Titel: Ueber das Parallelogramm am Wagebalken der Dampfmaschine. Von Hrn. de Prony.
Fundstelle: Band 39, Jahrgang 1831, Nr. XXIX., S. 82
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XXIX. Ueber das Parallelogramm am Wagebalken der Dampfmaschine. Von Hrn. de Prony. Aus dessen Rapport sur la nouvelle machine du Gros. Caillou. p. 81. im Bulletin d. Scienc. technol. Juillet . 1830. S. 256. Mit Abbildungen auf Tab. II.Wir haben im Polyt. Journ. Bd. XXXV. S. 262. u. 332. die Ansichten der englischen Mathematiker uͤber diesen Gegenstand mitgetheilt; es ist der Muͤhe werth, hier auch die Ansichten eines der ersten Mathematiker Frankreichs, Hrn. de Prony's, vorzulegen. A. d. Ue. de Prony, uͤber das Parallelogramm am Wagebalken der Dampfmaschine. Das oberste Ende der Staͤmpelstange des Cylinders der Dampfmaschine, welches an einem der Winkel des Parallelogrammes des Wagebalkens haͤngt, beschreibt in seinem Laufe (Fig. 4.) einen Bogen, st, einer eifoͤrmigen krummen Linie, rstuvr (s. Architecture hydraulique. 2. Theil. Paris. 1790. Art. 1483. u. 1492.), und dieser Bogen, auf welchem sich ein Einbiegungspunkt (point d'inflexion) beinahe in der Mitte seiner Laͤnge befindet, weicht, wenn die Verhaͤltnisse des Apparates gehoͤrig beobachtet sind, sehr wenig von der zwischen ihren Endepunkten, s und t, gezogenen geraden Linie ab. Ich will hier die Formeln aufstellen, mittelst deren man die Verhaͤltnisse zwischen den verschiedenen Lagen des obersten Punktes dieser Staͤmpelstange und den Bewegungen bestimmen kann, welche die uͤbrigen Theile des Systemes einschlagen, wenn der Winkel, welchen die Achse des Wagebalkens mit der Senkrechten oder mit der Horizontalen bildet, veraͤndert wird. Ich werde auch die Verhaͤltnisse zwischen den Groͤßen jener Theile der Maschine betrachten, deren Einrichtung sich gewissen Bedingungen unterziehen laͤßt. Diese Formeln, welche in der Anwendung weit bequemer sind, als jene, die ich im J. 1790 in meiner Abhandlung des Machines à feu bekannt machte, werden auch auf die Maschine in dem gegenwaͤrtigen Berichte angewendet werden. A und K (Taf. II. Fig. 5.) sind die beiden feststehenden Mittelpunkte der Umdrehung des ganzen Systemes. BDHG, BCFE sind das kleine und große Parallelogramm. AD und GK sind die geraden Linien, welche sich jede um ihren feststehenden Punkt A und K als Mittelpunkt in der senkrechten Flaͤche drehen, welche diese Parallelogramme enthaͤlt. H und F sind die Punkte der gegliederten Aufhaͤngungen der Staͤmpelstangen. Ich ziehe die Horizontalen CX, BX, AM, mH, VK, und die Senkrechten AV, Cc, Ff, Dd, QH, MK. Diese Entwurfslinien werden die Erweisung der Formeln denjenigen erleichtern, die sich von der Genauigkeit derselben uͤberzeugen wollen. AB = ς; GK = r; AM = h; AV = k; BG = a; BD = b; BE = a'; BC = b'; AQ = x; QH = γ; Aq = x; qF = y'. Winkel DAM = α. Hiernach berechnen sich die Werthe (1) Textabbildung Bd. 39, S. 83 (2) Textabbildung Bd. 39, S. 83 und man erhaͤlt die horizontalen und senkrechten Coordinaten der obersten Punkte H und F der Staͤmpelstangen des großen und kleinen Cylinders auf ihren feststehenden Ursprung, A, zuruͤkgefuͤhrt durch die Formeln (3) x  = a cos. δ  + (b + ς)  cos. α;   y  = a sin. δ  – (b + ς) sin. α x' = a' cos. δ + (b' + ς) cos. α;   y' = a' sin. δ – (b + ς) sin. α. Diese allgemeinen Werthe sind unabhaͤngig von allen besonderen Verhaͤltnissen zwischen den Laͤngen der Seiten der großen und kleinen Parallelogramme; sie sezen nur die Parallelismen a und a', b und