Titel: Ueber die krystallinische Verbindung, welche sich bei Bereitung der Schwefelsäure erzeugt. Von Hrn. Gautier de Claubry.
Fundstelle: Band 40, Jahrgang 1831, Nr. XXXV., S. 192
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XXXV. Ueber die krystallinische Verbindung, welche sich bei Bereitung der Schwefelsaͤure erzeugt. Von Hrn. Gautier de Claubry. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Novbr. 1830. S. 284. Claubry, uͤber die krystallinische Verbindung bei Bereitung der Schwefelsaͤure. Man kannte die Reactionen, welche bei Erzeugung der Schwefelsaͤure in den Bleikammern Statt finden, lange Zeit nicht, bis die HHrn. Clément und Desormes uͤber diesen Gegenstand eine sehr interessante Abhandlung bekannt machten;Annales de Chimie, Bd. LIX. S. 335. A. d. O. aber einerseits konnten sie durch ihre Verfahrungsweise die wahre Natur der Krystalle, welche sie untersuchten, nicht ausmitteln, und andererseits waren zu jener Zeit die Kenntnisse uͤber die verschiedenen Stikstoffverbindungen so mangelhaft, daß sie unmoͤglich zu sehr sichern Resultaten haͤtten gelangen koͤnnen. Sie kamen auf die Folgerung, daß die krystallinische Verbindung aus Schwefelsaure, Wasser und Stikstoffdeutoxyd besteht. Diese Meinung wurde allgemein angenommen; spaͤter untersuchte Hr. Gay-Lussac die verschiedenen Stikstoffverbindungen neuerdings und bewies auf eine sehr positive Art, daß die von den HHrn. Clément und Desormes untersuchte krystallinische Verbindung salpetriche Saͤure (acide nitreux, welche er pernitreux nannte) enthielt, und keineswegs Stikstoffdeutoxyd;Annales de Chimie et de Physique, B. I. S. 407. er stuͤzte sich naͤmlich darauf, daß man eine dem Anscheine nach der ersteren aͤhnliche krystallinische Verbindung hervorbringen kann, wenn man einen Strom salpetrichsauren Dampf in concentrirte Schwefelsaure leitet und daß diese Krystalle wie jene, welche man nach dem Verfahren der HHrn. Clément und Désormes erhaͤlt, mit Wasser in einer Atmosphaͤre von Kohlensaͤure zersezt, roͤthliche Daͤmpfe entwikeln, was nicht Statt faͤnde, wenn sie Stikstoffdeutoxyd enthielten. Die verschiedenen Meinungen, welche in Folge dieser Resultate aufgestellt wurden, erregten wie es scheint, die Aufmerksamkeit der Chemiker nicht, bis Dr. W. Henry Polytechnisches Journal Bd. XXIV. S. 146. A. d. R. seine Analyse einer Krystallmasse bekannt machte, welche man in einer Bleiroͤhre fand, die zur Beseitigung der unreinen Luft einer Schwefelsaͤurekammer diente. Dr. Henry schloß aus seinen Versuchen, daß die krystallinische Verbindung wahrscheinlich aus Schwefelsaͤure, hyposalpetricher Saͤure und Wasser bestehe; und obgleich er keine vollkommen reine Substanz angewandt zu haben scheint, so gelang es ihm doch die Zusammensezung der Krystalle fast genau zu bestimmen. Ungeachtet dieser Resultate, welche jene des Hrn. Gay-Lussac bestaͤtigten, wußte man noch nicht, wie die Gasarten, welche jene krystallinische Verbindung erzeugen, auf einander wirken, und Hr. Thénard nimmt in der fuͤnften Ausgabe seiner Chemie, ohne sich uͤber die wahre Natur der Krystalle zu aͤußern, an daß unter der Voraussezung sie bestaͤnden aus Schwefelsaͤure und salpetricher Saͤure, dem Sauerstoff der Luft die Ueberoxydation der schweflichen Saͤure unter dem Einflusse des Wasserdampfes und der salpetrichen Saͤure zugeschrieben werden muͤsse. Hr. Dumas discutirt sorgfaͤltig die beiden Theorien, sagt aber nicht, welcher er selbst den Vorzug gebe, waͤhrend Hr. Despretz der Ansicht der HHrn. Clément und Désormes folgend, die Zusammensezung der Krystalle nach dieser Theorie berechnete. Hr. Berzelius hingegen nimmt ganz die Resultate des Dr. Henry an und betrachtet wie jener die krystallinische Verbindung als aus 5 Atomen Schwefelsaͤure, 5 Atomen Wasser und 1 Atom salpetricher Saͤure bestehend. Ich suchte nun die