Titel: Bericht des Hrn. Hericart de Thury über den Ventilator oder das desinficirende Gebläse des Hrn. Pottier, Brunnengräbers zu Paris, rue des Charbonniers N. 9.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XXVI., S. 132
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XXVI. Bericht des Hrn. Hericart de Thury uͤber den Ventilator oder das desinficirende Geblaͤse des Hrn. Pottier, Brunnengraͤbers zu Paris, rue des Charbonniers N. 9. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Maͤrz 1833, S. 69. Pottier's Ventilator zum Reinigen der Luft. Unter Ventilation versteht man bekanntlich die Herstellung eines Luftzuges, durch welchen die schlechte Luft oder alle, in irgend einem Gemache, einem Krankenhause, einem Gefaͤngnisse, einem Bergwerke, einem Steinbruche, einem unterirdischen Canale, einem Brunnen oder irgend einem anderen Orte angehaͤuften schaͤdlichen Ausduͤnstungen weggeschafft, und fortwaͤhrend durch frische, gesunde Luft ersezt werden. Die Ventilation erreicht man hauptsaͤchlich durch die Anwendung von dreierlei Mitteln. 1) durch mechanische Ventilatoren; 2) durch Feuerherde, und 3) durch Luftroͤhren, welche zwei Orte von ungleicher Temperatur mit einander in Verbindung sezen. Diese Mittel sind seit langer Zeit bekannt und beschrieben; sie sind sehr mannigfaltig abgeaͤndert worden; viele von ihnen haben sich vortheilhaft erwiesen, waͤhrend andere von geringerer Guͤte sind; alle sind sie aber mehr oder weniger kostspielig. Es vergeht daher auch beinahe kein Tag, an welchem nicht einige Verbesserungen an denselben angebracht wuͤrden, die theils eine Vereinfachung, theils eine Verstaͤrkung ihrer Wirkung bezweken, und welche es, was am meisten zu wuͤnschen ist, vielleicht auch noch dahin bringen duͤrften, daß sich alle Gewerbsklassen, und alle wenig bemittelten Klassen, die derselben gerade am meisten beduͤrfen, ihrer bedienen koͤnnten. Ich habe vor einigen 20 Jahren in dieser Hinsicht verschiedene Versuche im Großen angestellt, und in den Arbeiten, welche zur Befestigung der alten Steinbruͤche von Paris unternommen wurden, mittelst einfacher Ofenroͤhren und tragbarer Herde eine vortreffliche Ventilation hergestellt. Diese Apparate, die wir mit den Schachten in Verbindung brachten, welche durch die alten Steinbruͤche gehen, wurden nach Bedarf uͤberall angebracht und verlaͤngert, und diese hoͤchst einfache, wohlfeile und aͤußerst wirksame Vorrichtung hatte den guͤnstigsten Erfolg, so daß wir, so muͤhsam und gefaͤhrlich auch die Arbeiten theils wegen der drohenden Einstuͤrze, theils wegen der durch die Infiltration von Schwindgruben, Ausguͤssen und Abtritten verbreiteten, schaͤdlichen und toͤdtlichen Ausduͤnstungen waren, auch nicht einen Arbeiter verloren. Ja wir hatten das Vergnuͤgen unsere Arbeitsplaͤze, an welche man fruͤher kaum ohne Lebensgefahr gelangen konnte, in kurzer Zeit vollkommen gesund, und so ventilirt zu sehen, daß wir oͤfter genoͤthigt waren, die Circulation der Luft wegen des zu schnellen Verbrennens der Lichter, und wegen der Kaͤlte, uͤber die sich die Arbeiter beklagten, zu vermindern. Ich bin uͤbrigens weit entfernt die Erfindung dieses Ventilirmittels mir zuzueignen; es ist dasselbe vielmehr laͤngst bekannt und in den Bergwerken benuzt worden. Ich studirte dasselbe nur, da ich es im Großen anzuwenden Gelegenheit hatte, mit besonderer Sorgfalt, und machte es, indem ich es nach