b' voraus. Man kann aber eine hoͤchst vortheilhafte Bedingung fuͤr praktische Anwendung anbringen, welche die Berechnung von x' und y' abkuͤrzt. Diese Bedingung besteht darin, daß man die Verhaͤltnisse a/a', b/b' gleich stellt, wodurch dann immer in allen Lagen der Parallelogramme der feststehende Mittelpunkt A und die beweglichen Aufhaͤngepunkte F und H sich in einer und derselben Geraden befinden werden. Sezt man dann (ς' + b')/(ς + b) = μ, so erhaͤlt man (4) x' = μx; y' = μy. Diese Formeln lassen sich unmittelbar zur Berechnung der Bewegungen der obersten Punkte der Staͤmpelstangen in einem gegebenen Systeme anwenden; man kann sich derselben aber auch mit Nuzen zur Bestimmung gewisser Verhaͤltnisse bedienen, wenn man eine Maschine bauen will, welche besondere Bedingungen erfuͤllen soll. Es ist bequem, als gemeinschaftliche Bedingungen bei allen Entwuͤrfen solcher Maschinen zu betrachten: 1) die Horizontalitaͤt der Linie, welche durch den feststehenden Mittelpunkt A der Umdrehung, und durch den obersten Punkt H der Staͤmpelstange in der weitesten Entfernung von A in ihrer oberen anfaͤnglichen Lage laͤuft. 2) die Gleichheit der Verhaͤltnisse, auf welcher obige Gleichungen (4) beruhen, und aus welchen folgt, daß die Punkte A, F und H, immer in einer und derselben geraden Linie sind. 3) Gleichheit der Winkel, welche von der Horizontalen, AM und von der Achse AD des halben Wagebalkens in den aͤußersten Lagen desselben, der oberen und der unteren, gebildet werden. Nach diesen vorlaͤufigen Eroͤrterungen wird man nun das System in drei bestimmten Lagen des Wagebalkens betrachten, d.h., in seinen beiden aͤußersten Lagen, der oberen und der unteren, und in seiner mittleren Lage, durch welche seine Achse horizontal wird. Wenn man durch 2 A den gesammten Winkel bezeichnet, welchen diese Achse zwischen den aͤußersten Lagen beschreibt, so liefern die Gleichungen (1) (2) (3) und (4) drei Gruppen, welche mit α = A, α = o, α = – A correspondiren, und geben so Mittel an die Hand, Verhaͤltnisse zwischen den Theilen des Systemes herzustellen, wie die aufgestellten Bedingungen sie fordern. Es wird also die senkrechte Sehne des Winkels 2 A , der von dem Halbmesser AD beschrieben wird, von einer solchen Laͤnge seyn muͤssen, daß sie dem Laufe des Staͤmpels gleich ist; es wird vor Allem nothwendig seyn, daß die Werthe von x, die aus den 3 Gruppen erhalten werden, entweder einander wirklich oder beinahe gleich seyen; daß von den correspondirenden Werthen von y der erste = o, und der zweite beinahe die Haͤlfte des dritten sey, der den ganzen Lauf bemißt. Man wird sehr bald sehen, daß die Maschine Edward's diesen Bedingungen auf eine hoͤchst genuͤgende Weise entspricht. Ich beschraͤnke mich hier auf diese allgemeinen Angaben, und seze nur den Formeln (1) (2) und (3) die folgenden bei, welche sich vorzuͤglich auf die anfaͤngliche obere Lage des Wagebalkens anwenden lassen. Ich seze (Fig. 1.) den anfaͤnglichen Winkel DAM = A; AD = b + ρ = m; AH = n. Die Senkrechte Dd = q; Ad = p; dH = p'. Hieraus erhaͤlt man die Verhaͤltnisse (5) p = m cos. A: p' = (a² – q²) 1/2 = (a² – m² sin². A) 1/2 q = m sin. A: m² + n² – 2 mn cos. Aa² = o. Im Falle, wo man A durch m, n und a zu bestimmen haͤtte, koͤnnte man folgende Formeln anwenden: (6) Textabbildung Bd. 39, S. 85 Die Verhaͤltnisse, welche von den Dimensionen und von der anfaͤnglichen Lage des Parallelogrammes BDHG abhaͤngen, muͤssen sich mit der Laͤnge und anfaͤnglichen Lage des Halbmessers GK = r