Titel: Ueber die Wirkungen des Kalkes und der Kreide auf den Traubenmost und den Wein; über die Ursachen der faulen Gährung der Weine; über die Mittel zur Herstellung umgeschlagener Weine. Von Hrn. Rolland de Blomac.
Fundstelle: Band 46, Jahrgang 1832, Nr. CVIII., S. 415
Download: XML
CVIII. Ueber die Wirkungen des Kalkes und der Kreide auf den Traubenmost und den Wein; uͤber die Ursachen der faulen Gaͤhrung der Weine; uͤber die Mittel zur Herstellung umgeschlagener Weine. Von Hrn. Rolland de Blomac. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Mai 1832, S. 223. Blomac, uͤber die Wirkungen des Kalkes auf den Wein. In sehr vielen Abhandlungen und Anleitungen zur Kunst Wein zu erzeugen findet man den Rath, dem Traubensafte gleich in den Kufen oder Bottichen Kalk oder Kreide zuzusezen. Chaptal, dessen Name in der Oenologie von so großem und verdientem Gewichte ist, empfiehlt in seiner Abhandlung uͤber die Weinbereitung gleichfalls die Bottiche mit 2 bis 3 Schichten Kalkmilch zu uͤbertuͤnchen, ehe man die Trauben in dieselben bringt, und fuͤgt noch hinzu, daß dieser Ueberzug oder diese Tuͤnche den Vortheil gewaͤhrt, daß sie einen Theil der Aepfelsaͤure, welche in so großer Menge im Weine enthalten ist, saͤttige. Die Chemiker geben gegenwaͤrtig hauptsaͤchlich folgende drei Saͤuren als in dem Weine enthalten an: die Weinsteinsaͤure, die Aepfelsaͤure und die Essigsaͤure. Leztere findet sich jedoch im Moste noch nicht; sie ist eines der Producte der Gaͤhrung. Der Zusaz von Aezkalk oder Kreide wird empfohlen, um den Wein auf diese Weise von den angegebenen Saͤuren zu befreien, um die Saͤuren zu neutralisiren. Nach meiner Ansicht ist jedoch ein Zusaz der einen oder der anderen dieser Substanzen dem Weine nachtheilig und besonders den Weinen des suͤdlichen Frankreichs sehr schaͤdlich. Unsere suͤdlichen Weine enthalten, wenn sie aus den Bottichen kommen, nur sehr wenig freie Saͤure; schon ihre violette Farbe beweist, daß nur eine sehr geringe Menge Saͤure in denselben enthalten seyn kann. Die Saͤuren haben naͤmlich, wie Jedermann weiß, das Eigene die Pflanzen-Pigmente zu roͤthen, und daß dieß auch bei den Weinen der Fall ist, zeigt schon die Farbe der Weine Burgunds und der noͤrdlichen Provinzen, welche ihre schoͤne feurige Farbe bloß der groͤßeren Menge Saͤure verdanken, welche sie enthalten. Ein Zusaz von Kalk waͤre daher bei unseren suͤdlichen Weinen, die ohnedieß schon zu viel Zuker enthalten, eine ganz fehlerhafte Operation; sie wuͤrde die Suͤße derselben, die den Weintrinkern ohnedieß meistens nicht sehr angenehm ist, nur vermehren. Und doch ist dieß nur einer der geringsten Nachtheile des Kalkzusazes. Der Kalk macht den Wein schlechter, er mag Aepfelsaͤure oder Essigsaͤure enthalten; der Grund hievon ist folgender. Die Saͤuren werden naͤmlich zwar gesaͤttigt und in aͤpfelsauren und essigsauren Kalk umgewandelt; allein diese beiden Salze, von denen das eine einen herben und stechenden, das andere aber einen faden und widerlichen Geschmak hat, sind im Weine aufloͤslich, bleiben also in demselben aufgeloͤst und vertheilt, und schaden folglich seiner Durchsichtigkeit und seinem Geschmake sehr empfindlich.Gyps oder schwefelsaurer Kalk, unter den Wein gemengt, bringt dieselben Wirkungen hervor, wie der kohlensaure Kalk, nur ist seine Wirkung etwas langsamer und minder kraͤftig. Diese Wirkung ruͤhrt jedoch nicht von dem