Titel: Ueber ein neues, durch theilweise Zersezung des Queksilber-Perchlorides erhaltenes Salz. Von Hrn. R. Phillips, F. R. S. L. und E.
Fundstelle: Band 38, Jahrgang 1830, Nr. XVII., S. 56
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XVII. Ueber ein neues, durch theilweise Zersezung des Queksilber-Perchlorides erhaltenes Salz. Von Hrn. R. Phillips, F. R. S. L. und E. Aus dem Philosoph. Mag. and Annals of Philosophy. Februar S. 129.Da das Queksilber heute zu Tage nicht bloß bei jener Classe, welche die Menschen einzeln (wie Doktor und Apotheker), sondern selbst bei jener, die sie in Masse (wie das Militaͤr) uͤber Styx und Acheron transportiren hilft, eine so hohe Rolle spielt (der Calomel bei jenen, das knallsaure Queksilber bei diesen); so glaubten wir diesen Artikel, der jezt ein Artillerie- nicht bloß ein Pharmacie-Interesse hat, uͤbersezen lassen zu muͤssen.A. d. R. Phillips, uͤber Queksilber-Perchlorid erhaltenes Salz. Die Wirkung der Chloride und des Wassers hat, in theoretischer Hinsicht, vielleicht mehr als den erforderlichen Grad von Aufmerksamkeit erhalten; sie hat indessen neuerlich wieder meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, und die Versuche, zu welchen ich dadurch geleitet wurde, fuͤhrten mich auf die Bildung eines, wie es mir scheint, bisher noch nicht beschriebenen Salzes. Obschon wir, wenn einige Chloride, wie z.B. Spießglanz- und Wißmuthchloride, mit Wasser vermengt werden, Salzsaͤure und ein Metalloxyd durch wechselseitige Zersezung entstehen sehen, so ist doch die Annahme einer aͤhnlichen Wirkung zuweilen mit bedeutender Schwierigkeit verbunden, vorzuͤglich wo die Basis des Chlorides nur geringe Verwandtschaft zum Sauerstoffe hat, wie bei Gold und Queksilber. Was das Queksilberperchlorid betrifft, so scheint mir, daß, wenn es nicht Bipermuriat durch Aufloͤsung und Zersezung in Wasser werden soll, der Ueberschuß von Chlorine Pflanzenfarben zerstoͤren muͤßte; dieß ist aber so wenig der Fall, daß Lakmuß-Papier durch die Aufloͤsung desselben gerade so geroͤthet wird, wie durch die Aufloͤsung irgend eines saͤuerlichen Salzes. Es schien mir auch, daß, wenn dieses Salz in der Aufloͤsung ein Perchlorid bleibt, man wahrscheinlich, selbst in diesem Zustande, durch Entfernung der Haͤlfte der Chlorine, dieses Perchlorid durch Zusaz von Queksilber eben so gut, als auf trokenem Wege, auf ein Protochlorid oder auf Calomel zuruͤkfuͤhren kann. Es ist indessen bekannt, daß Kali, Natron und Kalkwasser aus einer Aufloͤsung von Sublimat, Queksilberperoxyd niederschlagen; da aber die Wirkung kohlensaurer Alkalien in vielen Faͤllen von jener der kaustischen Alkalien verschieden ist, und da sie mehrere Bisalze zersezen, ohne ihre Basen in kohlensaure Verbindungen umzuwandeln, so sezte ich kohlensauren Kalk einer Aufloͤsung von Sublimat zu, und erhizte die Mischung. Zu meinem Erstaunen bildete sich bald ein dunkelgefaͤrbter Niederschlag, und ich vermuthete Anfangs nicht bloß, daß ein Atom Chlorine abgeschieden wurde, sondern daß der kohlensaure Kalk den Niederschlag des Queksilberprotoxydes veranlaßte, indem er seine Wirkung auf das gebildete Protochlorid erstrekte: eine Wirkung, von welcher man nicht allgemein weiß, daß sie sich bis auf einen gewissen Grad hinaus erstreken kann. Bei der Untersuchung fand ich jedoch, daß die Wirkung, die