Titel: Untersuchungen über die Kleie und über die Schale des Getreides. Von Hrn. Herpin.
Fundstelle: Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XIII., S. 49
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XIII. Untersuchungen uͤber die Kleie und uͤber die Schale des Getreides. Von Hrn. Herpin. Aus dem Journal des conaissances usuelles. August 1833, S. 98; September, S. 160. Herpin's Untersuchungen uͤber die Kleie und uͤber die Schale des Getreides. Das Brod ist unstreitig eines unserer gesuͤndesten, nahrhaftesten und wohlfeilsten Nahrungsmittel. Der Mensch hat daher auch, von Natur aus dazu bestimmt, seine Nahrung unter den zahllosen vegetabilischen und animalischen Producten der Erde zu suchen, den Samen der Getreidearten, und vorzuͤglich dem Weizen, seit undenklichen Zeiten und in allen Theilen der Erde vor allen uͤbrigen den Vorzug gegeben, und sie zur Basis seiner Nahrung gewaͤhlt und bestimmt. Deßhalb ist auch der Getreidebau der Hauptgegenstand unserer Landwirthschaft und die reichste Quelle des Reichthumes und der Wohlfahrt der Staaten. Da wir die Getreidesamen nicht wohl in dem Zustande genießen koͤnnen, in welchem uns die Natur dieselben darbietet, so hat es der Mensch durch Verstand und Industrie dahin gebracht, den mehligen und naͤhrenden Bestandtheil aus denselben auszuziehen, und ihn in ein eben so angenehmes als gesundes Nahrungsmittel, in Brod, umzuwandeln. Nichts, sagt Edlin in seiner Kunst Brod zu baken, scheint auf den ersten Blik leichter, als das Getreide zu mahlen, aus dem Mehle mit Wasser einen Teig anzumachen, und diesen Teig in einem Ofen zu baken. Jene Classe von Leuten, die nur daran gewoͤhnt sind, die Vortheile, die wir von den schoͤnsten Erfindungen ziehen, zu genießen, ohne die Muͤhe und das Nachsinnen zu beruͤksichtigen, die es kostete, um diese Erfindungen auf einigen Grad von Vollkommenheit zu bringen, diese Leute halten alle derlei Operationen fuͤr gemein und trivial. Ehe man es so weit gebracht hatte, ein gutes Brod zu bereiten, ließ man das Getreide in Wasser kochen, um dann klebrige Kuchen daraus zu formen, die eben so widerlich schmekend, als schwer verdaulich waren. Spaͤter zerquetschte man das Getreide mit Steinen; dieß fuͤhrte zum Zerstoßen desselben in Moͤrsern, und endlich zur Erfindung von Handmuͤhlen und anderen Maschinen, mittelst welcher man das Getreide zu mahlen und das Mehl aus demselben abzuscheiden im Stande war. Durch einen Zufall kam man darauf, daß das Weizenmehl, wenn man es mit einer gewissen Menge Wasser vermengt und einer maͤßigen Waͤrme aussezt, gaͤhrungsfaͤhig ist, und daß durch diese Gaͤhrung die Klebrigkeit des Mehles aufgehoben, und der Geschmak desselben um Vieles verbessert wird, so daß es ein leichtes, angenehmes und leicht verdauliches Brod gibt. Erst seit einem Jahrhunderte kennt man die Natur und die Bestandteile des Getreides, die Menge des darin enthaltenen Nahrungsstoffes genauer, und erst seit dieser Zeit weiß man dasselbe auf eine vorteilhaftere Weise zu benuzen. Um zu zeigen, wieweit diese Kunst noch vor 