reinen schwefelsauren Kalk her, der gar keinen Einfluß auf die Saͤuren des Weines hat; sondern daher, daß selbst der reinste kaͤufliche Gyps immer etwas kohlensauren Kalk enthaͤlt.A. d. O. Der in den Wein eingetragene Kalk verbindet sich auch mit der Weinsteinsaͤure, und bildet mit dieser ein unaufloͤsliches, zu Boden fallendes Salz. In einem Weine also, der sehr viele Weinsteinsaͤure enthaͤlt, koͤnnte der Kalk gute Dienste leisten, vorausgesezt, daß die Weinsteinsaͤure die einzige im Weine enthaltene Saͤure waͤre. Die Weinsteinsaͤure findet sich jedoch selten in freiem ungebundenen Zustande in dem Weine; beinahe immer ist sie (ausgenommen sie ist im Ueberschusse vorhanden) an Kali gebunden, mit dem sie ein Jedermann bekanntes Salz bildet, welches im rohen, mit Gelaͤger und anderen Substanzen verunreinigten Zustande unter dem Namen roher Weinstein, gereinigt aber als Weinsteinrahm im Handel vorkommt. Da nun die Verwandtschaft des Kalkes zur Weinsteinsaͤure groͤßer ist, als jene des Kali's, so bemaͤchtigt sich der Kalk der Weinsteinsaͤure und bildet damit weinsteinsauren Kalk, waͤhrend das frei gewordene Kali im Weine schwebend bleibt, ihm eine schwaͤrzliche Farbe und einen sehr widerlichen Laugengeschmak mittheilt, und ihn bald zur faulen Gaͤhrung geneigt macht. Die Einwirkung des Kali's auf den Wein, und die Erscheinungen, welche es in demselben hervorbringt, sind von um so groͤßerem Interesse fuͤr alle Weinbauer, als auf ihnen die Krankheit der sogenannten umgeschlagenen Weine beruht. Der Wein wird naͤmlich waͤhrend der Hize des Sommers truͤbe, der Weinstein zersezt sich, der saure Theil wird unter Entwikelung von Holzsaͤure gesaͤttigt und verschwindet ganz. Das Kali wird frei, der Wein nimmt eine schwaͤrzliche Farbe an, welche bald in ein livides Roth uͤbergeht, indem die Kohlensaͤure Theile des Gelaͤgers mit sich fortreißt. Endlich tritt die faule Gaͤhrung ein, und der Wein verdirbt ganz und gar. Die Erklaͤrung dieser Erscheinungen wuͤrde uns hier zu weit fuͤhren; wir beschraͤnken uns darauf unseren Lesern dieselben in Kuͤrze anzudeuten und ihnen ein Mittel mitzutheilen, durch welches sie solchen Wein, der erst umzuschlagen anfaͤngt, wieder vollkommen herstellen koͤnnen. Um naͤmlich diese Krankheit des Weines zu heilen, handelt es sich bloß darum, das Kali, welches die einzige Ursache derselben ist, zu saͤttigen. Um dieß zu bewirken, braucht man nichts weiter zu thun, als den Wein in ein vollkommen reines Faß umzufuͤllen, in welchem man vorher eine starke geschwefelte Lunte, einen sogenannten Einschlag, verbrannt hat. Wenn der Wein bei diesem Verfahren nach einigen Tagen nicht wieder hergestellt ist, so seze man demselben eine Saͤure zu, welche mit dem Kali ein unaufloͤsliches saures Salz bildet. Am besten eignet sich hiezu die Weinsteinsaͤure; allein sie ist noch sehr theuer und kommt daher sehr hoch zu stehen, wenn man mit großen Quantitaͤten, und noch obendrein mit Wein von geringem Werthe zu thun hat. Man kann daher statt der Weinsteinsaͤure ohne allen Nachtheil Schwefelsaͤure anwenden; nur muß hier der Zusaz in genauen Verhaͤltnissen und so geschehen, daß das Kali durch die Schwefelsaͤure eben gesaͤttigt wird. Ein leichter Ueberschuß von Schwefelsaͤure waͤre zwar der Gesundheit nicht nachtheilig, da man ja auch sehr kuͤhlende Limonaden mit Schwefelsaͤure bereitet; allein, wenn moͤglich, soll man auch dieß, um allen