hier Statt hatte, ganz verschieden von derjenigen war, die ich mir einbildete. Der Niederschlag war krystallinisch, außerordentlich schwer, und so dunkel gefaͤrbt, daß die groͤßeren Krystalle beinahe ganz schwarz schienen. Er loͤste sich, selbst in kochendem Wasser, nur sehr wenig auf, und in kaltem beinahe gar nicht, so daß die in heißem Wasser gemachte Aufloͤsung bei dem Erkalten Krystalle absezte. Durch Saͤuren wurde dieser Niederschlag leicht aufgeloͤst, und die Aufloͤsung in Essigsaͤure gab, mittelst Kali, Queksilberperoxyd und Chlorsilber mit salpetersaurem Silber. Um zu sehen, ob eine gewisse Menge Sublimates durch kohlensauren Kalk gaͤnzlich zersezt werden kann, kochte ich gleiche Gewichttheile von beiden eine betraͤchtliche Zeit uͤber in Wasser. Als ich der Aufloͤsung Kali zusezte, erhielt ich einen haͤufigen Niederschlag von Queksilberperoxyd, der mir zeigte, daß ein Theil des Queksilbersalzes unzersezt blieb, obschon der kohlensaure Kalk Kalk genug enthielt, um beinahe drei Mal so viel Salzsaͤure zu saͤttigen, als die Chlorine des Sublimates geben konnte. Es scheint also, daß Gegenwirkung so lang Statt hat, als der gebildete salzsaure Kalk aufgeloͤst bleibt, und die vollkommene Wirkung hindert; gerade so, wie die Gegenwart des entstehenden schwefelsauren Kalis die gaͤnzliche Zersezung der schwefelsauren Schwererde hindert, wenn diese in einer Aufloͤsung von kohlensaurem Kali gekocht wird. Ich fand ferner, daß die Aufloͤsung durch Verdampfung ein krystallinisches zerfließendes Salz gibt, welches aus salzsaurem Kalke und Queksilber besteht: die Verhaͤltnisse beider habe ich jedoch noch nicht bestimmt, obschon sie sich aus der Natur des dunkelgefaͤrbten Salzes, welches gebildet wird, leicht wurden ableiten lassen. Um die Natur des, durch den kohlensauren Kalk niedergeschlagenen Salzes zu bestimmen, und vor Allem zu wissen, ob es Wasser enthaͤlt, oder nicht, wurde ein Theil desselben, der vorlaͤufig maͤßig getroknet ward, in eine Glasroͤhre gethan, und in einem Salzwasserbade erhizt. Man bemerkte keine Feuchtigkeit; das Salz erhielt keine Veraͤnderung in seinem Aussehen, und verlor auch nichts am Gewichte. Es enthielt also kein Krystallisationswasser. Bei einer hoͤheren Temperatur gab es Wasser, Sublimat, und spaͤter Queksilber und Calomel. Die Menge Chlorsilber, die dieses Salz geben kann, wurde dadurch bestimmt, daß man 100 Gran in Essigsaͤure aufloͤste, und eine Aufloͤsung von salpersaurem Silber zugoß. Man erhielt dadurch einen Niederschlag, der 27,5 Gran wog, und bei einem wiederholten Versuche, 28 Gran: im Durchschnitte also 27,75 Silberchlorid, was 7 Gran Salzsaͤure entspricht. 100 Gran dieses Salzes wurden in einer Kaliaufloͤsung gekocht. Das niedergeschlagene Queksilberperoxyd wog, getroknet, 93,5 Gran. Dieß gaͤbe demnach, die Fehler bei dem Versuche eingerechnet, Salzsaͤure     7 Queksilberperoxyd   93,5 ––––– 100,5 Wenn wir dieses Salz als ein Queksilber-Bipermuriat betrachten, so wird es bestehen aus Einem Atom Salzsaͤure   37 oder     7,8 Zwei Atomen Queksilberperoxyd 432 oder   92,2 ––––––––––––––– 469 100,0 Man wird bemerken, daß der Sauerstoff in dem Queksilberperoxyd 4 Atome betraͤgt, waͤhrend die Salzsaͤure nur 1 Atom Wasserstoff enthaͤlt; da nun Sauerstoff und Wasserstoff hier nicht in dem zur Wasserbildung geeigneten Verhaͤltnisse