Titel: Ueber die wahre Natur des Goldpurpurs.
Fundstelle: Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXVI., S. 272
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LXVI. Ueber die wahre Natur des Goldpurpurs. Aus dem Journal de Pharmacie. April 1831, S. 219. Ueber die wahre Natur des Goldpurpurs. Zweierlei Ansichten werden seit langer Zeit uͤber die Natur des Goldpurpurs von den Chemikern aufgestellt; die einen betrachten ihn als eine Verbindung eines eigenthuͤmlichen Goldoxydes mit Zinnoxyd; die anderen aber als ein bloßes Gemenge von Zinnoxyd mit metallischem, außerordentlich zertheiltem Gold. Erstere Meinung, welcher die meisten Chemiker folgen, gruͤndet sich jedoch auf keine positive Thatsache: man kann wirklich nicht mehr annehmen, daß sich ein eigenthuͤmliches Goldoxyd bildet, wenn man das metallische Gold einer elektrischen Entladung unterzieht, und noch weniger, daß sich ein solches Oxyd, oder irgend ein anderes, mit dem Zinnoxyd verbindet, da man seit langer Zeit durch analytische Resultate weiß, daß die Zusammensezung des Purpurs sich sehr genau durch Zinnoxyd und metallisches Gold ausdruͤken laͤßt. Die zweite Meinung hingegen hat nicht nur die Resultate der Analyse fuͤr sich, sondern es spricht auch noch die große Verwandtschaft des salzsauren Zinnoxyduls zum Sauerstoff und die leichte Reducirbarkeit des Goldoxyds fuͤr dieselbe; der wandelbare Gehalt des Purpurs an Zinnoxyd scheint zu beweisen, daß er ein Gemenge ist, und seine Unaufloͤslichkeit in Salzsaͤure und Salpetersaͤure erklaͤrt sich sehr gut durch die Annahme, daß das Gold darin nicht oxydirt ist. Hr. Vuisson hat diesen Beweisen in einer sehr interessanten AbhandlungPolytechnisches Journal Bd. XXXVIII. S. 296. A. d. R. noch einige andere beigefuͤgt und sich besonders bemuͤht zu zeigen, 1) daß in dem Purpur das Gold in metallischem Zustande vorhanden und bloß in einer unaufloͤslichen Verbindung von Zinnoxyd mit salzsaurem Zinnoxyd (Doppelt-Chlorzinn) vertheilt ist; 2) daß die Zinnsalze zur Bildung des Purpurs nicht unumgaͤnglich noͤthig sind, weil man sie durch Salze von Antimon, Wismuth oder irgend einen anderen Koͤrper, welcher das Gold im zertheilten Zustande zu erhalten im Stande ist, ersezen kann; 3) endlich, daß die Purpurfarbe nur dem sehr zertheilten Golde zukommt. Diese Behauptungen wurden von Hrn. Robiquet bestritten; da aber Hr. Buisson die Bemerkungen des Hrn. Robiquet in einer zweiten Abhandlung zu widerlegen suchtePolytechnisches Journal Bd. XXXIX. S. 328. A. d. R. und mehr als je auf seiner Ansicht beharrt, so stellte ich einige Versuche an, um zu erfahren, auf welcher Seite die Wahrheit liegt. Zuerst wollte ich mich versichern, in welchem Zustande sich das Gold befindet, wenn es die Purpurfarbe zeigt. Ich vermischte salzsaures Gold mit saurem salzsaurem Antimon oder salpetersaurem Wismuth und faͤllte die Fluͤssigkeit mit einer sehr schwachen Aufloͤsung von schwefelsaurem Eisenoxydul, um nicht alles salzsaure Gold zu reduciren. Die Reduction und Faͤllung fanden so in demselben Augenblike Statt. Ich erhielt aber keinen Purpur. In der Meinung, daß dieses Resultat von dem physischen Zustand der Niederschlaͤge herkommen koͤnnte, welche in diesen beiden Faͤllen pulverfoͤrmig, bei Anwendung von Zinnsalzen hingegen hydratisch sind, stellte ich den Versuch anstatt mit Antimon- und Wismuthsalzen, mit frisch gefaͤlltem Alaunerdehydrat an, welches kein Alkali enthielt: es zeigte sich aber auch jezt keine Purpurfarbe. Diese Versuche brachten mich auf den Gedanken, daß die mechanische Zertheilung nicht hinreichend seyn duͤrfte, um die Vereinigung der Goldatome zu verhindern, und daß die Aufloͤsung dieses Metalles nicht durch die Substanzen reducirt werden darf, welche sie gewoͤhnlich purpurroth faͤrbt. Ich fand in der That, daß unter verschiedenen Substanzen, welche man mit dieser Aufloͤsung in Beruͤhrung bringt, einige niemals Purpur geben, andere aber mehr oder weniger leicht, je nach ihrer Natur und dem Zustande, worin man sie anwendet; wieder andere faͤrbten sich nur unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen oder eines gewissen Hizgrades. Die fluͤchtigen Oehle und alle anderen wasserstoffhaltigen Koͤrper befinden sich in dem ersten Falle; die Epidermis, Gallerte, arabisches Gummi, Wolle, Seide, Elfenbein in dem zweiten; der Marmor, die kieselhaltigen Steine, die Neutralsalze, der Zuker, das Staͤrkmehl, die Citronensaͤure, Kleesaͤure und mehrere anders naͤhere Bestandtheile des Pflanzenreiches in dem dritten. Da nun gerade