Titel: Ueber die Ausdehnung elastischer Faden und Scheiben. Von Hrn. Poisson.
Fundstelle: Band 28, Jahrgang 1828, Nr. LI., S. 194
Download: XML
LI. Ueber die Ausdehnung elastischer Faden und Scheiben. Von Hrn. Poisson. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Decbr. 1827. S. 384. Poisson, uͤber die Ausdehnung elastischer Faden und Scheiben. Es sey, a, die Laͤnge eines elastischen uͤberall gleich diken Fadens; b, die Flaͤche des auf seine Laͤnge normalen Durchschnittes, und folglich, a, b, das Volumen desselben. Man seze nun, daß dieser Faden eine kleine Ausdehnung erhielt, so daß die Laͤnge desselben, a (1 + α) wird, wo α einen sehr kleinen Bruch ausdruͤkt. Der Faden wird um etwas duͤnner werden, und wenn wir die veraͤnderte Flache des normalen Durchschnittes, b (1 – β) nennen, wo β wieder einen sehr kleinen Durchschnitt ausdruͤkt, so wird sein neues Volumen sehr nahe dem Ausdruke, ab (1 + αβ) kommen. Nun muß man aber nach der Theorie der elastischen Koͤrper, die ich naͤchstens entwikeln werde, β = 1/2 α bekommen, woraus erhellt, daß man durch die Ausdehnung α eines elastischen Fadens das Volumen desselben in einem Verhaͤltnisse von 1 + 1/2 α zur Einheit vermehrt, und die Dichtigkeit desselben im umgekehrten Verhaͤltnisse vermindert. Dieses Resultat stimmt mit einem Versuche des Hrn. Cagniard-Latour uͤberein, welchen derselbe neulich der Akademie mittheilte, und welcher folgender ist. Hr. Cagniard-Latour nahm einen Messingdraht, den er senkrecht in eine mit Wasser gefuͤllte Roͤhre tauchte. Der eingetauchte Theil war 2,03 Meter lang; sein unteres Ende beruͤhrte den Boden der Roͤhre. Er hob diesen Draht, ohne denselben auszudehnen, so daß sein unteres Ende 6 Millimeter uͤber dem Boden war, und bemerkte, daß das Wasser in der Roͤhre sich um 5 Millimeter senkte. Er befestigte hierauf das Ende des Drahtes am Boden der Roͤhre, und verlaͤngerte denselben um 6 Millimeter, indem er ihn nach der lange strekte. Die Dike desselben verminderte sich, und das Wasser sank in der Roͤhre um 2,5 Millimeter, oder um die Haͤlfte seiner ersten Senkung. Hr. Cagniard-Latour schloß hieraus, daß durch die Verlaͤngerung der Umfang des Drahtes zugenommen hat. Um zu sehen, um wie viel er zunahm, und diese Zunahme mit jener zu vergleichen, die nach der Theorie Statt haben muß, gehe ich auf die vorigen Annahmen zuruͤk, und nenne, h, die Hoͤhe des Endes des Drahtes uͤber den Boden der Roͤhre nach dem Heben desselben, und, c, die Menge Wassers, welche unter den urspruͤnglichen Hoͤhestand desselben sank; diese Menge muß das Volumen, b h, des Drahtes ersezen, welches zwischen dem in die Hoͤhe gehobenen Ende und dem Grunde des Gefaͤßes enthalten ist. Man erhaͤlt folglich: bh = c. Wenn die Verlaͤngerung des Drahtes, wie oben, a α ist, und die Vermehrung der Laͤnge gleich ist der Erhoͤhung desselben, h, so erhaͤlt man auch = h. Der Umfang des in das Wasser getauchten Theiles nach dieser Verlaͤngerung wird, ab (1 – β), wo b (1 – β) immer die dadurch entstandene Normal-Durchschnittsflaͤche auf die Laͤnge ausdruͤkt, und, in Bezug auf dieselbe, die Differenz in der Hoͤhe des Wasserstandes, 2,5 Millimeter im Verhaͤltnisse gegen 2,03 im Versuche des Hrn. Cagniard vernachlaͤßigt wird. Der Umfang des eingetauchten Theiles, der Anfangs = ab war, wird sich demnach um a β vermindert haben, und da dieser Unterschied des Volumens durch die Menge des nach der Verlaͤngerung gefallenen Wassers ersezt wird, so wird, wenn man diese Menge Wassers c' neunt, abβ = c'. Nach Wegschaffung von a und b aus diesen drei lezten Gleichungen, erhaͤlt man β = c'/c α; und, so wie Hr. Cagniard c' = c/2 fand, wird β = 1/2 α, was genau mit dem Resultate der Theorie uͤbereinkommt. Es sey, b, die Flache einer Scheibe oder einer Haut von der Dike = α. Man seze, die Oberflaͤche dieser Scheibe werde, nach allen Richtungen, gleichfoͤrmig ausgedehnt, und werde b (1 + β), wo β ein sehr kleiner Bruch ist. Die Dike wird zugleich vermindert werden. Wir wollen dasjenige, was daraus wird, a (1 – α) nennen, wo α gleichfalls ein sehr kleiner Bruch ist, und das Volumen, ehevor ab, wird sehr nahe dem Volumen ab (1 + βα) kommen. Nun hat man aber, nach obiger Theorie, α = 1/3 β; folglich vermehrt sich der Umfang im Verhaͤltnisse von 1 + 2/3 β zur Einheit. Dieses Resultat wird sich aber schwerer durch Versuche bestaͤtigen lassen.