Titel: Bemerkungen über die Fabrikation der koblensäurehaltigen Mineralwasser, oder der sogenannten Säuerlinge. Als Fortsezung zu Hrn. Soubeiran's Abhandlung über dieselben; von Hrn. Boissenot Sohn, Apotheker zu Châlons sur Saône.
Fundstelle: Band 47, Jahrgang 1832, Nr. LXVII., S. 373
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LXVII. Bemerkungen uͤber die Fabrikation der koblensaͤurehaltigen Mineralwasser, oder der sogenannten Saͤuerlinge. Als Fortsezung zu Hrn. Soubeiran's Abhandlung uͤber dieselben; von Hrn. Boissenot Sohn, Apotheker zu Châlons sur Saône. Aus dem Journal de Pharmacie. Decbr. 1832, S. 717. Boissenot, Bemerkungen uͤber die sogenannten Saͤuerlinge. Hr. Soubeiran hat in einer hoͤchst interessanten Abhandlung uͤber die Bereitung der Saͤuerlinge (welche in diesem Bande des polytechn. Journales S. 178 erschien) alle die verschiedenes Zufaͤlle und Unfaͤlle aufgezaͤhlt, welche bei dieser Art von Fabrikation, und hauptsaͤchlich beim Fuͤllen dieser Mineralwasser in Flaschen vorkommen koͤnnen. Er scheint diese Unfaͤlle hauptsaͤchlich den Haͤhnen zuzuschreiben, deren man sich bisher hiezu bediente, und schlaͤgt daher, um dem Verluste an Gas, der beim Fuͤllen gewoͤhnlich Statt findet, vorzubeugen, einen neuen Hahn vor, dem er den Namen eines doppelten Hahnes beilegt, und der allen erforderlichen Bedingungen zu entsprechen scheint. Ich habe schon im J. 1827 einen ganz aͤhnlichen Hahn erfunden und angewendet, denn der einzige Unterschied meines Hahnes bestand darin, daß sich dessen Schnauze nicht mit elastischen Scheiben, sondern mit einem kegelfoͤrmigen, mit Werg umwundenen Pfropfe, der einen Tampon fuͤr den Hals der Flaschen bildete, endigte. Ich habe jedoch meinen Hahn spaͤter wieder aufgegeben, theils wegen seiner schlechten Einrichtung und der Langsamkeit, die damit verbunden und bei einer etwas raschen Fabrikation nothwendig laͤstig war, theils in Folge verschiedener Beobachtungen, welche ich uͤber die Aufloͤsung des kohlensauren Gases im Wasser mit Beihuͤlfe des Drukes, und uͤber verschiedene Erscheinungen, die sich beim Fuͤllen der Wasser in Flaschen ergeben, anzustellen Gelegenheit hatte. Diese Beobachtungen nun sind es, welche ich der Gesellschaft vorzulegen die Ehre habe, uͤberzeugt von der Nachsicht, mit welcher sie dieselben aufnehmen wird. Ich muß, so wie Hr. Soubeiran, mit der Bemerkung beginnen, daß ich bald nach den ersten Versuchen das Fehlerhafte der Klappenhaͤhne mit langer Schnauze einsah, und fand, daß ein Hahn mit kurzer Schnauze, welche genau in oder auf den Hals der Flasche paßt, bei weitem besser sey. Ich bemerkte ferner, so wie er, daß es weit gefehlt sey, wenn man, um das Ausfließen des Wassers durch einen Druk auf die Oberflaͤche des Wassers zu beschleunigen, das Wasser waͤhrend des Fuͤllens der Flaschen in Bewegung sezt, und daß es eben so nachtheilig ist, wenn man, um einen groͤßeren Druk in den Apparaten zu erzeugen, Kohlensaͤure oder atmosphaͤrische Luft in dieselben treibt. Lezteres geschieht immer zum offenbaren Nachtheile des Saͤuerlings, weil das Wasser, durch dieses Eintreiben von Gas oder Luft erschuͤttert und in Bewegung gesezt, waͤhrend des Abziehens immer eine große Menge Gas entweichen laͤßt. Die beiden Apparate, deren ich mich zur Fabrikation der Mineralwasser bediene, sind, bis auf einige Kleinigkeiten jenen der Central-Apotheke aͤhnlich. Jeder derselben besteht naͤmlich: 1) aus zwei großen Flaschen mit drei Tubulirungen, jede zu 20 Pinten. In die erstere dieser Flaschen werden die Marmorstuͤkchen, so wie das Wasser und die Salzsaͤure gebracht, und diese erste Flasche steht mit der zweiten mittelst zweier bleiernen Roͤhren in Verbindung, die in eine starke, zum Abwaschen des Gases bestimmte Potaschen-Aufloͤsung untertauchen. Die dritte Tubulirung dieser zweiten Flasche communicirt mittelst einer dikeren Roͤhre mit dem unteren Theile einer großen Wasserkufe. 