Titel: Ueber die Anwendung des Quarzsandes zur Erhöhung der Fruchtbarkeit mancher Gründe. Von Hrn. Dutrochet, Mitglied der kgl. Akademie zu Paris.
Fundstelle: Band 45, Jahrgang 1832, Nr. LIV., S. 219
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LIV. Ueber die Anwendung des Quarzsandes zur Erhoͤhung der Fruchtbarkeit mancher Gruͤnde. Von Hrn. Dutrochet, Mitglied der kgl. Akademie zu Paris. Aus dem Agriculteur-Manufacturier. October 1831, (Junius 1832) S. 46. Dutrochet, uͤber die Anwendung des Quarzsandes. Die Wurzeln der Pflanzen verrichten zwei verschiedene und in gleichem Grade wichtige Functionen: sie saugen 1) aus dem Boden die fuͤr sie darin enthaltenen Nahrungsstoffe, und 2) aus der atmosphaͤrischen Luft den Sauerstoff ein. Der eigentliche und wahrhafte Nahrungsstoff fuͤr die Pflanzen ist ein Extractivstoff, organischen Ursprungs, der nach Saussure's Untersuchungen gewoͤhnlich kaum 1/11 des Gewichtes der Erde ausmacht. Der Boden muß aber, wenn er fruchtbar seyn soll, auch eine gewisse mir Kieselerde verbundene Menge Thonerde in sehr zertheiltem Zustande, und eben so eine gewisse Menge fein vertheilten, kohlensauren Kalk enthalten. Die Beobachtungen und Untersuchungen des Grafen Chaptal zeigten die Verhaͤltnisse, in welchen diese verschiedenen Erden in den fruchtbarsten Gruͤnden enthalten sind. Er ist der Meinung, daß dieselben durch den Reiz, den sie ausuͤben, die Wirkung des eigentlichen Nahrungsstoffes unterstuͤzen und erhoͤhen. Die Wurzeln saugen diese Erden entweder im aufgeloͤsten Zustande, oder im Zustande der feinsten Zertheilung ein. Ich uͤbergehe jedoch hier die Aufnahme des eigentlichen Nahrungsstoffes und der erdigen und reizenden Bestandtheile durch die Wurzeln, und beschraͤnke mich hier bloß auf eine Betrachtung jener Function, durch welche die Wurzeln den Sauerstoff der atmosphaͤrischen Luft aufnehmen. Die Versuche des beruͤhmten Saussure haben bewiesen, daß die Wurzeln bestaͤndig Sauerstoff aus der Luft einsaugen. Der naͤhrende Kohlenstoff, den sie aus dem Boden schoͤpfen, wird durch die Verbindung mit dem Sauerstoffe in Kohlensaͤure verwandelt, und diese in dem aufsteigenden Safte aufgeloͤste Kohlensaͤure geht in den Staͤngel und in die Blaͤtter uͤber, in denen die Einwirkung des Lichtes den Sauerstoff frei macht, waͤhrend der Kohlenstoff in der Pflanze fixirt bleibt. Jede Pflanze, zu deren Wurzeln die Luft keinen freien, durch die Auflokerung und Vertheilung des Erdreiches bedingten Zutritt hat, ist mithin einer der wesentlichsten Bedingungen zu ihrer kraͤftigen Entwikelung beraubt. Dieser Zutritt der Luft kann nur Statt finden, wenn die Erde loker ist: auf diesem Grunde allein beruht der Nuzen des Pfluͤgens. Jedes Erdreich laͤßt sich um so leichter auflokern, je mehr groͤblichen Sand es enthaͤlt; man findet in dem fruchtbarsten Boden auch wirklich meistens eine sehr bedeutende Menge davon. Dahin gehoͤrt z.B. der Boden im Loire-Thale, in welchem nach Graf Chaptal 0,43 bis 0,49 Kiesel- und Kalksand enthalten ist. Davy fand in einer der fruchtbarsten Gegenden Englands 0,60 Sand, und Giobert fand in einem gleichfalls sehr fruchtbaren Erdreiche in der Gegend um Turin sogar 0,79 Procent Sand. Bei dieser Fruchtbarkeit eines solchen, so sandreichen Bodens ist nothwendig vorauszusezen, daß die uͤbrigen Bestandtheile, die er noch enthaͤlt, fuͤr die Ernaͤhrung der Pflanzen sehr zutraͤglich sind; denn waͤre dieß nicht der Fall, so muͤßte derselbe wegen Mangel an den zur Ernaͤhrung noͤthigen Bedingungen unfruchtbar seyn. Die Fruchtbarkeit eines solchen Bodens ruͤhrt offenbar davon her, daß er nicht nur die zur Ernaͤhrung der Pflanzen noͤthigen Materialien enthaͤlt, sondern daß er der atmosphaͤrischen Luft im moͤglich hoͤchsten Grade freien Durchgang gestattet, so daß die Wurzeln den Sauerstoff gehoͤrig aufzunehmen im Stande sind. Diesen Vortheil verdankt ein solcher Boden bloß seinem Gehalte an Sand; denn der grobe Sand zertheilt die thonigen Substanzen, und hindert sie, solche