Titel: Versuche über die Zusammensezung der Mennige; von Hrn. I. Dumas.
Fundstelle: Band 45, Jahrgang 1832, Nr. LXXIV., S. 285
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LXXIV. Versuche uͤber die Zusammensezung der Mennige; von Hrn. I. Dumas. Aus den Annales de Chimie et de Physique. April 1832, S. 398. Dumas, uͤber die Zusammensezung der Mennige. Da die Mennige fuͤr viele Industriezweige ein so wichtiges Product ist, so muß man sich in der That verwundern, daß bisher noch so wenige Versuche uͤber ihre Zusammensezung angestellt wurden und unsere Kenntnisse in dieser Hinsicht noch ziemlich schwankend sind. Indessen wird die Mennige bei der Fabrikation des Krystallglases und der Toͤpferwaaren in sehr betraͤchtlichen Quantitaͤten verbraucht und ihre Bereitung, die fruͤher auf England beschraͤnkt war, beschaͤftigt heut zu Tage in Frankreich eine gewisse Anzahl von Fabriken, welche ganz vorzuͤgliche Producte liefern, wenn sie die gehoͤrige Sorgfalt auf die Wahl ihres Bleies verwenden. Ich werde weiter unten den Einfluß untersuchen, welchen die Zusammensezung des Bleies auf die Beschaffenheit der Producte ausuͤbt; ich mußte vor Allem uͤber die Zusammensezung der Mennige selbst ins Reine zu kommen suchen, die mir nicht hinreichend gekannt zu seyn schien. Die Thatsachen, die ich mittheile, koͤnnen die Fabrikanten uͤber den Gang aufklaͤren, welchen sie bei Bereitung der Mennige befolgen muͤssen, um eine vollkommene Oxydation zu erhalten und sie ersehen auch daraus, welches die Graͤnze ist, die sie unmoͤglich uͤberschreiten koͤnnen. Diese Thatsachen werden ohne Zweifel in den Fabriken benuzt werden, wo man die Mennige als oxydirende Substanz anwendet, indem sie zeigen, wie groß die nuzbare Quantitaͤt Sauerstoff ist, die man daraus ziehen kann, wenn sie sich in Protoxyd verwandelt. Ich will mit wenig Worten die sehr einfachen Principien anfuͤhren, worauf die Fabrikation der Mennige beruht. Man roͤstet Blei, um es in sehr zertheiltes Massicot (gelbes Oxyd) zu verwandeln und huͤtet sich deßwegen die Temperatur bis auf den Schmelzpunkt des Massicot zu treiben. Die oxydirte Masse wird unter Muͤhlsteinen zu einem sehr feinen Pulver mit Wasser zerrieben und dann geschlemmt, um das Oxyd von den noch eingemengten Metalltheilchen (Aftern) zu trennen. Bei diesen Schlemmen gewinnt man mehrere Sorten Massicot, je nachdem es naͤmlich mehr oder weniger fein (zertheilt) ist. Je feiner es ist, desto leichter laͤßt es sich bekanntlich zu Mennige brennen. Um das Massicot in Mennige zu verwandeln, fuͤllt man damit blecherne Kaͤsten, welche man uͤber Nacht in den Flammofen stellt, worin das Massicot selbst bereitet wurde, um seine Hize zu benuzen. Durch die Waͤrme und in Beruͤhrung mit der Luft verwandelt sich das Massicot in Mennige, indem es Sauerstoff absorbirt. Man koͤnnte fragen, warum man, an Statt metallisches Blei zu roͤsten, zur Fabrikation der Mennige nicht die Bleiglaͤtte benuzt, die man beim Abtreiben des silberhaltigen Bleies in so großer Menge erhaͤlt. Sehr haͤufig wird diese Bleiglaͤtte sogar zu Blei reducirt und als solches in den Handel gebracht. Man wuͤrde also, wenn man sie anwendete, die Kosten dieser Reduction und sodann diejenigen, welche das Roͤsten des Bleies selbst verursacht, gewinnen. Diese Bleiglaͤtte enthaͤlt aber nicht nur fast immer Kupfer und liefert deßhalb eine schlechte Mennige, sondern sie wuͤrde auch, da sie