Titel: Ueber das Chlor und die Vortheile, welche die Fabrikanten dadurch erlangen können, daß sie die Substanzen, welche diesen einfachen Körper zur Grundlage haben, während des Winters bereiten; von Hrn. Ph. Coulier.
Fundstelle: Band 32, Jahrgang 1829, Nr. VIII., S. 69
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VIII. Ueber das Chlor und die Vortheile, welche die Fabrikanten dadurch erlangen koͤnnen, daß sie die Substanzen, welche diesen einfachen Koͤrper zur Grundlage haben, waͤhrend des Winters bereiten; von Hrn. Ph. Coulier. Aus dem Recueil industriel. Febr. 1829. S. 181. Coulier, über das Chlor und die Vortheile etc. Wenn man Chlorgas, so wie man es aus Braunstein und Salzsaͤure erhaͤlt, bei einer Temperatur von – 5° C. (– 4° R.) und darunter, in Wasser stroͤmen laͤßt, so zerplazen die Blasen, welche sich im Wasser bilden, nicht, und bleiben im Zustande von Blaͤschen im oberen Theile des Recipienten zuruͤk, so daß sie bald ein Conglomerat darstellen, welches die Gestalt des Gefaͤßes angenommen hat. Jedes dieser Blaͤschen schließt die aus der Retorte entwikelte Portion Chlor ein, ohne daß es davon die geringste Menge haͤtte entweichen lassen. Wenn man in diesem Augenblike das Gas in einer Flasche sammelt, dieselbe luftdicht verschließt und einige Zeit schuͤttelt, so schlaͤgt sich die flokige Substanz nieder und man kann dann eine neue Quantitaͤt von derselben sammeln, wenn man neuerdings Chlorgas in Wasser stroͤmen laͤßt. Wenn erhiztes Chlorgas bei niedriger Temperatur in Beruͤhrung mit Wasser kommt, so entsteht die Substanz, welche man in der Chemie unter dem Namen Chlorhydrat kennt. Wird dieselbe auf eine Temperatur von + 10° C. (+ 8° R.) erhizt, so entwikelt sie bald eine große Anzahl Chlorblasen, und verschwindet endlich vollkommen. Stellt man die Flasche dann in Schnee von – 5° C., so erscheinen die Floken wieder und es bilden sich Krystalle, deren Gestalt ich noch nicht bestimmen konnte, welche sich aber unter reichlicher Chlorentbindung aufloͤsen, wenn man sie auf eine Temperatur von + 10° C. erwaͤrmt. Da ich mich nicht erinnerte von dieser Substanz gelesen zu haben, und sie folglich fuͤr neu hielt, so wandte ich mich an Hrn. Gay-Lussac, welcher mir die Ehre erwies zu antworten, daß diese flokige Substanz und die Krystalle, welche sie bildet, das Chlorhydrat darstellenDiese Krystalle sind bekanntlich von Hrn. Faraday entdekt, beschrieben und analysirt worden, wovon man das Naͤhere in allen neueren deutschen Lehrbuͤchern der Chemie finden kann. A. d. R.. Wenn man bedenkt, daß in den Laboratorien die Temperatur gewoͤhnlich auf 10 oder 12° C. und noch mehr erhoͤht ist, so wird man sich nicht wundern, daß eine Substanz, welche sich nur bei 5 bis 6° C. unter Null bildet, vielen Chemikern unbekannt bleibt. Wenn man nun den Vortheil in Anschlag bringt, welchen man aus diesem Verhalten des Chlors bei niedriger Temperatur fuͤr die Bereitung des chlorsauren Kalis und Natrons, des Chlorkalks und selbst der Javellischen Lauge ziehen kann, so wird man, glaube ich, gerne die Anordnung kennen lernen wollen, welche ich getroffen habe, um dieses Salz mit moͤglichst wenig Kosten zu erhalten; wahrscheinlich haben auch die Fabrikanten zu Glasgow diesen Umstand benuͤzt, um das Tennant'sche Pulver (Chlorkalk) im Großen zu bereiten. Diese Fabrikanten befinden sich unter einer Breite, die um 7° noͤrdlicher ist, als die unserige und haben dort eine sehr große Kaͤlte. Ich glaube, daß durch diesen einzigen Umstand, die niedrige Temperatur naͤmlich, ihr eigenthuͤmliches Verfahren entraͤthselt wird. Um daraus den groͤßtmoͤglichen Vortheil zu ziehen, fand ich es hinreichend, wenn die Temperatur auf dem Gefrierpunkte war, meine Recipienten außer das Laboratorium in den Schnee zu stellen und das Gas durch eine sehr große Leitungsroͤhre in dieselben zu leiten: das destillirte Wasser beladet sich unmittelbar mit Chlorhydrat und die alkalischen Aufloͤsungen nehmen alles entbundene Chlor auf, ohne auch nur eine einzige Blase davon entweichen zu lassen, wenn man die gehoͤrigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen weiß.