Titel: Auszug einer Notiz über das Brechen der Flaschen, in welchen schäumender Champagner (vin de Champagne mousseux) abgezogen wird. Von Hrn. Moet de Romont.
Fundstelle: Band 37, Jahrgang 1830, Nr. XXXIX., S. 137
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XXXIX. Auszug einer Notiz uͤber das Brechen der Flaschen, in welchen schaͤumender Champagner (vin de Champagne mousseux) abgezogen wird. Von Hrn. Moet de Romont. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Sept. 1829. S. 387., Bulletin d. Scienc. technol. N. 1. 1830. S. 76. Moet de Romont, uͤber das Brechen der Champagnerflaschen. Die Société d'Encouragement hat, um die Glasfabrikanten aufzumuntern, bessere Flaschen zu liefern, so daß sie im Stande sind dem starken inneren Druke zu widerstehen, den sie von dem schaͤumenden Champagner zu erleiden haben, Erkundigungen uͤber die Wirkungen eingezogen, welche dieser Wein waͤhrend seiner Gaͤhrung auf die Flaschen macht, und sich in dieser Hinsicht an Hrn. Moet de Romont, einen der groͤßten Weingaͤrtenbesizer in der Champagne, gewendet. Das lehrreiche Detail, welches derselbe hieruͤber einschikte, ist in folgendem Auszuge enthalten: Der Verlust, welchen die Besizer schaͤumender Weine jedes Jahr in Folge einer zu starken Gaͤhrung derselben erleiden, ruͤhrt von dem schlechten Zustande der Flaschen, und vorzuͤglich von Fehlern beim Kuͤhlen derselben her. Staͤrkere Dike des Glases, bessere Auswahl des Glasmateriales, eine mehr gleichfoͤrmige Vertheilung der Glasmasse am Halse, Bauche und Boden der Flasche waren allerdings die besten Maßregeln, das Springen wenn nicht gaͤnzlich zu verhuͤten, doch wenigstens in seinen traurigen Wirkungen sehr zu vermindern. So viel ist gewiß, daß, je schwerer und diker die Flaschen am Bauche und an den Seiten sind, desto weniger sie springen. Vor Allem waͤre es aber noͤthig, daß die Flaschen in einem zweiten Kuͤhlofen bei einem maͤßigen Feuer eine kuͤrzere oder laͤngere Zeit uͤber gehoͤrig gekuͤhlt wuͤrden. Dessen ungeachtet waͤre man jedoch noch nicht sicher vor allem Springen; denn dieß leztere ist nach den verschiedenen Jahren, nach der verschiedenen Guͤte des Weines und nach den verschiedenen Gaͤhrungsstoffen verschieden. Andere Ursachen finden sich auch in der Lage der Weingaͤrten und in der Natur des Bodens derselben. Es waͤre moͤglich eine staͤrkere Dike des Glases zu erhalten, selbst bei aller Schwierigkeit, die der Glasmacher findet, die Glasmasse in allen Theilen der Flasche gleichfoͤrmig zu vertheilen: denn es haͤngt von der Staͤrke der Lungen des Blaͤsers und von seiner physischen Constitution ab.Allerdings von der physischen Constitution der armen Glasblaͤser: was ist aber dieß fuͤr eine Constitution? Welcher Glasblaͤser ist, wenn er natuͤrlichen Todes starb, nicht lungensuͤchtig gestorben? Wenn der menschliche Geist, oder, wie der christliche Seneca sagt, das vilissimum mancipium, zu groͤßerer Ehre Gottes ein Blaseinstrument schuf, in welchem die Quantitaͤt der Luft fuͤr jeden Ton nicht bloß fuͤr Secunden, sondern fuͤr Terzen mit einer Praͤcision bestimmt ist, die jeden Denker in Erstaunen sezen muß, warum versuchte man nicht zur Ehre, zur Erhaltung des Menschen (des Ebenbildes Gottes) eine Maschine zumachen, die aus einem aͤhnlich gebauten und gut berechneten Geblaͤse, das weder fuͤr die Gluͤhehize des Glasofens, noch fuͤr die Arsenikdampfe desselben empfindlich ist, Glas in bestimmte Formen blast? Man sage nicht, daß dieß nicht moͤglich ist, denn Niemand weiß, was moͤglich ist, ehe er Alles versucht hat, und Niemand hat, waͤhrend der Jahrtausende, als Glas geblasen wird, versucht seine eigene Lungen und die Lungen seiner Bruͤder zu schonen. Man arbeitete Jahrtausende lang mit dem Loͤthrohre, ehe man an Anbringung eines anderen Geblaͤses, als jenes der Lunge, dachte. Wenn man in Europa ein Glasorgelwerk laͤcherlich finden sollte, weil man seit Jahrtausenden daselbst noch nichts davon gehoͤrt oder gesehen hat, so wird man dasselbe