geschmolzen ist, sich nur sehr schwer und langsam hoͤher oxydiren lassen. Die Oxydation erfolgt schon mit einem gut bereiteten und vollkommen zertheilten Massicot so schwierig, daß man ohne Zweifel viel Kraft aufwenden muͤßte, um die Bleiglaͤtte auf den Grad von Feinheit zu bringen, welcher unumgaͤnglich noͤthig ist, um sie in dem Zeitraum, der gewoͤhnlich hiezu angewandt wird, in Mennige zu verwandeln. Ohne Zweifel muß man es diesem Umstande zuschreiben, daß man allgemein ein eigens bei der moͤglichst niedrigen Temperatur bereitetes Massicot anwendet. Das Bleiprotoxyd aͤndert also, wenn es bei einer wenig erhoͤhten Temperatur in Beruͤhrung mit der Luft erhizt wird, seine Farbe, wird roth, und verwandelt sich in Mennige. Die so erhaltenen Producte sind aber sehr verschieden und die Chemiker sind uͤber ihre Zusammensezung getheilter Meinung. Man hat Versuche angefuͤhrt, welche zu dem Schlusse zu berechtigen scheinen, daß es mehrere Arten von Mennige gibt und die Zusammensezung dieses Koͤrpers war der Gegenstand einer Streitfrage, welche bis jezt noch unentschieden ist. Da Hr. Roard mir erlaubte in seinen Oefen in einem hinreichend großen Maßstabe Mennige zu bereiten, so benuzte ich diese Gelegenheit, um mir eine schoͤne Reihe von Mennigen zu verschaffen, die ich durch stufenweise verlaͤngertes Roͤsten erhielt; diese Producte analysirte ich dann, um den Einfluß jenes Umstandes auf ihre Zusammensezung kennen zu lernen. Zuerst suchte ich auszumitteln, welche Quantitaͤt Sauerstoff das Massicot waͤhrend der zwei oder drei Roͤstungen absorbirt, die man damit vornimmt, um es in Mennige von der schoͤnsten im Handel vorkommenden Farbe zu verwandeln. Zu diesem Ende verwandelte ich die Proben, die ich zur Analyse benuzte, durch Gluͤhen in Protoxyd und maß das entbundene Gas. Ich brachte die Mennige in eine an einem Ende verschlossene Glasroͤhre und sammelte das Sauerstoffgas in dem Apparate auf, welchen die HH. Gay-Lussac und Liebig in ihrer Abhandlung uͤber das knallsaure Silber beschrieben haben. 5 Gramme von einer Mennige, welche auf gewoͤhnliche Weise durch 24 Stunden anhaltendes Roͤsten des Massicot in einem Flammofen bereitet worden war, lieferten so 44 Kubikcentimeter feuchtes Sauerstoffgas, bei 14° C. und 0,756 Barometerstand; dieses entspricht dem Gewichte nach 0,0586 oder 1,17 auf 100 der angewendeten Substanz. Dieselbe Mennige, eben so lange zum zweiten Mal geroͤstet, gab 1,22 Procent Sauerstoff. Dieselbe Mennige gab nach einer dritten Reverberirung 1,36 Procent. Die Farbe war bei allen diesen Mennigen so schoͤn als bei Mustern, die man durch ein viel laͤngeres Roͤsten erhalten hatte und ihre Zusammensezung naͤhert sich sehr jener der orangerothen Krystalle, welche Hr. Houtou-Labillardière in einem Mennigeofen gefunden hat; denn dieses Product wuͤrde bei der Verwandlung in Protoxyd ebenfalls 1,30 Procent Sauerstoff verloren haben. Diese Umstaͤnde haͤtten mich zu der Untersuchung veranlassen koͤnnen, ob die Mennige in diesem Zustande nicht ein eigenthuͤmliches Oxyd ist, welches aus 3 Atomen Protoxyd in Verbindung mit einem Atom Peroxyd besteht; die mikroskopische Untersuchung dieser Substanzen reichte aber hin, um mich zu uͤberzeugen, daß dem nicht so ist; denn mittelst einer starken Lupe konnte ich darin leicht eine betraͤchtliche Menge Massicot, das an seiner gelben Farbe zu erkennen und bloß mit der Mennige gemengt war, unterscheiden. Als ich diese Mennige zum vierten Mal roͤstete, absorbirte sie noch Sauerstoff, aber in geringer Menge und ohne ihre Farbe merklich zu veraͤndern. 