Titel: Ueber die Anwendung des Holzes und der Rinde des ächten Kastanienbaumes zum Färben und Gerben.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XIV., S. 48
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XIV. Ueber die Anwendung des Holzes und der Rinde des aͤchten Kastanienbaumes zum Faͤrben und Gerben. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Mai 1833, S. 255. Ueber die Anwendung der Rinde des Kastanienbaumes. Die Rinde und das Holz des Kastanienbaumes, der den suͤdlicheren Voͤlkern Europa's durch seine Fruͤchte ein so vortreffliches und schmakhaftes Nahrungsmittel gewaͤhrt, liefert uns uͤberdieß auch noch eine Substanz, welche, wie sich dieß aus den zahlreichen Versuchen ergibt, die Hr. Scheldon Springfield in Amerika anstellte und die Hr. Silliman oͤfter wiederholte, sowohl fuͤr die Faͤrberei, als fuͤr die Gerberei ganz vorzuͤglich geeignet ist. Die Kastanienrinde enthaͤlt zwei Mal so viel Gerbestoff, als die Eichenrinde, und beinahe zwei Mal so viel Farbestoff, als das Campeschenholz, denn der Faͤrbestoff der Kastanienrinde verhaͤlt sich zu jenem des Campeschenholzes wie 1,857 zu 1. Das Leder, welches mit dieser Rinde gegerbt worden, ist fester, staͤrker, und dennoch dabei geschmeidiger; ein Umstand, der, wie Hr. Dr. Bancroft bemerkt, wahrscheinlich von einem hoͤheren Grade von Oxydation dieser Rinde herruͤhren duͤrfte. Die Kastanienrinde ist das beste Material zur Tintenbereitung; denn mit Eisen gemengt, wird sie ganz schwarzblau. Die Fluͤssigkeit, die man aus der Rinde ausziehen kann, sieht blau wie Indigo aus, gibt jedoch, auf Papier geschrieben, das schoͤnste Schwarz. Bei der Anwendung in der Faͤrberei zeigt diese Rinde eine groͤßere Verwandtschaft zur Schafwolle, als der Sumach; sie braucht auch nicht so stark angesotten zu werden, wie dieser, mit dem sie uͤbrigens, so wie mit den Gallaͤpfeln große Aehnlichkeit in den Eigenschaften hat. Die mit Kastanienrinde gefaͤrbte Farbe ist sowohl an der Luft, als am Lichte unveraͤnderlich. Das aus der Rinde bereitete Extract naͤhert sich dem Catechu sehr; nur fand Hr. Professor Devez, daß dasselbe beilaͤufig um den vierten Theil mehr Gallerte enthaͤlt. Der Geschmak beider Substanzen ist so aͤhnlich, daß man dieselben, wenn man sie auf die Zunge bringt, kaum von einander zu unterscheiden vermag; das Kastanienrinden-Extract scheint nur etwas weniges saͤuerlicher zu schmeken. Die Amerikaner betreiben die Benuzung des Kastanienholzes und seiner Rinde bereits im Großen, und viele Muͤhlen beschaͤftigen sich bereits mit dem Mahlen dieses Holzes fuͤr die Faͤrbereien und Gerbereien. Es ist doch gewiß sonderbar, daß, nachdem wir 300 Jahre unseren großen Tribut fuͤr Farbehoͤlzer an Amerika bezahlt haben, nun die Amerikaner selbst wieder zu uns kommen, um eines der vortrefflichsten dieser Hoͤlzer bei uns zu holen! Amerika mußte uns lehren, daß wir die Leistungen eines Parmentier und Morelot vergaßen, welche bereits vor vielen Jahren die Aufmerksamkeit der Faͤrber und der Gerber vergebens auf den Kastanienbaum zu lenken suchten!