Titel: Ueber die Gravirmaschine des Hrn. Jobard.
Fundstelle: Band 44, Jahrgang 1832, Nr. CII., S. 452
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CII. Ueber die Gravirmaschine des Hrn. Jobard. Aus dem Recueil industriel. Junius 1832, S. 241. Mit einer Abbildung auf Tab. VI. Jobard's Gravirmaschine. Die Gravirmaschine des Hrn. Jobard, fuͤr welche derselbe von der Société d'encouragement die große goldene Medaille erhielt, und die viel besser als die etwas complicirte Maschine des Hrn. Turrel zu seyn scheint, besteht aus einem kupfernen Richtscheite Fig. 15 A von der Laͤnge eines Meter, auf welchem sich eine Tille B schiebt, die an ihren inneren Waͤnden mit flachen Stahlfedern besezt ist. Die Stellschraube C, die einen sehr feinen Schraubengang hat, und die mit dem Knopfe D und einer Eintheilung E versehen ist, ist dazu bestimmt, die Linien nach Belieben von einander zu entfernen. Diese Schraube dreht sich in der Kinnlade F, die ganz geoͤffnet wird, wenn man der Schraube, um sie schneller an ihre Stelle zu bringen, die ganze Laͤnge derselben durchlaufen laͤßt. G ist eine staͤhlerne Spize, an welcher sich ein spizig zugeschnittener Diamant befindet. Diese Spize wird durch die kleine Drukschraube H festgehalten. Der kleine Knopf I, welcher an seiner Basis mit einer schiefen, auf dem feststehenden Ansaze K beweglichen Flaͤche versehen ist, dient dazu, die Spize nach vollendeter oder unterbrochener Arbeit erhoben zu erhalten. Durch die kleine vierekige Stange L, an der sich der Tuͤmmler M befindet, laͤßt sich der Gravirspize eine groͤßere Schwere geben; man kann naͤmlich diese Spize je nach der Staͤrke, die man den Strichen geben will, mehr oder weniger belasten. Mittelst N, welches an der Tille oder dem Schieber B befestigt ist, laͤßt sich das Stuͤk C sanft schieben. Es ist bekanntlich unmoͤglich aus freier Hand ein ganzes Feld von einiger Groͤße mit parallelen, immer gleich starken und gleich weit von einander entfernten Linien zu bezeichnen. Der einzige Vorwurf, den man den vortrefflichen aͤlteren Kuͤnstlern machen konnte, bestand bloß in den Ungleichheiten, die nothwendig an den Strichen des Himmels, des Bodens etc. vorkommen mußten. Diese Maschine beseitigt nun diese Vorwuͤrfe vollkommen, und gibt den Kupferstichen eine Genauigkeit und etwas Sammetartiges, welches dem Auge sehr wohlthut. Ueberdieß verkuͤrzt die Maschine die Arbeit bedeutend; einige Zeichnungen lassen sich sogar beinahe mit ihr allein vollenden. Die allmaͤhliche und unmerkliche Degradation der Linien erhaͤlt man auf folgende Weise. Man beginnt einen Himmel z.B. am Horizonte, und zieht dann die erste Linie mit einem leeren Tuͤmmler M. Beim Ziehen der zweiten Linie legt man ein Bleikorn von einer Linie Durchmesser in den Tuͤmmler, und so legt man bei jedem Striche ein solches Korn mehr zu, so daß die Spize bei jedem Striche mehr beschwert wird, und daher eine etwas tiefere und breitere Furche zieht. Der Himmel des Palais von Amsterdam wurde auf diese Weise in einer Stunde verfertigt, ohne daß man irgend einen Fehler daran bemerken koͤnnte. Man zaͤhlt naͤmlich bei jedem Striche eine gleiche Zahl von Eintheilungen, ehe man den Traͤger des Tuͤmmlers, welchen man bei dem Zuruͤkfuͤhren der Maschine auf den Anfangspunkt mit dem Finger gehoben haͤlt, senkt. Um das große Richtscheit A an seiner Stelle zu erhalten, sind 2 kleine Schraubstoͤke oder Gewichte noͤthig. Da die Schraube des Instrumentes nur 2 Zoll lang ist, so kann man dieselbe leicht mit zwei Zuͤgen, die mit einem Zirkel mit einer Oeffnung von 2 Zollen gemacht wurden, in Uebereinstimmung bringen. Man kann die Eintheilung so weit treiben, daß man 100 und mehr Linien in einem Millimeter machen kann, wo man aber dann eine starke Lupe braucht. Kein Graveur oder Lithograph, der seiner Arbeit alle moͤgliche Vollkommenheit geben will, kann dieser Maschine des Hrn. Jobard, deren Kosten nicht bedeutend sind, entbehren. Sie fordert bei ihrer Anwendung Genauigkeit und einige Uebung, und nur aus Mangel an diesen beiden wurde sie von mehreren Lithographen verworfen. Hr. Jobard weiß sich derselben auf das Vortheilhafteste zu bedienen, und macht sich auch ein Vergnuͤgen daraus, deren Benuzung zu lehren. Wenn der Plan einer Stadt grau gemacht, und die Straßen allein uͤbersprungen werden sollen, so bedient sich Hr. Jobard folgenden sehr einfachen Kunstgriffes. Er uͤberzieht die Theile, die ausgelassen werden sollen, mittelst eines Pinsels mit einer diken Gummiaufloͤsung, und zieht dann, wenn diese getroknet ist, ohne alle weitere Ruͤksicht die Striche. Der Diamant greift naͤmlich den getrokneten Gummi nicht an, und laͤßt mithin diese Stellen frei. Auf diese Weise wurden die schoͤnen Plaͤne von Luͤttich, Maͤstricht und Loͤwen verfertigt. Dergleichen kleine Verbesserungen und Kunstgriffe, die sich oft durch ein Paar Worte Anderen mittheilen lassen, sind haͤufig nur die Fruͤchte eines langen Nachsinnens und einer Ausdauer, die man bei den Kuͤnstlern sehr selten trifft. Und doch ist eines der besten Mittel, wodurch sowohl Kuͤnste als Wissenschaften zu raschen Fortschritten gebracht werden koͤnnen, solche Menschen gehoͤrig zu benuzen, die die Faͤhigkeit besizen, eine aufgeworfene Idee zu fassen und sie hundertfaͤltig zu drehen und mit allen Elementen, die ihnen bekannt sind, zu verbinden. Wuͤrden die Regierungen solche Maͤnner, die in jedem Lande sehr sparsam gesaͤet sind, gehoͤrig zu wuͤrdigen wissen, so koͤnnten sie dadurch ihren Buͤrgern gewiß mehr nuzen, als durch manche sogenannten Gelehrten- und Kuͤnstler-Akademien, deren Existenz man leider nur zu oft bloß aus dem Budget erfaͤhrt. Es brauchte weiter gar nichts, als solchen Maͤnnern die Mittel an die Hand zu geben, deren sie zu ihren Forschungen und Untersuchungen noͤthig haben, und sie der Sorgen fuͤr den Lebensunterhalt, die ihre kostbare Zeit und am Ende selbst ihr Genie toͤdten, zu uͤberheben. Es versteht sich uͤbrigens von selbst, daß man Traͤumer oder gelehrte und artistische Coquetten, deren es uͤberall eine große Menge gibt, nicht mit solchen Genies verwechseln duͤrfe.

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