100 Theile gaben alsdann durch Gluͤhen 1,50 von diesem Gas. Nach fuͤnf Tage langem Roͤsten gab sie davon 1,55 Procent. Endlich, nachdem sie 8 Tage lang in dem Flammofen gelassen worden und folglich 8 Feuer erhalten hatte, verlor sie bei der Reduction zu Protoxyd nur noch 1,75 Procent Sauerstoff; der Ruͤkstand von der Calcination lieferte mir 98 reines Blei-Protoxyd. Daß das Massicot selbst unter den guͤnstigsten Umstaͤnden den Sauerstoff so außerordentlich langsam absorbirt, scheint zum Theil von den physischen Eigenschaften dieser Substanz herzuruͤhren; denn wenn man Bleiweiß auf dieselbe Art roͤstet, so geht die Operation viel rascher. Die schoͤnste orangefarbige Mennige (mine orange, Pariserroth) erhaͤlt man durch bloß drei Roͤstungen, und sie liefert bei dem Gluͤhen bis 2,23 Procent Sauerstoff. Nach obigen Versuchen wechselt also der ganze Sauerstoffgehalt bei den verschiedenen untersuchten Proben von Mennige auf folgende Art: Ganzer Sauerstoffgehalt. 100 Thle. Mennige, 1 Feuer 8,26   –     –          – 2   – 8,30   –     –          – 3   – 8,43   –     –          – 4   – 8,56   –     –          – 5   – 8,61   –     –          – 8   – 8,79   –     –    orangefarbige Mennige 9,24 Sauerstoff, welcher sich bei derUmaͤnderung in Protoxyd entbindet. 100 Thle. Mennige, 1 Feuer 1,17   –     –          – 2    – 1,22   –     –          – 3    – 1,36   –     –          – 4    – 1,50   –     –          – 5    – 1,55   –     –          – 8    – 1,75   –     –    orangefarbige Mennige, 2,23. Bei allen diesen Producten hat das Massicot, wie man sieht, bei Weitem noch kein halbes Aequivalent Sauerstoff aufgenommen und sich folglich noch nicht vollstaͤndig in ein Blei-Sesquioxyd verwandelt, denn Mennige von dieser Zusammensezung muͤßte beim Gluͤhen 3,33 Procent Sauerstoff verlieren. Nichts deutete aber die Unmoͤglichkeit an, diese Verwandlung des Massicots in Sesquioxyd durch hinreichend wiederholte Roͤstungen zu bewirken und in der Absicht schneller dazu zu gelangen, brachte ich sehr reine orangefarbige Mennige in eine Roͤhre, deren Temperatur gehoͤrig erhoͤht wurde, und ließ bestaͤndig Sauerstoffgas durch die Masse stroͤmen. Nachdem der Versuch einige Stunden lang fortgesezt worden war, unterbrach ich ihn, um die so geroͤstete Mennige zu analysiren. 5 Gramme von dieser Substanz gaben mir durch Gluͤhen 91 Kubikcentimeter Sauerstoffgas bei 15° C. und 0,755 Barometerstand; dieß entspricht dem Gewichte nach 0,12031 oder 2,40 Procent. Ich ließ sodann noch Sauerstoff in den auf ungefaͤhr 300° erhizten Apparat stroͤmen, und zwar eben so lang wie bei dem ersten Versuche; zu meiner großen Verwunderung fand ich aber bei der Analyse des Productes, daß es keinen Sauerstoff mehr absorbirt hatte und seine Zusammensezung genau dieselbe geblieben war wie bei dem ersten Versuche. Anfangs vermuthete ich, daß vielleicht eine fremdartige Substanz in der angewendeten orangefarbigen Mennige dieses Resultat herbeigefuͤhrt haben koͤnnte. Um mich davon zu uͤberzeugen, reducirte ich 5 Gramme davon zu Massicot, loͤste dann das Ganze in Salpetersaͤure auf, dampfte zur Trokniß ab und nahm den Ruͤkstand wieder in Wasser auf; es blieben aber nur fast unwaͤgbare Spuren von Kieselerde oder schwefelsaurem Blei