Titel: Beitrag zur Kenntniß der bayerischen Biere. Von Hrn. Prof. Leo in München.
Autor: Leo
Fundstelle: Band 47, Jahrgang 1832, Nr. LXVIII., S. 378
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LXVIII. Beitrag zur Kenntniß der bayerischen Biere. Von Hrn. Prof. Leo in Muͤnchen. Leo, uͤber die Kenntniß der bayerischen Biere. Zwei besondere Sorten Bier, die in Muͤnchen jaͤhrlich gesotten werden, sind: das sogenannte Heiliger Vater Bier und der Bok. Das erste ist ein braunes Doppelbier. Schon im 13ten Jahrhundert hatten einige Kloͤster in Bayern das Recht ein Doppelbier, Cerevisia duplicis generis genannt, zu brauen, welches auch den 1629 nach dem Kloster zu Neudeck ob der Angerufenen Paulanern gestattet war. Hier wurde alljaͤhrlich am 2. April, als dem Namensfeste des Klosterpatrons, heiligen Vaters, Franciscus de Paula, solches Bier ausgeschenkt. Bei der 1799 erfolgten Aufhebung dieses Klosters wurde das Privilegium und das Recept, welches durch den Klosterbruder Bernardus Still seine hoͤchste Vollkommenheit erreicht haben soll, sammt der Brauerei verkauft, und ist nun in den Haͤnden des Hrn. Zacherl, der in seiner musterhaft eingerichteten Brauerei alle Jahre zur selben Zeit dieses Bier verzapft. Von diesem Bier wurde am 3. April v. J. eine Quantitaͤt direct vom Faß hinweg zur chemischen Untersuchung genommen. Das Bier war vollkommen klar, von gewoͤhnlicher Vierfarbe und reinem angenehmen Biergeschmak. Es floß etwas diklich und oͤhlartig und hatte bei + 11° R. ein spec. Gewicht von 103,04. Es wurde durch Lakmus geroͤthet; Kalkwasser machte einen braunen flokigen Niederschlag, und die uͤberstehende Fluͤssigkeit war sehr entfaͤrbt. Diese Reaction ruͤhrt also hauptsaͤchlich von dem Farbstoff her, dieselbe Erscheinung, wie wir sie auch bei den Weinen finden. Gallustinctur, sowohl waͤsserige als geistige, faͤllte zaͤhe, braune, in Wasser unloͤsliche Floken. Man koͤnnte hiedurch versucht seyn zu glauben, es waͤre thierische Gallerte, etwa durch Mitkochen von Kaͤlberfuͤßen, wie dieses in einigen Gegenden geschieht, darin enthalten, aber wir werden spaͤter sehen, daß dem nicht so ist. Weingeist gab einen haͤufigen weißen Niederschlag, der sich in Wasser vollkommen wieder loͤste und von dem Malzgummi oder Schleim herruͤhrte. Leimloͤsung truͤbte nur sehr wenig, und Jod zeigte gar keine Reaction. Sublimatloͤsung verursachte einen starken flokigen Niederschlag. Das Staͤrkmehl ist demnach gaͤnzlich veraͤndert, und etwas Kleber oder Pflanzenleim aber in die Fluͤssigkeit mit uͤbergegangen, was wohl zum Theil mit durch die enthaltene Essigsaͤure geschehen seyn mag. Salzsaures Eisenoxyd faͤrbte die Fluͤssigkeit schwarz ohne allen Niederschlag. Eben so verhielt sich das schwefelsaure Eisenoxyd. Diese Reactionen bestimmen wohl entscheidend daß keine thierische Gallerte darin enthalten ist, und die Niederschlaͤge, welche die Gallustinctur und der Sublimat bewirkten, nur von dem aufgeloͤsten Kleber herruͤhren. Neutrales und basisches essigsaures Blei faͤllten, wie zu erwarten war, die Fluͤssigkeit sehr stark. Barytsalz, Kleesaͤure und Silberloͤsung reagirten nur vermoͤge der Bestandtheile des angewandten Wassers, ausgenommen lezteres, welches eine staͤrkere Reaction zeigte in Folge der Mitwirkung auf die organischen Bestandtheile. Zwoͤlf Unzen = 5760 Gran, klares Bier wurden in eine Retorte gebracht, und vorsichtig uͤber die Haͤlfte abdestillirt. Beim Kochen schieden sich viele Floken von Kleber aus, die Fluͤssigkeit war dunkler gefaͤrbt, reagirte noch sauer. Das Destillat betrug 3560 Gran, roch nach Bier und Weingeist, reagirte gar nicht sauer und hatte bei + 16° R. ein spec. Gewicht von 98,725. Nach den Tabellen von Meißner enthaͤlt ein solcher Weingeist 8 Gew. Procente absoluten Alkohols, was auf obige Menge des Destillats oder auch des angewandten Bieres 284,8 Gran betraͤgt, und folglich 4,94 Procenten dem Gew. nach entspricht. In einen Kolben, der mit einer Gasleitungsroͤhre versehen war, wurden abermals zwoͤlf Unzen Bier gebracht, die Roͤhre in eine Loͤsung von reinem salzsaurem Kalk, die mit etwas reinem Ammoniak versezt war, untergetaucht, und bis zum Sieden erhizt, welches einige Zeit fort erhalten wurde. Es bildete sich ein Niederschlag