen Substanzen mit dem Kalium-Oxide unterziehen muß. Der Fabrikant, der den hoͤchsten Grad von Vollkommenheit erreichen will, dessen seine Kunst faͤhig ist, muß seine Blike weiter richten, und seine Beobachtung bis auf das Spiel der Elementar-Koͤrper ausdehnen. Nachdem ich uͤber die Mischung der alkalischen Cyanuͤre (blausauren Alkalien), der Phaͤnomene bei ihrer Bildung, und derjenigen, die das Resultat der Wirkung der Alkalien auf die thierischen Stoffe sind, nachgedacht habe, wunderte ich mich nicht mehr uͤber die geringe Menge Blaustoff-Kalium (blausaures Kali), die man erhaͤlt, wenn man Kali mit einer thierischen Substanz erhizt. Ich wollte zuerst wissen, ob die Gegenwart eines Alkali zur Bildung des Blaustoffs nothwendig ist, wenn man es mit einem thierischen Stoffe hizt, oder ob dieses Alkali bloß zur Fixirung dieses Koͤrpers dient. In dieser Absicht gab ich vier Unzen (thierischen) Faserstoff, die ich vorher so sorgfaͤltig, als moͤglich, durch wiederholtes Waschen, um alles kohlensaure Natron, das sie enthalten, und wodurch sie Irrungen in den Resultaten erzeugen konnte, zu entfernen, reinigte, und troknete, in eine Retorte von Steingut. Nachdem ich an dem Halse der Retorte einen Vorstoß anbrachte, den ich in eine tubulirte Vorlage leitete, aus welcher eine Roͤhre aufstieg, die in eine graduirte, mit Queksilber gefuͤllte Gloke lief, hizte ich dieselbe nach und nach bis zur Rothgluͤh-Hize 25 Minuten lang. Ich schritt hierauf zur Untersuchung der erhaltenen Produkte. Die Gloke enthielt gekohlstofftes Wasserstoffgas, kohlensaures Gas, Kohlenoxid-Gas; der Ballon Ammonium-Wasser und etwas kohlensaures oͤhliges Ammonium. Es war mir unmoͤglich, darin blausaures Ammonium zu entdeken, was mich vermuthen ließ, daß sich kein Blaustoff, oder nur sehr wenig davon gebildet hatte. Ich zerschlug die Retorte, um die Kohle zu untersuchen. Das wenige Ammonium, das ich erhielt, ließ mich glauben, daß die in der Retorte zuruͤkgebliebene Kohle viel Stikstoff enthalten muͤßte. Ich puͤlverte sie, und mengte sie mit der Haͤlfte ihres Gewichtes in Alkohol aufgeloͤsten Kali, gab alles in eine glaͤserne Retorte, an welcher ich denselben Apparat, wie bei der ersten Operation, anbrachte, seze diese Mischung 20 Minuten lang einer Rothgluͤh-Hize aus. Nachdem die Gefaͤße erkaltet waren, ging ich, wie vorher, zur Untersuchung der Produkte uͤber. Die Gloke enthielt Kohlen-Oxidgas, und kohlensaures Gas; der Ballon kohlensaures, nicht oͤhliges, Ammonium in bedeutenderer Menge, als bei dem ersten Versuche, der nur eine einfache Verkohlung des Faserstoffes war. Ich kam hierauf auf das Gemenge von Kohle und Alkali, das in der Retorte zuruͤkblieb. Sie sah anders aus, als das vorige Mahl. Sie hatte an ihrer Oberflaͤche Metall-Glanz. Der Theil, der am meisten erhizt wurde, sah gelblich aus. Ich digerirte diese Masse eine halbe Stunde lang mit sechs Unzen destillirten Wassers, filtrirte sie hierauf, und probirte sie mit aufgeloͤstem schwefelsauren Eisenoxidul. Sie gab einen gelblich weißen Niederschlag, der, durch langes Schuͤtteln an der Luft, etwas Berliner-Blau lieferte. Ich schloß aus dieser Operation, daß zur Bildung des Blaustoffes die Gegenwart des Kali unerlaͤßlich war, indem ich bei der ersten Operation nichts davon entdeken konnte. Die Menge Ammoniums, die ich durch Behandlung der Kohle