wahre Natur dieser Krystalle auszumitteln, und zwar zuerst auf synthetischem Wege; ich verschaffte mir hiezu einen mit Glashaͤhnen versehenen Apparat, womit ich im luftleeren Raume arbeiten konnte, gab aber dieses Verfahren bald wieder auf, weil es einerseits sehr schwer war einen vollkommen dicht schließenden Apparat herzustellen und andererseits noch viel schwieriger, genau die Verhaͤltnisse der auf einander einwirkenden Gasarten zu bestimmen und nur so viel Wasser anzuwenden als zur Bildung der Krystalle noͤthig war. Ich unternahm sodann eine Reihe von Versuchen, welche bald auf einige wichtige Resultate fuͤhrten. Die directe Analyse der Krystalle bot mir so große Schwierigkeiten dar, daß ich endlich diese Arbeit, welche beinahe schon beendigt war, aufgab bis Hr. Bussy eine Abhandlung uͤber diesen Gegenstand bekannt machte.Vergl. Polytechnisches Journal Bd. XXXVIII. S. 58. A. d. R. Einige Umstaͤnde verhinderten mich selbst noch vor Bekanntmachung lezterer Abhandlung meine Untersuchungen der Akademie zu uͤbergeben; die Ansichten des Hrn. Bussy konnten mich in den meinigen nur befestigen und mich veranlassen meine Versuche zu beendigen. Um zu bestimmen ob der Sauerstoff der Luft zur Bildung der Krystalle noͤthig ist, konnte man die bisher immer befolgte Verfahrungsweise der HHrn. Clément und Désormes nicht anwenden. Ich vermuthete man koͤnnte dieselbe Verbindung durch Einwirkung feuchter schweflicher Saͤure auf die durch Destillation von salpetersaurem Blei erhaltene roͤthliche Saͤure erzeugen; dieß bestaͤtigten auch Versuche und so war es mir moͤglich eine große Menge der krystallinischen Verbindung zu bereiten. Ehe wir weiter gehen, muͤssen wir zur Vermeidung von Irrthuͤmern und Wiederholungen uns erklaͤren, was wir unter salpetricher Saͤure (acide nitreux) verstehen. Die roͤthliche Fluͤssigkeit, welche Hr. Dulong sehr genau untersuchte und salpetriche Saͤure (acide nitreux) nannte, kann sich nicht mit den Basen verbinden; bei ihrer Einwirkung auf dieselben zerfaͤllt sie in Salpetersaͤure und eine andere Saͤure, welche man bald unter-salpetriche (acide hypo-nitreux), bald vollkommen-salpetriche Saͤure (acide per-nitreux) genannt hat: es ist daher folgerechter diese Fluͤssigkeit als eine Verbindung von Salpetersaͤure mit wirklicher salpetricher Saͤure zu betrachten und ihr den Namen Untersalpetersaͤure zu geben, wenn man sie nicht mit Berzelius salpetriche Salpetersaͤure (acidum nitroso-nitricum) nennen will, was bezeichnender ist, und den Namen salpetriche Saͤure der Verbindung beizulegen, welche sich mit den Oxyden vereinigt und die man noch nicht im Zustande der Reinheit erhalten konnte. Dieser Ansicht folgten wenigstens die HHrn. Berzelius und Dumas in ihren Lehrbuͤchern und Hr. Bussy in seiner Abhandlung uͤber die krystallinische Verbindung. Wenn man auf Untersalpetersaͤure einen Strom feuchtes schweflichsaures Gas einwirken laͤßt, nachdem man das Gefaͤß mit Kohlensaͤure gefuͤllt hat, so uͤberzeugt man sich leicht, daß sich die Krystalle ohne den Einfluß von Sauerstoff bilden koͤnnen; man kann dabei auf folgende Art verfahren: In eine Flasche mit weiter Oeffnung bringt man eine oder mehrere mit Untersalpetersaͤure gefuͤllte duͤnne Glaskugeln und leitet einen Strom kohlensaures Gas hinein (welches man dadurch bereitet, daß man schweflichsaures Gas in eine Aufloͤsung von kohlensaurem Kali oder Natron leitet), und wenn das Gas, welches durch eine geeignete Roͤhre aus dem Apparate tritt, ganz von den Alkalien absorbirt wird, zerbricht man die Glaskugel vermittelst einer durch den Kork gestekten Glasroͤhre um die schwefliche Saͤure zu entbinden; fast augenbliklich bilden sich dann Krystalle, welche schnell sich vermehren und bald ist fast die ganze Fluͤssigkeit zu einer Masse erstarrt. Damit in die Flasche, worin sich die Kugeln