den Ortsverhaͤltnissen und anderen Umstaͤnden modificirte, eben so einfach, als wirksam und unfehlbar. Ich wurde um so mehr zu meinen Versuchen angefeuert, als zu eben derselben Zeit auch Hr. Ryan in England dasselbe Verfahren mit bestem Erfolge zur Reinigung der Luft in den Steinkohlenwerken von Staffordshire anwendete. So einfach und wirksam nun diese Vorrichtungen auch sind, so stehen sie doch nicht immer allen denen zu Gebote, die ihrer am dringendsten beduͤrfen: sie eignen sich nur fuͤr große Anstalten, und erfordern eigene Vorsicht und Aufmerksamkeit. Es ist dieß daher noch nicht das wahre und zwekmaͤßigste Ventilirmittel, dessen gewisse Gewerbe, wie z.B. die Brunnengraͤber, die Unternehmer von Steinbruͤchen, Gypsbruͤchen, Thongruben, Mergelbruͤchen, die Kloakenraͤumer etc., so nothwendig beduͤrfen, und welches eben so einfach, als schnell wirksam und wohlfeil seyn muß. Durch die Auffindung eines solchen Mittels wuͤrde diesen nuͤzlichen und doch so gefaͤhrlichen Gewerben ein unendlicher Dienst geleistet werden, und dieser Dienst ist um so wichtiger, als die Eigenthuͤmer und Unternehmer solcher Gewerbe so oft fuͤr die sich ergebenden Unfaͤlle verantwortlich gemacht und bestraft werden, obschon sie nur zu haͤufig bloß von der Unerfahrenheit der Arbeiter oder davon herruͤhren, daß diese Leute den ihnen ertheilten Rath nicht befolgen. Hr. Pottier, ein alter, ohne Pension und ohne Vermoͤgen aus dem Dienste der Marine zuruͤkgetretener Seemann, wurde bei seinem Ruͤktritte Brunnengraͤber, und hat bei seiner langen Erfahrung und seiner Thaͤtigkeit bereits Mehreres zur Verbesserung seines Gewerbes geleistet. Ueberrascht von den zahlreichen Unfaͤllen, denen die in den Brunnen arbeitenden Leute ausgesezt sind, und in Gefahr selbst mehrere Male ein Opfer derselben zu werden, suchte er bei seinen unterirdischen Arbeiten dieselben Mittel in Anwendung zu bringen, die er auf verschiedenen Schiffen zur Reinigung der Luft benuzen sah. Die ersten Versuche, die er in dieser Hinsicht anstellte, hatten kein guͤnstiges, oder vielmehr kein genuͤgendes Resultat; er bediente sich naͤmlich zuerst eines großen Blasebalges, dessen Unzulaͤnglichkeit er jedoch bald erkannte. Er sah bald ein, daß das einzige Mittel, wodurch man zum erwuͤnschten Zweke gelangen koͤnnte, darin bestuͤnde, die verdorbene Luft und die schaͤdlichen Gase der Brunnen auszupumpen, und diese schaͤdliche Luft sogleich durch frische atmosphaͤrische Luft zu ersezen. Diese Aufgabe stellte sich nun Hr. Pottier: sie war fuͤr ihn um so schwieriger, als er durchaus kein Mechaniker war. Nach zahlreichen Versuchen, und ohne darauf Anspruch zu machen, einen neuen Ventilirapparat erfunden zu haben, kam er endlich auf das Geblaͤse, welches er der Gesellschaft zur Untersuchung vorlegte, und welches bereits sowohl in seinen Haͤnden, als in jenen anderer Brunnengraͤber und Kloakenraͤumer die besten Wirkungen zeigte. Der Apparat des Hrn. Pottier ist ein mechanischer Ventilator, der jedoch weder jenem der Doctoren Hallet und de Mours, noch jenen der HH. Goulet de Rugy, Scholz, Pommier und anderer gleich ist. Er erinnerte uns zwar an gewisse, in den Bergwerken gebraͤuchliche Geblaͤse und Pumpen, ist jedoch auch von den Ventilatoren, welche Déline, Monnet, Borgnis, Christian, Taylor, Héron de Villefosse und andere beschrieben, verschieden. Er unterscheidet sich von allen durch seine