Titel: Ueber Hrn. Dr. Church's Dampfwagen. Schreiben des Mechanikers R. Prosser zu Birmingham an den Herausgeber des London Journal of Arts.
Fundstelle: Band 46, Jahrgang 1832, Nr. XV., S. 81
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XV. Ueber Hrn. Dr. Church's Dampfwagen. Schreiben des Mechanikers R. Prosser zu Birmingham an den Herausgeber des London Journal of Arts. Aus dem London Journal of Arts. Julius 1823, S. 144. Ueber Church's Dampfwagen. Da die lezten Verhandlungen, welche die von dem Hause der Gemeinen zur Pruͤfung der Dampfwagen-Angelegenheiten niedergesezte Commission pflog, den verstaͤndigen Theil des Publicums uͤberzeugt haben muß, daß wir uns am Vorabende der allgemeinen Anwendung der Dampfwagen auf den gewoͤhnlichen Straßen befinden, so nehme ich mir die Freiheit durch Ihr Journal die Resultate eines Versuches bekannt zu machen, welchen Hr. Dr. Church zu Birmingham, dessen bekannte mechanische Talente und wissenschaftliche Genauigkeit gegenwaͤrtig auf die Anwendung der Dampfkraft auf den gewoͤhnlichen Straßen gerichtet sind, angestellt hat. Jedermann, der mit dem fraglichen Gegenstande nur einiger Maßen vertraut ist, weiß, daß eine der vielen zu uͤberwindenden Schwierigkeiten in der schnellen Dampferzeugung liegt. Bei diesem Versuche nun verwandelte 1 Quadratfuß der erhizten Oberflaͤche in Einer Stunde 13 Gallons Wasser in Dampf; ein Resultat, welches bisher noch nie erreicht wurde, und welches gewiß Alles uͤbertrifft, was die eifrigsten Bewunderer der Dampfwagen verstaͤndiger Weise je erwartet haben konnten. Pouillet gab in seinen Élémens de Physique die groͤßte Menge Wasser, welche in derselben Zeit von derselben Oberflaͤche in Dampf verwandelt werden kann, auf 1,23 Gallons an. Aus folgender Tabelle ergibt sich die Erhoͤhung der Wirkung, welche Hr. Dr. Church mit seinem Apparate, den ich den bestehenden Patent-Gesezen gemaͤß nicht beschreiben darf, erhielt. Ich nehme hiebei auch den allgemein angenommenen Saz an, daß 8 Quadratfuß einer erhizten Oberflaͤche noͤthig sind, um 1 Kubikfuß oder 6 1/4 Gallons Wasser innerhalb Einer Stunde in Dampf zu verwandeln; indem diese Quantitaͤt Wasser, in Dampf verwandelt, in mechanischer Kraft als ein Aequivalent der Kraft Eines Pferdes betrachtet wird. Bei allen diesen Versuchen wurde Ein Quadratfuß erhizter Oberflaͤche eine Stunde Zeit uͤber angewendet. Verbrauchtes Wasser in Gallons. Pferdekraft.      78/100 =   12/100 Watt.      90/100 =   14/100 Arrow.   1 34/100 =   21/100 Rocket.   1 23/100 =   19/100 Pouillet's Élemens de Physique. 13 = 2       Dr. Church's Apparat. Die erste Columne enthaͤlt die in Einer Stunde verdampfte Quantitaͤt Wasser; die zweite die Pferdekraft oder mechanische Wirkung dieses Wassers und die dritte den Autor. Die Versuche, nach welchen diese Tabelle, mit Ausnahme der beiden lezten Angaben, berechnet sind, sind in Wood's Werk uͤber Eisenbahnen S. 402 und 412 enthalten. Aus dieser Tabelle geht hervor, daß Dr. Church's Apparat bei einer gleichen erhizten Oberflaͤche 10 Mal mehr Wasser verdampft, als dieß bisher bei den kraͤftigsten Dampfwagen der Fall war. Der Apparat, mit welchem dieser Versuch gemacht wurde, besteht aus Kupfer, von welchem ein Theil zusammengeloͤthet ist.Die Loͤthung wurde bloß angewendet, um in diesem Falle den Einfluß der Hize auszumitteln.A. d. O. Die Leichtigkeit, mit der dieser Apparat die Hize an das Wasser abgab, war so groß, daß die Lothung selbst bei einer Hize von 1200° F. unversehrt blieb, obschon ihr Schmelzpunkt 340° betrug. Diesem Versuche nach duͤrfte das