vorkommen, so ist es, wie es mir scheint, ganz offenbar, daß das in Frage stehende Salz eine wasserfreie salzsaure Verbindung, und kein Chlorid ist. Ich werde in dieser Ansicht durch eine Bemerkung des Drs. Thomson uͤber salzsaures Gold unterstuͤzt, auf welche ich erst seit der Zeit stieß, als ich in Bezug auf das in Frage stehende Salz zu derselben Ansicht gelangte. In den Transactions of the Royal Society of Edinburgh Vol. XI. p. 28. erwaͤhnt Dr. Thomson eines salzsauren Goldes bestehend aus Zwei Atomen Salzsaͤure   9,25 Einem Atome Goldperoxyd 28, Fuͤnf Atom Wasser   5,625 ––––– 42,875. Er bemerkt auch, daß Berzelius neulich behauptete, daß Salzsaͤure nicht im Stande ist sich mit Metalloxyden zu verbinden; daß es folglich keine Muriate oder Salzsaͤureverbindungen, sondern bloß Chloride, oder Verbindungen von Chlorine und Metall gibt, die mit einer gewissen Menge Wassers verbunden sind. „Es wird aber ziemlich schwer seyn,“ bemerkt Dr. Thomson, „diese Art zu schließen auch auf das salzsaure Gold anzuwenden. Wenn dieses Salz ein Chlorid seyn soll, so ist aus den angefuͤhrten Versuchen klar, daß es besteht aus Zwei Atomen Chlorine   9 Einem Atome Gold 25 –––– 34.“ Was das Zinnpermuriat betrifft, dessen in demselben Aufsaze erwaͤhnt wird, so bemerkt Hr. Thomson nicht nur, daß der Sauerstoff und Wasserstoff, den es enthielt, kein Wasser bilden konnte, sondern er fuͤgt noch bei: „wenn man auch das Salz als ein Chlorid betrachtet, so laͤßt sich doch kein Grund angeben, warum das Zinn durch ein Alkali vielmehr im Zustande eines Peroxydes als eines Protoxydes niedergeschlagen werden sollte.“ Eben dieß gilt nun auch von dem oben beschriebenen Queksilber-Bipermuriat. Wir koͤnnen dasselbe uns nicht als ein Chlorid vorstellen: denn es enthaͤlt um drei Atome Sauerstoff mehr als nothwendig ist, um mit dem Wasserstoffe Wasser zu bilden; und aus derselben Ursache koͤnnen wir nicht erklaͤren, warum Kali, selbst wenn wir annehmen, daß es Sauerstoff hergibt, und ein Chlorid wird, ein Queksilberperoxyd Statt eines Protoxydes niederschlagen sollte. Da nun das Queksilber-Bipermuriat weder durch Zersezung des Wassers, welche durch die Zwischenwirkung des Wassers veranlaßt wird, noch durch Uebertragung des Sauerstoffes desselben gebildet wird, wie wenn Queksilberprotochlorid durch Kali zersezt wird; so schließe ich, daß der Sublimat in seiner Aufloͤsung als ein Queksilber-Bipermuriat vorhanden ist, und dieses alsogleich durch Zersezung zweier Atome Wasser wird. Aus einer Aufloͤsung eines solchen fertig vorhandenen Bipermuriates koͤnnen wir uns nun alle basischen oder Subsalze als durch Einwirkung des Alkali gebildet erklaͤren; allein, aus den bereits angegebenen Ursachen kann, wie es mir scheint, das Alkali weder die Zersezung des Wassers veranlassen, noch den Sauerstoff liefern, der zur Bildung eines Peroxydes nothwendig ist. Zum Schlusse will ich noch einiger Umstaͤnde bei der Bildung dieser neuen Zusammensezung erwaͤhnen. Es ist allgemein bekannt, daß, wenn man nur wenig Kalkwasser oder Kaliaufloͤsung einer Sublimataufloͤsung zusezt, Anfangs sich ein roͤthlichbrauner Niederschlag bildet, der in der Folge, wenn man mehr und im Ueberschusse von dem Faͤllungsmittel zusezt, eine gelbe Farbe annimmt. Ich versuchte ein Bipermuriat durch Zersezung einer Sublimataufloͤsung sowohl