Einfachheit, und durch die Leichtigkeit und Wohlfeilheit, mit welcher er verfertigt werden kann. Dieser Apparat nun, welcher sich hauptsaͤchlich fuͤr die meistens nicht sehr bemittelten Brunnengraͤber eignet, ist ein einfaches, hoͤlzernes, vierekiges Geblaͤse von 0,85 Meter Hoͤhe auf 0,20 Meter im Gevierte, welches aus vollkommen guten, astlosen und ganz fehlerfreien Eichenbohlen von 0,030 Meter Dike verfertigt wird. In diesem Geblaͤse befindet sich ein mit Klappen oder Ventilen versehener Kolben von 0,16 Meter im Gevierte, dessen Hub 0,70 Meter betraͤgt. An dem unteren Boden des Gehaͤuses ist zum Behufe des Eintrittes der atmosphaͤrischen Luft ein kreisrundes Loch angebracht, welches beim Zusammendruͤken der Luft durch ein starkes Ventil verschlossen wird. Unten und an der vorderen Seite des Gehaͤuses befindet sich eine kupferne Roͤhre von 0,027 Meter im Durchmesser, welche mit einer Klappe versehen ist, die innen mit der Wand der Pumpe in einer Flaͤche liegt. Mit dieser Roͤhre bringt man je nach der Tiefe, in welcher sich die schaͤdlichen Gase oder Ausduͤnstungen befinden, 10, 15, 20, 25 und mehr Meter blecherner Roͤhren oder Saugroͤhren von 0,027 Meter im Durchmesser an. Die Erfahrung lehrte Hrn. Pottier, daß das untere Ende der Saugroͤhren nicht bis in die inficirte Stelle untertauchen soll, sondern daß die Aufsaugung weit besser und schneller von Statten geht, wenn das untere Ende 0,50 bis 0,60 Meter uͤber dieser Stelle erhalten wird. Oben auf dem Gehaͤuse der Pumpe befindet sich eine Austrittsroͤhre, durch welche sich alle von der Pumpe aufgesaugten Gase entleeren; sie ist gekruͤmmt oder nach Vorwaͤrts umgebogen, damit die entleerten Oase den Arbeiter, der die Pumpe spielen laͤßt, nicht belaͤstigen. Unter dieser Roͤhre befindet sich an der vorderen Wand des Gehaͤuses noch eine zweite, fuͤr den Nothfall dienende Austrittsroͤhre; erstere Roͤhre erfuͤllt jedoch ihren Zwek fuͤr sich allein schon so gut, daß diese zweite Roͤhre ganz unnuͤz scheint. Unten an dem Koͤrper der Pumpe sind zwei Fußtritte oder eiserne Sohlen angebracht, auf welche der Arbeiter, der die Pumpe in Thaͤtigkeit sezt, seine Fuͤße stellt, um sie auf diese Weise in senkrechter Richtung zu erhalten. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß es gut ist, wenn man die Pumpe auch noch mittelst eigener Haken entweder auf dem Pflaster oder an den Bohlen befestigt, mit denen man die Brunnen waͤhrend der Arbeit oben zu belegen pflegt. An beiden Seiten des Gehaͤuses sind zwei flache eiserne Baͤnder angebracht, durch welche die Saugroͤhren beim Transporte des Apparates an Ort und Stelle erhalten werden. Die auf diese Weise zuruͤkgehaltenen Roͤhren werden unten auf zwei kleine Taͤfelchen mit umgebogenen Raͤndern gestellt. Endlich ist das Gehaͤuse auch noch mit zwei Griffen und mit zwei ledernen Riemen versehen, mittelst welchen ein einziger Arbeiter den ganzen Apparat aufheben und ohne Muͤhe auf dem Ruͤken forttragen kann. Der ganze Apparat wiegt naͤmlich ohne die Roͤhren 15 Kilogrammen, und mit 40 Metern Saugroͤhren aus Eisenblech beilaͤufig 30 Kilogrammen. Der Apparat laͤßt sich sehr leicht handhaben, denn ein Arbeiter kann, je nach Bedarf, leicht 75 bis 100, und selbst 125, Kolbenstoͤße in einer Minute machen, ohne zu sehr dabei zu ermuͤden. Selten werden jedoch mehr als 100 Kolbenstoͤße noͤthig seyn, denn dadurch werden 100 Kubikmeter Gas oder verdorbene