vielleicht bald in amerikanischen Glashuͤtten spielen sehen.A. d. Ue. Wenn das Glas geblasen wird, strebt die Schwere der Masse immer gegen den Boden der Bouteille, der oͤfters 2 bis 3 Linien Dike hat, waͤhrend der Bauch nur Eine Linie dik ist. Hr. Moet versichert, daß er in diesem Jahre, wo die Gaͤhrungsstoffe mehr thaͤtig sind, einen außerordentlichen Verlust erleidet; 25 bis 30 Flaschen unter 100 springen, und selbst noch mehr, nach der Guͤte des Weines und der Schlechtheit der Flaschen. Beinahe uͤberall sieht man unter den Haufen geborstener Flaschen den Boden ausgesprengt.Warum dieß so geschieht und geschehen muß, wird der geneigte Leser aus der vorlezten Note in dem nachfolgenden Aussaze entnehmen. A. d. Ue. Das Plazen der Flaschen geschieht immer mit einer starken und heftigen Explosion und einem Knalle: zuweilen springt die Flasche in hundert Stuͤke, und zerschlagt auch noch ihre Nachbarinnen. Zum Beweise, daß im gehoͤrigen Abkuͤhlen das ganze Geheimniß guter Flaschenerzeugung gelegen ist, fuͤhrt Hr. Moet ein Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung an. Es sind ungefaͤhr 35 Jahre, daß Hr. Colnet, Eigentuͤmer einer Glashuͤtte zu Quinquangronge bei la Fère sich durch Verfertigung guter Flaschen auszeichnen wollte, und sich anbot. Hm. Moet Flaschen zu liefern, von welchen unter hundert nicht zwei springen sollten. Hr. Moet nahm das Anerbieten an, und Colnet schikte 6000 Flaschen, welche in Hinsicht auf die Schoͤnheit des Glases und der Arbeit die schoͤnsten Flaschen waren, die man bisher gesehen hatte. Sie wurden alsogleich mit Wein gefuͤllt, den man sowohl in Hinsicht auf die Gaͤhrungsstoffe, als auf die Periode der Gaͤhrung fuͤr den staͤrksten hielt. Zu gleicher Zeit wurden mit demselben Weine in derselben Periode 15,000 andere Flaschen aus Glashuͤtten, die fuͤr die besten galten, gefuͤllte Nach einem Monate wirkte die Gaͤhrung mit einer solchen Wuth unter diesen lezteren 15,000 Flaschen, daß 30 bis 40 unter jedem Hunderte derselben sprangen. Man konnte der Verheerung nur dadurch etwas Abbruch thun, daß man die Flaschen im Keller senkrecht stellte, eine Stellung, durch welche die Guͤte des Weines außerordentlich leidet. Denn da der Wein den Stoͤpsel in dieser Stellung nicht mehr beruͤhrt, so wird der Kork troken, die Luft tritt in die Flasche,Es scheint uns vielmehr, daß das waͤhrend der Gaͤhrung entwikelte kohlensaure Gas aus der Flasche durch den trokenen, nicht mehr gehoͤrig schließenden Stoͤpsel ausfaͤhrt, als daß Luft in die Flasche eintritt. A. d. Ue. und die Gaͤhrung wird dadurch ruhiger, oder hoͤrt gaͤnzlich auf, und der Wein erhaͤlt einen schlechten Geschmak, den man ausgeraucht (goût d'event) nennt. Von den 6000 Flaschen des Hrn. Colnet sprang indessen unter hundert nicht Eine, obschon der Schaum so stark war, daß, sobald man den Drath abnahm, der den Stoͤpsel fest hielt, der Bindfaden abgerissen wurde, und der Wein bis auf den lezten Tropfen als Schaum aus der Flasche in die Luft fuhr. Nach einer so entscheidenden Probe wollte nun jeder Flaschen von Hm. Colnet, und mehr als er liefern konnte. Hr. Colnet hatte seinen Zwek erreicht, sein Ruf war gegruͤndet, und nun fand er es in seinem Interesse, die Guͤte seiner Flaschen der Menge derselben aufzuopfern. Schon im zweiten Jahre hatten seine Flaschen nicht mehr dieselbe Staͤrke, und am Ende arbeitete er um nichts besser, als seine Collegen. Hr. Colnet hat spaͤter eingestanden, daß er mittelst spanischer Soda,Der Uebersezer weiß noch, wie vor einigen 30 Jahren Glashuͤttenmeister sich straͤubten in Boͤhmen, ungrische Soda Statt der Potasche zur Fritte zu brauchen. Die Sache kam sogar unter die Haͤnde der Schreiber, die die Partei der Einfaltspinsel nahmen (da gleich und gleich sich immer gern gesellt), und Ungern und die Glasfabrikation litt zugleich. Heute zu Tage weiß man, daß die ungrische Soda sehr gute Dienste in der Glasmachern leistet. A. d. Ue. die er der Fritte zusezte, und durch doppeltes und langes Abkuͤhlen