Titel: Beitrag zu der Beschreibung eines neu erfundenen Reflectors zu geometrischem und astronomischem Gebrauche, von Dr. Dietrich, Pastor in Hohenlohe bei Leipzig und Mitgliede der ökonomischen und theologischen Societäten zu Leipzig. Eingesandt von dem Mitgliede einer polytechnischen Gesellschaft.
Autor: Dietrich
Fundstelle: Band 39, Jahrgang 1831, Nr. VII., S. 11
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VII. Beitrag zu der Beschreibung eines neu erfundenen Reflectors zu geometrischem und astronomischem Gebrauche, von Dr. Dietrich, Pastor in Hohenlohe bei Leipzig und Mitgliede der oͤkonomischen und theologischen Societaͤten zu Leipzig. Eingesandt von dem Mitgliede einer polytechnischen Gesellschaft. (Vergl. Polytechn. Journal Bd. XXXV. S. 409.) Beitrag zu der Beschreibung eines neu erfundenen Reflectors. Der Wissenschaft und dem Staate, in welchem ich als GeodaͤtWarum nicht gleich Feldspeller, eine fernere Bedeutung des Verbum δάω gaͤbe diesen aͤcht deutschen, ja zu verdeutschenden Namen., richtiger wohl als Geometer gearbeitet, glaube ich es schuldig zu seyn, Einiges in Betreff der von Hrn. Dr. Dietrich bekannt gemachten neuen Erfindung zu erlaͤutern; damit weder hier noch anderwaͤrts Leute auf diese Erfindung ein zu großes Gewicht legen; sich vielleicht, wenn sie dieses Instrument mit wenig natuͤrlichen Anlagen handhaben koͤnnten, fuͤr Geometer halten, und dann wohl gar nicht nur meinen, sondern sogar aͤußern: das Geschaͤft sey leicht, sey eintraͤglich, es koͤnne keine Kunst seyn und dergleichen mehr; doch was das Schlimmste seyn wuͤrde, sich wohl gar selbst als Maͤrtyrer dieser Wissenschaft, doch nein ihrer Unwissenheit, aufopfernd, leider zu spaͤt erst einsehen, es gaͤbe eine Feldmeßkunst, und durch noch weniger, genuͤgende Erfindungen als vorliegende dieses Geschaͤft immer noch mehr herabwuͤrdigen, als es, sey es nun aus Privat- oder Staatsinteresse herabgewuͤrdigt worden ist. Da mir Hr. Dr. Dietrich ganz fremd, und erst durch seine neu erfundenen Instrumente bekannt geworden, so wird mich derselbe auch nur als Eiferer fuͤr Gutes und gegen Unstatthaftes erkennen und es um so mehr entschuldigen, wenn ich ihn dem Zweke dieser Zeilen gemaͤß fuͤr einen Collegen halte, mit ihm als Feldmesser rede. Die Ausfuͤhrung der neuen Erfindung, freilich ohne deren naͤheren Zwek genannt noch im Namen kund gethan zu haben, beginnt die Beschreibung seines neu erfundenen Reflectors etc. etc. dessen astronomischen Gebrauch ich Hr. Dr. Dietrich meinerseits ebenso schenke, wie er uns damit verschonte. Daß das Instrument aus Messing anzufertigen waͤre und nicht aus Holz, was wohl aber beides am besten ganz unterbleiben wird, uͤbergehe ich; will aber Hr. Dr. Dietrich erwaͤhnen bei seinen Instrumenten, die er fuͤr sich immer erfinden mag, auf die Ausdehnung des Holzes Ruͤksicht zu nehmen, uͤber welche man freilich noch nicht zu viel wegen Laͤngen- und Querschnitts-AusdehnungAusdehnug gethan findet. Auch bemerke ich Hrn. Dr. Dietrich sich mathematischer auszudruͤken, als es geschah: A und B sind Planspiegel, welche mit der Platte unter einem gewissen Winkel liegen, dessen Grade willkuͤrlich sind“ etc. etc.; gewisse Winkel sind nicht beliebige, und diese nicht willkuͤrlich; ich wuͤrde einen Winkel von 45 Grad aus Gruͤnden vorziehen. Was den Gebrauch des Instruments, wie ihn Hr. Dr. Dietrich angibt, betrifft, so handelt er zwar in seiner Gebrauchsanweisung von einem termino a quo, doch bestimmt er nicht den terminum ad quem, uͤberlaͤßt dieß dem Feldmesser, waͤhrend er dem Publicum glauben macht er habe eine so sichere Hand, daß er mittelst eines Nonius, der wohl sehr ungeometrisch gezeichnet gewesen, (es bleiben die Grade unveraͤndert) bis zu 6 Minuten, einen Zehntel-Grad abnehmen will. Nun die Vortheile des Reflectors vor dem Spiegelsextanten. Es lobt der Erfinder seine Erfindung, was gar nicht noͤthig