Luft aufgesaugt, und eben so viel Kubikmeter frische Luft dafuͤr eingetrieben: eine Wirkung, welche selbst unter den dringendsten Umstaͤnden mehr als hinreichend ist. Kurz man duͤrfte schwerlich irgend einen einfacheren, leichter und bequemer zu handhabenden, weniger kostspieligen, und leichter zu unterhaltenden Ventilator finden, der seinen Zwek so gut, so schnell und so sicher erfuͤllt. Viele Hauseigenthuͤmer und Unternehmer, die sich dieses Apparates bedienten, haben sich bereits von den Vorzuͤgen desselben uͤberzeugt: nie ist ein Arbeiter bei der Anwendung desselben von schaͤdlichen Gasen oder Ausduͤnstungen belaͤstigt worden, wenn die Orte, an denen gearbeitet werden sollte, auch noch so gefahrdrohend waren. Auch in den Thon-, Mergel- und Gypsgruben, in welchen die Luft im Sommer so haͤufig so schlecht und verdorben ist, daß man die Arbeiten in denselben Wochen und Monate lang aussezen muß, wird sich derselbe gewiß aͤußerst vortheilhaft zeigen. Der Apparat des Hrn. Pottier ist zwar keine neue Erfindung, sondern nichts weiter, als der alte Blasbalg mit Kolben und Stiefel, oder als die laͤngst bekannte Saug- und Drukluftpumpe; Hr. Pottier selbst erklaͤrt sich eben so wenig fuͤr den Erfinder einer neuen Maschine, als wir seinen Apparat fuͤr ein neues Ventilirmittel aus, geben; allein so viel ist gewiß, daß seine Vorrichtung, obschon er selbst kein Mechaniker ist, und nur durch wiederholte Versuche auf dieselbe kam, ihrem Zweke auf's Vollkommenste entspricht. Die Commission schlaͤgt daher der Gesellschaft vor, Hrn. Pottier ihren Dank zu bezeugen, ihm 200 Exemplare dieses Berichtes zuzustellen, und auch an den Polizeipraͤfecten einen solchen Bericht gelangen zu lassen: mit der Einladung denselben den Brunnengraͤbern und Brunnenwaͤrtern etc. bekannt zu machen, und in den Haupttheilen der Stadt oder bei den Polizeicommissaren solche Pottier'sche Apparate hinterlegen zu lassen, um dieselben im Falle der Noth an der Hand zu haben. In Erwaͤgung daß in Paris beinahe jaͤhrlich 15 bis 20 Arbeiter, worunter meistens Familienvaͤter, beim Graben und Raͤumen von Brunnen, Schwindgruben und Abtritten, oder in Gyps-, Thon-, oder Sandgruben zu Grunde gehen; daß die Eigenthuͤmer oder Unternehmer dieser Geschaͤfte meistens fuͤr diese Ungluͤksfaͤlle verantwortlich sind, obschon dieselben in der Regel der Unwissenheit oder Unfolgsamkeit der Arbeiter zur Last fallen; daß sich die Brunnengraͤber, Abtrittraͤumer, Gyps-, Thon- und Mergelgraͤber etc. mit Huͤlfe dieses einfachen und wohlfeilen Apparates mit aller Sicherheit, und ohne alle Gefahr ihren muͤhsamen Arbeiten unterziehen koͤnnen; daß die Society of Arts zu London im Jahre 1816 Hrn. Ryan fuͤr seine Verbesserung der Ventilirung der Bergwerke mittelst einfacher Saugroͤhren und brennender Feuer eine goldene Medaille und eine Belohnung von 100 Guineen ertheilte, obschon diese Ventilirmethode bereits laͤnger bekannt war; in Erwaͤgung endlich, daß Hr. Pottier ein alter Seemann ohne Pension und ohne Vermoͤgen ist, und daß er dessen ungeachtet der Gesellschaft seinen Apparat vorlegte, damit ihn dieselbe, wenn sie ihn geeignet faͤnde, allgemein bekannt machen koͤnnte, schlaͤgt die Commission ferner vor, daß die Gesellschaft untersuchen lassen moͤchte, ob Hrn. Pottier nicht noch auf eine eigene Weise ein Beweis der Anerkennung seiner Verdienste um die Menschheit zu erkennen zu geben sey.