vertragen, welcher, waͤhrend er sich um den festen Mittelpunkt K dreht, mit seinem anderen Ende an der Gliederung am Winkel G des Parallelogrammes angebracht ist. Hier die Formeln, welche die von diesem Halbmesser abhaͤngenden Werthe mit den vorigen Werthen verbinden. Man hat, in Bezug auf die horizontale und senkrechte Coordinate des Punktes G (Fig. 1.), die respectiven Werthe auf den Ursprung K zuruͤkgefuͤhrt. (7) ξ = h – ρ cos. A – (a² – m² sin². A) 1/2 η = kb sin. A, welche die Elemente der Rechnung r = (ξ + η²) 1/2 liefern; folgende Formel gibt aber einen Werth von r, der unmittelbar an die anfaͤngliche Lage des Punktes H, und an die festen Lagen M und K gebunden ist. Es seyen die Winkel KHM = E GHK = 180° – (A + E) = λ KH = S, so erhaͤlt man (8) Tang. E = k/(hn); S = k/(sin. E) = (hn)/cos. E. r = (4 bs sin.² (1/2 λ) + (bs)²) 1/2. Man kann die vorhergehenden Formeln oder einen Theil derselben auf das unter vorigem Verhaͤltnisse beschriebene System anwenden. Dieses System ist immer nach der Bedingung, a/a' = b/b' eingerichtet, nach welcher man die Gleichungen (4) erhielt. Die obersten Punkte der Staͤmpelstangen, und der feststehende Mittelpunkt der Umdrehung A befinden sich immer in derselben geraden Linie, welche in ihrer anfaͤnglichen Lage (Fig. 1. Taf. II.) horizontal ist; uͤberdieß ist in dieser anfaͤnglichen Lage der Scheitel D des oberen Winkels des großen Parallelogrammes, und der feststehende Mittelpunkt der Umdrehung k in derselben senkrechten Entfernung von der Horizontalen AM, indem einer oben, der andere unten durch den feststehenden Mittelpunkt der Umdrehung durchgeht, und diese Horizontale AM theilt den gesammten Winkel 2 A , welcher von dem halben Balken AB waͤhrend eines ganzen Laufes des Staͤmpels beschrieben wird, in zwei gleiche Theile: alle diese Anordnungen sind sehr gut getroffen. Wenn man nun als Daten annimmt (Fig. 1. Taf. II.) AD = m; AC = ρ + b; AB = ρ; DH = a; AH = n, Laͤngen, deren Zahlenwerthe oben an der Tafel geschrieben stehen;Dieß ist in unseren Exemplaren nicht der Fall. Es ist nur der Maßstab angegeben.A. d. Ue. so kann man sogleich die Werthe von AF und CF bestaͤtigen, welche die durch die Gleichungen (4) verlangte Bedingung herstellen, und man findet AF = 1m,7951; CF = 0m,55809. Wenn man nach denselben Daten den anfaͤnglichen Winkel DAH = A, entweder nach der lezten Gleichung (5), oder nach einer der lezten Gleichungen (6) berechnet, so findet man A = 17°35'30''; woraus Dd = m sin. A = 0m,76011. Man haͤtte den Winkel A viel einfacher erhalten, wenn man als Datum, statt DH = a, die Senkrechte Dd genommen haͤtte, welche, nach einer der oben ausgesprochenen Bedingungen, gleich seyn muß Mk oder k, d.h. fast dem Werthe des halben Laufes des Staͤmpels, und die Seite DH wuͤrde aus diesem Werthe und aus den uͤbrigen Daten geschlossen worden seyn. Da die Groͤße und die Lage des Parallelogrammes BDHG bekannt sind, so wie die Lage der Horizontalen Vk, welche durch die Bedingung Dd = Mk gegeben ist, so laͤßt sich die Lage des unbeweglichen Mittelpunktes k dadurch bestimmen, daß man entweder den Halbmesser Gk = r, oder den Abstand AM = h als gegeben annimmt, wornach HM = hn. Nimmt man als gegeben h = 3m,022, so hat man HM = 0m,571, woraus Textabbildung Bd. 39, S. 87 und zulezt GK = r = 1m,712. Ich gehe zu der wichtigen Eigenschaft des Apparates uͤber, naͤmlich zur beinahe geradlinigen Bewegung des obersten Punktes der Staͤmpelstange, und ich nehme zuvoͤrderst diesen Punkt in der Mitte seines Laufes an, wann