der ersten Operation mit Kali erhielt, und die geringe Menge Blaustoff-Kalium (blausaures Kali), die sich bildete, ließ mich bemerken, daß das Kali den groͤßten Theil des Wasserstoffes und Stikstoffes des Menschen Stoffes in den Verhaͤltnissen des Ammoniums in Thaͤtigkeit sezte, und daß es wirklich dem Einflusse derselben zuzuschreiben war, daß das Ammonium in groͤßerer Menge sich bildete. Nichts schien mir deutlicher, als dieses; allein diese Erscheinungen waren im Widerspruche mit meinen theoretischen Ideen. Das Ammonium, welches aus Stikstoff bestand, der sich in groͤßerer Menge zeigte, schien mir der Bildung einer so großen Menge Blaustoff-Kalium, als dann entstanden waͤre, wenn es moͤglich gewesen waͤre, den Stikstoff bei dem Alkali zuruͤkzuhalten, waͤhrend dieses durch Huͤlfe der Hize auf die thierischen Stoffe wirkte, entgegen zu seyn. Dieß wurde nun der Gegenstand neuerer Untersuchungen. Es handelt sich darum, sich der Bildung einer so großen Menge Ammoniums zu widersezen, eine an Stikstoff reichere Kohle zu erhalten, und dadurch mehr Produkte zu bekommen, als man gewoͤhnlich erhaͤlt. Den Stikstoff und Wasserstoff zuruͤkzuhalten, ohne daß sie auf einander wirken, schien mir unmoͤglich: die Abscheidung des Wasserstoffes aber schien mir sehr leicht. Sauerstoff war der einzige Koͤrper, zu welchem ich meine Zuflucht nehmen durfte, um den Wasserstoff in Wasser zu verwandeln. Salpetersaͤure schien mir in dieser Hinsicht bei der Leichtigkeit, mit welcher sie ihren Sauerstoff fahren laͤßt, wenn sie mit einem brennbaren Koͤrper in Beruͤhrung kommt, und dabei durch Waͤrme unterstuͤzt wird, am meisten zu meinem Zweke geeignet. Salpetersaures Kali (Salpeter), vereinigte hierzu alle Eigenschaften; es both mir als Basis dasselbe Salz dar, welches ich haben wollte. Ich freute mich dieser Ideen, und trat zur Ausfuͤhrung derselben. Vier Unzen getrokneten Faserstoffes wurden mit zwei Unzen salpetersaurem Kali gehoͤrig gemengt, und 20 bis 25 Minuten lang in einer Rothbraun-Gluͤhhize gehizt. Die Verbrennung des Gemenges ging ziemlich schnell von Statten; es bildete sich viel Wasser, Kohlensaͤure, und sehr wenig Ammonium. Die in der Retorte enthaltene Kohle entzuͤndete sich, als sie der Luft ausgesezt wurde, obschon der Apparat beinahe ganz ausgekuͤhlt war. Ich schuͤttete schnell Wasser darauf, und es entwikelte sich eine bedeutende Menge Ammonium. Nach einer halbstuͤndigen Beruͤhrung filtrirte ich, und goß aufgeloͤstes schwefelsaures Eisen in die Fluͤßigkeit. Ich erhielt einen sehr haͤufigen, schmuzig gelben Niederschlag, der sich in schwacher Schwefelsaͤure nicht aufloͤste, und, nachdem er der Luft lange Zeit bloßgestellt war, Berlinerblau gab. Dieses Berlinerblau war nicht eisenhaltig (ferruré). Bei einer anderen Bereitung sezte ich sehr fein zertheiltes Eisen, Eisenfeile, zu, und erhielt eine Aufloͤsung von eisenblausaurem Kali (Blutlaugensalz), und zwar in solchem Uebermaße, daß die Fluͤßigkeit Syrup-Dike erhielt, nachdem man ihr sauer gemachtes schwefelsaures Eisen-Peroxid zusezte. Das metallische Eisen ist durchaus nothwendig; das schwarze Oxid ist auch sehr gut zu brauchen. Je mehr das eine oder das andere zertheilt ist, desto vortheilhafter ist die Wirkung. Auch wenn man sich einer Aufloͤsung eines Eisen-Salzes, welches durch Hize zersezbar ist, (wie z.B. eines