Einwendungen zu begegnen, vermeiden. Ein groͤßerer Ueberschuß von Schwefelsaͤure aber wuͤrde sich sehr leicht und schnell durch den unangenehmen Geschmak zu erkennen geben. Ich habe bei der Aufstellung obiger Ansicht mit allen Oenologen das Vorhandenseyn von Aepfelsaͤure im Weine, der man bei der Vinification gewoͤhnlich eine sehr große Rolle spielen laͤßt, angenommen. Ich habe indessen sehr viel Grund zu vermuthen, daß weder im Moste, noch im Traubenweine auch nur ein Atom Aepfelsaͤure enthalten ist. Davy erwaͤhnt in der Aufzahlung der Fruͤchte, aus welchen sich Aepfelsaͤure gewinnen laͤßt, der Trauben mit keinem Worte; obschon, wenn in den Trauben so viel Aepfelsaͤure enthalten waͤre, als man sagt, die sauren englischen Trauben ihm gewiß eine große Menge Aepfelsaͤure gegeben haben muͤßten. – Derselbe Chemiker erkennt in seiner Analyse der Weine die Gegenwart der Weinsteinsaͤure an, erwaͤhnt aber der Aepfelsaͤure mit keiner Sylbe. Gay-Lussac und Thenard reihen die Trauben gleichfalls nicht unter jene Fruͤchte, welche Aepfelsaͤure enthalten, und eben so wenig findet man diese Saͤure unter jenen Substanzen, welche diese beruͤhmten Chemiker im Weine fanden. Braconnot endlich, der doch die Aepfelsaͤure als die verbreitetste vegetabilische Saͤure betrachtet, und der dieselbe in einer außerordentlichen Menge verschiedener Gewaͤchse auffand, zaͤhlt weder die Rebe noch die Trauben in seinem Verzeichnisse der aͤpfelsaͤurehaltigen vegetabilischen Stoffe auf. Alles dieß sind schon Thatsachen, welche sehr zu Gunsten meiner Behauptung sprechen; ich will nun noch schlagendere Beweise fuͤr dieselbe zu geben suchen. Man nehme einen Liter jungen, nicht suͤßen Wein, und mische unter diesen so lange geringe Quantitaͤten Kalkpulver, bis seine Saͤure ganz verschwunden ist. Dieser Kalk wird sich mit der freien Weinsteinsaͤure verbinden, wird sich der Saͤure des im Weine enthaltenen sauren weinsteinsauren Kali's bemaͤchtigen, und wird als weinsteinsaurer Kalk zu Boden fallen. Die ruͤckstaͤndige abgegossene Fluͤssigkeit wird dann einen suͤßlichen, von aller Saͤure freien Geschmak haben. Ob nun dieses suͤßlichen Geschmakes ungeachtet aͤpfelsaurer oder essigsaurer Kalk, welche leicht aufloͤsliche Salze sind, in der Fluͤssigkeit enthalten ist, laͤßt sich leicht durch Zusaz von ein Paar Tropfen Schwefelsaͤure ausmitteln. Die Schwefelsaͤure wuͤrde sich naͤmlich des Kalkes dieser beiden Salze bemaͤchtigen und als schwefelsaurer Kalk zu Boden fallen, waͤhrend die beiden Saͤuren auf diese Weise wieder frei wuͤrden. Gibt sich die Fluͤssigkeit bei dieser Behandlung nicht als sauer zu erkennen, so kann man daraus auf die Abwesenheit der Aepfelsaͤure schließen; reagirt sie hingegen sauer, so ruͤhrt dieß entweder von freier Aepfelsaͤure ober Essigsaͤure her. Diese beiden Saͤuren von einander zu unterscheiden, ist sehr leicht; die Essigsaͤure ist naͤmlich die einzige vegetabilische Saͤure, welche einen Geruch besizt; sie ist sehr fluͤchtig und theilt diese Eigenschaft nur mit der Meconsaͤure und brennzeligen Schleimsaͤure; man darf daher die Fluͤssigkeit nur kochen, um die Essigsaͤure zu entwikeln und zu verjagen, und hat man dieß gethan, so wird der Ruͤkstand, den man erhaͤlt, keine Spur von Saͤure mehr zeigen, wie sauer auch der Wein gewesen seyn mag, den man dem Versuche unterwarf. Die Meinung, daß der saͤuerliche und das Lakmuspapier roͤthende