war, da Hr. Dr. Dietrich selbst diese Vortheile nur solche schienen, wer wird und darf als Mathematiker dem Scheine trauen, der oft zu leicht truͤgt? 1) Die Einfachheit und Kleinheit des Instruments. Ich erwaͤhne nur, daß es bei der Construction des Instruments sehr noͤthig gewesen waͤre, die Regel zu bedenken: es muͤssen alle Theile dem Zwek des Instruments gemaͤß eine gleichgroße Genauigkeit geben, und hiernach dessen Kleinheit bestimmt werden. An guten Instrumenten werden dann weder zu wenig Stifte und Schrauben, noch deren zu viel angebracht werden; ja ich glaube, daß dieser Reflector, um ein gutes Instrument zu werden, außer einer ganz andern Construction auch noch einige Schrauben und Stifte erfordern wuͤrde. Der Verlezung, so wie der Gefahr der Beschaͤdigung, ist jedes Instrument ausgesezt; und um so mehr, wenn Leute die keine Geometer sind, auch wohl noch nicht viel Instrumente gebraucht haben, dieselben handhaben wollen oder gar sollen. Leider nennt sich gar Mancher Geometer, ohne es a teneris unguiculis zu seyn. Ein Geometer muß in der Jugend gebildet werden, und dieß erst praktisch, was sehr viel zum Verstehen und Eindringen in die Theorie der Wissenschaft beitraͤgt. Daß Hrn. Dr. Dietrich's 14jaͤhriger Knabe dieses Instrument benuzen konnte, ist sehr gut, und ich glaube es demselben, wie jedem andern, aufs Wort. Wegen des zuvor Gesagten erwaͤhne ich nur die Erfahrung an mir, der ich 14 1/2 Jahr alt, das Vermessen mit Kette, Zollmannscher Scheibe, Meßtisch und Boussole, so wie auch das Nivelliren erlernte; mit Instrumenten, von denen z.B. nur die Boussole theurer und auch empfindlicher war als Hrn. Dr. Dietrich's Reflector, freilich ein Instrument, welches auch jezt noch zu empfindlich ist, als daß es sich bei richtigem Gebrauch und Behandlung schon jezt den veralteten Meßwerkzeugen zuzaͤhlen ließe; doch leicht ist es moͤglich, daß Geometer, oder sogenannte Leute, solche Urtheile nur deßhalb faͤllen, um sich vor denen ihnen unbekannten Werkzeugen und deren Gebrauche zu wehren. Wo kann ein Geodaͤt, der die Geometrie nur dem Namen nach kennt, ein solches Instrument und seinen Gebrauch kennen! 2) Die nochmals erwaͤhnte Kleinheit des Instruments wird als schon abgehandelt nicht weiter hier beruͤksichtigt werden. Daß es in der Roktasche Plaz hat, ist denen als ein Vorzug anzuempfehlen, die gern die Taschen voll haben, solchen Vermessern wuͤrde ich noch meinerseits rathen in einer Westentasche den Menselblaͤttchen einen Raum zu gewaͤhren, mit welchen einige ihre praktisch-geometrischen Werke bekleken; leicht laͤßt sich mit denselben, wenn man sie ausgeschnitten hat, so wie mit einigen Steknadeln auf jeder Wirthstafel ein Lehr- und Lernstuhl fuͤr zu praktische Feldmesser aufschlagen, – daß solchen Geometern ein Nonius an dem Reflector entbehrlich wird, ist nicht zu bezweifeln.Wie erfreulich fuͤr die Wissenschaft! – wenn ein aus fremden Staaten herzukommender Lieutenant bei einer Pruͤfung der praktischen Kenntnisse ein Traktaͤtchen uͤber den Gebrauch des Meßtisches als Beiblatt bei sich in der Brusttasche traͤgt und tragen durfte; seine Thaten ein ander Mal. 3) Ist es wohlfeiler, als der Spiegelsextant i. e. caeteris paribus, es kann sich Jedermann fuͤr 120 Gl. ein Meßinstrument kaufen, damit er dem Feldmesser mit dem Reflector fuͤr eben so viel GroschenEs braucht nur 68 Aker, 171,428 □° zu enthalten, so thut dieß ein Feldmesser nach dem Einundzwanzig Pfennig Fuße ja gar zu gerne, er bekommt ja freies Instrument – vielleicht auch ein Fabrikproduct. sein Gut aufnehmen lassen kann, Geometer danken fuͤr solche Meßinstrumente und armen Eleven rathe ich, statt sich dieses Instrument fuͤr den Preis von 8 Thaler anzuschaffen (denn so viel wird es wohl kosten, wenn der Nonius die Probe halten soll), sich einen Meßtisch nach der Art anfertigen zu lassen, wie ich denselben, wenn es der Zwek dieser Zeilen