Titel: Ueber die Anwendung der Melassen in den Brauereien und Branntweinbrennereien Englands.
Fundstelle: Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XLI., S. 184
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XLI. Ueber die Anwendung der Melassen in den Brauereien und Branntweinbrennereien Englands. Aus dem Register of Arts. Februar 1832, S. 25. Ueber die Anwendung der Melassen. Aus dem Berichte des Comité, welches die Zulassung und Tauglichkeit der Melassen in den Brauereien und Branntweinbrennereien von Großbritannien und Irland zu untersuchen hatte, geht hervor, daß die Totalsumme der Melassen, welche in Westindien erzeugt werden, 16 Millionen Gallons oder beilaͤufig 1,454,000 Centner betraͤgt, wovon beilaͤufig 1 Million als Rum oder Melasse nach England gelangen. Das Verhaͤltniß des Rums zu den Melassen bei der Einfuhr ist wie 7 zu 4. In dem Berichte wird ferner gesagt, daß die groͤßte Menge Melasse, die fuͤr die Brauereien und Branntweinbrennereien geliefert werden moͤchte, beilaͤufig 500,000 Centner betragen kann. Die Quantitaͤt Melasse, welche ein Aequivalent fuͤr einen Quarter Malz gibt, wird verschieden angegeben. Nach Hrn. Green sind 224 Pfunde Melasse ein Aequivalent fuͤr einen Quarter Malz; nach Hrn. Heathorn hingegen 252 Pfunde. Dr. Ure gibt nach sehr genauen Versuchen an, daß 295 Pfunde Melasse einem Quarter Malz, welches 322 Pfunde wiegt, und 275 Pfunde Melasse einem Quarter Malz von 302 Pfunden gleichkommen, daß mithin im Durchschnitte 285 Pfunde Melasse als ein Aequivalent fuͤr einen Quarter Malz angenommen werden koͤnnten. Was den Verbrauch an Melasse betrifft, so wird dieser davon abhaͤngen, ob die Melasse nur fuͤr den Gebrauch der Brauereien, oder auch fuͤr die Branntweinbrennereien zugelassen wird. Das Comité meint nach guten Gruͤnden annehmen zu duͤrfen, daß weit mehr als 500,000 Centner Melasse jaͤhrlich geliefert werden koͤnnten; indem es gewiß ist, daß in Westindien eine weit groͤßere Menge Zukerrohrsaft in Melasse verwandelt werden duͤrfte, wenn dieß im Interesse der Colonisten gelegen waͤre. Daß dieses Verfahren uͤbrigens fuͤr die Colonisten vortheilhaft werden wuͤrde, erhellt daraus, daß, waͤhrend die Menge der eingefuͤhrten Melassen seit der Gestattung eines Ruͤkzolles bei der Ausfuhr des raffinirten Zukers bedeutend zunahm, die Qualitaͤt dieses Artikels viel besser und viel reicher an Zukerstoff geworden ist. Aus den Parliamentsberichten geht hervor, daß in den drei, mit 1822 abgelaufenen, Jahren nur 166,833 Centner Melasse eingefuͤhrt wurden.; daß diese Einfuhr in den drei, mit 1826 zu Ende gehenden Jahren auf 764,067 Centner, und in den drei naͤchsten Jahren endlich auf 1,182,029 Cent. stieg. Das Comité glaubt daher, daß wenn die Einfuhr bloß durch die Gestattung des Ruͤkzolles sich innerhalb 9 Jahren so sehr vermehren konnte, kein Zweifel daruͤber ist, daß diese Zunahme in demselben Verhaͤltnisse fortschreiten werde, wenn sie durch die Zulassung der Melassen in den Brauereien und Branntweinbrennereien aufgemuntert wird. Aus den Angaben der HH. Calvert und Martineau (der ein Compagnon Whitbread's ist) geht hervor, daß die Brauereien, welche den besten und reinsten Porter brauen, die Melassen nur sehr ungern, und hoͤchstens in geringen Quantitaͤten als Faͤrbungsmittel, statt des Malzes anwenden werden. Hr. Calvert sagt, daß man aus nichts Anderem so gutes Bier brauen koͤnne, wie aus Malz und Hopfen, und bemerkt, daß er, als im J. 1800 aus Mangel an Malz der Gebrauch des Zukers in den Brauereien gestattet wurde, die Anwendung des Zukers sogleich wieder aufgab, als der Preis des Quarters Malz auf 75 bis 80 Schill. fiel. Hr. Martineau ist der Meinung, daß die Zulassung irgend eines anderen Materiales, als des Malzes und des Hopfens zum Brauen, dem Rufe jener Brauer, welche reinen Porter brauen, sehr schaden wuͤrde, indem die Kleinverkaͤufer oder Wirthe dann leicht schlechteres, mit Melasse erzeugtes Bier darunter mischen koͤnnten. Er fuͤrchtet ferner, daß die unter dem Publicum erzeugte Besorgniß uͤber die Reinheit des Bieres dem Verbrauche desselben im Allgemeinen