essigsauren Eisens), bedient, und man dieses mit thierischem Stoffe und mit Salpeter abdampft und ausgluͤht, erhaͤlt man noch mehr Blaustoff-Kalium (blausaures Kali). Die Schwierigkeit, sich sehr fein zertheiltes Eisen zu verschaffen, und vielleicht auch die Kosten des Zusazes einer essigsauren Verbindung, noͤthigte mich zum Hammerschlage meine Zuflucht zu nehmen, den man sich leicht verschaffen, und leicht puͤlvern kann. Diese Abaͤnderung in der Bereitung des blausauren Kali schien mir vortheilhaft, und ich befolgte dieses Verfahren im Großen durch zwei Jahre in den Umgebungen von Paris: es schien mir immer besser, als jenes, welches man in Deutschland befolgt. Die Verhaͤltnisse, bei welchen ich stehen blieb, waren: Blut, getroknet angenommen 3 Theile Salpetersaures Kali (Salpeter) 1 Theil. Hammerschlag 1/50 des angewendeten Blutes. Nachdem man das Blut in einem großen, kupfernen Kessel gerinnen ließ, schied man das Blutwasser mittelst der Presse, und gab den geronnenen Theil mit Salpeter und Eisen in den Kessel zuruͤk. Die Feuchtigkeit, welche das Blut noch enthaͤlt, reicht hin, um das Salz zerfließen zu lassen, so daß die Mischung gleichfoͤrmig wird. Man nimmt diese heraus, bringt sie auf einen sehr luͤftigen Boden, und laͤßt sie daselbst vollkommen troken werden. Das salpetersaure Kali sezt der Faͤulniß des Blutes Graͤnzen. Nachdem die Mischung vollkommen troken geworden ist, traͤgt man sie in Cylinder aus Gußeisen ein, die in einem Reverberir-Ofen eingesezt, und ganz so vorgerichtet sind, wie man sie zur Bereitung der thierischen Kohle (noir animal) nothwendig hat. Man erhizt sie mit Steinkohlen so, daß sie etwas uͤber die Rothbraun-Hize ergluͤhen, bis kein Rauch sich mehr entwikelt. Man laͤßt die Cylinder beinahe vollkommen erkalten, nimmt die darin enthaltene Mischung heraus, und gibt sie in eine hoͤlzerne Kufe mit 12 bis 15 Theilen Wasser, woselbst man sie eine Stunde lang laͤßt. Man filtrirt durch ein Tuch, und laͤßt die Lauge bis auf 32° am Baumé'schen Araͤometer abdampfen. Man laͤßt die Lauge erkalten, und erhaͤlt eine ziemlich große Menge gut krystallisirtes neutrales kohlensaures Kali. Ich konnte mir bisher es nicht erklaͤren, wie dieses neutrale kohlensaure Kali bei einer so hohen Temperatur sich bilden konnte, indem ein Theil sich waͤhrend der Verdampfung der Lauge zu zersezen scheint, die anfangs nur wenig alkalisch ist, es aber durch fortgeseztes Abdampfen sehr merklich wird. Man erhaͤlt nicht dasselbe Product, wenn man die im Handel vorkommende Pottasche anwendet. Es ist wahrscheinlich, daß die Elemente der Salpetersaͤure eine ganz besondere Rolle bei dieser Operation spielen. Die Aufloͤsung, die diese Krystalle lieferte, enthaͤlt etwas basisch kohlensaures Kali, und viel eisenblausaures Kali (Blutlaugensalz). Man concentrirt die Fluͤßigkeit auf 34°, und gibt sie in hoͤlzerne, mit Blei ausgefuͤtterte Gefaͤße. Nach einigen Tagen erhaͤlt man eine gruͤnliche krystallinische Masse. Diese Krystalle werden in einer neuen Menge sehr reinen Wassers aufgeloͤset, welches, bis auf 32 oder 33° abgedampft, neuerdings schoͤne Krystalle liefert. Ich habe zuweilen Salpeter der Pottasche beigemengt, und habe mich uͤberzeugt, daß die Operation weit besser gelang, als wenn man Pottasche allein anwendete. Blausaͤure. Da die Bereitung dieser Saͤure im concentrirten