Titel: Ueber die Eigenschaften der Runkelrüben, und über den Einfluß des Bodens und der Cultur auf dieselben. Von Hrn. Dubrunfaut.
Fundstelle: Band 38, Jahrgang 1830, Nr. CXII., S. 437
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CXII. Ueber die Eigenschaften der Runkelruͤben, und uͤber den Einfluß des Bodens und der Cultur auf dieselben. Von Hrn. Dubrunfaut. Aus dem Agriculteur-Manufacturier. Im Bulletin des Sciences technol. Julius 1830. S. 239. Dubrunfaut, uͤber die Eigenschaften der Runkelruͤben. Seit Einfuͤhrung der Runkelruͤben-Zukerraffinerie in Frankreich isolirte sich dieser Zweig der Industrie von der Landwirthschaft, und die Runkelruͤben wurden eine Waare, deren Erzeugung die Regierung beguͤnstigte, und oͤfters sogar befahl. Daher entstand oft großer Nachtheil, und es kamen negative Resultate zum Vorscheine. Die Erfahrung hat zeither den Fabrikanten den Einfluß kennen gelehrt, welchen verschiedene Sorten dieser Wurzeln, verschiedener Boden und verschiedene Art von Cultur auf die Resultate der Zukererzeugung aͤußert. Allein, alle diese hier nothwendigen und fuͤr die Fortschritte der Kunst so ersprießlichen Beobachtungen ließen sich nur an einer Fabrik anstellen, welche zugleich mit einem großen Feldbaue, d.h. Runkelruͤbenbaue, verbunden war. Man ist in den neuesten Zeiten zu weit von dieser Bahn abgewichen. Einige Fabrikanten wissen allerdings diese Einfluͤsse gehoͤrig zu wuͤrdigen; allein alle neueren Unternehmer kuͤmmern sich beinahe gar nicht mehr um dieselben. Die Ursache hiervon ist vielleicht die Unzulaͤnglichkeit der Pruͤfungsmittel. Man ist naͤmlich darauf beschraͤnkt, die Dichtigkeit des Saftes mittelst des Araͤometers zu bestimmen; wie wenig aber hierbei Verlaͤssigkeit Statt hat, erhellt schon aus der Betrachtung, daß Zuker nicht der einzige Koͤrper ist, welcher die Dichtigkeit desselben vermehrt. Diese Dichtigkeit spielt zwischen 5 und 10°, und, wenn sie von reinem Zuker abhinge, so koͤnnte man nach der von Dubrunfaut gegebenen Tabelle den Zukergehalt jeder Wurzelart genau berechnen. Man verliert aber 1 bis 2° beim Abschaͤumen, und es gibt Runkelruͤben, welche einen Theil Schleim auf zwei Theile Zuker enthalten. Die Menge Zukers, welche im Syrupe verloren geht, ist nach der verschiedenen Menge Schleimes verschieden, so daß am Ende, wenn 100 Kilogr. eines Saftes 5° am Araͤometer zeigen, was auf 8,5 Kilogramm Zuker hinwiese, diese 100 Kilogramm nur ungefaͤhr 2 Kilogramm Zuker geben wuͤrden. Hieraus erhellt nun, wie gewisse Wurzeln, die eine große Dichtigkeit am Araͤometer zeigten, nur schwache Producte lieferten. Das Araͤometer zeigt also nur die moͤgliche Graͤnze des Zukergehaltes in den Ruͤben an, nicht aber das wirkliche Daseyn desselben. Die Arbeit im Großen bietet hinreichende Angaben zu diesen Untersuchungen dar, und Hr. Dubrunfaut raͤth, daß man sich derselben bediene. Eine Wurzel guter Art, deren Saft 7° am Araͤometer zeigt, muß nach dem Abschaͤumen einen Saft liefern, der frei nach Zuker schmekt, obschon er etwas alkalisch ist. Auf 30°, kalt, gebracht, darf dieser Saft nur auf den 6° seines urspruͤnglichen