Titel: Verbesserung im Aufziehen der Kanonen auf die Laffeten, zum Schiffsdienste und zu anderem Dienste, worauf Jak. Marshall, Lieutenant in der k. Flotte, sich am 26. Junius 1827. ein Patent ertheilen ließ.
Fundstelle: Band 35, Jahrgang 1830, Nr. LXXX., S. 342
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LXXX. Verbesserung im Aufziehen der Kanonen auf die Laffeten, zum Schiffsdienste und zu anderem Dienste, worauf Jak. Marshall, Lieutenant in der k. Flotte, sich am 26. Junius 1827. ein Patent ertheilen ließ. Aus dem London Journal of Arts. November 1829. S. 70. Mit Abbildungen auf Tab. VIII. (Im Auszuge.) Marshall, Verbesserung im Aufziehen der Kanonen auf die Laffeten. Der Patent-Traͤger sagt, daß, seit England der erste Seestaat in der Welt geworden ist, kein Geld- und kein Kraftaufwand gespart wurde, die Flotte auf einen Achtung gebietenden Stand zu setzen; daß aber indessen, bei allen Verbesserungen im Baue und in der Ausruͤstung der Schiffe, die Artillerie in Hinsicht des Aufziehens der Kanonen auf die Laffeten, obschon man die Maͤngel der gegenwaͤrtigen Einrichtung einsteht und mehrere Versuche zur Abhuͤlfe derselben angestellt hat, noch weit zuruͤckgeblieben ist; daß, da die Schiffsartillerie so wichtig ist, als der Schiffbau selbst, man nicht die eine auf Kosten des anderen vernachlaͤssigen darf, und die Admiralitaͤt daher auch auf das Strengste befahl, die Bedienung der Schiffskanonen in Hinsicht auf Schnelligkeit und Puͤnktlichkeit nach allen Kraͤften zu vervollkommnen. Wenn daher die Kanonen auf den Schiffen jezt noch dasselbe unbehuͤlfliche Ding sind, was sie unter Heinrich VIII. waren, wo man sie zum ersten Male auf Schiffe brachte;Ungefaͤhr um das J. 1539. A. d. Ue. so ist es weder der Fehler der Admiralitaͤt, noch der Officiere, sondern es sollte scheinen, daß entweder die gegenwaͤrtigen Schiffslaffeten ihrem Zweke entsprechen, oder daß man sie, nach den jezt bestehenden Grundsaͤzen, nicht verbessern kann. Und doch ist es offenbar, daß es beinahe keine Maschine, keine Vorrichtung zu einem so wichtigen Zweke, wie der des Geschuͤzes auf Schiffen, gibt, an welchem weniger Mechanik, weniger Huͤlfsmittel zur Erleichterung ihres Gebrauches angebracht waͤren. „Eine Kanone muß schnell in verschiedenen Richtungen bewegt und angehalten werden koͤnnen, und doch findet man sie auf einer Laffete, deren Achsen unbeweglich parallel gegen einander zusammengebolzt sind, so liegen, daß beinahe ihre ganze Schwere auf einem Ende derselben zu liegen kommt. Hieraus ergeben sich die Nachtheile, die waͤhrend des Gebrauches derselben durch die Gewalt, mit welcher sie in die Hoͤhe springt, und durch die Schwierigkeit einer Seitenbewegung des vorderen Theiles der Laffete entstehen muͤssen. Wenn eine Kanone durch anhaltendes Feuer stark erhizt wird, wird der Ruͤklauf derselben immer mehr und mehr unregelmaͤßig; sie muß folglich oͤfters in ihre gehoͤrige Stellung zuruͤkgefuͤhrt werden. Dieß sollte nun mit so geringer Muͤhe, als moͤglich geschehen; denn wenn das Gefecht laͤnger anhaͤlt, wird das Schießen in dem Maße immer notwendiger, als die Mittel hierzu abnehmen: die Kraft und die Menge der Artilleristen verschwindet desto mehr, je laͤnger das Gefecht dauert. Um aber eine Kanone auf den jezigen Laffeten nach der Seite zu bewegen, braucht man mehr Kraft und es finden sich groͤßere Schwierigkeiten, als bei irgend einem anderen Dienste an derselben. Es ist offenbar, daß, je