Gelingen der Dampffahrt auf gewoͤhnlichen Straßen ganz sicher seyn, indem dieser Apparat bei einer sehr einfachen Einrichtung der Theile eine betraͤchtliche Menge Gas entwikelt. Die schnell auf einander folgenden Verbesserungen, die im Laufe der lezten 7 Jahre an den Dampfwagen angebracht wurden, haben in der ganzen Geschichte der Erfindungen nicht ihres Gleichen aufzuweisen; sie sind um so merkwuͤrdiger, da sie an einem Gegenstande gemacht wurden, der selbst schon an Vollkommenheit graͤnzte. Der Nuzen der Dampfmaschine scheint einer unberechenbaren Ausdehnung faͤhig zu seyn; die Anwendung derselben zur Erzeugung einer schnellen und wohlfeilen Communication im Inneren muß die Wohlfahrt und das Gluͤk der Menschen außerordentlich foͤrdern. Großen Dank ist das Publicum den Commissionsgliedern der London- und Holyhead-Straße fuͤr die so schaͤzenswerthe Reihe von Versuchen schuldig, welche dieselben uͤber die Zugkraft auf den gewoͤhnlichen Straßen anstellten, und welche von den Kenntnissen und dem Scharfsinne der HH. Telford und Macneill zeugen. Einer der wichtigsten, aus diesen Versuchen hervorgehenden Schluͤsse ist: „daß der Zug einer Landkutsche auf einer gewoͤhnlichen Landstraße in einem geringeren Verhaͤltnisse, als die Geschwindigkeit und nicht wie das Quadrat der Geschwindigkeit, wie Einige glaubten, zunimmt. Hiernach scheint es also, daß die Geschwindigkeit eines Dampfwagens auf einer Eisenbahn, und jene einer Landkutsche auf einer guten Landstraße von denselben Bewegungsgesezen abhaͤngen, und daß jeder Vortheil, der sich durch den schnellen Transport von Reisenden und von Waaren mittelst Dampfwagen auf den Eisenbahnen ergibt, wahrscheinlich durch gleiche Mittel auch auf einer guten Landstraße erreicht werden kann.“ Wenn die Frage nur noch lediglich auf diesen Versuchen beruhen wuͤrde, so waͤre deren guͤnstige Erfuͤllung nicht bloß moͤglich, sondern gewiß. Fuͤgt man uͤberdieß zu diesem guͤnstigen Resultate der eben erwaͤhnten Versuche noch die Leistungen der Erfindung des Hrn. Church, so laͤßt sich wohl behaupten, daß die Eisenbahnen an den Landstraßen bald einen unbesiegbaren Nebenbuhler, und das Publicum auch an diesen lezteren ein schnelles, sicheres und wohlfeiles Communicationsmittel finden wird. Anhang. Das London Journal fuͤgt diesem Schreiben des Hrn. Prosser folgendes abgeaͤndertes Glaubensbekenntniß uͤber das Dampffahren auf gewoͤhnlichen Straßen bei. „Unsere Leser wissen wohl, daß wir bisher durchaus keine guͤnstige Ansicht von dem Fahren der Dampfwagen auf den gewoͤhnlichen Straßen hatten. Die Schwierigkeit die gehoͤrige Staͤrke mit der noͤthigen Leichtigkeit zu verbinden; das bestaͤndige Abaͤndern der Kraft der Treibmaschine nach den Unebenheiten der Straße; das Verzehren oder Verbrennen des Rauches, der, wenn er entweichen wuͤrde, sehr laͤstig und schaͤdlich waͤre; und vorzuͤglich die Erbauung eines Kessels, der bei einem beschraͤnkten Raume doch so viel Gas erzeugt, als zum Treiben des Wagens noͤthig ist, schienen uns bisher so unuͤbersteigliche Hindernisse, daß wir nicht glaubten, daß die Dampfkraft je zum Transporte von Reisenden und Waaren auf gewoͤhnlichen Straßen mit Vortheil und zur allgemeinen Zufriedenheit benuzt werden duͤrfte; obschon auch wir eingestanden, daß dieß, wenn es moͤglich waͤre, von groͤßtem Nuzen seyn muͤßte. Die Untersuchung und Erwaͤgung der oben erwaͤhnten Plane und Versuche haben aber, wie wir gestehen muͤssen, unsere fruͤhere Ansicht bedeutend erschuͤttert, indem alle die aufgezaͤhlten Hindernisse und Schwierigkeiten durch die neuen Erfindungen