Titel: Oberst S. H. Long's hölzerne Brüke aus kleinem Holze.
Fundstelle: Band 38, Jahrgang 1830, Nr. LIV., S. 175
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LIV. Oberst S. H. Long's hoͤlzerne Bruͤke aus kleinem Holze. Aus dem Mechanics' Magazine. N. 368. 28. August. Mit Abbildung auf Tab. IV. Long's hoͤlzerne Bruͤke. Die Straße von Baltimore nach Washington laͤuft, ungefaͤhr 2 1/4 (engl.) Meilen von ersterem Orte, uͤber die Baltimore- und Ohio-Eisenbahn, mittelst einer hoͤlzernen Bruͤke von einer neuen und merkwuͤrdigen Bauart. Die Laͤnge oder Spannung dieser Bruͤke ist 109 (engl.) Fuß; die groͤßte Breite 24 Fuß, und die hoͤchste Hoͤhe 14 Fuß. Sie wird zu jeder Seite von einem doppelten Bandgeruͤste (truss-frame) getragen, und ist nur unten mit Bogenstuͤzen (arch-braces) versehen, da bei einer Bruͤke von dieser Laͤnge oben keine nothwendig sind. Die aͤußeren Bandstuͤke (string-pieces) in jedem Bande halten nur 6 Zoll im Gevierte, die inneren 6 auf 8 Zoll. Die Endpfosten, so wie jene im Mittelpunkte der Bruͤke, sind von der lezteren Staͤrke, so wie auch die Bogenstuͤzen. Die Gegen- und Seitenstuͤzen haben nur 5 Zoll im Gevierte. Das ganze Bauholz, mit Ausnahme der Schließen, ist aus weißer Fichte (pinus alba), ohne alle andere Austroknung, als jene, die es waͤhrend 6 Wochen erhielt, waͤhrend welcher Zeit diese Bruͤke lediglich von 6 Zimmerleuten zusammengezimmert wurde.Man sieht hieraus, daß die amerikanischen Zimmerleute etwas flinker sind, als die europaͤischen, von welchen es beinahe in allen europaͤischen Sprachen sprichwoͤrtlich heißt: „huͤbsch langsam, wie die Zimmerleute.“ Nach dem unsterblichen Dechante von Altomuͤnster, Dr. Bucher, (dem Dechante Swift der Bayern) hatte Gott der Herr schon beim Baue von Noah's Arche viel Verdruß uͤber die Langsamkeit der Zimmerleute, und zankte schreklich mit denselben.“ (Siehe A. v. Bucher's (unsterbliche) Werke, herausgegeben von Hrn. v. Klessing. 8. Muͤnchen. 1819. b. Fleischmann.)A. d. Ue. Ohne die gemauerten Widerlagen und die aͤußere Bekleidung der Bruͤke, kam dieselbe mit Material und Arbeitslohn nur auf 1100 Dollars.Man darf nicht vergessen, daß in N. A. alles vier Mal theurer ist, als bei uns; daß eine solche Bruͤke bei uns also kaum 300 Thaler kosten duͤrfte.A. d. Ue. So duͤnn auch das Holzwerk ist, aus welchem diese Bruͤke zusammengezimmert wurde, und so schwaͤchlich und gebrechlich sie her sieht, fahren doch taͤglich schwere Eisenwagen in vollem Galoppe uͤber dieselbe; es wurden nicht selten schon 80 Ochsen dicht an einander auf Einmal uͤber diese Bruͤke getrieben, ohne daß die Baͤnder auch nur im Mindesten nachgegeben haͤtten. Nach der genauesten Berechnung traͤgt diese Bruͤke auf jedem Quadratfuße ihrer Flaͤche, nebst ihrem eigenen Gewichte, wenigstens 130 Pfd., und, gleich vertheilt uͤber ihre ganze Flaͤche, wenigstens 110 Tonnen (2200 Ctr.). Der Erfinder dieser Bauart ist Oberst S. H. Long, vom Genie-Corps der Vereinigten Staaten, der sich auf dieselbe ein Patent geben ließ. Wir ziehen folgende Erlaͤuterungen aus seiner Patent-Erklaͤrung aus. Er nimmt als sein Patent-Recht in Anspruch: 1) zwei Arten, die Bandstuͤke zu vereinigen (splicing): ein Mal mittelst hoͤlzerner, dann mittelst eiserner Verbindungsstuͤke (splicing pieces) von ganz anderer Einrichtung, als man dieselben bisher beim Bruͤkenbaue hatte. 2) ein Stuͤzsystem, wodurch die Bandgeruͤste vor allem Wiegen (Hebeldruͤke) an jedem Theile, der der Gefahr der Wirkung desselben ausgesezt ist, sicher gestellt werden, und wodurch die Spannung oder der Druk, den die Stuͤzen mittheilen, durch Schultern unter Winkeln aufgefangen wird, die so viel moͤglich rechte Winkel mit den Fasern (dem Korne) des Holzes bilden. 3) ein System von Gegengewicht, wodurch die Bandgeruͤste steif und unnachgiebig werden, so daß die Bruͤke immer gleichfoͤrmig wirkt, sie mag belastet seyn oder nicht. 