Zustande mit Blaustoff-Queksilber ziemlich kostspielig ist, glaubte ich, daß, wenn ich Blaustoff-Kalium (blausaures Kali) dafuͤr naͤhme, das sich sehr leicht durch die schwaͤchsten Saͤuren zersezen laͤßt, ich dadurch diese Saͤure weit leichter, und in Menge erhalten koͤnnte. Ich calcinirte in dieser Absicht blausaures Kali (wozu ich die im Handel vorkommende Kali waͤhlte), um das blausaure Eisen zu zerstoͤren, das einen Theil desselben bildet, und die Blausaͤure bindet. Dadurch entstand, wie man weiß, gekohlstofftes Eisen, welches mit dem blausauren Kali gemengt bleibt. Man koͤnnte diese Kohlenstoff-Verbindung durch Aufloͤsung und Filtrirung leicht scheiden; ich habe mich aber bald uͤberzeugt, daß es nicht viel schadet, wenn man sie dabei belaͤßt: denn, wenn man blausaures Kali durch eine schwache Saͤure zersezt, ist die Menge des gebildeten Berliner-Blau nicht sehr merklich. Ich bewirke die Zersezung des eisenblausauren Kali in einer Retorte von Steingut bei einer erhoͤhten Temperatur; ich sondere dann den schwarzen Stoff ab, puͤlvere ihn groͤblich, und bringe ihn mit etwas Wasser, nur damit verduͤnnt., in eine tubulirte Retorte. An der Tubulirung bringe ich eine in Gestalt eines liegenden lateinischen S, , gekruͤmmte Roͤhre, und an dem Halse eine andere noch groͤßere Roͤhre an, die Bruchstuͤke von Marmor enthaͤlt. Hinter (geschmolzenem) salzsaurem Kalke an dem anderen Ende befindet sich eine andere Roͤhre, die mittelst eines Pfropfens befestigt ist, und senkrecht von dem Boden einer Flasche herabsteigt, die mit Eis und Salz umgeben ist. Der Theil der Roͤhre, der den salzsauren Kalk enthaͤlt, muß auch mit Eis umgeben seyn. Man bringt zwei oder drei Kohlen unter die Retorte, und gießt mittelst der in der Tubulirung der Retorte befindlichen Roͤhre etwas verduͤnnte Salzsaͤure tropfenweise ein. In demselben Augenblike wird ein Aufwallen entstehen, welches zum Theile von der sich entwikelnden Blausaͤure herruͤhrt. Wenn die Menge Blausaͤure in der Roͤhre ziemlich bedeutend geworden ist, nimmt man das Eis weg, und erhizt sie mit Dampf von siedendem Wasser, damit sie in die Flasche uͤbergeht. Wenn man zuviel auf ein Mahl zusezte, wuͤrde sich zuviel entwikeln, und, da sie nicht verdichtet werden kann, in die Luft entweichen. Auf diese Weise erhielt ich eine Menge Saͤure. Wirkung des Guß-Eisens auf das Eisen bei einer Kirschroth-Gluͤhhize. Wenn man Eisen mitten unter Drehespaͤnen von Gußeisen hizt, so caͤmentirt es sich sehr schnell. Es erhaͤlt durch dieses Haͤrten eine solche Haͤrte, daß die Feile es kaum angreift. Man kann auf diese Weise leicht Blech, Eisendraht u. d. gl. staͤhlen; ich habe selbst Stuͤke von bedentendem Umfange auf diese Weise gestaͤhlt. Da die Temperatur hierbei nicht so hoch seyn darf, wie bei der Caͤmentation des Eisens, so leiden die Stuͤke nicht in ihrer Form. Das Gußeisen, dessen ich mich bediente, war aus dem Gußwerke de la Garre, bei Pons. Je mehr das Gußeisen zerkleint ist, desto schneller und vollstaͤndiger gelingt die Arbeit. Wenn man die Kapsel mit Sand bedekt, so wehrt man dem Roste des Gußeisens, so daß es oͤfters dienen kann. Was geschieht hierbei? Ist es der Kohlenstoff des Gußeisens, der das Eisen durchdringt, oder das Gußeisen selbst, das sich damit verbindet? Reißblei gibt, unter denselben Umstaͤnden, nicht dieselben Erscheinungen.