Titel: Bericht, welchen Hr. Graf Lasteyrie über zwei Abhandlungen des Hrn. Bonafous über die Maulbeerbaum-Cultur und die Seidenraupen-Zucht erstattete.
Fundstelle: Band 45, Jahrgang 1832, Nr. LXXVII., S. 296
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LXXVII. Bericht, welchen Hr. Graf Lasteyrie uͤber zwei Abhandlungen des Hrn. Bonafous uͤber die Maulbeerbaum-Cultur und die Seidenraupen-Zucht erstattete. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement. Mai 1832, S. 166. Lasteyrie, uͤber die Maulbeerbaum-Cultur und die Seidenraupen-Zucht. Hr. Bonafous hat der Gesellschaft zwei Abhandlungen, deren Verfasser er ist, zugesendet. Die eine dieser Abhandlungen enthaͤlt die Resultate der Versuche, die er uͤber die Anwendung der Blaͤtter der gepfropften Maulbeerbaͤume im Vergleiche mit den Blaͤttern der wilden Maulbeerbaͤume anstellte; die zweite handelt von der Anpflanzung des Maulbeerbaumes und von der Seidenraupenzucht in einigen Departements in der Mitte Frankreichs. Diesen beiden Abhandlungen legte Hr. Bonafous auch noch ein Manuscript bei, in welchem sich seine Versuche uͤber das Abhaspeln der Seide mit kaltem Wasser niedergelegt befinden. Hr. Bonafous, der sich fortwaͤhrend mit der Vervollkommnung eines Zweiges der Landwirthschaft beschaͤftigt, die ihm bereits so unendlich Vieles verdankt, suchte durch die genauesten und sorgfaͤltigsten Versuche auszumitteln, ob sich bei der Benuzung der Blaͤtter der gepfropften Maulbeerbaͤume, oder bei jener der wilden Baͤume groͤßere Vortheile ergaͤben. Er nahm zu diesem Behufe 4 Unzen Seidenraupeneier von der chinesischen Race, theilte sie in zwei Theile, und ließ beide Theile unter gleichen Umstaͤnden und in gleicher Zeit ausfallen. Die ausgefallenen Raupen beider Theile erzog er in einem und demselben Locale und bei ganz gleicher Temperatur, nur fuͤtterte er den ersten Theil mit Blaͤttern von gepfropften, den zweiten hingegen mit Blaͤttern von wilden Maulbeerbaͤumen, wobei er jedes Mal die Menge der verzehrten Blaͤtter wog. Bei diesem Versuche ergab sich nun, daß die mit gepfropften Maulbeerblaͤttern genaͤhrten Raupen waͤhrend ihres ganzen Wachsthumes, d.h. vom 1. Mai bis zum 12 Jun., 3198 Pfunde Blaͤtter fraßen, waͤhrend die mit wilden Maulbeerblattern gefuͤtterten, die doch ersteren an Zahl gleich waren, nur 2744 Pfunde 8 Unzen auffraßen, so daß mithin von den wilden Blaͤttern um 455 Pfunde 8 Unzen weniger gefressen wurden, als von den gepfropften. Da wegen des schlechten Wetters die Gelbsucht unter den Raupen einriß, so gingen bei dem Versuche viele Raupen zu Grunde, und zwar von jenen, die mit den gepfropften Blaͤttern gefuͤttert worden, mehr, als von jenen, die nur wilde Blaͤtter fraßen. Hr. Bonafous nahm von beiden Theilen eine gleiche Anzahl Cocons und wog dieselben ab, wobei sich ein beinahe gleiches Gewicht zeigte. 10 Pfunde Cocons der mit wilden Blaͤttern genaͤhrten Raupen gaben aber 11 1/2 Unzen Seide, waͤhrend ein gleiches Gewicht Cocons der anderen Raupen nur 10 7/8 Unzen gab. Es geht mithin hieraus hervor, daß sich bei der Fuͤtterung mit den wilden Maulbeerblattern im Vergleiche mit der Fuͤtterung mit den gepfropften eine Ersparniß von beinahe 15 Pfunden am Centner Futter ergibt; und daß das wilde Futter gesuͤnder ist, als das gepfropfte, weil es weniger waͤsserig ist, als lezteres. Die mit wilden Blaͤttern gefuͤtterten Raupen gaben auf jede Unze Eier um 2 1/2 Pfund mehr Cocons, als die anderen Raupen; auch war deren Seide feiner und schoͤner, als jene der Raupen, die mit gepfropften Blaͤttern gefuͤttert worden waren. Hr. Bonafous bemerkt jedoch, daß auch den gepfropften Maulbeerbaͤumen einige Vorzuͤge vor den wilden zukommen; ihre Blaͤtter widerstehen naͤmlich dem Einflusse des Thaues und des Regens besser, und bleiben auch laͤnger frisch. Das Sammeln der Blaͤtter ist viel leichter, und kostet um 1/3 weniger. Die Baͤume schlagen ferner spaͤter aus, und eignen sich daher auch fuͤr kaͤltere und rauhere Klimate besser. Hr. Bonafous glaubt nach diesen Daten schließen zu duͤrfen, daß es im Allgemeinen gleichguͤltig ist, ob man wilde oder gepfropfte Blaͤtter zur Fuͤtterung nimmt, und daß die Pflanzer nur darauf sehen sollen, daß sie unter den zahlreichen Varietaͤten, die es sowohl unter den wilden, als unter den gepfropften Maulbeerbaͤumen gibt, jene auswaͤhlen, welche die besten und vortheilhaftesten Eigenschaften besizen, und dabei zugleich den oͤrtlichen Verhaͤltnissen am Besten angepaßt sind.Hr. Bonafous hat vor Kurzem auch eine Abhandlung uͤber die Cultur des Maulbeerbaumes als Wiesenpflanzer und uͤber eine neue Art derselben bekannt gemacht. Er nennt diese neue Art Morus multicaulis, welcher Name jedoch geaͤndert werden muß, da bereits von dem rothen Maulbeerbaume eine Varietas multicaulis existirt. Wir verdanken diese neue Art, die sich eben so gut aus Samen, als aus Steklingen ziehen laͤßt, Hrn. Perrottet, der dieselbe bei seinen Reisen in China sammelte. In seiner zweiten Abhandlung erstattet Hr. Bonafous uͤber die Beobachtungen, die er in einigen Gegenden des mittleren Frankreichs uͤber die Seidenzucht machte, einen Bericht. Im Departement de l'Allier findet man viele, beinahe 100 Jahre alte Maulbeerbaͤume, welche vortrefflich gedeihen, und die in fruͤheren Jahren mit großem Vortheile zur Seidenzucht verwendet wurden. Aus commerciellen oder politischen Gruͤnden wurde jedoch die Seidenzucht in dieser Gegend spaͤter wieder aufgegeben, bis sie in neuester Zeit wieder in Aufschwung kam. Ein einziger Landeigenthuͤmer erntete daselbst im J. 1828 aus 11 Unzen Eiern 123 Pfunde Seide. – Die im Departement du Puy-de-Dôme erzeugte Seide, so wie die daraus verfertigten Stoffe, gelten fuͤr vortrefflich, und eben solche Resultate versprechen die im Departement de la Haute-Loire und im Departement de la Loire angefangenen Versuche. Am Schlusse seiner Abhandlung gibt Hr. Bonafous denjenigen, die sich mit der Einfuͤhrung der Seidenzucht im Inneren Frankreichs beschaͤftigen, mehrere sehr wichtige Nachschlage, welche die Beruͤksichtigung Aller verdienen, und die wir zur Nachlese empfehlen.