sehr sinnreich und vollends beseitigt wurden. Das lezte Patent, welches Hr. Dr. Church nahm, und welches noch nicht bekannt gemacht ist, umfaßt eine Menge der wichtigsten Erfindungen an den Dampfwagen. Besonders zeichnet es sich aber durch einen roͤhrenfoͤrmigen Kessel aus, der schneller eine groͤßere Menge Dampf erzeugt, als bisher noch je von einem Kessel von gleicher Groͤße und Schwere erzeugt wurde. Auch in der Einrichtung des Wagengestelles, welches die Maschine, die Reisenden und das Gepaͤk traͤgt, so wie in der Art der Verbindung der Theile sind viele Verbesserungen getroffen, die die groͤßte Festigkeit bei der geringsten Schwere bezweken. Da das Patent noch nicht eingetragen ist, so duͤrfen wir bisher mit Erlaubniß des Patent-Traͤgers unseren Lesern nur eine Ansicht seines Wagens von Außen mittheilen.Wir hielten es fuͤr unnuͤz die aͤußere Ansicht dieses Wagens, der mit gothischen Verzierungen reichlich ausgestattet ist, auf der Kupfertafel mitzutheilen.A. d. Red. Ein solcher Wagen faßt 56 Personen: die Maschinerie ist in der Mitte desselben eingeschlossen und ganz unsichtbar. Die Form und die aͤußeren Verzierungen koͤnnen in der Folge nach Belieben und Geschmak abgeaͤndert werden; die bestimmten Stellungen und Dimensionen der Theile gehoͤren aber wesentlich zur Einrichtung der Maschine und ihres Zugehoͤres. Es soll nun unmittelbar eine Gesellschaft gegruͤndet werden, die eine Dampfwagenfahrt mit diesen Wagen zwischen London und Birmingham in Gang bringen soll. Die Ankuͤndigung hieruͤber enthaͤlt folgende Bemerkungen. „Die Vortheile der Dampffahrt auf gewoͤhnlichen Landstraßen sind laͤngst anerkannt, nur standen immer noch einige Hindernisse im Wege, die bisher noch nie so beseitigt werden konnten, daß die Anwendung der Dampfwagen auf den Landstraßen eben so viele Sicherheit als Vortheil dargeboten haͤtte. Das Publicum, welches des Nuzens der Dampfwagen denn doch nicht ganz beraubt seyn wollte, ist denselben bisher durch die Errichtung von Eisenbahnen zu Huͤlfe gekommen, und hat auf diese Weise unser bisher beschranktes Wissen in diesem Zweige der Mechanik zu compensiren gewußt. Dieses laͤstige und kostspielige Mittel entbehrlich zu machen, bleibt jedoch immer noch sehr wuͤnschenswerth, und zwar aus folgenden Gruͤnden. 1) wird das Landeigenthum, durch welches die Eisenbahnen gehen, in nicht unbedeutenden Streken zerstoͤrt, und durch Daͤmme, Bruͤken, und andere unansehnliche Bauten entstellt. 2) geht durch Errichtung derselben eine große Streke sehr schaͤzbaren, bestellbaren Bodens fuͤr die Cultur verloren. 3) sind die Erbauungs- und Unterhaltungs-Kosten dieser Straßen sehr groß. 4) wird es bei diesen Bahnen, die hauptsaͤchlich nur in ebenen Gegenden mit Vortheil angebracht werden koͤnnen, noͤthig, daß viele Arbeiter und Fabrikanten ihre gegenwaͤrtigen Niederlassungen und Wohnungen verlassen, und sich dafuͤr an Orten niederlassen, die dem Laufe der Bahn entsprechen. 5) muß das Publicum dabei seine gegenwaͤrtigen Gebrauche und Straßen aufgeben, und das Vergnuͤgen des Reifens mit dem monotonen und nicht sehr angenehmen Fahren auf Eisenbahnen vertauschen. Gegen gut eingerichtete Dampfwagen laͤßt sich keiner dieser Einwuͤrfe machen. Sie erzeugen keine Hindernisse und Schwierigkeiten auf den gewoͤhnlichen Straßen, und machen die Anlegung neuer Straßen, wodurch dem Akerbau Grund und Boden entzogen wird, unnoͤthig. Die Ersparung der Interessen allein, welche das Capital, das zur Errichtung einer Eisenbahn von Birmingham nach London noͤthig ist, jaͤhrlich fordert, wuͤrde sich auf 150,000 