Titel: Ueber die bittere Substanz, welche durch Behandlung des Indigs, der Seide und der Aloë mit Salpetersäure erzeugt wird, von Just. Liebig.
Fundstelle: Band 25, Jahrgang 1827, Nr. XLII., S. 124
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XLII. Ueber die bittere Substanz, welche durch Behandlung des Indigs, der Seide und der Aloë mit Salpetersaͤure erzeugt wird, von Just. Liebig.Aus Schweigger's Jahrb. der Chem. u. Physik, 1827. Heft 3. S. 373. Wir werden demnaͤchst einiges uͤber die praktische Anwendung dieser Substanz in der Faͤrbekunst in diesem polytechnischen Journale mittheilen. A. d. R. Liebig, uͤber Welter'sche, Indig- und Aloëbitter. Mit den Namen Indigbitter und Welter'sches Bitter hat man bisher zwei Substanzen bezeichnet, die in ihrem Verhalten sich den Saͤuren anschließen; sie bilden Salze, welche die Eigenschaft besizen, durch die Waͤrme zu verpuffen. Diese leztere Eigenschaft ist die Veranlassung zu dieser nachstehenden Arbeit gewesen, die ich mit Hrn. Gay-Lussac gemeinschaftlich unternommen hatte, die jedoch wegen meiner Abreise von Paris nicht ausgefuͤhrt werden konnte. Schon zwei Jahre lang habe ich mich mit der Darstellung und Untersuchung dieser Substanzen beschaͤftigt, allein alle Resultate, welche ich fruͤher erhalten, waren der Bekanntmachung nicht werth. Hausmann (Journ. de Phys. Maͤrz 1788) entdekte das Indigbitter zuerst, und nach ihm haben es Chevreul, Fourcroy und Vauquelin (Mém. de l'instit. nation. T. VI. und Gehlen's N. Journ. Bd. II. S. 231., und Chevreul Ann. de Chim. T. LXXII. S. 113., und Gilbert's Ann. Bd. XLIV. S. 150.) zum Gegenstande einer besonderen Untersuchung gemacht. Chevreul hielt das Indigbitter fuͤr eine Verbindung von Salpetersaͤure mit einer eigenthuͤmlichen organischen Substanz; er erhielt es in Gestalt gelblich weißer Kruͤmchen und Nadeln, die mit Kali ein gelbes Salz in kleinen pommeranzengelben Nadeln bildeten, und mit Silberoxyd ebenfalls eine Verbindung eingingen, die in der Hize detonirte, und sich auch so darstellen ließ, daß das Indigbitter mit salpetersaurem Silber abgedampft wurde. Ich habe mich anfaͤnglich der von Chevreul angegebenen Methode bedient, um das Indigbitter darzustellen, und die Resultate, welche ich nach derselben erhielt, weichen von den seinigen nicht ab. Es wurde Guatimala-Indig mit Salpetersaͤure behandelt, das Harz, welches sich gebildet hatte, von der Fluͤßigkeit getrennt und diese abgedampft. Waͤhrend dem Abdampfen wurde bestaͤndig Salpetersaͤure zugesezt, so lange sich noch salpeterige Saͤure entwikelte, um die gebildete Indigsaͤure in Indigbitter zu verwandeln. Nach dem Abkuͤhlen der Fluͤßigkeit bildeten sich eine große Menge gelber, blaͤtteriger Krystalle. So wie diese Krystalle mit Wasser ausgewaschen wurden, faͤrbte sich das Wasser gelb und wurde milchig; und als sich das Wasser nicht mehr truͤbte, blieb ein weißes Salz zuruͤk, welches, in heißem Wasser aufgeloͤst, nach dem Erkalten Krystalle von Sauerkleesaͤure gab. Die dunkelrothgelbe Mutterlauge, die von der ersten Krystallisation zuruͤkblieb, so wie das Waschwasser, wurden mit Wasser verduͤnnt, zum Sieden gebracht, und mit kohlensaurem Kali neutralisirt. Nach dem Erkalten der Fluͤßigkeit bildeten sich eine große Menge gelber, nadelfoͤrmiger Krystalle, die, durch Umkrystallisiren, Faͤllung mit Salpetersaͤure u.s.w. gereinigt, alle Eigenschaften mit der Verbindung des Bitters und Kali gemein hatten, welche Chevreul beschrieben hat. Eine Aufloͤsung dieses Salzes, mit salpetersaurem Silberoxyde vermischt und abgedampft, gab nach dem Erkalten gelbrothe Nadeln, die in Wasser schwer aufloͤslich waren, und in der Hize verpufften. 