Titel: Ueber die Vertilgung der Ratten und jener schädlichen Thiere, die sich vergraben, oder die sich in mehr oder weniger tiefen unterirdischen Löchern verbergen. Von Hrn. Thenard.
Fundstelle: Band 46, Jahrgang 1832, Nr. XXXVI., S. 143
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XXXVI. Ueber die Vertilgung der Ratten und jener schaͤdlichen Thiere, die sich vergraben, oder die sich in mehr oder weniger tiefen unterirdischen Loͤchern verbergen. Von Hrn. Thenard. Aus den Annales de Chimie et de Physique. April 1832, S. 437. Thenard, uͤber die Vertilgung der Ratten. Unter allen Gasarten ist ohne allen Zweifel das Schwefelwasserstoffgas das toͤdtlichste; seine Einwirkung auf die thierische Oekonomie ist so groß, daß man dieselbe nur mit Muͤhe begreifen kann. Ein Thier, welches dieses Gas rein und unvermischt einathmet, faͤllt, wie von einer Kugel getroffen, todt nieder; und selbst wenn das Gas mit einer bedeutenden Menge Luft vermengt ist, erfolgt durch das Einathmen desselben noch ploͤzlicher Tod. Nach Versuchen, die ich vor vielen Jahren gemeinschaftlich mit Hrn. Dupuytren anstellte, geht ein Pferd in weniger als einer Minute in einer Luft, die den 250sten Theil Schwefelwasserstoffgas enthaͤlt, zu Grunde. Ein Hund von mittlerer Groͤße stirbt sehr schnell in einer Luft, die mit dem 1000sten Theile dieses Gases vermengt ist, und ein Gruͤnfink oder Gruͤnling unterliegt selbst in einer Luft, in der nur der 1500ste Raumtheil aus Schwefelwasserstoff besteht, innerhalb einiger Secunden. Von diesen Resultaten uͤberrascht, kam mir oͤfter die Idee (die ich auch bereits schon mehrere Male mitgetheilt habe), daß sich diese außerordentliche Eigenschaft und Wirkung auch wohl benuzen ließe, um eine Menge schaͤdlicher Thiere bis in ihre Schlupfwinkel zu verfolgen, und sie in denselben gleichsam augenbliklich zu zerstoͤren. Unter den Personen, denen ich die Anwendung dieses eben so neuen, als kraͤftigen Mittels empfahl, fanden sich jedoch nur Unglaͤubige, Gleichguͤltige oder solche, denen selbst die Ausfuͤhrung eines einzigen Versuches schon zu muͤhsam und laͤstig war. Ich war also gezwungen selbst zu handeln. Meinen ersten Versuch machte ich in einem Theile eines Pachthofes, in welchem sich eine große Menge Ratten befanden, so daß sie sich des Tages an verschiedenen Orten, des Nachts hingegen uͤberall, und selbst in den Betten der Stalljungen einfanden, daß sie das Leder des Pferdegeschirres uͤberall annagten, und die Haferkiste bestaͤndig durchfraßen. Die sichtbaren Loͤcher, in denen sie sich verbargen, waren 18 an der Zahl: die einen befanden sich in gleicher Hoͤhe mit dem Boden, die anderen uͤber demselben, und zwar saͤmmtlich in den Mauern. An diesen Loͤchern brachte ich nach und nach tubulirte, eine halbe Pinte fassende Retorten an, indem ich deren Hals in die Loͤcher stekte und sie mit Gypskitt darin befestigte. In allen diesen Retorten befand sich Schwefeleisen, welches durch Vermengung von Eisenfeilspaͤnen, Schwefel und Wasser erzeugt worden. In die Tubulirung der Retorten brachte ich eine dreiarmige Roͤhre, durch welche ich nach und nach verduͤnnte Schwefelsaͤure eintrug. Kaum war dieß geschehen, so entwikelte sich Schwefelwasserstoffgas in solcher Menge, daß alle Ratten zu Grunde gehen mußten. Ich hoͤrte, wie mehrere derselben in den Loͤchern mit dem Tode kaͤmpften, und sah andere, die durch Loͤcher, welche ich fruͤher nicht bemerkt hatte, entflohen, auch außer denselben noch zu Grunde gehen. Seit den fuͤnf Monaten, die nun verflossen sind, seitdem ich diesen Versuch anstellte, wird das Leder und der Hafer nicht mehr angegriffen, auch sah man die ganze Zeit uͤber keine Ratte mehr. Ich suchte, ehe ich meine Beobachtung der Akademie mittheilte, meine Erfahrung hieruͤber noch durch einen zweiten Versuch, zu welchem sich mir neuerlich