100 bis 150 Jahren zuruͤk war, mag es genuͤgen, an folgende Ordonnanz zu erinnern, welche Ludwig XIV im Jahre 1658 erließ. Der 24ste Artikel des damaligen Reglements fuͤr die Baͤker lautet naͤmlich: „Allen Baͤkern, sowohl Meistern als Auswaͤrtigen, ist es unter einer Strafe von 60 Livres, die in gar keinem Falle gemildert werden kann und darf, verboten, irgend welche Kleien wiederholt zu mahlen, indem diese Substanzen nicht werth sind, in den menschlichen Leib zu gelangen. Den Meistern und Aufsehern ist besonders einzuschaͤrfen, daß man genau darauf sehe, daß diesem Artikel nicht zuwider gehandelt werde.“ Dieses Verbot Kleien nochmal zu mahlen, verhinderte das Nachmahlen der sogenannten fetten Kleie, welche gerade den Gries, den nahrhaftesten und schaͤzenswerthesten Theil des Getreides enthaͤlt. Man war also, da man das Beuteln des Mehles noch nicht so gut verstand als spaͤter, gezwungen, diese Kleie als Viehfutter zu verwenden! Diese Verordnungen, welche im Jahre 1680, zur Zeit des hoͤchsten Ruhmes Ludwigs des XIV, nochmal wiederholt wurden, haben die Fortschritte des Baͤker- und Muͤllergewerbes beinahe hundert Jahre lang aufgehalten. Hieraus und aus vielen anderen aͤhnlichen Faͤllen laͤßt sich der gewiß wichtige Schluß ziehen, daß die Regierungen nur mit groͤßter Vorsicht Vorschriften fuͤr die Kuͤnste und Gewerbe geben sollen, indem sie durch diese Vorschriften gewoͤhnlich nur die Fortschritte und die freie Entwikelung der Gewerbe zum unberechenbaren Nachtheile der Voͤlker hemmen und erstiken.Wir glauben, daß sich die Eingriffe der Regierung, wenn ja ein Einschreiten von ihrer Seite noͤthig ist, darauf beschraͤnken sollen, die Beschaffenheit und Guͤte der in den Handel gebrachten Gegenstaͤnde zu ermitteln; und daß sich die Regierung durchaus huͤten soll, irgend eine Fabrikation zu beschraͤnken, deren Producte einen sicheren Absaz haben. – Der Kaͤufer kann unmoͤglich erkennen, ob ein Zeug aͤcht oder falsch gefaͤrbt ist, welchen Grad von Feinheit Gold- und Silberwaaren haben; ob die Gewichte und Maße die gesezlich vorgeschriebene Groͤße haben. Er muß daher ein gesezliches Mittel haben, um das Gewicht, das Maß, die Guͤte der Waare, die man ihm anbietet, zu ermitteln, da es fuͤr ihn von groͤßter Wichtigkeit ist, kein Kupfer fuͤr Gold, keinen falsch-faͤrbigen Zeug fuͤr aͤchtfaͤrbigen, keine Baumwolle fuͤr Leinen oder Wolle zu kaufen. Hier muß die Regierung einschreiten, und dem Kaͤufer Garantie gewaͤhren; sie soll daher unter hohen Strafen fordern, daß der Verkaͤufer die Beschaffenheit und die Guͤte seiner Waare genau angebe, und daß er die Kaͤufer sogar auf die Nachtheile und Gefahren, welche die Anwendung der ihnen vorgelegten Waaren fuͤr sie haben koͤnnen, aufmerksam mache. Weiter darf die Regierung aber nicht gehen; hierauf muß ihre ganze Einmischung beschraͤnkt seyn, wenn sie die Industrie nicht hemmen und laͤhmen, und neue Entdekungen, die in ihren Folgen von groͤßtem Nuzen seyn koͤnnen, nicht unterdruͤken will. Das Interesse der Consumenten und der Verkaͤufer wird am besten und schnellsten