100 Theile dieses Salzes gaben durch die Analyse 16,36 p. C. Silberoxyd; eine andere Quantitaͤt dieses Salzes, welches aus einer neuen Portion Bitter dargestellt worden war, enthielt in 100 Theilen 13,22 Silberoxyd. Auch bei der groͤßten Sorgfalt erhielt ich nie uͤbereinstimmende Resultate, so wie zur Darstellung desselben ein anderes Bitter, wenn auch genau nach der naͤmlichen Methode bereitet, und aufs sorgfaͤltigste gereinigt, angewendet worden war. Dieses Silbersalz mit Kupferoxyd gegluͤht, entwikelt Kohlensaͤure und Stikgas, und das Volumen der ersteren verhaͤlt sich zu dem der lezteren wie 8 : 1. Eine frisch bereitete Portion dieses Salzes, auf dieselbe Art behandelt, gab 6,5 Kohlensaͤure auf 1 Stikgas, eine andere 17 Kohlensaͤure auf 3 Stikgas. Diese Resultate gaben deutlich zu erkennen, daß das Indigbitter, auf diesem Wege dargestellt, nie eine Substanz liefert, welche in ihrer Zusammensezung sich ganz gleich bleibt; und dieß ruͤhrt hauptsaͤchlich daher, weil die eigenthuͤmliche Substanz, welche sich bildet, auf keine Art von dem Harze, oder dem kuͤnstlichen Gaͤrbestoffe, die nach dieser Methode sich mit erzeugen, vollkommen getrennt werden kann. Nach der folgenden Methode erhaͤlt man diese eigenthuͤmliche Substanz vollkommen rein. Man erhizt ostindischen Indigo von der feinsten Sorte, groͤblich zerschlagen, mit seinem 8–10 fachen Gewichte maͤßig starker Salpetersaͤure (sogenanntes Doppelt-Scheidewasser), so gelinde als moͤglich; er loͤst sich unter Erhizung und Entbindung einer großen Menge salpeteriger Saͤure, und unter heftigem Schaͤumen auf. So wie der Schaum sich gesezt hat, bringt man die Fluͤßigkeit zum Kochen, sezt aufs neue Salpetersaͤure hinzu, und faͤhrt so lange mit Kochen und mit Zugießen von Salpetersaͤure fort, bis man keine salpeterigsauren Daͤmpfe mehr bemerkt. Um gewiß zu seyn, daß sich keine mehr entbinden, dekt man von Zeit zu Zeit eine leere Porzellanschale uͤber das Gefaͤß; die Daͤmpfe sammeln sich darin an, und die salpeterige Saͤure kann um so leichter erkannt werden. Von dieser Vorsichtsmaßregel haͤngt das Gelingen der Operation ab; es bildet sich, wenn man genau der Vorschrift folgt, weder Indigharz, noch kuͤnstlicher Gaͤrbestoff. Nach dem Erkalten der Fluͤßigkeit bilden sich gelbe, halbdurchsichtige, harte Krystalle, von welchen man die Mutterlauge abgießt, und die man mit Wasser mehrmals auswaͤscht. Diese Krystalle bringt man nachher mit Wasser ins Kochen, und gießt so lange neue Quantitaͤten Wasser hinzu, bis sie vollkommen aufgeloͤst sind; sammeln sich auf der Oberflaͤche der Aufloͤsung einige oͤhlige Tropfen des sogenannten kuͤnstlichen Gaͤrbestoffs, so nimmt man diese mit Fließpapier sorgfaͤltig ab. Aus der filtrirten und erkalteten Fluͤßigkeit scheiden sich eine große Menge gelber, glaͤnzender, blaͤtteriger Krystalle ab, die auch durch Auswaschen ihren Glanz nicht verlieren. Um diese Substanz vollkommen rein zu erhalten, loͤst man die Krystalle aufs Neue in kochendem Wasser auf, und neutralisirt sie mit kohlensaurem Kali; es krystallisirt nach dem Erkalten ein Kalisalz heraus, welches ausgewaschen, und durch oͤfteres Krystallisiren gereinigt wird. Die erste Mutterlauge