mit kohlensaurem Natron als mit Kalkwasser zu erzeugen, und nahm solche Verhaͤltnisse von beiden, daß die erforderliche Menge Salzsaͤure frei werden konnte. Die Niederschlaͤge waren in beiden Faͤllen rothbraun, durchaus nicht krystallinisch, viel weniger dicht als das Bipermuriat, und enthielten kaum 6,5 p. C. Salzsaͤure. Diese Umstaͤnde lassen mich nicht zweifeln, daß beide Producte Gemenge aus Queksilber-Bipermuriat und Queksilber-Peroxyd gewesen sind. Farbe, Dichtigkeit, kristallinisches Ansehen des Queksilber-Bipermuriates haͤngt von der Art ab, wie dasselbe bereitet wird. Wenn harter kohlensaurer Kalk, wie islaͤndischer Doppelspath in eine Aufloͤsung von Sublimat gethan wird, so braucht man Monate, um nur einige Krystalle dieses Salzes zu erhalten; diese sind beinahe schwarz, und haͤngen fest am kohlensauren Kalke. Gepuͤlverter Marmor wirkt schneller und ohne Beihuͤlfe von Hize. Auf diese Weise erhielt ich die regelmaͤßigsten Krystalle, die durch Auswaschen von allem unaufgeloͤsten kohlensauren Kalke befreit werden koͤnnen: einige Krystalle, die ich erhielt, waren groß genug, um deutlich rhomboidale Flaͤchen zu zeigen. Gefaͤllter kohlensaurer Kalk wirkt schneller, als gepuͤlverter Marmor, jedoch noch immer langsam, außer wenn die Mischung erhizt wird. Es ist jedoch schwer, das Bipermuriat ohne Beimischung von einigem kohlensauren Kalke zu erhalten; seine Farbe ist viel lichter, und die Krystalle sind kleiner als diejenigen, welche man durch langsame Aufloͤsung erhaͤlt. Auf folgende Weise erhielt ich Bipermuriat vollkommen frei von aller Beimischung. Man loͤst 1 Atom, = 272 Gran, Queksilberperchlorid in Wasser auf, erwaͤrmt die Aufloͤsung, und sezt derselben 3 Atome, = 648 Gran, Queksilberperoxyd zu, das man entweder durch Zersezung des Queksilberpernitrates mittelst Hize, oder des Sublimates mittelst Kalis erhielt: ich ziehe lezteres seiner feineren Zertheilung wegen vor. Wenn die Mischung gekocht wird, so faͤngt bald ein dunkler Niederschlag an sich zu bilden, und nach und nach wird Alles in Bipermuriat verwandelt. Ein kleiner Theil Sublimates, der ungefaͤhr 6 Gran Queksilberperoxyd gibt, bleibt unzersezt, und folglich wird eine aͤquivalente Menge Peroxyd durch das gebildete Bipermuriat verbreitet. Diese laͤßt sich leicht abscheiden, wenn man den Niederschlag mit ungefaͤhr 100 Granen Salzsaͤure kocht, welche mit Wasser verduͤnnt wurde. Das auf diese Weise erhaltene Bipermuriat ist vollkommen schwarz, dicht, krystallinisch, und haͤufig sehr glaͤnzend.Dieses Salz ist vielleicht kaum verschieden vom Mercurius niger Moscati (nicht Hahnemanni).A. d. Ue. Ein aͤhnliches Salz laͤßt sich auch erhalten, wenn man Queksilberperoxyd mit einer Menge Kochsalzsaͤure erhizt, die geringer ist als jene, welche zur Verwandlung desselben in Sublimat erfordert wird. –––––––––– Waͤhrend dieser Aufsaz in der Drukerei war, finde ich in Hrn. Gay-Lussac's Leçons (I. Bd. Leç. 17) der Bildung eines Queksilber-Subchlorides durch Mischung von Perchlorid mit Peroxyd und auch auf andere Weisen, erwaͤhnt. Er fuͤgt jedoch bei, daß dieses Perchlorid noch nie analysirt wurde. Aus diesem lezteren Grunde sowohl, als wegen einiger allgemeinen Ansichten, die ich in obigem Aufsaze vortrug, wollte ich denselben doch nicht ganz zuruͤknehmen, obschon er nun weniger Neues enthaͤlt als ich glaubte.