jene sogenannten Verbesserungen zu wuͤrdigen wissen, die keinen wirklichen und gut begruͤndeten Nuzen gewaͤhren.A. d. O. Am Ende des fuͤnfzehnten Jahrhunderts gab das Getreide nur die Haͤlfte seines Gewichtes Brod, d.h. um die Haͤlfte weniger, als heut zu Tage. Man brauchte damals, nach Budée, 4 Sester oder 480 Kilogrammen (960 Pfunde) Korn, um einen Menschen ein Jahr uͤber naͤhren zu koͤnnen, indem man damals nur 72 Kilogr. (144 Pfd.) Brod aus einem Sester Weizen bekam.Der Sester Korn wiegt 240 Pfund oder 120 Kilogrammen; er ist gleich 4 Hectoliter 56 Liter, und enthaͤlt 12 Mezen, jeden zu 13 Liter. Der Hectoliter Weizen wiegt im Durchschnitte 75 Kilogr.A. d. O. An dem Spitale fuͤr die Blinden rechnete man ehemals auf jeden Mann 4 Sester Weizen. Marschall Bauban scheint in seiner Abhandlung uͤber die koͤniglichen Zehnten die Menge Weizen, welche noͤthig ist, um einen Mann ein Jahr hindurch zu naͤhren, zu 3 Sester angenommen zu haben. Der Sester gab damals 150 Pfd. Brod. Am Anfange des vorigen Jahrhunderts, gegen das Jahr 1700, sezte man den jaͤhrlichen Verbrauch eines Mannes an Weizen auf 2 1/2 Sester fest, und jeder Sester von 120 Kilogr. gab damals 90 bis 93 Kilogr. Brod, so daß also 2 1/2 Sester 223 bis 232 Kilogr. Brod gaben. Heut zu Tage, wo die Muͤllerei und Baͤkerei so große Fortschritte gemacht haben, geben diese 2 1/2 Sester oder 300 Kilogr. Weizen ein gleiches Gewicht, oder 300 Kilogr. Brod. 2 1/2 Sester, sagt Parmentier in seinem Parfait Boulanger S. 59, reichen heut zu Tage hin, um 560 Pfd. Brod von allen Mehlsorten zu geben, und damit kann der staͤrkste Mann ein Jahr lang leben. Es ergaͤbe sich also aus den Vervollkommnungen, welche die Mahlmethoden und die Broderzeugung im Laufe zweier Jahrhunderte erfahren haben, eine Ersparniß von wenigstens dem dritten Theile des Verbrauches an Getreide in Frankreich, indem man gegenwaͤrtig nur mehr 2 Sester zur jaͤhrlichen Ernaͤhrung eines Mannes braucht, waͤhrend man vor 200 Jahren deren noch 3 brauchte. Und diese 2 Sester geben heut zu Tage eine groͤßere Menge weißeren und besseren Brodes, als fruͤher die 3 Sester gaben.Diese Thatsachen fuͤhren mich zu einer Bemerkung von hohem Interesse, die auch die Beachtung der Staatsverwaltungen verdienen duͤrfte, und diese Bemerkung ist, daß gerade die einfachsten und dem Anscheine nach oft unbedeutendsten Verbesserungen oft zu außerordentlichen und ungeheuren Resultaten fuͤhren. Die Erfindung der Argand'schen Zuglampe z.B. hat in Frankreich der Brennoͤhl-Fabrikation den maͤchtigsten Impuls gegeben, und von welcher Wichtigkeit diese ist, erhellt aus folgender Stelle eines Berichtes, den der Minister im Jahr 1813 erstattete: „Der jaͤhrliche Werth unserer vegetabilischen Oehle belaͤuft sich auf 250 Millionen; vor 25 Jahren bezogen wir jaͤhrlich noch 20 Millionen aus dem Auslande; gegenwaͤrtig fuͤhren wir dafuͤr jaͤhrlich 6 Millionen aus!