compacte und zaͤhe Massen zu bilden, wie man sie auf thonigem, und nur wenig Sand haltendem Boden trifft. In lezterem Falle dringt die atmosphaͤrische Luft nur schwer bis an die Wurzeln der Pflanzen, und die Folge hievon ist, daß diese lezteren ungeachtet aller fuͤr die Pflanzen noͤthige Nahrungsstoff in dem Boden enthalten ist, in ihrem Wachsthume zuruͤkbleiben: der Boden wird unfruchtbar, bloß weil ihm die zur Aufsaugung des Sauerstoffes durch die Wurzeln noͤthige Bedingung fehlt. Davy hat sogar durch Versuche erwiesen, daß ein Boden, woraus er auch immer bestehen mag, vollkommen unfruchtbar ist, wenn 95 Procent seiner Bestandtheile sich im Zustande der hoͤchsten und feinsten Zertheilung befinden, so daß sie zwischen den Fingern unfuͤhlbar sind. In einen solchen Boden kann die Luft beinahe gar nicht eindringen, und in Folge dessen koͤnnen die Wurzeln keinen Sauerstoff einsaugen, und die Pflanze selbst sich nicht naͤhren. Auf die Beobachtung und Erfahrung gestuͤzt, daß in dem Boden der fruchtbarsten Gegenden eine große Menge Sand enthalten ist, hat Graf Chaptal empfohlen, dem thonigen Boden jene Menge Sand zuzusezen, die ihm fehlt um fruchtbar zu seyn. Ich befand mich im Falle diesen Rath anzuwenden, und that es auch mit um so groͤßerer Zuversicht, als mich die Pflanzen-Physiologie gelehrt hatte, daß dieses Verfahren nothwendig von Nuzen seyn muͤsse. Ich ließ auf die eine Haͤlfte eines Feldes, dessen Boden thonig und zaͤh war, eine ziemlich große Menge Bergwerk-Sand bringen, der gar keinen kohlensauren Kalk enthielt, da er mit Saͤuren gar nicht aufbrauste. Ich bemerke dieß deßwegen, weil man sonst geneigt seyn moͤchte, die vermehrte Fruchtbarkeit der Wirkung des kohlensauren Kalkes und nicht der Wirkung des Sandes zuzuschreiben. Es sind nun 4 Jahre verflossen, seit ich den Sand auf die eine Haͤlfte des Feldes fuͤhren ließ, und diese ganze Zeit uͤber hat sich dieser Theil viel fruchtbarer erwiesen, als jener Theil, auf welchen ich keinen Sand bringen ließ; schon auf den ersten Blik konnte man den Unterschied in der Vegetation beider Theile bemerken. Die Landleute wenden, ohne daß sie es wissen, haͤufig ein Verfahren an, welches in seinen Wirkungen dem Duͤngen mit Sand nahe kommt: es ist dieß das sogenannte Abrasen und Verbrennen der Rasen. Dieses besteht naͤmlich darin, daß man die Pflanzen, die man an jenen Stellen, die man urbar machen will, ausreißt, mitsammt dem an ihnen haͤngenden Erdreiche verbrennt. Bei dieser Verbrennung der mit Erde gemengten Pflanzen wird der Thon calcinirt, und auf diese Weise in eine Art von Sand umgewandelt, der in gewissen Faͤllen seine gute Wirkung nicht verfehlen wird. Zugleich werden aber durch diese Operation auch die in der Erde enthaltenen, und in Zersezung begriffenen vegetabilischen Substanzen verbrannt, so daß die Erde mithin einen Theil ihres Nahrungsstoffes verliert. Das Abrasen und Verbrennen macht also den Boden weniger zur Ernaͤhrung der Pflanzen geeignet; allein es gewaͤhrt den Vortheil, daß es die Menge des Sandes in dem Boden vermehrt, und daß folglich die Wurzeln den Sauerstoff leichter einzusaugen im Stande sind, die Pflanzen kraͤftiger wachsen und der Boden einen groͤßeren Ertrag gibt. Hieraus erhellt, daß das Abrasen und das Verbrennen der Rasen fuͤr schweren thonigen Boden gut, fuͤr leichten, bereits sandigen Boden hingegen schaͤdlich ist, indem lezterer durch dieses Abbrennen eine nicht unbedeutende Menge der in ihm enthaltenen Nahrungsstoffe fuͤr die Pflanzen verlieren wuͤrde. Daraus erklaͤrt sich auch, warum dieses Verfahren in einigen Gegenden ganz verpoͤnt ist, waͤhrend es in anderen allgemein angewendet wird. Man fehlt nur darin, daß man solche Vorschriften, die offenbar nur unter gewissen oͤrtlichen Verhaͤltnissen in Anwendung zu bringen sind, allgemein einfuͤhren will. Man muß vor Allem den Boden kennen, und darnach denselben bearbeiten. Die schottischen Landwirthe bedienen sich schon seit langer Zeit in gewissen Gegenden einer sogenannten