vermischt man nun mit kaltem Wasser, wodurch eine bedeutende Menge eines braunen Niederschlags abgeschieden wird, den man mit kaltem Wasser auswaͤscht, dann mit Wasser ins Kochen bringt, und mit kohlensaurem Kali neutralisirt. Auf diese Weise erhaͤlt man daraus noch eine bedeutende Menge von dem erwaͤhnten Kalisalz, welches, wie angefuͤhrt, gereinigt wird. Alles Kalisalz, welches in diesen verschiedenen Operationen gewonnen worden ist, loͤst man aufs Neue in siedendem Wasser auf, und zersezt die Fluͤßigkeit mit Salpeter-, Salz- oder Schwefelsaͤure; nach dem Erkalten krystallisirt aus derselben die eigenthuͤmliche Substanz in hellgelben, aͤußerst glaͤnzenden Blaͤttern, die meistens die Form gleichseitiger Dreieke besizen. Man erhaͤlt oft, nach der Behandlung des Indigs mit Salpetersaͤure, aus der Fluͤßigkeit keine Krystalle; in diesem Falle vermischt man sie nach dem Abdampfen mit Wasser, und scheidet aus dem Niederschlage, welcher sich gebildet hat, auf dem angegebenen Wege die eigenthuͤmliche Substanz ab. Aus der uͤber diesem Niederschlage stehenden Fluͤßigkeit laͤßt sich noch mehr davon gewinnen, wenn man sie bis zu einem gewissen Grade abdampft, mit Salpetersaͤure aufs Neue kocht, und mit Kali neutralisirt. Aus 4 Theilen von dem besten ostindischen Indig erhaͤlt man 1 Theil dieser Substanz. In Wasser aufgeloͤst, roͤthet diese Substanz die Lakmustinctur; sie besizt einen sehr bitteren Geschmak. Sie verhaͤlt sich gegen Metalloxyde wie eine starke Saͤure, loͤst sie mit Leichtigkeit auf, und neutralisirt sie vollkommen; sie bildet Salze mit denselben, die sich saͤmmtlich krystallisirt darstellen lassen. Auf einem silbernen Loͤffel erhizt, schmilzt sie und verdampft, ohne sich zu zersezen; wird sie schnell und stark erhizt, so entzuͤndet sie sich. Eben so lassen sich ihre Daͤmpfe entzuͤnden; sie brennt mit einer gelben, stark rußenden Flamme. In kaltem Wasser loͤst sie sich schwierig, in heißem viel leichter auf; die Aufloͤsung ist gefaͤrbter, als sie selbst ist. In Weingeist und Aether ist sie leicht aufloͤslich. In trokenem Chlorgase oder mit Jodin geschmolzen, wird sie nicht zersezt; eben so wenig von waͤsserigem Chlore. Concentrirte Schwefelsaͤure wirkt in der Kaͤlte nicht darauf; beim Erhizen loͤst sie sich darin auf, und wird beim Verduͤnnen dieser Aufloͤsung unveraͤndert abgeschieden. Kochende Salzsaͤure veraͤndert sie nicht, und kaum wird sie durch kochendes Koͤnigswasser angegriffen. Aus diesem Verhaltem geht hervor, daß sie keine Salpetersaͤure oder eine andere Oxydationsstufe des Stikstoffs enthaͤlt; ich werde spaͤter noch andere Versuche anfuͤhren, welche die Abwesenheit dieser Saͤure beweisen. Auch enthaͤlt sie keine Sauerklee- oder andere organische Saͤure; denn wenn man diese Saͤure, oder ihre Verbindung mit Kali, mit Goldaufloͤsung kocht, so schlaͤgt sich kein metallisches Gold nieder. Mit Kupferoxyd vermischt, und in einer Glasroͤhre gegluͤht, entwikelt diese Saͤure ein Gasgemenge, welches, nach 5 Versuchen, 100 Theile Kohlensaͤure auf 20 Theile Stikstoff enthielt. Eine andere Portion dieser Saͤure, welche aus dem Kalisalze mit Salzsaͤure, und eine andere, welche aus demselben mit Schwefelsaͤure geschieden worden war, gab Kohlensaͤure und Stikgas, die sich ebenfalls zu einander wie 5 : 1 verhielten. Das Kupferoxyd, welches nach diesen beiden lezteren Versuchen zuruͤkblieb, enthielt weder Salzsaͤure noch Schwefelsaͤure. Zur