2) aus einem Gasometer oder einer verzinnten kupfernen Gloke, die sich in der Kufe bewegt, und zur Aufnahme des Gases dient, welches durch die ganze Wassersaͤule geht und daselbst zum zweiten Male gewaschen wird. Diese Gloke faßt 240 Liter. 3) aus einem kupfernen Fasse von 2 1/2 Linie Dike und 120 Liter Inhalt, welches innen stark mit der Biberel'schen Legirung (1 Theil Eisen und 6 Theile Zinn) verzinnt ist. Im Inneren dieses Fasses ist ein Beweger mit Fluͤgeln angebracht, und die Achse oder Welle dieses Bewegers, welche durch eine Buͤchse mit Leder geht, fuͤhrt an ihrem Ende ein gußeisernes Flugrad von 2 Fuß im Durchmesser, durch dessen excentrische Kraft die Bewegung außerordentlich beschleunigt wird. 4) aus einer Druk- und Saugpumpe, deren Cylinder einen Liter faßt, und mittelst einer bleiernen Roͤhre mit dem Inneren des Gasometers communicirt. Der lederne Kolben wird durch einen Schwaͤngel von 5 Fuß Laͤnge in Bewegung gesezt, wozu nur ein einziger Arbeiter noͤthig ist. 5) endlich aus dem wesentlichsten Theile, dem Hahne, der um so besser ist, je einfacher er ist. Jener, dessen ich mich bediene, ist von ganz gewoͤhnlicher Art, nur ist er mit einem stark kegelfoͤrmigen Pfropfe versehen, an welchem außen mittelst Bindfaden eine dike Schichte Werg festgemacht ist. Seine Schnauze ist sehr kurz und kann an den Haͤlsen aller Flaschen angebracht werden, indem er nur einen halben Zoll tief in dieselben hineinreicht. Der Apparat ist mit keinem Manometer versehen, weil ich dasselbe bei der Graduirung des Gasometers und bei der Maschine, mit welcher ich arbeite, nicht fuͤr noͤthig hielt. Wenn das Faß vollkommen mit Wasser gefuͤllt und gut verschlossen worden, so comprimirt man das Gas und zieht 6 Liter Gas ab, das mit im Inneren der Raum bleibe, der zur Aufloͤsung des Gases und zur fortwaͤhrenden und schnellen Bewegung der Fluͤssigkeit unumgaͤnglich nothwendig ist. Je schneller naͤmlich diese Bewegung Statt findet, um so inniger wird in Folge der groͤßeren Vertheilung der Fluͤssigkeit die Beruͤhrung zwischen dem Wasser und dem Gase, und um so leichter geschieht folglich auch die Compression. Bemerken muß ich jedoch gleich hier, daß es in diesem Falle eine der wichtigsten Bedingungen ist, daß das kohlensaure Gas, dessen man sich bedient, vollkommen frei von allem Gehalt an atmosphaͤrischer Luft sey; denn die geringste Menge von lezterer macht das Spiel der Pumpen sehr beschwerlich. Ich comprimire in dem Fasse 4 Gasometer, d.h. 8 Mal das Volumen des Wassers oder 960 Liter. Die Operation hiezu dauert 1 1/2 Stunden. Wenn nun das Wasser gehoͤrig mit Gas gesaͤttigt ist, so haͤlt es Hr. Soubeiran fuͤr hoͤchst wichtig und noͤthig, das Wasser so schnell als moͤglich in Flaschen zu fuͤllen, damit dasselbe nicht wieder einen großen Theil seines Gases in den leeren Raum des Fasses entweichen lasse. Diese Ansicht widerspricht jedoch ganz und gar den Erfahrungen, die ich in den 6 Jahren, waͤhrend welcher ich diesen Fabrikationszweig betreibe, gemacht habe. Ich habe naͤmlich immer bemerkt, daß dieses unmittelbare Fuͤllen der Flaschen dem Wasser zum Nachtheile gereiche, und daß die Producte, die ich erhielt, im Gegentheile jedes Mal um so besser waren, je groͤßer der Zeitraum war, den ich zwischen der Compression und dem Fuͤllen der Flaschen verstreichen ließ. Zwoͤlf Stunden sind unumgaͤnglich nothwendig. Es scheint daß die Gasmolecule, welche stark mit dem Wasser vermengt waren, durch den laͤnger fortgesezten Druk eine wahre chemische Verbindung eingehen, und nicht so unvollkommen mit dem Wasser verbunden sind, wie sie dieß bei der Soubeiran'schen Methode, und noch weit mehr bei der continuirlichen Fabrikationsmethode zu seyn scheinen. Ein