befinden, keine zu große Menge Wasser tritt, bringt man zwischen leztere und das Gefaͤß, welches die Aufloͤsung des kohlensauren Salzes enthaͤlt, eine kleine Roͤhre, welche man nach Erforderniß erkaͤltet und worin sich das von dem Gas fortgerissene Wasser verdichtet. Diese Vorsicht ist unumgaͤnglich noͤthig, denn wenn Wasser uͤber die Krystalle streicht, so zersezen sie sich augenbliklich und oft mit einer solchen Heftigkeit, daß der ganze Apparat zerbrochen wird, was mir oͤfters begegnete. Dieser Versuch beweist, daß die krystallinische Verbindung sich sehr leicht bei Einwirkung des schweflichsauren Gases auf Untersalpetersaͤure unter dem Einfluß einer gehoͤrigen Menge Wassers erzeugt; wir lernen dadurch aber die zwischen den angewandten Substanzen Statt findende Reaction nicht kennen. Wenn man aufmerksam die Fluͤssigkeit beobachtet, auf welche das schweflichsaure Gas einwirkt, so bemerkt man kleine Blasen, die sich um so schleuniger entwikeln, je schneller die Krystalle sich erzeugen. Um die Natur dieses Gases zu bestimmen, war es nicht hinreichend, es uͤber Wasser oder Queksilber aufzusammeln, denn da durch den Strom schweflichsauren Gases eine betraͤchtliche Menge Untersalpetersaͤure mitgerissen wird, so wuͤrde sie durch ihre Beruͤhrung mit der Fluͤssigkeit Stikstoffdeutoxyd hervorbringen; man koͤnnte die roͤthlichen Daͤmpfe nicht ganz verdichten, wenn man die Gase durch eine auf – 20° C. erkaͤltete Roͤhre streichen ließe; um sie ganz zu absorbiren, benuzte ich eine Beobachtung des Hrn. Dulong, welcher fand, daß bei einer Temperatur von ungefaͤhr 200° der salpetrichsaure Dampf ganz von Baryt absorbirt wird; und wenn man die Operation sorgfaͤltig leitet, so kann man alsdann die Gasarten sammeln, welche keinen roͤthlichen Dampf mit sich reißen. Nach verschiedenen Versuchen blieb ich bei der Anwendung des so eben besprochenen Apparates stehen, indem ich an der Flasche, welche die Glaskugel enthielt, eine in Gestalt eines U gekruͤmmte Roͤhre anbrachte, welche in ein Gemenge von 20° Kaͤlte tauchte; mit dieser verband ich eine lange Roͤhre, die Baryt enthielt, welchen ich auf ungefaͤhr 200° erhizte, indem ich sodann eine kleine Gloke anbrachte, welche dazu bestimmt war Queksilber aufzunehmen, wenn, wie dieses sehr oft geschieht, eine Absorption Statt fand; an lezterer brachte ich sodann eine Roͤhre an, welche das Gas uͤber Queksilber leitete, sie war durch eine Kautschukroͤhre unterbrochen, wodurch man das Ende der Roͤhre aus dem Queksilber herausziehen konnte, im Falle die Absorption zu stark wurde. Nachdem der Apparat mit kohlensaurem und schweflichsaurem Gas angefuͤllt ist (so daß die entwikelten Gase hoͤchstens 1/700 bis 1/800 Ruͤkstand hinterlassen), zerbricht man die Kugeln, welche die Untersalpetersaͤure enthalten und sammelt die sich entwikelnden Gase, nachdem man zuvor alle Kohlensaͤure und schwefliche Saͤure die sie enthalten, durch Stuͤke geschmolzenen Kalis absorbirt hat, welche man vermittelst eines Eisendrahtes hineinbringt: das ruͤkstaͤndige Gas roͤthet sich nicht in Beruͤhrung mit Sauerstoff, veraͤndert durch eine Aufloͤsung von Eisenvitriol sein Volum nicht, und enthaͤlt daher kein Stikstoffdeutoxyd: erhizt man Kalium in diesem Gase, so brennt es nicht und veraͤndert auch sein Volum nicht; es enthaͤlt daher kein Stikstoffprotoxyd und seine negativen Eigenschaften lassen keinen Zweifel, daß es Stikstoff ist. Das schweflichsaure Gas aͤndert sich also bei seiner Einwirkung auf Untersalpetersaͤure unter dem Einflusse einer sehr geringen Menge Wassers in eine krystallinische Verbindung um, indem es einen Theil der roͤthlichen Saͤure zersezt und sich mit einem Theile salpetricher Saͤure und Wasser verbindet. Wenn man durch Einwirkung von schweflicher Saͤure auf Untersalpetersaͤure Krystalle erzeugt, bemerkt man, daß die die Krystalle