eine sehr gute Gelegenheit darbot, zu bestaͤtigen. In den ausgedehnten Gebaͤuden einer alten, gegenwaͤrtig zu einer oͤffentlichen Anstalt verwendeten Abtei befanden sich Legionen von Ratten; sie hatten die Keller, die Boͤden, den Hof, die Abtritte unterminirt, und kamen sogar in das Waschhaus, in welchem das Geschirr gereinigt wird, und welches an die Kuͤche anstoͤßt. In das Waschhaus, in welchem sie sich zahlreiche Loͤcher gegraben hatten, kamen die sauberen Gaͤste alle Abende unmittelbar nach dem Abendessen in Masse, um sich der Ueberreste von Speisen, die sich daselbst befanden, zu bemaͤchtigen. Man ließ, um sie abzuhalten, den Boden dieses Waschhauses neu pflastern; allein es half nichts, schon den naͤchsten Morgen sah der Boden aus, als waͤre er in der Nacht wieder aufgerissen worden. Einen guͤnstigeren Ort zu einem zweiten Versuche konnte es nicht wohl geben. In Uebereinstimmung mit Hrn. Persoz und Hrn. Gazan brachte ich meine Apparate in diesem Orte an. Da die Zahl der Loͤcher zu groß war, so entschlossen wir uns, deren einige zu verstopfen, und in die uͤbrigen Gas zu leiten. Es waren keine fuͤnf Minuten verflossen, so schleppte sich eine ungeheure Ratte aus einem Loche, welches weit von jenen entfernt war, in die wir Gas leiteten, und starb vor unseren Augen. Einige Tage spaͤter hatten wir Gelegenheit eines der Loͤcher zu oͤffnen, und fanden auch in diesem eine große, todte Ratte. Gleich in der ersten Nacht hoͤrte man beinahe kein Geraͤusch mehr unter dem Pflaster; nur ein oder zwei neue Loͤcher entstanden die Nacht uͤber, und mit diesen wurde des Tages darauf auf dieselbe Weise verfahren. Eben dieß erfolgte auch noch in den Paar naͤchstfolgenden Naͤchten, und dieß laͤßt mich vermuthen, daß mehrere der Loͤcher mit tiefen, nahe gelegenen Hoͤhlen in Verbindung standen. Nachdem wir die Ratten auf diese Weise aus dem Waschhause und den zunaͤchst gelegenen Punkten vertrieben hatten, griffen wir sie auch in den Kellern an. Leider konnten wir aber hier wegen einiger Holz- und Steinhaufen nicht uͤberall zu deren Schlupfwinkeln gelangen; gewiß ist, daß wir sie uͤberall vertrieben, wo wir unsere Vorrichtung anwenden konnten. Waͤhrend sie fruͤher in ganzen Truppen in das Waschhaus zogen, und durch ihr Auftreten sowohl, als durch ihr durchdringendes Geschrei gewaltigen Laͤrmen machten, ist nun Alles ruhig. Wenn die Administration aber nicht sorgfaͤltig Acht gibt, so duͤrften durch die Kuͤchenabfaͤlle bald wieder neue Gaͤste aus der Nachbarschaft herbeigezogen werden, da die Mauern uͤberall voll Loͤcher sind. Ich habe dieses Verfahren bisher noch nicht zur Verfolgung und Toͤdtung der Maulwuͤrfe, Fuͤchse, Dachse, Wiesel, Wespen und anderer schaͤdlicher Thiere, welche sich unter der Erde zu verbergen oder aufzuhalten pflegen, versucht; allein ich habe mir vorgenommen, sobald als moͤglich Versuche hieruͤber anzustellen, und bin uͤberzeugt, daß diese den guͤnstigsten Erfolg haben werden. Das ganze Verfahren ist sehr einfach. Handelt es sich z.B. um Vertilgung der Ratten, und ist die Zahl der Loͤcher nicht zu groß, so ist es am besten, wenn man in alle Gas leitet. Ist die Zahl der Loͤcher hingegen sehr groß, so ist es besser, wenn man sie mit einer duͤnnen Schichte Gyps verstreicht. Die Ratten werden dann naͤmlich schnell einige derselben oͤffnen, und dadurch anzeigen, in welchen Loͤchern man mit dem meisten Erfolge operiren kann. Am haͤufigsten befinden sich die Loͤcher in den Mauern, und dann wendet man, wie schon gesagt worden, tubulirte, eine halbe Pinte fassende Retorten an. Manchmal sind die Loͤcher aber, wie z.B. jene der Maulwuͤrfe, unter der Erde, und dann ist es bequemer, wenn man eine Flasche mit zwei Tubulaturen anwendet, und in die eine dieser Tubulaturen die Roͤhre, bei welcher die Saͤure eingegossen, in die andere hingegen