zuruͤk, und salpetersaures Silber zeigte auch in der Aufloͤsung kein Chlorblei an. 2 Gramme von derselben Mennige wurden unmittelbar mit Salpetersaͤure behandelt, gaben aber keine Kohlensaͤure und Schwefelsaͤure faͤllte aus der Aufloͤsung des so gebildeten salpetersauren Bleies 1,765 Gr. schwefelsaures Blei, 1,298 Gr. Bleiprotoxyd entsprechend. Der unaufloͤsliche Ruͤkstand bestand aus braunem Oxyd. Die Fluͤssigkeit gab mit schwefelwasserstoffsaurem Ammoniak keinen Niederschlag. Diese Mennige enthielt folglich nur Blei, mit Sauerstoff verbunden, und zwar in dem Verhaͤltnisse von ungefaͤhr 64,9 Protoxyd auf 35,1 Peroxyd, oder von zwei Atomen des ersteren auf eines des lezteren. Bei einem anderen Versuche schloß ich eine gewisse Quantitaͤt orangefarbiger, der vorhergehenden aͤhnlichen Mennige in einen Ballon ein, der mit Sauerstoff gefuͤllt war und mit der Gloke eines kleinen Manometers in Verbindung stand; ich stellte den Ballon auf ein Sandbad und erhizte ihn so stark, daß die orangefarbige Mennige eine außerordentlich dunkle Farbe annahm. Die Temperatur des Ballons wurde sieben Tage lang ungefaͤhr auf demselben Grad erhalten, und ein Theil der so geroͤsteten Mennige dann analysirt. 2 Gramme gaben 35,5 Kubikcentimeter Sauerstoff bei 16° C. und 0,7545 Barometerstand, was nach allen Correctionen fuͤr die Temperatur, den Druk und die Feuchtigkeit, 32,64 Kubikcentimeter und 0,4673 Gr. oder 2,337 Procent entspricht. Diese orangefarbige Mennige hatte also waͤhrend dieses langen Versuches nur 0,10 Procent Sauerstoff absorbirt, und stimmte also hinsichtlich ihrer Zusammensezung mit der Mennige uͤberein, welche nur einige Stunden lang der Einwirkung des Sauerstoffgases ausgesezt worden war. Der Ballon, welcher die so geroͤstete Mennige enthielt, wurde sodann neuerdings mit Sauerstoffgas gefuͤllt, und wie fruͤher einen ganzen Tag lang erhizt. 2 Gramme von der Mennige dieser zweiten Operation gaben beim Gluͤhen 35,5 Kubikcentimeter Gas bei 14° C. und 0,765 Barometerstand, welche 0,04717 Gr. oder 2,35 Procent Sauerstoff entsprechen. Nach diesem Resultat schien es mir wahrscheinlich, daß dieses Product wirklich eine ganz bestimmte Verbindung ist, und ich hielt es fuͤr interessant, dasselbe mit reiner, nach anderen Verfahrungsarten erhaltener Mennige zu vergleichen. Zu diesem Ende wendete ich zuerst die Methode an, die ich in meinem Traité de Chimie beschrieb, und welche darin besteht, in neutralem essigsaurem Blei alles der Mennige beigemengte Massicot aufzuloͤsen. Orangefarbige Mennige, derjenigen aͤhnlich, welche zu den vorhergehenden Versuchen angewendet wurde, digerirte ich so lange mit neutralem essigsaurem Blei, bis sie dasselbe nicht mehr in basisches Salz verwandelte, suͤßte sie dann aus und troknete sie. 4 Gramme der so gereinigten Mennige wurden dann wie bei den vorhergehenden Versuchen gegluͤht und lieferten 69,3 Kubikcentimeter Sauerstoff (bei + 15° C. und 0,762 Barometerstand), was dem Gewichte nach 2,31 Procent entspricht. Diese Mennige hat folglich dieselbe Zusammensezung wie das Product, welches man durch directe Einwirkung des Sauerstoffgases auf orangefarbige Mennige erhielt. Eine neue Quantitaͤt orangefarbiger Mennige wurde sodann mit einer concentrirten Aufloͤsung von Aezkali digerirt, welches bekanntlich die Eigenschaft hat, das Blei-Protoxyd aufzuloͤsen und folglich aus der Mennige alles ihr beigemengte Massicot aufnehmen mußte. 