Titel: Ueber die Ursachen der Explosionen der Dampfkessel; von Thomas Earle.
Fundstelle: Band 43, Jahrgang 1832, Nr. LVI., S. 243
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LVI. Ueber die Ursachen der Explosionen der Dampfkessel; von Thomas Earle.Diese Abhandlung wurde in dem Franklin Institution am 24. Febr. 1831 vorgelesen. Aus dem Repertory of Patent-Inventions, Supplement. Januar 1832, S. 424. Earle, uͤber die Ursachen der Explosionen der Dampfkessel. Es fanden schon oͤfters Explosionen bei Dampfmaschinen Statt, als man noch mehr Wasser in den Kessel pumpte, obgleich der Dampf, ehe das Wasser hinzukam, keine sehr hohe Expansivkraft zeigte. Man gibt allgemein zu, daß unmittelbar vor diesen Explosionen das Wasser in dem Kessel sehr niedrig stand, das Eisen daher großen Theils von Wasser entbloͤßt war und sich stark erhizt hatte, und wahrscheinlich auch der Dampf einen ungewoͤhnlich hohen Temperaturgrad erlangt hatte. Dagegen hat man gefragt, ob die Waͤrme, welche den großen Dampfuͤberschuß und dadurch die Explosion hervorbringt, von dem heißen Eisen oder dem heißen Dampf, welcher vorher in dem Kessel enthalten war, abgegeben wird. Ich will diese Fragen zu beantworten suchen. I. Frage. Wenn Dampf von hoher Temperatur Waͤrme abgibt, indem er hinzukommendes Wasser in Dampf von niedrigerer Temperatur verwandelt, wird dann die ganze Quantitaͤt des so erhaltenen Dampfes eine groͤßere Elasticitaͤt unter einem gegebenen Volumen besizen, als der heiße Dampf allein hatte? Der Dampf und alle Gasarten nehmen bekanntlich bei gleicher Temperaturerhoͤhung ziemlich gleich an Volumen zu. Man weiß ferner daß die Gasarten und der Dampf mit jedem Grad Fahrenheit, um welchen ihre Temperatur steigt, sich um ungefaͤhr 1/480 des Volumens, das sie bei 32° F. einnahmen, weiter ausdehnen. Ueber 212° hinaus wuͤrden sie also mit jedem Grad um 1/600 des Volumens, welches sie bei dieser Temperatur einnahmen, zunehmen. Wenn daher ein Maaß Dampf von 212° um 660 Grade staͤrker erhizt wird, so muß es zwei Maaß unter demselben Druk geben, oder seine Kraft verdoppeln. Wenn wir 1 Gallon Wasser von 212° F. noch 960 Waͤrmegrade ertheilen, so werden wir ungefaͤhr 1700 Gallons Dampf unter atmosphaͤrischem Druk erhalten: kommen noch 960 Waͤrmegrade und 1 Gallon Wasser hinzu, so vermehren wir den Dampf auf 3400 Gallons: waͤhrend, wenn in lezterem Falle die Waͤrme nur dem schon gebildeten Dampf ertheilt worden waͤre, 663 Grade hingereicht haben wuͤrden, um den Dampf auf 340 Gallons zu vermehren. 960 + 960 = 1920 Waͤrmegrade brachten also im ersten Falle keine groͤßere Wirkung hervor, als 960 + 663 = 1623 Waͤrmegrade im zweiten. Wenn zu schon gebildetem Dampf Waͤrmestoff hinzukommt, so ist er also wirksamer als dieselbe Quantitaͤt Waͤrme, wenn sie zu heißem Wasser hinzukommt: und die Erklaͤrung der Explosionen durch Wasser, welches in Dampf verwandelt wird, indem es anderem Dampf den Waͤrmestoff entzieht, kann nicht richtig seyn; es muͤßte denn die specifische Waͤrme des Dampfes bei gleichem Gewicht viel groͤßer seyn als die des Wassers; oder mit anderen Worten, es muͤßte eine viel groͤßere absolute Quantitaͤt Waͤrmestoff noͤthig seyn, um die Temperatur eines Pfundes Dampf um einen Grad zu erhoͤhen, als erforderlich ist, um ein Pfund Wasser um einen Grad zu erwaͤrmen. Dr. Crawford schloß aus seinen Versuchen, daß die specifische Waͤrme des Dampfes um 50 Procent groͤßer als die des Wassers ist. Wenn sich dieses so verhielte, muͤßte die Wirkung einer gewissen Quantitaͤt Waͤrmestoff, wenn sie zu Dampf oder heißem Wasser hinzukommt sich beinahe gleich seyn. Nach den neueren Versuchen von Delaroche und Berard hingegen, welche mehr Zutrauen verdienen, ist die specifische Waͤrme des Wassers groͤßer als diejenige des Dampfes, und zwar im Verhaͤltniß von 1,000 : 0,847. Hieraus wuͤrde hervorgehen, daß Waͤrme an Dampf abgegeben, eine fast doppelt so große Wirkung hervorbringt, als wenn man sie