quantitativen Analyse wurden 0,0626 Grammen (oder 0,004 Loth Darmstadter Gewicht) mit Kupferoxyd auf die bekannte Art zerlegt, und es wurde daraus 49,2 Cub. Centim. Gas, bei 16,1° C. Temp. und 27'', 1''', 9 Barometerstand erhalten. Diese auf 0° C. und 28'' Barometerstand reducirt, gaben 45 Cub. Centim. Berechnet man daraus die Zusammensezung, so erhaͤlt man: Kohlenstoff 0,020245 in 100 Theilen   32,3920 Stikstoff 0,009509      –        –   15,2144 Sauerstoff 0,032746      –        –   52,3936 –––––––––– –––––––––– 0,062500 gr. 100 0000 gr. Bei diesem Versuche wurde 0,0053 Gr. Wasser erhalten. Der Verlust der Roͤhre betrug 0,075 Gramme. In einem anderen Versuche wurden aus 0,05469 Gr. (0,035 Loth Darmstadter Gew.) 41,1 Cub. Centim. Gas bei 15,1° C. und 27'', 5''', 6 Barometerstand, bei 6° C. und 28'' B. also 38,24 Cub. Centim. Gas erhalten. Die Zusammensezung der Saͤure ist nach diesem Versuche: in 100 Theilen Kohlenstoff 0,017204   31,457Diesen Berechnungen sind die neueren Bestimmungen der Gewichte der Kohlensaͤure und des Stikstoffs von Berzelius und Dulong zum Grunde gelegt; die Angaben von Biot und Arago sind offenbar unrichtig. Berechnet man nach den lezteren die Volumina dieser zwei Gase, ihren stoͤchiometrischen Gewichten nach: so stehen die gefundenen Zahlen nie im Verhaͤltnisse, was nothwendig der Fall seyn muͤßte. Ich muß bei dieser Gelegenheit einen hoͤchst nachtheiligen Irrthum, oder einen Drukfehler beruͤhren, welcher sich in Pfaff's sonst classischem Handbuche der analytischen Chemie (2te Aufl.) eingeschlichen hat. Das Gewicht von 1000 Cub. Centim. Stikstoffgas ist nach Biot und Arago berechnet; allein statt 1,2598 Gr. sind 1,1259 Gr. angegeben. (2. Theil S. 623.) Stikstoff 0,008076   14,766 Sauerstoff 0,029410   53,777 –––––––– –––––––– 0,054690. 100,000. In Verhaͤltnißzahlen (den Wasserstoff = 1) ausgedruͤkt, enthaͤlt diese Saͤure in 100 Theilen 12 1/2 At. Kohlenstoff = 6 × 12 1/2 =   75 31,5128   2 1/2 Stikstoff = 2 1/2 × 14 =   35 14,7060 16 Sauerstoff = 8 × 16 = 128 53,7812 –––– –––––––– Verhaͤltnißzahl der Saͤure 238. 100,0000. Obgleich die in dieser Formel ausgedruͤkten Verhaͤltnisse wohl mit der Stoͤchiometrie an und fuͤr sich, aber mit der atomistischen Ansicht derselben nicht uͤbereinstimmen, so habe ich mich doch nicht eher entschlossen, sie anzunehmen, als bis ich mich durch wiederholte Versuche, die mit aller Sorgfalt angestellt waren, uͤberzeugt hatte, daß diese Bestandtheile in keinem anderen Verhaͤltnisse zugegen sind. 100 Theile dieser Saͤure neutralisiren eine Menge Baryt, dessen Sauerstoff 3,26 betraͤgt, und dieser verhaͤlt sich zu dem Sauerstoffe der Saͤure wie 1 : 16. Da sich der Stikstoff zum Kohlenstoffe wie 1 : 5, und in den Salzen, welche diese Saͤure bildet, der Sauerstoff der Base zu dem der Saͤure, wie 1 : 16 verhaͤlt: so laͤßt sich daraus schon mit Sicherheit auf die wahrscheinliche Zusammensezung schließen. Die Verhaͤltnißzahl der Saͤure ist nach der Analyse des Barytsalzes 243; durch Zusaz von etwas mehr als 1/4 p. C. zu dem, durch die Analyse gefundenen Baryte, wuͤrde ich die Zahl 238, das heißt die naͤmliche erhalten haben, welche die Formel gibt. Bei der anderen Analyse wurden 0,0068 Gr. Wasser erhalten, und in allen uͤbrigen nie eine Quantitaͤt, welche diese uͤbersteigt. Ich habe keinen Wasserstoff in Rechnung gebracht, weil das erhaltene Wasser nicht durch die Zersezung dieser Saͤure