bedekende Fluͤssigkeit eine mehr oder weniger dunkle gruͤne Farbe annimmt, welche die Bildung einer gewissen Quantitaͤt Salpetersaͤure anzuzeigen scheint; man kann sich davon uͤberzeugen, wenn man die abgegossene Fluͤssigkeit bei einer Temperatur, welche + 28° C. nicht uͤberschreitet, destillirt; man erhaͤlt dann eine sehr geringe Menge rauchender Salpetersaͤure als Ruͤkstand und es destillirt Untersalpetersaͤure uͤber. Ich mußte nun ermitteln ob der bei der Operation entwikelte Stikstoff nicht von dieser Erzeugung von Salpetersaͤure herruͤhrt; ich verwandelte zu diesem Ende Schwefelsaͤure vermittelst Untersalpetersaͤure in einer Atmosphaͤre von trokener Kohlensaͤure in eine krystallinische Masse, indem ich die mitgerissene Untersalpetersaͤure durch eine Kaͤlte von – 20° verdichtete und den entwichenen Theil durch Baryt, welcher auf 200° erhizt war, verdichtete. Nachdem das kohlensaure Gas durch Stuͤke von Aezkali abgeschieden war, erhielt man einen kaum merklichen Ruͤkstand von Stikstoff und dessen ungeachtet bildete sich eine große Menge Salpetersaͤure, denn die Masse verbreitete mit den roͤthlichen zugleich weiße Daͤmpfe an der Luft und als man einen großen Ueberschuß von Untersalpetersaͤure anwandte, so daß fast die ganze Fluͤssigkeit zu einer krystallinischen Masse erstarrte, die Fluͤssigkeit abgoß, und die Krystalle mit Untersalpetersaͤure auswusch, erhielt man, als man jene destillirte, eine betraͤchtliche Menge rauchender Salpetersaͤure. Der Stikstoff, welcher sich in großer Menge bei Einwirkung von Untersalpetersaͤure auf schwefliche Saͤure entbindet, ruͤhrt daher nicht von der Erzeugung von Salpetersaͤure her, welche dabei in sehr geringer Menge entsteht. Wenn man bei dem so eben angegebenen Versuche moͤglichst viele Krystalle erhalten will, so muß man vermittelst eines Glasstabes, welcher an seinem Ende spiralfoͤrmig gekruͤmmt ist, und durch den Kork der Flasche geht, welche die Glaskugeln enthaͤlt, die Schwefelsaͤure fast bestaͤndig schuͤtteln, um sie mit der auf ihr schwimmenden Untersalpetersaͤure zu vermischen, welche ohnedieß von dem Gasstrome fast ganz fortgerissen wuͤrde und man sieht, was auch Hr. Bussy bemerkt hat, daß die Krystalle sich erst nach einer gewissen Zeit bilden, waͤhrend sie bei der Einwirkung von Untersalpetersaͤure auf schwefliche Saͤure fast augenbliklich erzeugt werden. Bei dem so eben angefuͤhrten Versuche entstehen die Krystalle langsam und dieß scheint daher zu ruͤhren, daß sich nothwendig eine sehr betraͤchtliche Menge Salpetersaͤure abscheiden muß, diese mag sich nun durch die theilweise Desoxydation einer kleinen Menge roͤthlicher Saͤure oder vielmehr dadurch bilden, daß die beiden Saͤuren, aus deren Vereinigung diese Verbindung entsteht, sich trennen, daß die salpetriche Saͤure sich mit einem Theil Schwefelsaͤure verbindet, und daß die Salpetersaͤure sich mit einem Theil Wasser und mit der Schwefelsaͤure vereinigt und dadurch die Fluͤssigkeit erzeugt, welche die Krystalle traͤnkt und darauf schwimmt; wir halten leztere Meinung fuͤr die wahrscheinlichste, besonders wenn man bedenkt, wie viel Salpetersaͤure sich hiebei bildet. Fuͤllt man hingegen die Gefaͤße zuerst mit Stikstoffdeutoxyd, und zerbricht die Kugeln, wenn das Gas ganz von schwefelsaurem Eisen absorbirt wird, so erhaͤlt man unmittelbar Krystalle. Hr. Bussy machte dieselbe Beobachtung, indem er auf eine andere Art operirte. Wenn man den oben angegebenen Versuch zur Bildung der Krystalle mit schweflichsaurem Gas und Untersalpetersaͤure unter denselben Umstaͤnden wiederholt, so bemerkt man, daß sich die Krystalle mit einer schwachen Gasentbindung bilden und nachdem man das schweflichsaure und kohlensaure Gas durch Kali absorbirt hat, findet man daß viel weniger Stikstoff zuruͤkbleibt, als bei der ersten Verfahrungsweise, was wie der