Weingeist diese Saͤure der Aepfelsaͤure verdanke, ist dem Ebengesagten gemaͤß ganz irrig; diese Saͤure kann nur von Essigsaͤure herruͤhren, indem die Aepfelsaͤure nicht fluͤchtiger Natur ist. Ich glaube aus allen diesen Thatsachen schließen zu koͤnnen, daß weder in dem Moste, noch in dem Traubenweine Aepfelsaͤure enthalten ist; daß die Saͤure des Mostes und des Weines von freier Weinsteinsaͤure oder einer großen Menge sauren weinsteinsauren Kali's herruͤhre, und endlich, daß die noͤrdlichen Weine mehr Weinstein enthalten, als die suͤdlichen. –––––––––– Wir haben uns aller Bemerkungen uͤber obigen Aufsaz des Hrn. Rolland de Blomac enthalten, und geben statt derselben lieber die Berichtigung, welche Hr. Braconnot selbst im Journal des connaissances usuelles Junius 1832, S. 292 bekannt machte. Hr. Braconnot sagt naͤmlich: Der Aufsaz, welchen Hr. Rolland de Blomac im J. d. conn. us. bekannt machte, enthaͤlt einige Angaben, welche ich als irrig und unrichtig widerlegen zu muͤssen glaube. Hr. R. d. Bl. stellt als Grundsaz auf, daß weder in dem Moste, noch in dem Traubenweine ein Atom Aepfelsaͤure enthalten ist, und stuͤzt sich dabei unter Anderem auch darauf, daß ich unter den vielen Pflanzen, in denen ich diese Saͤure auffand, der Weinrebe gar nicht erwaͤhnte. Jedermann weiß aber, daß ich schon seit langer Zeit betankt machte, daß man sehr reine Aepfelsaͤure am besten dadurch erhaͤlt, wenn man den frischen Traubensaft in der Siedhize mit Kreide saͤttigt. Hiebei faͤllt naͤmlich der weinsteinsaure Kalk zu Boden, waͤhrend die daruͤberstehende Fluͤssigkeit beim Eindampfen eine betraͤchtliche Menge krystallisirten aͤpfelsauren Kalkes gibt, den man nur mit etwas Wasser von den ihm anhaͤngenden zukerigen Bestandtheilen zu befreien und dann mit Schwefelsaͤure zu zersezen braucht, um beinahe reine Aepfelsaͤure zu erhalten. Nach Hrn. Rolland de Blomac ruͤhrt die unter dem Namen des Umschlages bekannte Krankheit des Weines davon her, daß ihre Saͤure vollkommen zerstoͤrt, und dafuͤr das Kali frei wird; er schlaͤgt daher, um dieser radikalen Veraͤnderung des Weines abzuhelfen, vor, das frei gewordene Kali durch Schwefelsaͤure zu saͤttigen, so daß in diesen Weinen, wenn man sie ja noch so nennen darf, der Weinstein durch schwefelsaures Kali ersezt wuͤrde. Ich meiner Seits getraue mich aber zu behaupten, daß es, sobald der Wein ein Mal die alkalinischen Eigenschaften der Potasche zu zeigen beginnt, was nur in Folge der eingetretenen faulen Gaͤhrung moͤglich ist, kein Mittel mehr gibt, den Wein wieder herzustellen. Ich weiß uͤbrigens aus eigener Erfahrung, daß die Mineralsaͤuren weit kraͤftiger als die Pflanzensaͤuren zur Erhaltung des Weines beitragen; sie wirken, wie es scheint, auf eine aͤhnliche Weise, wie die schwefelige Saͤure. Ich wurde vor einiger Zeit mit der Untersuchung eines alten Weines beauftragt, der, wie mir der Weinhaͤndler gestand, bereits viel von seiner fruͤheren Kraft verloren hatte und offenbare Zeichen des anfangenden Verderbens gab. Dieser Wein nun konnte durch Zusaz von etwas weniger Schwefelsaͤure noch einige Jahre lang erhalten werden. Da aber die Schwefelsaͤure nur so lang wirken kann, als sie in freiem Zustande im Weine enthalten ist, so wird Jedermann, der nur etwas feinen Geschmak besizt und aufmerksam kostet, einen solchen mir Schwefelsaͤure behandelten Wein leicht durch dessen Einwirkung auf die Zaͤhne erkennen.