erzeugt wurde, sondern (da mir leider keine Luftpumpe zu Gebothe stand), offenbar von dem Kupferoxyde herruͤhrte; denn eine gleiche Quantitaͤt Kupferoxyd, auf dieselbe Weise, wie bei der Analyse eines damit gemengten organischen Koͤrpers, und mit moͤglichster Sorgfalt behandelt, gab mir immer Wasser, dessen Quantitaͤt oft etwas mehr, oft etwas weniger betrug. Auch laͤßt sich aus theoretischen Gruͤnden, wenn man die Art der Entstehung dieser Saͤure, ihr Verhalten zum Chlor und zur Goldaufloͤsung beruͤksichtigt, die Gegenwart des Wasserstoffs als Bestandtheil der Saͤure bezweifeln. Das auffallende Verhaͤltniß des Stikstoffes zum Kohlenstoff wie 2 1/2 : 12 1/2, oder wie 5 : 25 laͤßt sich durch directe Versuche außer Zweifel sezen. Die Saͤure fuͤr sich mit Kupferoxyd gegluͤht, entwikelt Stikstoff und Kohlensaͤure, die sich zu einander wie 1 : 5, oder wie 5 : 25 verhalten. Ich habe das Kali- und das Barytsalz mit Kupferoxyd auf dieselbe Weise behandelt, und das Gas, welches sich entwikelte, enthielt 23 Theile Kohlensaͤure auf 5 Th. Stikstoff; das Kali und der Baryt, welche in der Glasroͤhre zuruͤkblieben, hielten naͤmlich 2 Kohlensaͤure zuruͤk. Wenn diese Saͤure mit Chlorkalium gemischt und gegluͤht wird, so entwikelte sich ein Gasgemenge, welches 19 Vol. Kohlensaͤure auf 5 Vol. Stikstoff enthielt; da aber ohne Zweifel ein Theil des zuruͤkgebliebenen Kohlenstoffs, durch den Sauerstoff der Luft in der Glasroͤhre, in Kohlensaͤure verwandelt wird, und nicht mit Sicherheit ausgemittelt werden kann, ob aller Stikstoff frei wird, oder ob noch ein Theil davon mit dem Kohlen verbunden zuruͤkbleibt: so laͤßt sich daraus keine Folgerung ziehen. Das Gas, welches sich durch Zersezung dieser Saͤure mit Kupferoxyd entwikelte, enthielt weder Kohlenoxydgas, noch salpeterige Saͤure, oder eine andere Oxydationsstufe des Stikstoffs. Um der Abwesenheit der lezteren gewiß zu seyn, habe ich diese Saͤure mit chlorsaurem Kali gegluͤht, und das Gas, welches sich entband, und das keineswegs gefaͤrbt war, in eine Aufloͤsung von kohlensaurem Kali geleitet; es entwikelte sich aber keine Spur Kohlensaͤure, noch enthielt die Fluͤßigkeit Salpetersaͤure. Zur Pruͤfung der Fluͤßigkeit auf Salpetersaͤure habe ich ein Reagens angewandt, welches neu ist, und womit man 1/400 Salpetersaͤure entdeken kann. Die zu pruͤfende Fluͤßigkeit wird naͤmlich mit so viel Indigotinktur vermischt, daß sie dadurch deutlich blau gefaͤrbt wird. Man sezt alsdann nur einige Tropfen Schwefelsaͤure hinzu, und erhizt sie zum Sieden. Im Falle, daß die Fluͤßigkeit Salpetersaͤure, oder ein salpetersaures Salz enthaͤlt, wird sie entweder entfaͤrbt, oder bei geringeren Mengen geht die blaue Farbe in eine gelbe uͤber. Sezt man der Fluͤßigkeit vor dem Erhizen etwas Kochsalz zu, so laͤßt sich 1/500 Salpetersaͤure mit Leichtigkeit noch entdeken. Zur Darstellung des Welter'schen Bitters erhizt man 1 Th. Seide mit 10–12 Th. Salpetersaͤure (am besten in einer Retorte), und gießt die uͤbergegangene Saͤure mehrmals zuruͤk. Die ruͤkbleibende Fluͤßigkeit wird durch Zusaz von Wasser tief gelb gefaͤrbt; man neutralisirt sie noch heiß mit kohlensaurem Kali, und scheidet aus dem, durch mehrmahliges UmkrystallisirenUmstrystallisiren gereinigten, Kalisalz, welches nach dem Abkuͤhlen anschießt, vermittelst Salpetersaͤure, die eigenthuͤmliche Saͤure ab. Diese Saͤure krystallisirt auf dieselbe Art, wie die Saͤure aus dem Indig; sie