Volumens zuruͤkgefuͤhrt worden seyn. Beim Kochen muͤssen die Proben mittelst des Fadens und des kleinen Geblaͤses (au petit soufflet), welche bei den Runkelruͤben-Syrupen hinreichen, bei einer Temperatur von 111° am 100gradigen Thermometer zum Vorscheine kommen, und dann wird das Volumen des Syrupes, der kalt 30° zeigt, um die Haͤlfte vermindert seyn, wodurch also das urspruͤngliche Volumen bis auf den zwoͤlften Theil vermindert seyn wird. Wenn man den Syrup in den Kessel bringt, muß er, wenigstens am Boden und an den Waͤnden reichlich rinden und koͤrnen. Wenn er in Formen gegossen wird, muß er noch an demselben Tage binnen 6–8 Stunden rinden, und der Hut muß am folgenden Morgen ganz fest seyn und sich ohne alle Schwierigkeiten aus der Form schaffen lassen. Die Reinigung des Syrupes muß schnell geschehen, und binnen 12–15 Tagen gaͤnzlich vollendet seyn. Der Hut muß, so lang er noch loker ist (forme lochee) einen Syrupkopf haben, der hoͤchstens dem 10ten Theile der Hoͤhe des Hutes gleich ist. Der geringste Zuker muß auf der Wage 1 1/4 bis 1 1/2 Pfund Zuker auf jedes Liter Rauminhalt der Form geben. Der ablaufende Syrup dieses Zukers muß 37 bis 38° hoͤchstens an Beaumé's Araͤometer anzeigen. Wo diese Merkmale sich einstellen, deuten sie auf Wurzeln guter Art, von welchen man 5 bis 6 p. C. Zuker erwarten kann. Meistens haͤngen diese Merkmale unter einander zusammen; zuweilen reicht jedoch eines allein hin; z.B. der Grad der Verminderung des Volumens, den Syrup von 30° durch das Kochen erleidet; ferner die Temperatur, unter welcher obiges Phaͤnomen Statt hat; endlich die Dichtigkeit des Ablaufsyrupes. Diese Merkmale sind sicher, weil sie nicht durch Fehler waͤhrend der Arbeit getruͤbt werden, und vorzuͤglich auf dem Daseyn des Schleimes in den Syrupen beruhen. Hr. Dubrunfaut entwikelt noch einige andere Gruͤnde. Unter den Ruͤben verdient die weiße schlesische (blanche de Silésie) den Vorzug; auch die mit rosenfarbiger Haut gibt gute Resultate. Ihre feste dichte Textur, so wie ihre chemische Beschaffenheit sichern ihnen diesen ersten Rang. Sie sind auch, unter uͤbrigens gleichen Umstaͤnden, reicher an Zuker und weniger schleimig. Man glaubte auch bemerkt zu haben, daß diejenigen Wurzeln, welche gerade und tief in die Erde eindringen, besser sind, als diejenigen, welche uͤber der Erde wachsen: in dieser Hinsicht muͤßte tief umgearbeiteter Boden auf die Resultate bei der Raffinerie vortheilhaft einwirken. Wurzeln, die auf frischem Duͤnger wachsen, sind immer schwer zu bearbeiten, und liefern wenig. Thierischer Duͤnger, wie Menschenkoth aus Abtritten, ist vorzuͤglich nachtheilig. Die Ruͤben moͤgen sehr schoͤn ausfallen, der Fabrikant findet sie aber schlecht. Lezterer baut wenn er klug ist, seine Ruͤben nur nach einer anderen geduͤngten Ernte, oder duͤngt wenigstens sehr schwach. Die chemische Beschaffenheit des Bodens scheint keinen Einfluß auf die Runkelruͤbe zu aͤußern: Kreide scheint ihr jedoch vielleicht, nach einer Erfahrung des Hrn. Dubrunfaut, zutraͤglich. Man muß also gute Wurzeln haben, und diese pruͤfen, wenn man Runkelruͤbenzuker erzeugen will.