Beweis fuͤr diese Behauptung ist, daß das Wasser um so mehr Gas aufgenommen hat, je laͤnger die Zeit der gegenseitigen Beruͤhrung dauerte, und daß der innere Druk sich hiebei nicht nur nicht verstaͤrkt, sondern auf eine hoͤchst merkwuͤrdige Weise abnimmt, wenn die Temperatur auf gleicher Hoͤhe erhalten wird.Der Widerspruch, von welchem Hr. Boissenot hier spricht, ist nur scheinbar. Unter den Umstaͤnden, unter welchen ich arbeitete, hatte ich allen Grund zu behaupten, daß man sich mit dem Abziehen, wenn dasselbe ein Mal begonnen hat, beeilen muͤsse. Uebrigens habe ich die Wirkung, die sich ergibt, wenn man das Wasser vor dem Abziehen laͤngere Zeit mit der Kohlensaͤure in Beruͤhrung laͤßt, eine Wirkung, welche allerdings einen großen Einfluß auf die Endresultate haben kann, nicht studirt. Ich hatte beobachtet, daß, wie dieß Hr. Henry schon vor mir fand, das Wasser einen unangenehmen Geschmak annahm, wenn man es laͤngere Zeit mit dem verzinnten kupfernen Gefaͤße in Beruͤhrung ließ. Die Biberel'sche Legirung hat vielleicht diesem unangenehmen Umstande abgeholfen.Anmerk. d. Hrn. Soubeiran. Ich will nun in einige vergleichende Resultate eingehen. Wenn der Apparat mit 8 Volumen Gas gesaͤttigt ist, und man will das Wasser unmittelbar nach der Saͤttigung abziehen, so stuͤrzt dasselbe mit großer Heftigkeit in die Flaschen, schaͤumt daselbst stark auf, und laͤßt in Form von großen Blasen eine so groste Menge Gas entweichen, daß der in der Flasche entstehende Druk so groß wird, daß es beinahe unmoͤglich bleibt, dieselbe gegen den Hahn anzudruͤken, und zu verkorken, ohne dabei zugleich mit einer großen Menge Gas auch eine gewisse Quantitaͤt Wasser entweichen zu lassen. Bestimmt man hierauf die Menge kohlensauren Gases, welche unter diesen Umstaͤnden im Wasser enthalten blieb, so wird man finden, daß sie nur mehr 3 oder 4 Volumen und manchmal sogar weniger betraͤgt. Oeffnet man solche Flaschen, so laͤßt das Wasser, indem es mit der atmosphaͤrischen Luft in Verbindung kommt, nur eine kurze Zeit hindurch eine geringe Menge kohlensaures Gas entweichen, ja es wird gewisser Maßen jenem Wasser aͤhnlich, durch welches man unter dem gewoͤhnlichen Druke der Luft einen Strom kohlensaures Gas leitete. Ist endlich alle Fluͤssigkeit aus dem Fasse abgezogen, so findet man dieses mit 2 1/2 Volumen oder 300 Liter Gas erfuͤllt, welche sich waͤhrend der Fuͤllung der Flaschen entwikelten. (Der doppelte Hahn ist bei dieser Operation sehr vortheilhaft, denn er beugt dem Entweichen einer großen Menge des in der Fluͤssigkeit comprimirt gewesenen Gases vor.) Schreitet man hingegen nicht unmittelbar zum Abziehen des Wassers, sondern laͤßt man die Kohlensaͤure vorher noch 12 Stunden lang damit in Beruͤhrung, so wird man finden, daß das Abziehen bei weitem nicht so viele Schwierigkeiten macht, als im ersten Falle, indem die Fluͤssigkeit nicht mehr mit so großer Heftigkeit aus dem Hahne entweicht, sondern indem deren Strom eher jenem einer oͤhligen Fluͤssigkeit gleicht. Es zeigen sich hiebei nur sehr wenige oder wenigstens nur sehr kleine Luftblasen in der Flasche; man kann die Flasche ohne große Kraftanstrengung gegen den Hahn druͤken, und ohne den gerigsten Verlust an Gas und Wasser vollkommen voll anfuͤllen, nur muß man im ersten Augenblike die Luft aus den Flaschen entweichen lassen. Bei diesem Verfahren zeigt sich, daß der Druk auf die Oberflaͤche und folglich der Verlust an Gas weit geringer ist, als bei dem ersten Verfahren, denn man findet in dem Fasse, nachdem das Abziehen vollendet ist, nur 1 1/2 Volumen oder 180 Liter Gas, waͤhrend bei der ersten Methode 2 1/2 Volumen oder 300 Liter in dem Fasse zuruͤkbleiben. In dem Augenblike, in welchem die Flasche vollkommen gefuͤllt ist, und waͤhrend man den Hahn schließt, wird das saure Wasser, wie klar es auch