4) eine Art, die Hauptstuͤzen und Pfosten mit metallnen Lagern zu versehen, naͤmlich mit duͤnnen kupfernen oder eisernen oder anderen brauchbaren metallnen Platten, welche zwischen die Ferse und Zehe jeder Hauptstuͤze und zwischen die Schultern oder Absaͤze eingefuͤhrt werden, gegen welche sie druͤken. 5) eine Art zu Schließen oder Einzukeilen, wodurch die Centraltheile der Bandgeruͤste, und folglich auch der Bruͤke, gehoben und gestuͤzt werden, im Falle, daß diese Theile einsaͤnken, was bei einem Werfen, Eingehen oder bei irgend einem außerordentlichen Druke auf das Holz geschehen koͤnnte. Diese Verbesserungen sind im Patente durch eine Menge von Zeichnungen erlaͤutert, von welchen die zwei wichtigsten hier geliefert werden. Fig. 32. Eine Seitenansicht eines Bandgeruͤstes, in welchem die sub N. 2 und 3 erwaͤhnten Verbesserungen im Stuͤzungssysteme angebracht sind. AB ist das obere Band mit der Art, wie die einzelnen Stuͤke desselben gelegt, und die Pfosten etc. eingefuͤgt sind. CD das untere, eben so. Bemerkung. Insofern das obere Band durch Druk, das untere durch Spannung wirkt, fordern bloß die Stuͤke des lezteren besondere Sorgfalt und Genauigkeit bei ihrer Anordnung. E und F sind die unteren Bogenstuͤzen, die auf der unteren Schwelle der Widerlage ruhen, und in das untere Band unmittelbar zwischen dem zweiten und dritten Pfosten vom Ende der Bruͤke weg eingefuͤgt sind. gg sind die oberen Bogenstuͤzen, welche mit dem Centralpfosten verbunden sind, der uͤber das Bandgeruͤst emporragt, und in das obere Band am Kopfe des zweiten Pfostens vom Mittelpunkte weg eingefuͤgt sind. a, die Pfosten. b, die Hauptstuͤzen. c, die Gegenstuͤzen. Diese Figur soll auch zeigen, wie man unter aͤhnlichen Umstaͤnden eine Eisenbahn anbringen kann, nur daß hier die Querhoͤlzer zahlreicher liegen muͤssen, damit die Schienen der Eisenbahn eine feste Lage haben. Die uͤbrige Einrichtung muß so getroffen werden, daß ein Dampfwagen sicher und frei daruͤber hinrollen kann. m, ist die Lage der Querhoͤlzer, auf welchen der Boden der Bruͤke ruht. Sie sind an den Pfosten mittelst Schraubenbolzen befestigt. n, ist die Lage der eigentlichen Bodenquerhoͤlzer, welche auf den Gegen- und Hauptstuͤzen dort, wo sie sich vereinigen und durchschneiden, gelagert sind. Bemerkung. Die Entfernung zwischen den beiden Baͤndern und zwischen zwei und zwei zunaͤchst neben einander stehenden Pfosten laͤngs dem Bandgeruͤste sollte sich wie 1 1/2 zu 1 verhalten. Fig. 33. Horizontale Ansicht einer Bruͤke mit einzelnem Fahrwege und doppeltem Bandgeruͤste. Bemerkung. Die rechte Haͤlfte dieser Figur, naͤmlich BC, GH, stellt eine Ansicht der unteren Baͤnder, Querhoͤlzer etc. vor; die linke, AB, CD eine Ansicht der oberen Baͤnder, Lager, Seitenstuͤzen etc. EF ist ein Laͤngenbalken (streamer) in der Mitte der Bruͤke, um die Seitenstuͤzen mit den Lagern verbinden zu koͤnnen. a sind die Balken; b die Seitenstuͤzen; c die Stuͤke der oberen und unteren Baͤnder; d die Stuͤke des inneren Bandstuͤkes der unteren Baͤnder; e die Bodenhoͤlzer; f die mit e verbundenen Seitenstuͤzen. g ein kurzer Laͤngenbalken zur Verbindung mit f und e.Es ist Schade, daß die Figuren nicht alle und die gegebenen nicht in groͤßerem Maßstabe gegeben sind. Wenn die Amerikaner, bei welchen die Waͤlder noch den groͤßten Theil des Bodens bedeken, das Holz zu ihren Bruͤken so fein spleißen; was soll man von den Laͤnder halten, in welchen das Holz eine Kostbarkeit ist, und zu elenden kleinen Bruͤken ein Vierteltagwerk Wald verschlaͤudert wird! Es waͤre der Muͤhe werth, sich bei dem Hrn. Oberst Long einen vollstaͤndigen Plan seiner Holzbruͤke zu erbitten, die nicht nur im Frieden, sondern auch im Kriege, zumal in holzarmen Ländern, sehr gut zu brauchen waͤre.A. d. Ue.

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