diejenigen Substanzen, welche die Goldaufloͤsung reduciren, keinen Purpur geben, so darf man annehmen, daß diese Farbe nur das Resultat einer einfachen Modification des salzsauren Goldes ist; dieses Salz hat bekanntlich die Eigenschaft, unter dem Einfluß der Waͤrme oder der Sonnenstrahlen ein wenig Saͤure zu verlieren und sich in neutrales salzsaures Gold umzuaͤndern, dessen Farbe dunkelroth oder purpurroth ist. Diese Vermuthung wurde durch folgenden Versuch außer allen Zweifel gesezt: ich traͤnkte Stuͤke von weißem Marmor mit Goldaufloͤsung und ließ sie mehrere Tage lang im Schatten, wodurch sie sich nicht faͤrbten. Ich sezte sie dann der Sonne oder einer maͤßigen Waͤrme aus, wodurch sie bald eine schoͤne Purpurfarbe erhielten. Endlich gluͤhte ich sie, wodurch die Farbe verschwand. Offenbar wurde im ersteren Falle das salzsaure Salz nicht zersezt, waͤhrend die Zersezung im zweiten anfing und im dritten vollendet wurde. Dieses Salz verhielt sich ganz und gar wie wenn es im freien Zustande gewesen waͤre. Seine innige Vereinigung mit dem Marmor bewirkte keine Veraͤnderung. Aus allen diesen Erscheinungen geht nothwendiger Weise hervor, daß das Gold, wenn es die Purpurfarbe zeigt, in einem Zustande von Verbindung ist. Da nun der Purpur, welchen man mit Zinn erhaͤlt, der einzige ist, welcher einer hohen Temperatur widersteht, so kann man auch annehmen, daß das Zinn der einzige Koͤrper ist, welcher mit dem Gold eine dauerhafte Verbindung eingeht. Ich will nun bemerken: 1) daß das reine salzsaure Zinnoxydul die Goldaufloͤsung reducirt; 2) daß es mit einem Ueberschuß von salzsaurem Zinnoxyd gemischt, Purpur bildet; 3) daß der Purpur durch uͤberschuͤssiges Zinnoxydulsalz und alle desoxydirenden Koͤrper reducirt wird; hieraus scheint mir natuͤrlich zu folgen, daß wenn sich die Purpurfarbe einstellt, das Goldoxyd nicht reducirt wird, sondern mit Zinnoxydul und Zinnoxyd eine dreifache Verbindung, den Purpur bildet. Diese Ansicht hat nichts Auffallendes, wenn man bedenkt, welche große Analogie zwischen dem Zinn, Eisen und Mangan Statt findet; alle diese Metalle koͤnnen doppelte oder dreifache Verbindungen bilden, wie das magnetische Eisenoxyd Textabbildung Bd. 41, S. 274 das Manganoxyd, welches man durch Gluͤhen des Superoxydes erhaͤlt Textabbildung Bd. 41, S. 274 und gewisse eisenhaltige Manganoxyde, in welchen die Protoxyde die Rolle der Basis gegen die Deutoxyde zu spielen scheinen. Man koͤnnte mir jedoch entgegnen, daß die chemischen Eigenschaften des Goldes sich sehr von denjenigen der angefuͤhrten Metalle unterscheiden; ich bemerke aber, daß das salzsaure Gold in vierseitigen Prismen krystallisirt und die Eigenschaft hat, Doppelsalze von derselben Krystallform mit dem salzsauren Kali und Natron zu bilden, deren Grundform der Wuͤrfel ist, daher wahrscheinlich das Goldoxyd mit dem Kali und Natron, folglich auch mit dem Eisenoxydul, Manganoxydul, Zinnoxydul u.s.w. isomorph ist. Das Iridium steht in der Oxydationsreihe noch unter dem Gold und hat doch wie Mangan und Chrom die Eigenschaft, sich bei Gegenwart von Kali in hoher Temperatur zu oxydiren. Nimmt man nun an, daß das Gold sich im Purpur als Oxyd befindet, so ist offenbar die Verwandtschaft, welche dieses Oxyd mit den Zinnoxyden vereinigt, die einzige Ursache, welche es verhindert, sich in der Kaͤlte in Salzsaͤure und Salpetersaͤure aufzuloͤsen, und daß man mit kochender Salzsaͤure salzsaures Zinnoxyd und metallisches Gold erhaͤlt, ruͤhrt daher, daß das Zinnoxydul ein Bestreben hat in Oxyd uͤberzugehen und lezteres ein gleich großes sich in Salzsaͤure aufzuloͤsen. Hr. Vuisson sagt, daß er in diesem Falle keine Chlorentwikelung bemerken konnte, ich sehe aber nicht ein, warum eine solche Statt finden sollte, indem kein freier Sauerstoff vorbanden ist. Da die Menge des Zinnoxydes im Purpur wandelbar ist, so kann man nicht bestimmen, in welchen Verhaͤltnissen sich die Oxyde verbinden, und eben so wenig, ob das Gold darin als Oxydul oder Oxyd enthalten ist. Ich haͤtte, um diese Arbeit zu vervollstaͤndigen, die Ursachen bestimmen muͤssen, welche die Menge des Zinnoxydes im Purpur abaͤndern, um alsdann diese Verbindung im stoͤchiometrischen Verhaͤltniß darstellen zu koͤnnen; indessen haben mir zahlreiche Versuche, die ich in dieser Hinsicht anstellte, kein genuͤgendes Resultat gegeben; ich fand aber, daß salzsaures Zinnoxyd, besonders das mit Koͤnigswasser bereitete, durch Wasser gefaͤllt wird, wie die Antimon- und Wismuthsalze, was vielleicht auch bei dem salzsauren Zinnoxydul der Fall ist.