vorhergehende Versuch die Ansicht bestaͤtigt, daß sich nicht die Untersalpetersaͤure, sondern die salpetriche Saͤure mit der Schwefelsaͤure zu der krystallinischen Verbindung vereinigt. Da man die von dem Gasstrom mitgerissene Untersalpetersaͤure nicht vollstaͤndig verdichten kann, so kann man das Verhaͤltniß, in welchem die Substanzen auf einander reagiren und die Menge des sich entbindenden Gases nicht genau bestimmen; wenn man aber ziemlich gleiche Quantitaͤten Untersalpetersaͤure bei den Versuchen anwendet und die Operation mit ziemlich gleicher Zeit ausfuͤhrt, so kann man leicht die Quantitaͤten des entbundenen Gases vergleichen. Aus dem Vorhergehenden ersieht man, daß die Bildung der Krystalle von einer Stikstoffentbindung begleitet wird, welche von der Zersezung eines Theiles Untersalpetersaͤure herruͤhrt, und daß die Erzeugung von Salpetersaͤure dazu nur sehr wenig beizutragen scheint, weil, wenn man den Versuch mit Schwefelsaͤure anstellt, man kaum Stikstoff und eine große Menge Salpetersaͤure erhaͤlt. Da das schweflichsaure Gas und der roͤthliche Dampf, wenn sie ganz troken sind, nicht auf einander wirken, so kann auch die wasserfreie schwefliche Saͤure nicht auf die Untersalpetersaͤure reagiren, wie dieses Versuche zeigten; wenn man aber die beiden Fluͤssigkeiten bei einer Temperatur von – 20° C. mit einander vermengt hat und sodann vermittelst einer ausgezogenen Roͤhre einen Tropfen Wasser hineinfallen laͤßt, so zeigt sich eine lebhafte Reaction, es bilden sich sogleich Krystalle und es entsteht ein geraͤuschvolles Aufbrausen von Stikgas. Dieß gibt sogar ein Mittel an die Hand, sich eine große Menge Krystalle zu verschaffen, wenn man nicht sehr auf ihre Reinheit sieht, sie enthalten naͤmlich sodann Salpetersaͤure. Um die Krystalle nach diesem Verfahren zu bereiten, leitet man das schweflichsaure Gas in eine Gloke, welche Untersalpetersaͤure enthaͤlt und auf – 20° abgekuͤhlt ist. Es bildet sich alsbald eine gewisse Quantitaͤt Krystalle, wenn man aber etwas Wasser zusezt und das Gefaͤß auf 0° erhaͤlt, so kann man ihre Menge so zu sagen nach Belieben vermehren. Da sich bei der Einwirkung von schweflicher Saͤure auf Untersalpetersaͤure immer eine gewisse Quantitaͤt Salpetersaͤure bildet, so muß man, um reine Krystalle von immer gleichfoͤrmiger Zusammensezung zu erhalten, sie oͤfters mit Untersalpetersaͤure aussuͤßen und leztere bei einer Temperatur von 21 bis 30° durch einen Strom mit Chlorcalcium getrokneter Luft verjagen; ohne diese Vorsicht werden die Krystalle bald feucht, es entwikeln sich rothe Daͤmpfe und ihre Zusammensezung aͤndert sich sehr schnell. Die wasserfreie Schwefelsaͤure mischt sich schwer mit der Untersalpetersaͤure; es findet, wie sich dieß voraussehen laͤßt, keine Reaction Statt; versezt man aber das Gemenge mit Wasser, so erhoͤht sich die Temperatur sehr, es wird eine große Menge Untersalpetersaͤure verfluͤchtigt und es bilden sich aͤhnliche Krystalle, wie man sie mit Schwefelhydrat erhaͤlt; und was merkwuͤrdig ist, wenn man die Schwefelsaͤure mit einem Atom Wasser oder etwas weniger versezt, und Untersalpetersaͤure in Ueberschuß anwendet, so bleibt immer eine Fluͤssigkeit uͤber den Krystallen stehen, welche Salpetersaͤure mit Schwefelsaͤure gemengt enthaͤlt. Wenn man die wasserfreie Schwefelsaͤure mit Wasser mengt, so muß man dabei vorsichtig seyn, ich hatte zwar nie Gelegenheit die Entzuͤndung zu beobachten, wovon Hr. Berzelius in seinem Lehrbuch der Chemie spricht, aber ich erhielt oft eine sehr heftige und gefaͤhrliche Detonation. Da die krystallinische Verbindung durch Auswaschen mit Untersalpetersaͤure nicht ganz von der mit Salpetersaͤure gemischten Schwefelsaͤure befreit werden kann, so kann man keine Krystalle erhalten, welche hinsichtlich ihrer Zusammensezung denjenigen ganz aͤhnlich sind, die man mit