bildet Salze von gleicher Form und denselben Eigenschaften wie die leztere, und ihre Zusammensezung weicht in keiner Beziehung von derselben ab. Man erhaͤlt aus der Seide uͤbrigens viel weniger von dieser Saͤure, als aus dem Indig. Ich glaube, daß der Name Kohlenstikstoffsaͤure (acide carbazotique) fuͤr diese Saͤure am passendsten ist, insbesondere da er auch ihre Zusammensezung ausdruͤkt. Ich wuͤrde dem Namen Bittersaͤure vor jedem anderen den Vorzug gegeben haben, wenn er nicht zu Verwirrungen Veranlassung werden koͤnnte, da man bereits eine andere Substanz mit diesem Namen belegt hat, und es noch andere Saͤuren geben kann, die bitter schmeken. Ich gehe zur Beschreibung der Verbindungen uͤber, welche diese Saͤure mit Metalloxyden eingeht, insbesondere da ich glaube, daß ihre Eigenschaften einiges Interesse darbiethen. Kohlenstikstoffsaures Kali. Dieses Salz krystallisirt in mehrere Zoll langen, vierseitigen, gelben, undurchsichtigen, aͤußerst glaͤnzenden Nadeln; es braucht zu seiner Aufloͤsung mehr als 260 Theile Wasser von 15° C., und eine viel geringere Menge kochendes Wasser. Eine concentrirte, kochend heiße Aufloͤsung dieses Salzes gesteht beim Erkalten zu einer gelben Masse, die aus unzaͤhligen feinen Nadeln besteht, und aus welcher das Wasser nur schwer abfließt. Wenn dieses Salz aus einer weniger concentrirten Fluͤßigkeit krystallisirt, so erscheinen die Krystalle im reflectirten Lichte bald roth, bald gruͤn. Durch Saͤuren wird es zersezt; gießt man aber eine Aufloͤsung der Kohlenstikstoffsaͤure in Alkohol zu einer Salpeteraufloͤsung: so scheidet sich nach einiger Zeit, krystallisirtes, kohlenstikstoffsaures Kali ab. Im Weingeiste ist es unaufloͤslich. Erhizt man eine kleine Portion davon in einer Glasroͤhre, so schmilzt es, und gleich darauf explodirt es mit einem aͤußerst heftigen Knall, wodurch die Glasroͤhre zerschmettert wird: nach der Explosion bleibt etwas Kohle zuruͤk. Dieses Salz schlaͤgt aus einer Aufloͤsung von salpetersaurem Queksilberoxydul kohlenstikstoffsaures Queksilberoxydul nieder; Aufloͤsungen von Queksilberoxyd, Kupfer-, Blei-, Kobalt-, Eisenoxydul-, Eisenoxyd-, Kalk-, Baryt-, Strontian- und Bittererde-Salzen werden davon nicht veraͤndert. Man erhaͤlt das kohlenstikstoffsaure Kali am reinsten, wenn man kohlenstikstoffsaures Queksilberoxydul mit einer Aufloͤsung von Chlorkalium erhizt, und die von dem Calomel durch Filtration getrennte Fluͤßigkeit erkalten laͤßt. Die Schweraufloͤslichkeit dieses Salzes gibt ein leichtes Mittel au die Hand, das Kali in einer Fluͤßigkeit zu entdeken und abzuscheiden, ich bin selbst im Stande gewesen, damit Kali in der Lakmustinktur zu entdeken; denn wenn eine Aufloͤsung von Kohlenstikstoffsaͤure und Weingeist mit Lakmustinktur gemischt wurde, so scheidet sich nach kurzer Zeit kohlenstikstoffsaures Kali in Krystallen aus. Eine Aufloͤsung von kohlenstikstoffsaurem Kali von 10° wird von salzsaurem Platin nicht getruͤbt. 1,120 Gr. kohlenstikstoffsaures Kali gab durch Behandlung mit Salzsaͤure u.s.w. 0,287 Gr. Chlorkalium; es besteht demnach aus   83,79 Kohlenstikstoffsaͤure,   16,21 Kali –––––– 100,00. Dieses Salz enthaͤlt kein Krystallwasser. Kohlenstikstoffsaures Natron. Krystallisirt in feinen, fadenartigen, glaͤnzenden Nadeln; sonst verhaͤlt es sich in seinen Eigenschaften wie das kohlenstikstoffsaure Kali. Es bedarf aber zu seiner Aufloͤsung nur 20–25 Theile Wasser von 