Pfd. Sterl. belaufen, und die Ersparniß an den Reparaturkosten wuͤrde wahrscheinlich eben so viel betragen. Die neuen Dampfwagen koͤnnen sowohl in ebenen als huͤgeligen Gegenden laufen, und in Staͤdten bis vor die Wohnungen, die Gasthaͤuser oder Geschaͤftsplaͤze fahren. Sie haben auch darin einen großen Vortheil vor den mit Pferden bespannten Kutschen voraus, daß man auf offener Straße durch groͤßere Schnelligkeit das wieder an Zeit hereinbringen kann, was man verlieren wuͤrde, wenn man in den Staͤdten im Schritte fahren wollte oder muͤßte. Die Wagen koͤnnen endlich leicht, luftig und bequem eingerichtet seyn, so daß sie sich wahrscheinlich zu den gewoͤhnlichen Reisegelegenheiten ebenso verhalten werden, wie sich die Dampfbothe zu den kleinen Flußbarken verhalten. Ungeachtet der vielen Schwierigkeiten, die noch bestanden, hat das Publicum doch die Ueberzeugung gewonnen, daß die Dampfwagen mit der Zeit alle uͤbrigen Fuhrwerke uͤbertreffen und ausmerzen werden. Das Parliament selbst scheint zu dieser Ueberzeugung gekommen zu seyn, indem es eine Bill zur Regulirung der Zoͤlle fuͤr die Dampfwagen annahm. Da nun alle diese Schwierigkeiten durch Hrn. Church's Erfindung gehoben sind; da derselbe im Stande ist Wagen zu erbauen, die alle die angefuͤhrten Vortheile gewaͤhren, und welche mit jeder Geschwindigkeit und voller Sicherheit und Leichtigkeit bei jeder beliebigen Beladung laufen; da ferner diese Wagen die Straßen nicht nur nicht verderben, sondern verbessern werden, so soll eine Dampfwagen-Compagnie zur Fahrt zwischen London und Birmingham errichtet werden, und zwar eine Compagnie, durch welche die gegenwaͤrtig bestehenden großen Interessen nicht beeintraͤchtigt werden. Welch weites Feld der Compagnie offen steht, geht aus den Berichten und Nachweisungen der London-Birmingham-Eisenbahn-Compagnie hervor. Aus diesen Berichten ergibt sich naͤmlich, daß die Zahl der Reisenden zwischen London und Birmingham jaͤhrlich 480,000 betraͤgt, daß sich die Summe der Tonnen-Zahl, die jaͤhrlich auf dieser Straße verfahren wird, auf 138,000 belaͤuft; und daß die Transportkosten der Reisenden und der Guͤter zusammengenommen auf die ungeheure Summe von 1,644,000 Pfd. Sterl. angeschlagen werden koͤnnen! Die Eigenthuͤmer der Church'schen Erfindung haben sich zur Gruͤndung der Compagnie bereits um eine Incorporations-Acte an das Parliament gewendet. Sie haben ferner ausgemacht, daß der vierte Theil der Actien fuͤr die Kutschen-Eigenthuͤmer, Fuhrleute und sonstige bei dem Verkehre auf den Straßen betheiligte Individuen bei Seite gelegt werden sollen, um auch diese an den Vortheilen der Compagnie Theil nehmen zu lassen. Da den angestellten Berechnungen zu Folge die einjaͤhrigen Interessen des Capitales, welches zur Errichtung der projectirten Eisenbahn noͤthig ist, fuͤr den Bedarf der Compagnie hinreichen werden, so soll das ganze Capital in 10,000 Actien zu 20 Pfd. Sterl. getheilt, und von diesen Actien in Zwischenraͤumen von 3 Monaten je 1 Pfd. Sterl. erhoben werden.“ Die Leser des polytechnischen Journals, die sich fuͤr die Fortschritte, welche in der Einrichtung der Eisenbahnen und Dampfwagen gemacht werden, besonders interessiren, muͤssen in Bezug auf vorstehenden Aufsaz das im polytechn. Journal Bd. XLIII. S. 1 mitgetheilte fruͤhere Patent des Hrn. Church auf eine verbesserte Dampfmaschine mit den Bemerkungen des Uebersezers und den Aufsaz des Hrn. v. Baader: uͤber die neuesten Versuche, mit Dampfwagen auf gewoͤhnlichen Landstraßen zu fahren, im vorhergehenden Hefte (Bd. XLVI. S. 21) nachlesen. A. d. Red.