schaden wuͤrde. Sowohl Hr. Calvert als Hr. Martineau zweifeln uͤberdieß, daß sich das aus Melasse erzeugte Bier aufbewahren laͤßt. Zu dem blassen Ale ist die Melasse schon wegen ihrer Farbe untauglich; zu Schenk- oder Tisch-Vier, welches unmittelbar getrunken wird, ließe sich aber, nach diesen beiden Herren die Melasse sehr gut benuzen. Es scheint jedoch nicht, daß man aus der Melasse allein, ohne eine gewisse Menge Malz, Bier erzeugen koͤnne. Die HH. Green und Heathorn geben an, daß man, nach der Art des Bieres, welches man erzeugen will, 1/10 bis 1/4 Melasse auf 3/10 bis 3/4 Malz nehmen muß. Nach dem gegenwaͤrtigen englischen Geseze erhaͤlt der Raffineur bei der Ausfuhr des aus Melasse erzeugten Zukers 24 Schillinge per Centner. Nach den Angaben des Raffineurs Brown erhaͤlt man aus Einem Centner Melasse 30 bis 38 Pfunde Zuker. Mithin kommt der fuͤr den Zuker erhaltene Ruͤkzoll dem Einfuhrszolle der Melassen gleich oder beinahe gleich; und da in einem Centner Melasse beilaͤufig 70 Pfund Zukerstoff enthalten sind, so kommt der Syrup der Raffineurs, welcher 30–40 Procent Zukerstoff enthaͤlt, zollfrei auf den Markt, waͤhrend von dem Malze die hohe Auflage von 1 Pfd. Sterl. 0 Schill. 8 Pence per Quarter erhoben wird. Die Einwuͤrfe, die dem Comité gegen die Zulassung der Melasse in den Branntweinbrennereien gemacht wurden, schienen demselben noch gewichtiger, als jene gegen die Brauereien. Die Einkuͤnfte des Staates von den britischen Branntweinbrennereien beliefen sich im vergangenen Jahre auf 5,209,599 Pfund Sterling. Unter dem alten Geseze wurde in England der Aufschlag von der Maische erhoben, so daß es daher im Interesse des Branntweinbrenners lag, solche Maische anzuwenden, die die groͤßte Menge Branntwein gab. Der Branntwein, den man aber aus einer Maische von so großer specifischer Schwere erhielt, war sehr schlecht, und mußte, ehe er gebraucht werden konnte, rectificirt werden. Diese Weise den Aufschlag zu erheben, ist jedoch auf Schottland und Irland ganz unanwendbar, weil in diesen Laͤndern gewoͤhnlich Whisky, Kornbranntwein ohne Rectification getrunken wird. Nach dem gegenwaͤrtigen Geseze wird der Aufschlag hingegen von der Menge des erzeugten Branntweines erhoben, so daß dem Branntweinbrenner gestattet ist, seine Maische, innerhalb gewisser Graͤnzen, so stark zu machen, als es ihm beliebt. Um Betruͤgereien, welche durch das Abziehen oder Verheimlichen eines Theiles des erzeugten Branntweines geschehen koͤnnten, zu verhindern, wird die Menge der Maische und deren specifische Schwere zu verschiedenen Zeiten waͤhrend des Gaͤhrungsprocesses aufgezeichnet, und daraus die Menge des Branntweines, welche erzeugt werden koͤnnte, berechnet. Nach dem gegenwaͤrtigen Geseze darf der Branntweinbrenner nicht brauen und destilliren zugleich. Da das Maischen betraͤchtliche Zeit erfordert, und nicht wohl ohne Wissen des mit der Aufsicht auf das Branntweinbrennen beauftragten Aufschlagsbeamten geschehen kann, so kann der Brenner unmoͤglich frische Wuͤrze zur Erhoͤhung der Staͤrke der Maische zusezen, ohne dabei entdekt zu werden. Duͤrfte der Brenner hingegen Zuker oder Melasse benuzen, so koͤnnte er, nachdem der Gaͤhrungsproceß begonnen, der Maische leicht etwas hievon zusezen, und dadurch die Menge des Branntweines, die er erzeugen kann, bedeutend vermehren, so daß die Berechnung des Branntweines aus der specifischen Schwere ganz nichtig wuͤrde. Dr. Ure bemerkte bereits, daß sich im Kleinen, wie z.B. mit einem Bushel Malz, kein genauer Versuch machen lasse, indem die Resultate im Großen um 8 Procent besser ausfallen. Daher kommt es wohl auch, daß Hr. Hetherington, der in der St. Catharina-Branntweinbrennerei Versuche machte, aus einem Centner Melasse 7,14 Gallons erhielt, waͤhrend Hr. Smith, ein geschikter Destillateur, im J. 1800 aus derselben Quantitaͤt Melasse 7,34 Gallons probehaltigen Weingeist erzeugte. Da aber seither große Verbesserungen in der Branntweinbrennerei gemacht wurden, so ist nicht zu zweifeln, daß gegenwaͤrtig 8 Gallons gewonnen werden koͤnnen, womit auch die Versuche des Drs. Thomson uͤbereinstimmen.