15° C. Kohlenstikstoffsaures Ammoniak. Dieses Salz krystallisirt in sehr glaͤnzenden, hellgelben, langen, schmalen Blaͤttchen; es ist im Wasser leicht, und im Weingeiste schwer loͤslich. In einer Glasroͤhre gelinde erhizt, verfluͤchtigt es sich vollkommen; der Dampf desselben laͤßt sich entzuͤnden; rasch erhizt, entzuͤndet es sich, ohne Explosion, und es bleibt eine große Menge Kohle zuruͤk. Kohlenstikstoffsaurer Baryt. Dieses Salz wurde durch Erhizen von kohlensaurem Baryte und Kohlenstikstoffsaͤure mit Wasser dargestellt; es krystallisirt, in Verbindung mit Wasser, in dunkelgelben, harten, vierseitigen Saͤulen. Es ist im Wasser leicht loͤslich. Erhizt, schmilzt es und zersezt sich mit einer aͤußerst heftigen Explosion und Erzeugung einer blendenden, gelblichen, hohen Flamme. 0,425 Gr. wasserfreies Salz gaben bei der Analyse 0,154 schwefelsauren Baryt; ein andermal gaben 0,714 Gr. dieses Salzes 0,261 schwefelsauren Baryt. Es besteht demnach aus   76,20 Kohlenstikstoffsaͤure,   23,80 Baryt, –––––– 100,00. 100 Theile krystallisirtes Salz verlieren bei 100° C. 9,24 p. C. Wasser. Der krystallisirte kohlenstikstoffsaure Baryt besteht demnach aus Saͤure 69,16 Sauerstoff der Saͤure 16 Baryt 21,60        –       des Baryt   1 Wasser   9,24        –        –   Wassers   8 –––––– 100,00. Eine Aufloͤsung von Chlorkalium in Wasser, mit einer Aufloͤsung von kohlenstikstoffsaurem Baryte vermischt, truͤbt sich nach wenigen Augenbliken, und das Kali wird, in Verbindung mit Kohlenstikstoffsaͤure; bis auf 1 1/2 p. C. vollstaͤndig niedergeschlagen. Kohlenstikstoffsaurer Kalk. Wie das Barytsalz dargestellt; vierseitige, glatte Saͤulen, leicht loͤslich, detonirt beim Erhizen wie das Kalisalz. Kohlenstikstoffsaure Magnesia. Sehr lange, feine, hellgelbe, undeutliche Nadeln, leicht loͤslich, detonirt stark. Kohlenstikstoffsaures Silberoxyd. Die Kohlenstikstoffsaͤure loͤst das Silberoxyd, beim Erwaͤrmen mit Wasser, mit Leichtigkeit auf; die Aufloͤsung liefert durch gelindes Abdampfen sehr feine, goldglaͤnzende Nadeln die stralenfoͤrmig gruppirt sind. Im Wasser ist es leicht loͤslich. Dieses Salz laͤßt sich durch Abdampfen der Kohlenstikstoffsaͤure oder des kohlenstikstoffsauren Kalis mit salpetersaurem Silberoxyd nicht darstellen. Bei dem Erhizen detonirt es nicht, sondern brennt ab, wie Schießpulver. Kohlenstikstoffsaures Queksilberoxydul. Dieses Salz erhaͤlt man in kleinen, gelben, vierseitigen Saͤulen, wenn man eine kochendheiße Aufloͤsung von kohlenstikstoffsaurem Kali mit salpetersaurem Queksilberoxydul vermischt; es braucht mehr als 1200 Theile Wasser zu seiner Aufloͤsung. Erhizt verhaͤlt es sich wie das Silbersalz. Kohlenstikstoffsaures Kupferoxyd. Dieses Salz laͤßt sich durch Zersezung von kohlenstikstoffsaurem Baryte mit schwefelsauren Kupferoxyde leicht darstellen; es ist gruͤn, krystallisirt in farrenkrautartigen Blaͤttern, loͤst sich in seinem gleichen Gewichte kalten Wasser auf, und zerfließt an der Luft. Es detonirt beim Erhizen nicht. Alle diese Salze zersezen sich beim Erhizen in verschlossenen Gefaͤßen mit einer viel staͤrkeren Explosion, als in offenen. Dadurch moͤchte wohl die Theorie der Fulmination des Hrn. Brianchon einige Modificationen erleiden. Es ist mir sehr unerwartet gewesen, daß diejenigen kohlenstikstoffsauren Salze, deren Base ein Metalloxyd ist, welches seinen Sauerstoff leicht fahren laͤßt, in der Hize nicht detoniren, waͤhrend bei den