weiter die Kanonen vorwaͤrts gegen den Bogen (bow or quarter) des Schiffes gerichtet sind, desto kraͤftiger sie das Schiff vertheidigen und den Feind beschießen werden. Man wird daher glauben, daß die Groͤße des Schußloches die Graͤnze des Winkels seyn wird, unter welchem eine Kanone durch dasselbe gerichtet werden kann. Dieß ist aber nicht der Fall. Die Form der alten Laffete hindert fast allgemein die Kanonen einen so großen Bogen zu beschreiben, als sie auf einer besseren Lastete beschreiben koͤnnten, um beinahe 18 bis 24 Grade. So wird, durch die Unbehuͤlflichkeit des Instrumentes, die Anwendung desselben gehindert. Es wird vielleicht gut seyn, wenn man einige Gruͤnde aufstellt, warum man die Nachtheile der alten Laffeten nicht beseitigen kann, so lang man die alte Methode nicht aufgibt, die Schiffskanonen bei ihren Zapfen aufzuziehen. Da die Breite der vorderen Achse hindert, die Kanone in dem moͤglich groͤßten Winkel durch ihr Schußloch drehen zu lassen, so muͤßte diese Vorderachse verschmaͤlert werden, um diesen Einwurf zu beseitigen. Da aber beinahe die ganze Schwere der Kanone auf der Vorderachse ruht, so wuͤrde das Feststehen der Kanone, die immer eine Neigung hat sich zu stuͤrzen, durch diese Verschmaͤlerung ihrer Unterlage sehr gefaͤhrdet: man mag die Hintere Achse noch so sehr erweitern und breiter machen, der feste Stand der Kanone wird dadurch nimmer wieder so viel gewinnen, als er durch Verschmaͤlerung der vorderen Achse verliert, indem der heftige drehende Stoß, den die unregelmaͤßige Wirkung der Pulverkammer zuweilen veranlaßt, die Kanone in demselben Augenblike hebt, und ihre ganze Schwere auf die Vorderachse wirft, welche allein jeder Neigung der Kanone zum Umsturze Widerstand zu leisten hat. Da die Richtigkeit dieser Bemerkungen offenbar ist, so wird die Nothwendigkeit, den Bau der Laffeten nach anderen Grundsaͤzen einzurichten, jedem einleuchten, der, mit dem Patent-Traͤger, wesentliche Verbesserungen in der Schiffsartillerie wuͤnscht. Die neue Schiffs-Laffete des Patent-Traͤgers besteht aus zwei verschiedenen, abgesonderten, Theilen, deren Bewegungen von einander ganz unabhaͤngig sind, und die, obschon sie beide zugleich die Kanone tragen, doch verschiedene Dienste zu leisten haben: der eine Theil ist die Brust-Laffete (breast carriage), der andere die Kammer-Laffete (breech carriage). Die Brust-Laffete a, Fig. 16., besteht aus einem Bloke Ulmenholz, in welchem zwei Platten von beinahe gleicher Form flach und eben mit der oberen und unteren Oberflaͤche eingelassen, und durch Bindbolzen befestigt sind. Die obere Platte ist viel diker, als die untere, und ein Bolzen ist staͤrker, als die anderen. Durch diese Platten, die man Augenplatten (eye plates) nennt, wird die Brust-Laffete an dem Mittelpunkte des Schußloches mittelst des Brustbolzens, g, befestigt, der durch die Loͤcher, ee, laͤuft, und durch die Lager, cd, welche in der Wand des Schiffes befestigt sind. In den Augenplatten bilden die Loͤcher xx, einen Stiefel, in welchem die Spindel der Kruͤke spielt: es laͤuft naͤmlich ein Loch durch den Brustblok, welches weit genug ist, um die Spindel frei in derselben spielen zu lassen, so daß sie nie darin fest steken bleibt. An dem unteren Theile des Brustblokes ist eine eiserne Achse, w, aufgebolzt, auf welcher eine starke hoͤlzerne Rolle laͤuft, mittelst welcher die Brust-Laffete rechts und links bewegt werden kann. Das obere Lager, c, ist