von kohlensaurem Kalk, der nach dem Waschen und Troknen 10,2 Gran betrug. Diese enthalten 4,44 Gr. Kohlensaͤure, welche nach der Angabe Doͤbereiner's (pneum. Chemie I. S. 69.), daß bei + 10° R. und 28 Par. Zoll Barometerstand ein Rheinl. Kubikzoll kohlensaures Gas 0,5402 Gr. N. M. G. wiege, 8,21 K. Z. entsprechen. In Procenten betragen diese Mengen Kohlensaͤure 0,077 Gr. oder 0,142 K. Z. (d.h. in 100 Gr. Bier). Die Fluͤssigkeit, aus welcher nun das kohlensaure Gas geschieden war, wurde in einer Schale, bis zur steifsten Extractconsistenz abgeraucht. Der Ruͤkstand betrug 751 Gran = 13,03 Procent. Er war braun, loͤste sich leicht in Wasser, schmekte anfangs suͤß und nur hintendrein etwas bitterlich, ohne alle scharfe oder krazende Nebenempfindung. Weingeist faͤllte diese waͤsserige Loͤsung sehr stark; in nur maͤßig starkem Weingeist loͤste sich auch das Extract gar nicht auf. Beim Verbrennen entwikelte sich gar kein thierischer Geruch, und es blieb eine Asche die nur wenig kohlensaures Kali, aber mehr phosphorsauren Kalk und Gyps enthielt. Aus diesen wenigen Versuchen ist wohl so viel wie moͤglich erwiesen, daß dieses Bier keine fremden schaͤdlichen Stoffe enthaͤlt, welche man ihm sehr oft beimißt, wegen der starken Wirkungen, die es auf seine Verehrer aͤußert. Ein Umstand muß jedoch, erwaͤhnt werden, daß in dem einen Krug, worin sich solches Bier befand, und der vorher vollkommen rein war, sich ein Korn, dem Aussehen nach von Amomum oder Pimenta vorfand. In dem Repository of Arts etc. Januar. 1816. S. 9 ist eine Angabe uͤber den Gehalt der englischen Biere, nach welcher Englisches Ale 8,30 Ale Burton 6,25 Gemeines Londoner Ale           5, Schottisches Ale 5,75 Londoner Porter 4, Brown stout 5, Procente Alkohol enthalten. Nach den Untersuchungen von Brande (Gilb. Ann. XLIII. S. 255) ist der Procent-Gehalt, von Englischem Porter           3,89 Brown stout 6,30 Diese Procente sind aber nach dem Volumen bestimmt, und die lezteren von Brande nach einem Alkohol, dessen spec. Gew. 0,794 ist; waͤhrend unsern Bestimmungen ein Alkohol von 0,791 zu Grunde liegt, und die Procente dem Gew. nach angegeben sind. Vermoͤge dieser beiden Ursachen mußte der Gehalt unsers Bieres geringer erscheinen, und man kann es bezuͤglich seines enthaltenen Alkohols wohl dem Ale Burton an die Seite, und dem Londoner Ale, Schottischen Ale, Brown stout und Porter voraus sezen. Nach Prechtl (techn. Encyklopaͤd. II. S. 113) hat eine Wuͤrze von 103 spec. Gew. einen Extract- Gehalt von 7,06 Procent. Das untersuchte Vier zeigte aber 13,03 Procent, und die Wuͤrze muͤßte ein spec. Gew. von beilaͤufig 106 haben. Diese Verschiedenheit ist aber nur scheinbar, denn Prechtl bestimmt Wuͤrze, und wir haben Bier, dessen Wuͤrze durch die Erzeugung des Alkohols waͤhrend der Gaͤhrung wieder specifisch leichter wurde. Die zweite eigenthuͤmliche Biersorte ist der sogenannte Bok, Einbok, welcher Name von Eimbeker-Bier herruͤhren soll. Es ist ebenfalls ein Braunbier und darf hier nur vom koͤnigl. Brauhaus erzeugt und im Mai ausgeschenkt werden. Der Gang der Untersuchung war ganz dem vorigen gleich. Das spec. Gewicht betrug 102,07, die Reactionen zeigten keine qualitative Verschiedenheit. Der Alkohol-Gehalt war 3,92 Procent. An Kohlensaͤure hatte es 0,085 Procent dem Gewicht nach, oder in 100 Gr. waren 0,157 K. Z. enthalten; der extractive Ruͤkstand betrug 8,52 Prozent. Vergleichen wir nach den oben angegebenen Ruͤksichten dieses Bier mit den englischen, so ist es dem Alkohol-Gehalt nach wohl dem Londoner Ale und Brown stout sehr nahe, bestimmt aber staͤrker als der Londoner Porter. Beide bayerischen Biere gegen einander gestellt, so sind die Gehalte an Heiliger Vater Bier sp. Gew. = 103,04 Weingeist     4,94 Procent Kohlensaͤure               0,077   – oder in K. Z.     0,142 Procent Extract   13,03     – Bok sp. Gew. = 102,07 Weingeist     3,92 Procent Kohlensaͤure     0,085   – oder in K. Z.               0,157   – Extract     8,52     – Ich wuͤrde auch das gewoͤhnliche Winter- und Sommerbier untersucht haben, waͤren diese in den verschiedenen Brauereien, und in derselben Brauerei zu verschiedenen Zeiten, nicht so ungleich, daß man nicht weiß, welches als Normalbier gelten kann.