Schwefelsaͤure und Untersalpetersaͤure erhaͤlt; aber da sie ganz dieselben Eigenschaften haben, so ist kein Zweifel, daß es dieselbe Verbindung ist. Bisweilen nehmen die Krystalle, wenn sie sich langsam bilden, sehr regelmaͤßige Formen und ein betraͤchtliches Volum an. Die auf oben angegebene Weise gereinigte krystallinische Verbindung ist weiß, zieht die Feuchtigkeit stark an, und entbindet sogleich roͤthliche Daͤmpfe; wenn sie einige Augenblike mit der Luft in Beruͤhrung bleibt, so aͤndert sie sich bald in eine oͤhlartige Fluͤssigkeit um, welche Schwefelsaͤure und eine gewisse Menge Salpetersaͤure und Untersalpetersaͤure enthaͤlt, welche lezteren man leicht durch Erwaͤrmen davon trennen kann. Wenn die Krystalle nur die geringste Menge Feuchtigkeit absorbiren, so entwikeln sich sogleich roͤthliche Daͤmpfe, so daß sie nur eine bestimmte Menge Wasser enthalten koͤnnen. Wenn man die krystallinische Verbindung in einer ausgezogenen Roͤhre erhizt, so daß sie mit der Luft nicht zu sehr in Beruͤhrung kommt, so faͤngt sie bei 50° C. an Stikstoffdeutoxyd und rothe Daͤmpfe zu entbinden, welche mit der Temperaturerhoͤhung immer reichlicher werden. Bei 90° sind sie sehr stark; bei 100° erweicht sich die Masse und wird teigig; bei 120 oder 130° ist sie ganz fluͤssig und entwikelt viele rothe Daͤmpfe; bei 200° kocht die Fluͤssigkeit und gibt etwas Salpetersaͤure; bei 280° ist sie sehr durchsichtig, rothgelb und entwikelt viel Salpetersaͤure; wenn man sie in diesem Zustande abkuͤhlt, so bleibt sie gruͤnlichgelb; beim Siedepunkte des Queksilbers endlich destillirt die Fluͤssigkeit, ist ziemlich farblos, enthaͤlt aber noch salpetriche Saͤure, denn das Wasser entbindet daraus rothe Daͤmpfe. Wenn man die Krystalle mit Bittererde gemengt erhizt, so geraͤth oft die ganze Masse in lebhaftes Gluͤhen: Baryt wirkt auf aͤhnliche Weise und oft so energisch, daß fast die ganze Masse fortgeschleudert wird. Dr. W. Henry versuchte die krystallinische Verbindung zu analysiren, aber die von ihm befolgte Methode kann, obgleich sie gut ausgedacht zu seyn scheint, kein genaues Resultat geben, wie ich mich davon durch viele Versuche uͤberzeugt habe. Wenn man die Untersalpetersaͤure (man mag sie nun als aus Salpetersaͤure und Untersalpetersaͤure bestehend oder als eine eigenthuͤmliche Saͤure betrachten) mit Wasser mengt, so zersezt sie sich in diese beiden Saͤuren und es entwikelt sich Stikstoffdeutoxyd; man sollte glauben, daß die relativen Saͤuremengen sich wenigstens unter denselben Umstaͤnden gleich bleiben muͤßten, dem ist aber nicht so, man mag was immer fuͤr eine Quantitaͤt Wasser nehmen und sie mehr oder weniger schnell damit vermischen. Ich glaubte die Alkalien wuͤrden vielleicht genauere Resultate geben, aber es zeigen sich dieselben Differenzen, und man kann sich daher dieses Verfahrens nicht zur Analyse der Krystalle bedienen; dieß zeigen folgende Versuche, wobei die Menge der Saͤuren durch das Aequivalent des schwefelsauren Kalks angegeben ist; man vermischte naͤmlich mit einer Quantitaͤt Untersalpetersaͤure, welche durch 100 vorgestellt ist, gleiche Mengen Wasser und erhielt dabei sehr wandelbare Resultate. Der erhaltene schwefelsaure Kalk betrug naͤmlich bei den verschiedenen Versuchen = 79,17 = 91,44 = 101,69 = 111,20 = 122,30 = 131,10 = 142,30 = 156,10 = 184,2 = 231,5 = 250 und 251,65. Ich versuchte vergeblich noch verschiedene andere Methoden, wovon es unnuͤz waͤre hier zu sprechen; endlich glaubte ich die Quantitaͤt der salpetrichen Saͤure auf folgende Art bestimmen zu koͤnnen, welche mir in der That auch bei mehreren Gelegenheiten regelmaͤßige Resultate gab, von denen aber einige doch zu sehr von einander abwichen, als daß sie zu einer genauen Analyse anwendbar waͤre. Wenn man Krystalle in einem kleinen Platintiegel abwiegt, welchen man in eine mit ausgekochtem