waͤre, hier angeben wuͤrde; ein Diopterlineal, freilich kein elegant messingenes, erschwingt sich der Eleve wohl auch dann noch, und wagerecht muß er, wenn er Geometer werden will, ohne Wasserwage durch verschiedene hier nicht anzufuͤhrende Handgriffe stellen koͤnnen. 4) Daß man 60° mehr als mit dem fast ganzen Halbkreis abmessen kann, ist unwahr. Ein Sextant hat, wie sein Name zeigt, 60 Grade, doch Hrn. Dr. Dietrich's Reflector dem Gesagten zu Folge nicht 180°, ist jedoch in 180 Grade eingetheilt, 180 ÷ 60 = 120 gaͤbe eine Subtraction, die Hrn. Dr. Dietrich wohl gar nicht vorgenommen hat. Wozu ist nun aber der ganze Halbkreis eingetheilt? Es waͤre nur Eleganz oder Luxus und erhoͤht den Preis des Instrumentes. Wie viel man weniger als 120° mehr als mit dem Sextanten abnehmen koͤnnte, wuͤrde bei genauerer Zeichnung leicht gezeigt werden, doch fehlt des Hrn. Dr. Dietrich's Erfindungen zu sehr das immer mit C bezeichnete Centrum, was ich zum besten der Feldmesserkunst aufsuchte. 5) Die Gegenstaͤnde erscheinen heller und die Orientirung ist leichter. Mit so kleinen Faden orientirt? solche Orientirungen verbieten sich Anfaͤngern im Messen. Zugegeben, die Gegenstaͤnde erscheinen heller, so mag sich Hr. Dr. Dietrich doch einmal selbst im Spiegel beschauen. Die doppelten Bilder seiner selbst werden ihn wohl in der genauen Orientirung verzweifeln machen. 6) Die Nivellirlibelle anlangend – die wohl buͤndiger eine Nivelle war, richtiger eine Kanalwage werden konnte – doch endlich der Roktasche und Wohlfeilheit wegen ganz wegbleiben mußte, rathe ich Hrn. Dr. Dietrich bei manchen Muͤhlgeschwornen mittelst der Sezwage sich das à niveau beibringen, und sich dann mit denselben bessere Nivellirinstrumente zeigen zu lassen. Nachdem die Vortheile unscheinbar geworden, werde ich die Hauptnachtheile desselben kuͤrzlich noch darlegen. Zuerst lassen Sie uns fragen, wozu soll man das Instrument des Hrn. Dr. Dietrich gebrauchen koͤnnen? Zum Aufnehmen von Winkeln unter allen Neigungen bis zu 5 Minuten. Doch wohl nun 6 Minuten? da 60/10 = 6 fuͤr den auf dem Nonius abgeschnittnen Theil gibt, und Taxation der einzelnen Minuten werden ja wohl hier wegbleiben koͤnnen. Erfuͤllt es den dargelegten Zwek? Nach den nun zu durchscheinend gewordenen Vortheilen nicht, denn des Erfinders eigene Erwartungen sind getaͤuscht, kommt nun ferner noch Abspiegelung fremder nicht zu visirender Gegenstaͤnde, deren doppeltes Bild, Excentricitaͤt des Instruments in Betracht, und vor Allen die Staͤrke des Fadens, Genauigkeit des Sehens und Beleuchtung; wozu laͤßt sich dann das Instrument gebrauchen? – – Betrachten wir nur kurz die leztgenannten Punkte, das Sehen auf 5 Minuten genau nach Hrn. Dr. Dietrich's Angabe, welches sich nach meiner Division in 6 Minuten abaͤnderte, halte ich dasselbe wohl nur mit Hrn. Dr. Dietrich's Auge fuͤr moͤglich. Ich und jeder der als Geodaͤt professionirt hat, wird auch die Verschiedenheit der Beleuchtung und das hiernach modificirte Sehen der Gegenstaͤnde der Haupt- und Nebenpunkte bemerkt haben, ohne mit Luftperspective und deren Erscheinungen bekannt zu seyn. Um die Beleuchtung noch naͤher anzufuͤhren, so wuͤrde schon bei 45° Neigungswinkel des Spiegels gegen den Horizont die Lichtstaͤrke bei unter 45 Graden auffallenden Lichtstrahlen schon um 4 Zehntel geringer seyn, als bei rechtwinklich auffallendem Lichte, die Quadrate der Entfernungen der Gegenstaͤnde gar nicht weiter beachtet. Die Genauigkeit, welche ein Menschenhaar, welches statt des Fadens wohl der groͤßern Gleichmaͤßigkeit wegen anzuempfehlen waͤre, wird auch nicht zu groß seyn. Doch von Hrn. Dr. Dietrich's Faden wird wohl Niemand 10 in einen Grad der Eintheilung legen koͤnnen. Demnach wird schon der Faden an sich ohne sein Doppelbild unproportionirt gegen die Genauigkeit des Abnehmens der Minuten seyn. Naͤchstens einige Beitraͤge zu Hrn. Dr. Dietrich's Nivelle.