knallsauren Salzen die Detonation von dem Sauerstoffe der Base zum Theile abhaͤngig zu seyn scheint. Ich glaubte, daß bei der Zersezung des Baryt- und Kalisalzes die heftige Detonation von der Bildung von Kohlenoxydgas herruͤhre, und ich verfehle nicht, daruͤber einige Versuche anzustellen. Kohlenstikstoffsaures Kali und Baryt wurden, mit Chlorkalium vermischt, in einer Glasroͤhre gegluͤht; das Gas, welches sich entwikelte, enthielt aber kein Kohlenoxydgas, sondern bestand allein aus Kohlensaͤure und Stikgas. Es ist bekannt, daß sich bei der Behandlung vieler thierischer Substanzen eine gelbe Substanz erzeugt, die haͤufig unter dieselbe Klasse von Koͤrpern gezaͤhlt wurde, worunter man das Indigbitter und das Welter'sche Bitter rechnete. Ich habe Eiweiß, Hornspaͤne u.s.w. mit Salpetersaͤure behandelt, allein ich beschreibe die Resultate nicht, weil sie alle in der vortrefflichen Abhandlung uͤber thierische Chemie enthalten sind, die Berzelius vor 15 Jahren herausgegeben hat.S. Schweiggers Journ. der Chemie und Physik, aͤlt. R. Bd. IX. A. d. O. Wenn man 8 Theile Salpetersaͤure uͤber 1 Theil Aloë abzieht, und die ruͤkstaͤndige Fluͤßigkeit mit Wasser vermischt: so schlaͤgt sich eine roͤthlich gelbe, harzaͤhnliche Substanz nieder, die durch Auswaschen pulverig wird. Sie ist von Braconnot (Ann. de Chim. T. LXVIII. S. 28. Vergl. auch Chevreul ebendas. T. LXXIII. S. 46. und Gilbert's Ann. Bd. XLIV. S. 46.) entdekt worden. Dampft man die uͤber dieser Substanz stehende, dunkelgelbe Fluͤßigkeit bis zu einem gewissen Grade ab, und laͤßt sie erkalten: so bilden sie darin große, breite, gelbe, undurchsichtige, rhomboëdrische Krystalle, die auf einander sizen. Diese Krystalle habe ich anfaͤnglich fuͤr eine besondere Substanz gehalten, allein sie bestehen aus einer Verbindung von Sauerkleesaͤure mit Aloëbitter; nur durch 5–6 mahliges Umkrystallisiren laͤßt sich das Aloëbitter von der Sauerkleesaͤure trennen, und die leztere erkennen. Die Verbindung des Aloëbitters mit Kali gibt durch die Analyse 5–6 und 8 p. C. Kali. Behandelt man diese Verbindung mit Weingeist, so bleibt salpetersaures Kali zuruͤk, und der Weingeist enthaͤlt eine Substanz aufgeloͤst, die zwar mit Kali eine Verbindung einzugehen scheint, allein dasselbe nicht neutralisirt, und keine verpuffende Salze mehr liefert. Das Aloëbitter loͤst sich in 100 Theilen kaltem Wasser auf; in heißem ist es leichter aufloͤslich. Die Aufloͤsung besizt eine praͤchtige Purpurfarbe. Kocht man Seide mit einer Aufloͤsung dieser Substanz, so nimmt sie eine sehr dauerhafte Purpurfarbe an, die der Seife und den Saͤuren (außer der Salpetersaͤure) vollkommen widersteht. Die Salpetersaͤure veraͤndert diese Farbe in gelb; allein durch Auswaschen der Lappen in reinem Wasser erscheint die Purpurfarbe wieder. Durch zwekmaͤßige Beizen laͤßt sich diese Farbe auf unzaͤhlige Art nuͤanciren. Wolle wird durch diesen Faͤrbestoff ausgezeichnet schoͤn schwarz gefaͤrbt; diese Farbe ist sehr dauerhaft, und wird durch das Licht nicht im mindesten veraͤndert. Leder wird purpurfarben und Baumwolle rosenroth; doch widersteht die leztere Farbe der Seife nicht. Ich habe einige Versuche mit dieser Substanz angestellt, in der Hoffnung, ein dem Lichte widerstehendes Rosenroth auf Seide zu erhalten, und ich habe mich uͤberzeugt, daß, wenn es jemals gelingt, die Seide aͤcht rosenroth zu faͤrben, es nur mit Huͤlfe dieser Substanz geschehen wird.