Queksilber gefuͤllte Retorte bringt und die Temperatur Anfangs schwach, sodann bis zum Kochen des Queksilbers erhoͤht, so erhaͤlt man als Endresultat schwefelsaures Queksilber und ein Gemenge von schweflichsaurem Gas mit Stikstoffdeutoxyd, welches man außerordentlich leicht analysiren kann. Wenn man zuerst eine kleine Menge Schwefelsaͤure in die Retorte treten laͤßt und sodann die Krystalle hineinbringt, so findet dieselbe Zersezung sehr leicht Statt und man erhaͤlt ein aͤhnliches Resultat. Dieses Verfahren gab mir bisweilen das wahre Verhaͤltniß von salpetricher Saͤure, oft aber auch weniger als sie wirklich betraͤgt. Ein Verfahren aber, welches mir vollkommen gelang, besteht in Folgendem. Man bringt die Krystalle in eine Roͤhre, verkorkt und wiegt sie, worauf man eine dike Schichte Bariumhyperoxyd auf sie bringt, wenigstens das zehnfache Gewicht der Krystalle und gießt Wasser daruͤber: lezteres dringt schnell durch das Oxyd, und zersezt die Krystalle in dem Maße als es mit ihnen in Beruͤhrung kommt, wobei sich die Temperatur sehr erhoͤht; sollte die Zersezung nicht gehoͤrig Statt finden, so bewegt man die Masse mit einem Platindraht, aber vorsichtig, damit sich keine roͤthlichen Daͤmpfe entwikeln. Wenn die Operation gut geleitet wird, entbindet sich kein Gas; man bemerkt kaum einen schwachen roͤthlichen Dampf und wenn die Einwirkung beendigt ist, bringt man das Ganze in eine Schale und kocht es mit Wasser: das uͤberschuͤssige Bariumsuperoxyd wird zersezt und das Wasser enthaͤlt Baryt und salpetersauren Baryt: um den Baryt abzuscheiden, verdampft man die Fluͤssigkeit oͤfters bei gelinder Waͤrme zur Trokniß, worauf man sie filtrirt und den Baryt mit Schwefelsaͤure niederschlaͤgt. Aus lezterem Niederschlage berechnet man die Menge der salpetrichen Saͤure. Man kann, um die Operation zu beschleunigen, einen Strom kohlensaures Gas durch die Fluͤssigkeit leiten, muß sie aber sodann lange Zeit kochen, damit kein kohlensaurer Baryt in der uͤberschuͤssigen Kohlensaͤure aufgeloͤst bleibt. Man kann das Bariumhyperoxyd zu diesem Versuche aus Baryt und Sauerstoff bereiten; wenn aber der Baryt ein wenig Mangan enthaͤlt, wie dieses fast immer der Fall ist, so loͤst sich eine geringe Menge davon auf und man muß befuͤrchten auch etwas Kieselerde und Alaunerde zu erhalten. Besser eignet sich das Oxyd, welches durch schwaches, mit Salzsaͤure gemischtes oxydirtes Wasser erhalten wurde; man muß aber sorgfaͤltig darauf achten, daß es kein Chlorbarium enthaͤlt. Diese Substanz duͤrfte sich noch zu mehreren analytischen Operationen benuzen lassen. Man koͤnnte auch die Menge der salpetrichen Saͤure mittelst Bleihyperoxyd bestimmen, da aber das schwefelsaure Blei in einem mit Schwefelsaͤure gesaͤuerten Wasser nicht ganz unaufloͤslich ist, so koͤnnten sich schwerloͤsliche basische Salze bilden, zu deren Abscheidung man sich eines mit Essigsaͤure versezten Wassers bedienen muͤßte. Auch die Bestimmung des Wassergehaltes bietet einige Schwierigkeiten dar; ich glaubte daß es zur Bestaͤtigung der vorhergehenden Resultate gut waͤre, denselben direct zu bestimmen. Wenn man die Krystalle mit Bittererde mengt und die Temperatur bis zum Rothgluͤhen erhoͤht, so erhaͤlt man wasserfreie schwefelsaure Bittererde und das Wasser entbindet sich mit mehr oder weniger Untersalpetersaͤure; durch die Beruͤhrung dieser Saͤure mit Wasser aber entsteht Salpetersaͤure, welche auf das zur Bestimmung des Wassers angewandte Chlorcalcium wirken wuͤrde. Ich ließ, um einen dadurch entstehenden Fehler zu vermeiden, die Daͤmpfe uͤber rothgluͤhendes Kupfer streichen: es entbindet sich sodann Stikstoff und Wasser, da aber bei der Operation keine Gasarten entstehen, so ist es fast unmoͤglich alles Wasser zu entwikeln: nachdem ich versucht hatte am Ende des Apparates die Luft auszupumpen und noch