in der Wand des Schiffes mittelst Bolzen befestigt, die durch das Gebaͤlke derselben laufen, und die obere Augenplatte ruht auf diesem Lager. Das untere Lager (oder, wenn man es bequemer findet, ein unter dem Wasserwege angebrachter Stiefel) dient bloß als Stuͤze fuͤr den unteren Theil des Brustbolzens, und hat selbst nichts von der Schwere der Kanone zu tragen. Die Kruͤke, h, (in Fig. 17. besonders abgebildet) besteht aus geschlagenem Eisen, und nimmt in ihrer Tiefe einen kleinen Holzblok auf, auf welchem die Kanone ruht und arbeitet. Dieser Blok ist, zur Aufnahme der Kanone, oben etwas ausgehoͤhlt, und, in der anderen Richtung seiner Oberflaͤche so abgeschnitten oder convex gemacht, daß die Kanone beinahe auf dem Mittelpunkte des Blokes aufliegt, wenn er gehoben oder gesenkt wird. Die Kammer-Laffete b, ist der gewoͤhnlichen alten Laffete aͤhnlich, nur daß ihr vorderer Theil weggeschnitten ist. PP sind eiserne Klammern mit einem Gewinde bei o. Der untere Theil ist an dem vorderen Theile der Kammer-Laffete mittelst eines Bolzens befestigt, und mittelst des Augenstiftes, der bei v angezogen ist. Der obere oder bewegliche Theil spannt uͤber die Zapfen, und, da er auf den Augenstift nieder gesperrt ist, so befestigt er den vorderen Theil der Kammer-Laffete an der Kanone. Die Kammer der Kanone liegt auf einem Lager und auf einem Keile, und wird auf die gewoͤhnliche Weise gehoben oder gesenkt. Ein Umstand, welcher diese Art von Laffeten zum Aufziehen langer Kanonen auf Schiffen brauchbar macht, ist, daß auf Schiffen, im Gegensaze vom Kanonendienste auf dem Lande, die Kanone in ihrem Ruͤklaufe mittelst eines starken Seiles aufgehalten wird, sobald sie so weit mit ihrer Muͤndung innerhalb des Schußloches zuruͤkgetreten ist, daß man sie wieder mit Bequemlichkeit laden kann. Da nun die eigentliche und gewoͤhnliche Weite, in welcher eine Kanone zuruͤklaͤuft (einlaͤuft, runs in), im Durchschnitte ungefaͤhr der Entfernung des Zapfenkreises von der Muͤndung gleich ist (denn alles weitere Zuruͤk- oder Einlaufen der Kanone wurde nur mehr Aufenthalt und Muͤhe verursachen, als man bei dem Vorschieben (Auslaufen, running out) der Kanone ohnehin hat); so folgt, daß der ganze Spielraum, den man einer Kanone bei ihrem Ein- und Auslaufen aus dem Schußloche belassen darf, nicht groͤßer seyn darf, als der Raum von ihrem Zapfen bis zu ihrer Muͤndung, und diesen Raum durchlaͤuft sie, indem sie sich auf dem Bloke in der Kruͤke vorwaͤrts und ruͤkwaͤrts schiebt. Gegen ein weiteres Auslaufen ist die Kanone durch ihre Zapfen gesichert oder durch den Zapfenkreis, der mit der Kruͤke in Beruͤhrung kommt, und gegen ein zu starkes Zuruͤk- oder Einlaufen, gegen ein zu starkes Annaͤhern der Muͤndung gegen die Kruͤke, wird sie nicht bloß durch ein starkes Hintertheil der Laffete, sondern auch durch ein starkes doppeltes Seil gehindert, das an der Brust-Laffete angebracht ist, und um die Kruͤke laͤuft. Auf diese Weise sind die beiden Theile der Laffete gegen jedes Zusammenstoßen gesichert, so wie gegen jedes zu weite Auseinander, fahren, waͤhrend die Kanone selbst die Verbindung zwischen diesen beiden Theilen sichert. Das Neue dieser Patentart, die Kanone auf die Laffeten zu legen, besteht darin, daß man das Lager, den Druk der Kanone, von den Zapfen, die mit der Schwere der Kanone gar nichts zu schaffen haben, auf einen feststehenden Punkt an dem Hintertheile der Laffete (an der Kammer-Laffete) uͤbertrug, und