der halbe Wagbalken AD in die horizontale Lage auf die Linie AM (Fig. 2. Taf. II.) kommt. In diesem Falle hat man, Gleichungen (1) (2) (3), β = 24°, 43', 50''; c = 1m,8166; γ = 69°, 56', 00'' δ = 94°, 39', 50''; x = 2m,453; y = 0m,7595. Die Abweichung in horizontaler Richtung, oder die Entfernung aus der Senkrechten, die durch den Anfangspunkt laͤuft, ist ungefaͤhr 2 Millimeter, oder 1/360 des halben Laufes, und der Werth von y ist nicht merklich von dem Werthe von k verschieden. Sezen wir endlich der Staͤmpel sey am Ende seines Laufes, oder der oberste Punkt der Stange sey auf die Horizontale Vk herabgelangt (Fig. 3., Taf. II.); so hat man, in diesem Falle, nach den oben angezeigten Bedingungen α = – A = – 17°, 35', 30''; β = 11°, 23', 20''; c = 1m,7488; γ = 74°, 36', 20''; δ = 85°, 59', 40'': woraus x = 2m,4508; y = 1m,5202. Die Abweichung, in Hinsicht auf die Senkrechte, die durch den Anfangspunkt laͤuft, ist hier auf 1/5 Millimeter reducirt, und der Werth von y ist so ziemlich der ganze beabsichtigte Lauf: dieß ist alle Genauigkeit, die man verlangen kann. Nach diesen Werthen wird man die Lage des obersten Punktes der Stange des kleinen Parallelogrammes aus den Gleichungen (4) (auf das System angewendet, um welches es sich handelt) sehr leicht berechnen koͤnnen; und man hat am Ende des Laufes x' = (ς + b')/(ς + b)  x = 1,842/2,515 × 2m,4504   = 1m,7947. y' = (ς + b')/(ς + b)  y = 1,842/2,515 × 1m,52044 = 1m,114. Die Abweichung von der Senkrechten, die durch den Anfangspunkt laͤuft, ist fuͤr den ganzen Lauf nicht mehr als 3/10 Millimeter. Die Uebereinstimmung der Maße, so wie diese durch Berechnung abgeleitet sind, und wie sie unmittelbar auf der Maschine genommen und in meinem Berichte verzeichnet sind, ist eine sichere Gewaͤhr der Genauigkeit meiner Verfahrungsweise. Ich habe in dem Vorausgegangenen die Rechnung angewendet, als das einzige Mittel, mittelst dessen man die vollkommenste Genauigkeit erlangen kann, sowohl in Hinsicht auf Pruͤfung desjenigen, was bereits geschah, als auf den Entwurf desjenigen, was man ausfuͤhren will: indessen wird man sich immer der graphischen Methode mit Vortheil bedienen, wenn man sorgfaͤltig entweder in natuͤrlicher Groͤße oder in sehr großem Maßstabe zeichnet. So wird man, z.B., wenn man das System ABDHG, Fig. 3. haͤtte, das sich um den festen Punkt A dreht, mit Gliederung in B, D, H und G, und man den Punkt H eine Linie wollte durchlaufen lassen, die wenig von der senkrechten QH abweicht, einen Entwurf in natuͤrlicher Groͤße (épure) zeichnen, in welchem dieses System drei Lagen hat, in deren zwei der Punkt H an die aͤußersten Enden, und in deren dritten er in die Mitte seines Laufes kommt, in derselben Senkrechten. Diese drei Lagen des Systemes werden drei correspondirende des Punktes G liefern. Fuͤhrt man einen Kreis durch diese drei lezten Punkte, so wird man den festen Mittelpunkt k finden, und den Halbmesser kG, indem man die Bedingung erfuͤllt, die Bewegung des Punktes H so zu reguliren, daß er sich von Q bis H drei Mal in derselben Senkrechten befindet, von welcher er sich in den uͤbrigen Punkten wenig entfernen wird, wenn anders seine Verhaͤltnisse gehoͤrig getroffen sind. Durch Rechnungen gelangt man leicht zu demselben Resultate; ich halte mich aber an diese allgemeinen Anzeigen, und habe Grund zu hoffen, daß das hier eingeschlossene Detail den Mechanikern nuͤzlich seyn wird, die uͤber ihre Entwuͤrfe nachdenken wollen.

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