dahin gelangte, so treffliche Flaschen zu verfertigen. Abgesehen von der doppelten Kuͤhlung und der gleichfoͤrmigen Vertheilung der Glasmasse beruht noch ein anderes Geheimniß zur Verfertigung guter Flaschen in der Auswahl des Materiales zur Fritte: dadurch wird der Wein gegen jedes Verderben geschuͤzt, das man nur zu oft, taͤglich zu erdulden hat, ohne demselben abhelfen zu koͤnnen. Man findet oft bei Weinen aus demselben Fasse, die man in derselben Stunde in Flaschen abzog, nachdem die erste Wirkung der Gaͤhrung voruͤber ist, eine hoͤchst verschiedene Guͤte. Die eine Flasche schaͤumt mehr, die andere weniger, und zuweilen schaͤumen einige gar nicht, was zuweilen wohl bei Weinen von verschiedenen Jahren und Trauben auch der Fall ist. Wahrscheinlich haͤngt dieß, im ersten Falle, bloß von dem Materiale ab, das man zur Fritte nahm, obschon man es auch der Wandelbarkeit der Temperatur zuschreibt, welche, da sie taͤglich wechselt und das Abziehen mehrere Tage dauert, je nachdem man mehrere Faͤsser abzuziehen hat, Einfluß haben kann. Was die regelmaͤßige Bildung des Halses der Flaschen betrifft, so bemerkt Hr. Moet, daß seine Stoͤpsel aus dem feinsten und elastischsten Catalonischen Korke sind, und die Flaschen hermetisch schließen selbst wenn die Muͤndung des Halses einige Unregelmaͤßigkeiten darbieten sollte, was indessen selten ist: es gibt jedoch zwei Ursachen, welche das Entweichen des Weines veranlassen. Die erste und wichtigste ist die Wirkung der Gaͤhrung, welche, indem sie Gasarten entwikelt, einen Druk auf den Wein aͤußert. Wenn nun die Flasche nicht stark genug ist, um diesem Druke zu widerstehen, so springt sie in Stuͤke, oder, was. oͤfters geschieht, der Stoͤpsel, auf welchen der Wein mit Gewalt druͤkt, gibt nach und druͤkt von seiner Seite auf den Drath und auf den Bindfaden, welche beide von ihrer Seite wieder nachgeben. Der Wein entweicht folglich, die Gaͤhrung laͤßt nach, und wenn der Stoͤpsel nicht sehr schlecht ist, so gehen nur einige Linien Wein verloren und der Stoͤpsel bleibt noch immer feucht. In diesem Falle bildet sich rings um den Stoͤpsel eine Art von Schwamm, wodurch das weitere Entweichen des Weines gehindert wird. Die zweite Ursache des Entweichens des Weines, die man das Ausschwizen (Coulage) nennt, ruͤhrt von der schlechten Beschaffenheit des Stoͤpsels her. Wenn der Kork zu loͤcherig ist, wenn er schwarze Fleken hat, wenn er an seinem duͤnneren Ende leichte Risse hat, so entweicht der Wein, (er schwizt aus) und dieß geschieht schon in einigen Tagen nach dem Abziehen in die Flaschen. Nachdem der Champagnerwein durch die Gaͤhrung eine so große Gewalt erlitten hat, welche drei bis vier Monate lang fort wirkt, so erzeugt er einen Bodensaz, welcher sich an die Wand der Flasche an jener Seite anlegt, auf welcher die Flasche liegt, und nach der verschiedenen Guͤte des Weines, nach der Staͤrke des Schaumes und nach der mehr oder minder vollkommenen Klaͤrung unter verschiedenen Formen zum Vorscheine kommt. In schaͤumenden Weinen bildet sich dieser Bodensaz strahlenfoͤrmig; die Strahlen laufen von dem Mittelpunkte aus, und theilen sich im Drittel oder in der Haͤlfte der Schichte. In mehr schleimigen Weinen bildet der Niederschlag sich nicht in Strahlen, sondern bleibt im Mittelpunkte: wenn man die Flasche nach der Richtung ihrer Lage langsam aufhebt, so haͤngt sich dieser Niederschlag in weißen Faden an, und zeigt, daß der Wein fett und oͤhlig (schmierig) ist, oder es werden wird. Man gießt den Wein nicht mehr, wie ehemals, von diesem Bodensaze ab, weil er dadurch leiden wuͤrde, sondern man reinigt ihn mit aller Sorgfalt, wobei der Wein seine Klarheit vollkommen behaͤlt, auf welche die Liebhaber des Champagners so sehr sehen. Man picht die Flaschen nicht ehe, als in dem Augenblike, wo der Wein verschikt wird. Das Pech hat keinen anderen Zwek, als den Stoͤpsel, den Drath und den Bindfaden in nassen Kellern gut zu schalten, nicht aber das Entweichen des Weines zu hindern.