auf einen beweglichen irgendwo zwischen der Muͤndung und den Zapfen befindlichen Punkt. Die Achse der Bewegung, in welcher die Kanonen gehoben und gesenkt werden, ist also nicht mehr bei den Zapfen, sondern an jenem Punkte, wo das Vordertheil der Kanone auf dem Bloke der Kruͤke ruht. Bei jeder Veraͤnderung, welche die Achse hier erleidet, erhaͤlt die Kanone dort eine Stuͤze, wo sie derselben vorzuͤglich bedarf. Denn wenn man die Kanone auslaufen laͤßt (die einzige Lage, in welcher sie gestellt oder gerichtet wird), ist die Achse der Bewegung beinahe in dem Mittelpunkte der Kanone, wodurch das Richten erleichtert wird. Und wenn die Kanone einlaͤuft, und durch das Seil etc. aufgehalten wird (der einzige Fall, in welchem sie umschlagen koͤnnte), wird die Achse ein Pfropfen an der Muͤndung, der dem Umschlagen vorbeugt. Was die Bewegung der Kanone auf dem Bloke der Kruͤke betrifft, so muß man hier bemerken, daß die Staͤrke der Reibung, die hierbei Statt hat, großen Theils von der Haͤrte und von der Groͤße der Oberflaͤche des Blokes abhaͤngt. Auf einem Metallbloke laͤuft die Kanone zu schnell; auf einem breiten Bloke von Ulmenholz zu langsam. Lignum sanctum (Quajakholz) scheint fuͤr schwere Kanonen am besten zu taugen, Ulmenholz fuͤr leichtere. Die Brust-Laffete stuͤzt nicht bloß das Vordertheil her Kanone, sondern gibt zugleich ein Mittel, dieselbe mit Leichtigkeit von einer Seite des Schießloches nach der anderen drehen zu koͤnnen. So sieht man in Fig. 18. die Kanone mit ihrer ganzen Schwere auf dem Punkte x der Kruͤke ruhen, und die Kanone kann mit aller Leichtigkeit mittelst der kleinen Seile, dd, in die durch Punkte angedeuteten Lagen gebracht werden: das Hintertheil der Laffete wird indessen auf die correspondirende Seite geschoben, und die Kanone ist in die verlangte Lage gestellt. Da die Kanone nach Belieben bei x auf dem Stiele der Kruͤke in der Quere herumgerichtet werden kann, so ist es bei diesem Richten nicht noͤthig, daß die Brust- und Kammer-Laffet zugleich bewegt wird; es ist sogar nicht noͤthig, daß beide diese Theil der Laffete sich in einer m. derselben geraden Linie befinden, wenn die Kanone abgefeuert wird. Man kann also durch Aenderung der Lage der Brust- oder Kammer-Laffete ein anderes Ziel nehmen, und die Kammer-Laffete kann in jeder Richtung zuruͤklaufen, ohne dadurch irgend eine Drehung an der Kruͤke oder an her Brust-Laffete hervorzubringen. Man hat bei dem Baue dieser neuen Laffete auf Wohlfeilheit gesehen. An den Kanonen darf, so wie sie gegenwaͤrtig sind, keine Veraͤnderung wegen dieser neuen Laffeten vorgenommen werden, und die gegenwaͤrtigen alten Laffeten lassen sich zu diesen neuen verwenden, wenn man das Vordertheil derselben davon trennt. Das uͤbrige Material des Artilleristen bleibt dasselbe. Was das Gewicht der Laffeten betrifft, so wird hier aus einer alten Laffete von 7 Ztrn. eine neue Brust-Laffete von 3, und eine Kammer-Laffete von 5 Ztrn.; die Laffete eines Vier und Zwanzig-Pfuͤnders wird also bei diesem neuen Verfahren um Einen Ztr. schwerer. Der bewegliche Theil der Laffete, oder das, was die Artilleristen an derselben zu bewegen haben, wenn sie die Kanonen auslaufen lassen, ist jedoch um zwei Ztr. an der neuen Laffete leichter, als an der alten.Wir haben von diesem Patente bereits im XXIX. Bd. S. 464. des Polyt. Journ. nach dem Repertory of Patent-Inventions Nachricht gegeben, wo keine Abbildung geliefert wurde. A. d. Ue.