fruͤher gewesen seyn mag, truͤb und gleichsam milchig, und dieß in Folge einer zahllosen Menge kleiner Gasblaͤschen, die sich in der ganzen Masse des Wassers zeigen. In diesem Zustande nun muß man die Flasche so stark als moͤglich gegen den Hahn andruͤken, denn das Wasser wird nach ein oder zwei Secunden durch ein ploͤzliches Verschwinden der Gasblaͤschen wieder klar werden. Diese Blaͤschen wuͤrden Ich uͤber sogleich wieder zeigen, wenn man diesen Zwischenraum nicht alsogleich zum Verkorken der Flasche benuzen wuͤrde. Von der sorgfaͤltigen Beobachtung dieser Erscheinung haͤngt hauptsaͤchlich die Guͤte der Producte ab; denn wenn man die Flasche unmittelbar nachdem sie gefuͤllt ist oder waͤhrend des darauf entstehenden inneren Aufbrausens von dem Hahne abnimmt, so wird man, wie geschikt und schnell man auch im Verkorken der Flaschen seyn mag, doch eine große Menge Gas und Fluͤssigkeit, ja sogar manchmal den dritten Theil des Inhaltes derselben, verlieren. Wartet man hingegen das Verschwinden der kleinen Blaͤschen ab, so kann man waͤhrend des Stillstandes von ein oder zwei Secunden, der darauf folgt, die Flasche von dem Hahne abnehmen, und sie selbst einen Fuß oder 18 Zoll weit von demselben entfernen, ohne daß die geringste Menge Gas entweicht; ja man koͤnnte sogar nach dem Verhalten der Fluͤssigkeit waͤhrend dieser Zeit glauben, daß sie gar kein Gas enthielte. Diese sonderbare Erscheinung laͤßt sich erklaͤren, wenn man untersucht, welche Einwirkung auf die Oberflaͤche der Fluͤssigkeit hiebei Statt findet. In dem Augenblike, in welchem man die offene Flasche mit der atmosphaͤrischen Luft in Beruͤhrung bringt, kann man eine sehr merkliche Depression der Fluͤssigkeit beobachten; dieß deutet an, daß nach dem ploͤzlichen Verschwinden der Luftblasen in dem Halse der Flasche zwischen der Wasserflaͤche und dem Hahne nur ein sehr geringer Druk Statt findet, so zwar, daß die Luft, welche dann den Hahn ersezt, einen so starken Druk auf die Oberflaͤche des Saͤuerlings ausuͤbt, daß dieselbe dadurch herabgedruͤkt und eine oder zwei Secunden lang gehindert wird, Gas oder gar Wasser aus der Flasche auszutreiben. Schnell nach diesem Zuruͤkweichen entsteht aber wieder ein augenblikliches Emporsteigen der Fluͤssigkeit, in Folge dessen sie großen Theils aus der Flasche entweichen wuͤrde, wenn man sich nicht beeilte den Kork in deren Muͤndung zu treiben. Nach dieser Operationsmethode erhaͤlt man einen Saͤuerling, der mit einer außerordentlich großen Menge kohlensauren Gases gesaͤttigt ist, und in welchem das Gas dergestalt mit dem Wasser verbunden ist, daß die Flaschen, wenn man sie oͤffnet, und dem Luftzutritte aussezt, sich bis zu 1/3 entleeren, und beinahe eine Stunde lang ununterbrochen brausen. Beutelt oder schuͤttelt man die Fluͤssigkeit, nachdem deren erstes Aufbrausen voruͤber ist, so entsteht ein zweites, welches gleichfalls sehr lange Zeit anhaͤlt. Ich erhielt auf diese Weise immer ein Mineralwasser, welches, wenn ich es beinahe nach derselben Methode, die Hr. Soubeiran befolgte, untersuchte, in der ersten Haͤlfte der Flaschen 6, in der zweiten hingegen 5 bis 4 1/2 Vol. kohlensaures Gas zeigte. Ich glaube daher aus diesen Resultaten mit vollem Rechte schließen zu duͤrfen, daß die unterbrochene Fabrikationsmethode wirklich die beste ist, und daß die Guͤte der Producte lediglich von der Zeit abhaͤngt, welche man das Wasser mit dem Gase in Beruͤhrung laͤßt, und von der Methode, nach welcher man die Flaschen verkorkt, d.h. von der Beobachtung des Verschwindens der kleinen Gasblaͤschen, die sich im Augenblike des Vollwerdens der Flaschen entwikeln. Man kann daher jede Art von Hahn ohne allen Unterschied anwenden, wenn derselbe nur mit einem Tampon oder mit elastischen Scheiben versehen ist, die in oder auf den Hals der Flaschen passen.