3 Gramme der so gereinigten Mennige gaben durch Gluͤhen 53,5 Kubikcentimeter Sauerstoffgas bei 19° C. und 0,755 Barometerstand. Wenn alle Correctionen fuͤr die Temperatur, den Druk und die Feuchtigkeit gemacht sind, entspricht dieses Volumen dem Gewichte nach 0,06947 Gramm. Diese Mennige enthielt folglich, wie die vorhergehenden, nur 2,316 Procent Sauerstoff uͤber denjenigen, welcher das Blei-Protoxyd bildet, und nachdem sie nochmals mit Aezkali digerirt worden war, gab sie bei der Analyse dieselben Resultate. Nach diesen Versuchen schien es mir ausgemacht, daß sowohl die Producte, welche man durch directe Einwirkung des Sauerstoffs auf das Massicot erhaͤlt, als auch diejenigen, welche man durch Reinigung der orangefarbigen Mennige mittelst neutralen essigsauren Bleies oder durch laͤngere Einwirkung einer Aezkali-Aufloͤsung auf dieselbe Substanz erhaͤlt, eine eigenthuͤmliche und constante Verbindung von Blei mit Sauerstoff sind, deren Zusammensezung von der bisher angenommenen abweicht. Sie besteht naͤmlich sehr nahe aus 3 Atomen Blei und 4 Atomen Sauerstoff. Eine Mennige von dieser Zusammensezung wuͤrde naͤmlich 9,34 Procent Sauerstoff enthalten und 2,34 davon verlieren, wenn sie sich in Protoxyd verwandelt; diese Zahlen kommen aber dem Resultate aller meiner Versuche sehr nahe. Das Verhaͤltniß der Atome des Bleies und Sauerstoffs in dieser Mennige bieten nicht die Einfachheit dar, welche man in der Zusammensezung der binaͤren Oxyde bemerkt. Es ist dasselbe wie bei den Deutoxyden des Eisens und Mangans, und scheint mir klar anzuzeigen, daß dieser Koͤrper ein salzartiges Oxyd ist, bestehend aus zwei Atomen Blei-Protoxyd und einem Atom Peroxyd. Diese Mennige scheint also ein bleisaures Blei zu seyn, worin die Basis eben so viel Sauerstoff enthaͤlt, als die Saͤure und ihre Formel ist 2 Pb. O + Pb. O. Nimmt man an, daß die Krystalle, welche Hr. Houton-Labillardière entdekte, nicht Bleiglatte sind, die bloß mit Mennige vermengt ist, sondern eine homogene Verbindung, und legt die Resultate der Analyse der Mennige von Berzelius zu Grunde, so wuͤrde es drei salzartige Oxyde des Bleies geben, welche durch das Protoxyd und Peroxyd desselben gebildet werden, naͤmlich: 3 Pb. O + Pb. O² 2 Pb. O + Pb. O²    Pb. O + Pb. O² Es scheint mir nicht unmoͤglich, daß sich diese drei Verbindungen wirklich bilden koͤnnen; wir kennen aber kein Verfahren, uns die erstere zu verschaffen, und ich muß gestehen, daß wenn die Untersuchung der lezteren nicht von Berzelius angestellt worden waͤre, ich ihre Existenz bezweifeln und glauben wuͤrde, daß jede Mennige, die uͤber 4 Atome Sauerstoff auf 3 Atome Blei enthaͤlt, nur aus einer Mennige besteht, die der von mir untersuchten aͤhnlich, aber mit braunem Oxyd vermengt ist. In der That kenne ich kein anderes Verfahren, um eine Mennige zu erhalten, die mehr Sauerstoff enthaͤlt, als dieses. gewoͤhnliche Mennige mit sehr schwacher Essigsaͤure zu behandeln; auf diese Art erhielt Berzelius das Product, welches ihm 2,9 Sauerstoff auf 100 gelbes Oxyd lieferte. So vorsichtig ich aber auch bei Wiederholung dieses Versuches verfahren mochte, so fand ich doch immer, daß sich mehr oder weniger braunes Oxyd bildete, noch ehe die ganze Masse hinreichend von Massicot gereinigt war, um durch Gluͤhen 2,33 Procent Sauerstoff zu verlieren. Durch lange fortgesezte Digestion zersezte sich die Mennige gaͤnzlich, selbst mittelst