jene Roͤhre bringt, bei welcher das Gas entweicht. Die Operation selbst geschieht auf folgende Weise. Man mengt vier Theile Eisenfeilspaͤne und drei Theile Schwefelblumen in einem Moͤrser mit einem Pistill oder in einer Pfanne mit der Hand so genau als moͤglich unter einander. Dieses Gemenge bringt man dann in ein Gefaͤß von gehoͤriger Groͤße, uͤbergießt es mit vier Theilen siedenden Wassers, und ruͤhrt es dabei mit einem glaͤsernen oder hoͤlzernen Stabe so lang um, bis das Ganze durchaus gleichmaͤßig befeuchtet ist. Hierbei hat beinahe augenbliklich eine eigene Wirkung Statt; es entsteht ein Aufsieden und es wird ein schwarzes Schwefelmetall erzeugt. Einige Zeit spaͤter, wenn die Wirkung schwaͤcher zu werden anfaͤngt, sezt man auf zwei Mal, und in Zwischenraͤumen von 7 Minuten, noch vier Theile Wasser zu. Wenn hierauf die mit einer Schichte Fluͤssigkeit uͤberdekte Masse nur mehr die Temperatur der Hand hat, so traͤgt man sie durch eine der Tubulaturen mittelst eines weiten Trichters und eines kleinen eisernen Loͤffels ein. Fuͤr eine Retorte von 1/2 Liter ist es genug, wenn man 4 Unzen Eisen, 3 Unzen Schwefel und 7–8 Unzen Wasser anwendet. Wenn man will, kann man das Gemeng aus Eisen und Schwefel auch gleich in die einzelnen Retorten vertheilen, und dann das noͤthige Wasser zusezen. Auf diese Weise wuͤrde sich naͤmlich das Schwefeleisen eben so gut in der Retorte bilden. Das Schwefelmetall mag nun auf diese oder jene Weise bereitet und in die Retorten gebracht worden seyn, so gießt man, wenn die Roͤhren angebracht und in die Rattenloͤcher geleitet worden, wenn alle Fugen gut mit Gyps, Moͤrtel oder Thon verkleistert sind, durch eine dreiarmige Roͤhre nach und nach Schwefelsaͤure, welche vorher mit fuͤnf Mal so viel Wasser verduͤnnt worden, in die Retorte, wodurch sogleich ein lebhaftes Aufbrausen entstehen wird. Die Schnelligkeit, mit welcher sich die Luftblasen entwikeln, muß in Hinsicht auf das Nachgießen der Saͤure leiten; man muß so lange davon zusezen, bis die ganze Masse aufgeloͤst ist. Beinahe in allen aͤlteren und groͤßeren Haͤusern befinden sich doppelte Fußboͤden. Diese Boͤden haben zwar das Gute, daß man nicht Alles, was im oberen Stokwerke vorgeht, durchhoͤrt; allein sie bilden auch oft einen trefflichen Aufenthalt fuͤr Ratten und Maͤuse, die darin oft so herumjagen, daß sie die Einwohner des Nachts in ihrer Ruhe stoͤren. Mittelst des Schwefelwasserstoffgases wird man diese laͤstigen, naͤchtlichen Gaͤste wahrscheinlich auch an solchen Orten vertilgen koͤnnen. Es kann leicht geschehen, daß waͤhrend der Operation durch die eine oder die andere, nicht verstopfte Rize Schwefelwasserstoffgas entweicht. Um nun dieses zu zerstoͤren, braucht man nur einige Tropfen schwache Schwefelsaͤure auf eine ganz geringe Menge Chlorkalk zu gießen. Ein halbes Quentchen Chlorkalk reicht auch hin, um das Schwefelwasserstoffgas zu zersezen, welches sich nach der Operation noch in den Retorten befindet. Es wird immer gut seyn, wenn man diese Vorsichtsmaßregel nicht versaͤumt, besonders wenn man in engen, eingeschlossenen Raͤumen arbeitet. Die Loͤcher muͤssen unmittelbar nach der Abnahme der Retorten genau verschlossen werden, theils damit das Gas nicht entweiche, theils damit man gegen die Ausduͤnstungen der getoͤdteten und faulenden Thiere gesichert ist. Ich glaube, daß dieses Mittel Maͤuse und Ratten zu vertilgen sehr nuͤzlich werden koͤnnte; ich werde mich bald noch weiter hiervon zu uͤberzeugen suchen, und dann der Akademie meine ferneren Resultate hieruͤber mittheilen.Einfacher und verlaͤßlicher wird die Vertilgung der Ratten und Maͤuse und anderes Ungeziefer durch Einstroͤmung von Wasserdaͤmpfen in die Oeffnungen ihres Aufenthaltes mittelst eines tragbaren Dampfkessels in den Haͤusern wie auf den Äckern und Wiesen bezwekt werden.A. d. R.