benuzt, um mehr Dampf zu erzeugen. Wir moͤgen uͤbrigens den Angaben des Hrn. Crawford oder denjenigen von Delaroche und Berard folgen, so wird sich immer ergeben, daß keine Explosionen dadurch hervorgebracht werden koͤnnen, daß man Wasser (und sollte es auch eine Temperatur von 212° F. haben) in stark erhizten Dampf pumpt, wenn nicht andere Ursachen mitwirken. II. Frage. Koͤnnen Explosionen hervorgebracht werden, indem man Wasser auf rothgluͤhendes Eisen pumpt? Die specifische Waͤrme des Eisens verhaͤlt sich zu derjenigen des Wassers wie 7,788 zu 1,000 oder in ganzen Zahlen wie 8 zu 1, und die specifische Waͤrme des Eisens zu derjenigen eines gleichen Gewichtes Wasser wie 0,1255 zu 1, oder wie 1 zu 8.Aus einigen Versuchen scheint sich zu ergeben, daß die specifische Waͤrme des Eisens sich zu derjenigen eines gleichen Gewichtes Wasser wie 1 zu 9 verhaͤlt. Dieser Unterschied ist aber zu unbedeutend, als daß er das Resultat unserer Berechnung wesentlich abaͤndern koͤnnte. A. d. O. Es ist ungefaͤhr acht Mal so viel Waͤrmestoff noͤthig, um ein Pfund Wasser auf einen Grad zu erhizen, als um ein Pfund Eisen einen Grad zu erhizen: hingegen ungefaͤhr gleiche Quantitaͤten, um ein gegebenes Maaß, z.B. einen Kubikzoll jeder Substanz auf dieselbe Temperatur zu erhoͤhen. Wenn daher ein Kubikzoll Eisen von 300° auf 250° abkuͤhlt, so strahlt er 1700 Mal so viel Waͤrme aus, als ein Kubikzoll Dampf von 300°, wenn er eben so weit abkuͤhlt: und ein Kubikzoll rothgluͤhendes Eisen von 1172 Grad enthaͤlt Waͤrmestoff genug, um einen Kubikzoll Wasser in 1700 Kubikzoll Dampf zu verwandeln. Hieraus folgt, daß Explosionen sehr leicht hervorgebracht werden koͤnnen, indem man Wasser auf heißes Eisen bringt, und dieß beweist auch Perkins' Dampfkanone. Wenn die Generatoren dieses Mechanikers nicht staͤrker gewesen waͤren als gewoͤhnliche Kessel, so wuͤrden sie durch ein Drittel der Kraft, die er durch Besprizen ihres rothgluͤhenden Eisens mit Wasser erzeugte, zerstoͤrt worden seyn: und bei aller Staͤrke wuͤrden sie dennoch zerplazt seyn, haͤtte er eine hinreichende Menge Wasser hineingepumpt, ohne dem erzeugten Dampf einen Ausweg zu gestatten. Ein Kubikfuß heißes Eisen liefert, wenn er auf 32° abkuͤhlt, Waͤrme genug, um einen Kubikfuß eiskaltes Wasser in 13,600 Gallons Dampf bei dem Druk der Atmosphaͤre zu verwandeln: und ein einziger Quadratfuß 1/16 Zoll dikes Kesseleisen enthaͤlt, wenn er hell rothgluͤhend ist, Waͤrmestoff genug, um 88 Gallons Dampf zu bilden. Nun nimmt aber sehr wahrscheinlich die Wassermenge in den Dampfkesseln nicht selten so ab, daß 10 oder 15 Quadratfuß rothgluͤhend werden. Wenn also diese Flaͤche nur die Haͤlfte ihrer Waͤrme verliert, so erzeugt sie Dampf genug, um mit dem bereits vorhandenen fast jeden Kessel zu zersprengen. Kuͤhlt ein Theil eines Dampfkessels ploͤzlich ab, so wird er ohne Zweifel sehr geschwaͤcht; daher finden wir, daß der Sprung der Dampfkessel oft der Wasserlinie folgt, welche Linie wahrscheinlich durch eine neue Speisung mit Wasser oder durch eine Bewegung des Dampfbothes, die das Wasser auf das erhizte Eisen einer Seite desselben hob, hervorgebracht wurde. Die Explosionen, welche um die Zeit erfolgten, wo man auf ein Werft kam oder dasselbe verließ, koͤnnen dem Umstande zugeschrieben werden, daß das Both sich aus irgend einem Grunde zum Theil auf eine Seite neigte und dadurch das Wasser mit dem heißen Eisen des Kessels in Beruͤhrung kam. Meine Bemerkungen fuͤhren also auf die Folgerung, daß ein großer Theil der Explosionen dadurch veranlaßt wird, daß das Wasser auf stark erhiztes Eisen gebracht wird; um denselben zuvorzukommen, muͤssen die Mechaniker die Kessel so einrichten, daß derjenige Theil, welcher der groͤßten Hize ausgesezt ist, nicht zuerst von Wasser entbloͤßt, ferner keine große Flaͤche entweder ploͤzlich troken oder ploͤzlich mit Wasser bedekt werden kann: das Wasser sollte auch immer in den tiefsten Theil des Kessels gepumpt werden.