Wasser, das durch Essigsaͤure kaum gesaͤuert war. In der kurzen Beschreibung, welche Berzelius von dem Versuche mittheilt, aus welchem er folgerte, daß die reine Mennige 10 Procent Sauerstoff enthaͤlt, erwaͤhnt er keines Mittels, wodurch man das Eintreten dieser Reaction verhindern koͤnnte, und es waͤre moͤglich, daß sie ihm entging. Ich wage es aber nicht, in dieser Hinsicht eine bestimmte Meinung zu aͤußern, und wenn ich mich dabei aufhalte, so geschieht es mehr, um die Aufmerksamkeit dieses Gelehrten auf die Schwierigkeit zu lenken, die ich antraf, um die Wahrheit stiller Schluͤsse in Zweifel zu sezen. Wie dem aber auch sey, so scheint es mir wahrscheinlich, daß alle im Handel vorkommenden Sorten von Mennige aus dem salzartigen Oxyde 2 Pb. O + Pb. O² bestehen, und wenn man dieses zugibt, so wuͤrden die verschiedenen Muster, wovon ich im Anfange dieser Notiz sprach, folgende Zusammensezung haben: Wirkliche Mennige. Beigemengtes Protoxyd. Mennige, 1 Feuer 50 50 2   – 52,1 47,9 3   – 58,1 41,9 4   – 64,1 35,9 5   – 66,2 33,8 8   – 74,8 25,2 Orangefarbige Mennige, 3   – 95,3   4,7 Hieraus muͤßte man schließen, daß bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der Kunst die Fabrikation der Mennige noch viel zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt, waͤhrend diejenige der orangefarbigen Mennige (des Pariserroths) dem theoretischen Resultate so nahe kommt, daß man kaum eine groͤßere Vervollkommnung hoffen darf. Um die verschiedenen Sorten von Mennige auf ihren Sauerstoffgehalt zu pruͤfen, kann man sie mit Salpetersaͤure behandeln und das zuruͤkbleibende braune Oxyd bestimmen, oder die Menge des aufgeloͤsten Protoxyds vermittelst des Mensurglases (Kaͤnnchens) durch eine verduͤnnte Schwefelsaͤure von bekanntem Gehalt ausmitteln.Der Verfasser meint hiemit das Verfahren, wodurch Hr. Gay-Lussac die kaͤufliche Potasche und Soda auf ihren Alkaligehalt pruͤft; es ist im polytechn. Journal Bd. XXXII. S. 190 beschrieben. A. d. R. Folgende Tabelle druͤkt die Zusammensezung der verschiedenen Muster von Mennige unter diesem Gesichtspunkte aus: Braunes Oxyd. Protoxyd. Mennige, 1 Feuer 17,4 82,6 2   – 18,2 81,8 3   – 20,3 79,7 4   – 22,4 77,6 5   – 23,1 76,9 8   – 26,0 74,0 Orangefarbige Mennige, 3   – 33,2 66,8 Reine Mennige, 34,9 65,1 Die so verschiedenartigen Meinungen, welche uͤber die Natur und Zusammensezung der Mennige von Chemikern aufgestellt wurden, die zu genau sind, als daß sie bei einer Analyse dieser Art einen Fehler begehen koͤnnten, veranlaßten mich diese Frage gruͤndlich zu untersuchen. Ich muß es am Schlusse dieser Abhandlung wiederholen, daß, obgleich ich keinen Zweifel uͤber die Natur der Producte mehr hegen kann, die ich nach so verschiedenartigen Methoden, welche alle auf dasselbe Resultat fuͤhren, gereinigt habe, ich doch keineswegs glaube, daß die Mennige von Berzelius sich nicht unter besonderen Umstaͤnden, die ich aber nicht realisiren konnte, bilden duͤrfte. Die Folgerungen, welche die Praktiker aus meinen Versuchen ziehen koͤnnen, sind indessen gluͤklicher Weise ganz unabhaͤngig von der theoretischen Frage, und welche Meinung man in der Folge auch uͤber die wirkliche Natur der reinen Mennige annehmen mag, so aͤndert dieß nichts an den Resultaten, die ich bei meinen Versuchen uͤber den Einfluß verschiedener Feuer auf die Mennige bei der gegenwaͤrtig uͤblichen Fabrikationsweise beobachtet habe.