eigenen Duͤngmethode, welche sich in ihren Resultaten dem Abrasen und Abbrennen naͤhert. Sie sezen naͤmlich ihren Feldern gepuͤlverten gebrannten Thon zu, und betrachten diesen Zusaz als einen Duͤnger. General Beatson ging sogar so weit, vorzuschlagen, daß man den Gebrauch des Mistes als Duͤnger ganz aufgeben, und statt desselben bloß gebrannten Thon anwenden soll. Er erklaͤrte dieses Mittel fuͤr einen um so kostbareren Duͤnger, als man sich dasselbe leicht uͤberall in großer Menge verschaffen kann. Viele erfahrene Landwirthe haben sich jedoch gegen diesen Vorschlag erhoben, der weiter nichts beweist, als wie weit der Empirismus auch talentvolle Maͤnner irre leiten kann, wenn keine wissenschaftliche Basis zum Grunde liegt. Man sah, daß der gebrannte Thon die Fruchtbarkeit eines bestimmten Bodens erhoͤhte, und schloß daraus gleich, daß die Anwendung dieses Mittels allgemein von Nuzen seyn, und den Duͤnger verdraͤngen koͤnnte. Die Gegner dieses Verfahrens brachten dafuͤr eben so seichte Gruͤnde gegen dasselbe vor, und folglich blieb die Frage unentschieden. Die Wissenschaft allein kann dieselbe gehoͤrig aufklaͤren; sie lehrte uns, daß die Fruchtbarkeit der vegetabilischen Erde von zwei Bedingungen abhaͤngt: naͤmlich von den Bedingungen zur Ernaͤhrung der Pflanzen, und von jenen Bedingungen, die die Einsaugung des Sauerstoffes der Luft durch die Wurzeln beguͤnstigen. Fehlt eine oder die andere dieser beiden Bedingungen zur Fruchtbarkeit, so wird die Erde unfruchtbar; die Fruchtbarkeit wird hingegen erhoͤht, wenn man die eine oder die andere dieser Bedingungen, oder beide zugleich, in gehoͤrigem Maße wirksamer macht. Ein reichlich mit Nahrungsstoffen ausgestattetes Erdreich wird unfruchtbar, oder doch nur wenig fruchtbar seyn, wenn die Wurzeln der Pflanzen, die in demselben wachsen, nicht mit der atmosphaͤrischen Luft in Beruͤhrung treten koͤnnen. Durch Vermengung mit einer gewissen Menge Sand, oder, was dasselbe ist, mit einer bestimmten Menge calcinirten und gepuͤlverten Thones wird es hingegen fruchtbar werden, und zwar bloß deßwegen, weil die Sandtheilchen die zu compacte Erde zertheilen und das Eindringen der Luft in dieselbe erleichtern werden, so daß die Wurzeln im Stande sind, die gehoͤrige Menge Sauerstoff einzusaugen. Hieraus erhellt das Irrige der Meinung des Generals Beatson, der den gebrannten Thon fuͤr einen mit dem Miste vergleichbaren Duͤnger haͤlt, weil er, wie dieser leztere, in gewissen Faͤllen die Fruchtbarkeit des Bodens erhoͤht. Die Wissenschaft belehrt den blinden Empirismus, daß diese beiden, die Fruchtbarkeit erhoͤhenden Substanzen auf die Erde sowohl als auf die Pflanzen einen ganz verschiedenen Einfluß uͤben; sie lehrt uns, daß nichts im Stande ist, die Abfaͤlle von Pflanzen und Thieren, aus denen der Mist und die Duͤngererden bestehen, als Nahrungsmittel fuͤr die Pflanzen zu ersezen, und daß der Zusaz von sandigen Substanzen, wozu auch der gebrannte Thon gehoͤrt, nur dann von Nuzen seyn kann, wenn der Boden zu thonig und zu compact ist. Ich muß schließlich noch auf eine besondere Thatsache aufmerksam machen, naͤmlich auf die Verminderung der Fruchtbarkeit durch die Entfernung der Steine aus den Feldern. Dieses Aufsuchen der Steine geschieht in manchen Gegenden gegen den Willen der Landeigenthuͤmer zum Behufe der Unterhaltung der Straßen. Es hat sich schon sehr oft erwiesen, daß die Erde durch die Entfernung der Steine weniger fruchtbar wurde, und dieß laͤßt sich auch leicht erklaͤren, wenn man bedenkt, daß dadurch das Eindringen der Luft in den Boden, welches durch die Steine sehr beguͤnstigt wurde, vermindert wird. Graf Chaptal sah in der Gegend von Montpellier ein mit einer diken Schichte Steine bedektes Feld, auf welchem man Korn baute, und zwar ohne es umzuakern. Dieses steinige Feld gab immer ziemlich huͤbsche Ernten, weil es unter den Steinen einen fruchtbaren Boden hatte, in den die Luft immer eindringen konnte, und der durch die Steine immer loker erhalten wurde.