verschiedene andere Abaͤnderungen in dem Verfahren gemacht hatte, bediente ich mich eines sehr bequemen Mittels, welches darin besteht, uͤber das rothgluͤhende Gemenge einen Strom Sauerstoffgas zu leiten, welchen man aus recht trokenem chlorsaurem Kali entwikelt: man kann dadurch alles Wasser erhalten. Anstatt der Bittererde koͤnnte man auch Bleihyperoxyd nehmen, dessen Sauerstoff den Wasserdampf mit sich zieht; chlorsaures Kali ist aber vorzuziehen, obgleich man auch mit Bleihyperoxyd ziemlich uͤbereinstimmende Resultate erhaͤlt. Die Bestimmung des Schwefelsaͤuregehaltes bietet keine Schwierigkeiten dar. Die Resultate des Dr. Henry stimmen sehr gut mit demjenigen uͤberein, was man aus dem Versuche des Hrn. Gay-Lussac uͤber die Einwirkung der Untersalpetersaͤure auf die Schwefelsaͤure schließen konnte; aber man konnte sich daraus noch nicht erklaͤren, warum diese Saͤure durch einen großen Ueberschuß von Untersalpetersaͤure nicht ganz in Krystalle verwandelt wird; Hr. Bussy konnte durch sein Verfahren nur die relativen Quantitaͤten von Stikstoffdeutoxyd und Sauerstoff welche sich verbinden, ausmittteln; man konnte aber aus den Versuchen dieser Chemiker nicht den wirklichen Wassergehalt erfahren: da dieselben die Feuchtigkeit außerordentlich stark anziehen, so sollte man glauben, sie wuͤrden weniger Wasser enthalten als das Schwefelsaͤurehydrat; meine Versuche scheinen jedoch unwiderlegbar darzuthun, daß sie im Gegentheil mehr als jenes enthalten. Nach den oben angegebenen Methoden erhielt ich fuͤr die Zusammensezung der Krystalle im Mittel aus zehn Versuchen: Textabbildung Bd. 40, S. 203 Atome Dr.Henry hatte durch Versuche gefunden, Textabbildung Bd. 40, S. 203 Hieraus schloß er, daß die Krystalle enthalten muͤßten Textabbildung Bd. 40, S. 203 oder; Atome Wahrscheinlich waren die Krystalle, welche Dr. Henry unters suchte, mit Schwefelsaͤure und Wasser gemengt; dieß ist um so eher zu vermuthen, weil er sagt, die Masse sey teigig gewesen, waͤhrend man die Krystalle doch in vollkommen troknem Zustande erhalten kann. Die Schwefelsaͤure loͤst sie leicht auf und dieß koͤnnte leicht irrige Vorstellungen uͤber ihre Zusammensezung verursachen. Wenn man die Zusammensezung der Krystalle nach den von mir erhaltenen Resultaten berechnet, so wird man finden, daß sie enthalten muͤssen: Textabbildung Bd. 40, S. 203 oder in Atomen Die Unterschiede sind so gering, daß ich glaube, man wird an der Genauigkeit dieser Resultate nicht zweifeln koͤnnen. Die durch Schwefelsaͤure und Untersalpetersaͤure gebildeten Krystalle bleiben immer mit Schwefelsaͤure und Salpetersaͤure getraͤnkt, selbst wenn man sie mit einem großen Ueberschuß von Untersalpetersaͤure ausgesuͤßt hat. Ich versuchte mehrmals sie zu analysiren, fand aber ihre Zusammensezung wandelbar, was offenbar von dieser Beimischung und dem uͤberschuͤssigen Wasser der Schwefelsaͤure herruͤhrt: indessen glaube ich, daß man an ihrer Identitaͤt mit denjenigen, welche man durch obige Verfahrungsweisen sehr rein erhaͤlt, nicht zweifeln kann. Aus den in dieser Abhandlung enthaltenen Thatsachen geht hervor, daß man bisher die Theorie, der Schwefelsaͤurebildung noch nicht genau kannte und daß bei diesem Proceß die schwefliche Saͤure einen Theil der Untersalpetersaͤure vollstaͤndig zersezt, daraus Stikstoff entbindet und daß sie, in Schwefelsaͤure umgeaͤndert, sich mit der salpetrichen Saͤure und mit einem Theile Wasser vereinigt, um die krystallinische Verbindung zu bilden; dieß erklaͤrt, wie Hr. Bussy zeigte, die widersprechenden Resultate der HHrn. Clément und Désormes und Gay-Lussacs. Es geht ferner daraus hervor, daß die krystallinische Verbindung als ein wahres Doppelsalz von salpetricher Saͤure und Wasser mit Schwefelsaͤure betrachtet werden kann und daß sie weniger Wasser als das Schwefelsaͤurehydrat enthaͤlt.