“ A. d. O. Ein Sester Korn, welcher 120 Kilogrammen wiegt, gibt gegenwaͤrtig 90 bis 92 Kilogr. Mehl, aus welchem man 120 Kilogr. Brod erzeugen kann, und 26 Kilogr. Kleie. Seit den Arbeiten und Leistungen Malouin's, Becquet's und Parmentier's, denen die Muͤllerei und Baͤkerei so außerordentlich viele und wesentliche Verbesserungen verdankt, d.h. seit beilaͤufig 50 bis 60 Jahren, haben sich diese Verhaͤltnisse nur wenig mehr veraͤndert. Der Weizen gibt also beilaͤufig 3/4 seines Gewichtes Mehl und 1/4 Kleie und Abgang, wobei sich uͤbrigens nach der Geschiklichkeit des Muͤllers, nach der Guͤte der Muͤhle und des Beutelapparates etc. mehr oder weniger merkliche Verschiedenheiten ergeben. Ja es gibt sogar noch Muͤller, die von 100 Kilogr. Korn nur 33 bis 35 Kilogr. Mehl und 60 Kilogr. Kleie liefern! Die sogenannte oͤkonomische Mahlmethode, bei welcher die Kleie mehrere Male unter die Muͤhle kommt, und der man vielleicht mit Recht den Vorwurf macht, daß bei ihr die Kleie gemahlen und mit dem Mehle vermengt wird, gibt folgende Resultate: 1000 Kilogr. Korn nach der oͤkonomischen Methode gemahlen, geben: Kilogrammen Weiße Mehle 1. Erstes sogenanntes Kernmehl2. Erstes sogenanntes Griesmehl3. Zweites Griesmehl   383  192     96 671 Schwarze Mehle 4. Drittes Griesmehl5. Viertes Griesmehl     50     30   80 Kleien   Afterkleie (recoupettes)   Kleienmehl (recoupes)   Magere Kleie     54     62  108 284   Verlust     25   25 ––––––––––––––                     Summa 1000 Kilogr. Durch das grobe Mahlen (mouture à la grosse), wobei das Korn nur ein einziges Mal unter dem Muͤhlsteine durchlaͤuft, und wo ein Theil der Kleie in Staub verwandelt wird, der sich mit dem Mehle vermengt, erhaͤlt man folgende Resultate: Mittleres Product von 1000 Kilogr. Korn bei dem groben Mahlen: Weißes Mehl   588 Kilogr. Schwarzes und weißes Mehl     72    – Kleie   315    – Verlust     25    – –––––––––           Summa 1000 Kilogr. Die nach dem englischen Systeme verbesserten Muͤhlen endlich, in welchen die Kleie so vollstaͤndig als moͤglich mittelst Buͤrsten von dem Mehle geschieden wird, geben beilaͤufig folgende Resultate: 100 Kilogr. Korn geben: 1) Weißes und schwarzes Mehl von 74 bis 78 Kil.   76 Kilogr. 2) Afterkleie oder Gruͤzenkleie (remulages) 3 bis 31/2 Kil.     3 1/4 – 3) Kleienmehl, 3 1/2 bis 4 Kilogr.     3 3/4 – 4) Kleie, 14 bis 15 Kilogr.   14 1/2 – 5) Verlust     2 1/2 – –––––––––           Summa 100 Kilogr. Wenn man, sagt Parmentier, aus einem Sester des besten Kornes mehr als 180 Pfund (75 Procent) Mehl erhaͤlt, so koͤnnen wir nach mehrfach wiederholten, verschieden abgeaͤnderten, und bei unseren gewandtesten Muͤllern verglichenen Versuchen versichern, daß, wenn die Muͤhlsteine einander hinreichend genaͤhert worden und die Beuteltuͤcher sehr weit waren, alle Kleie in ein feines Pulver verwandelt wurde und in das Mehl uͤberging, mit welchem es vermischt bleibt. Aus allem diesen ergibt sich nun, daß, ungeachtet der zahlreichen Verbesserungen, die an der Kunst das Getreide zu mahlen angebracht wurden, das vollkommenste Verfahren, zu welchem man bisher gelangte, doch noch immer nicht mehr als 75 Procent weißes und schwarzes Mehl von dem Gewichte des angewendeten Getreides gibt. 25 Procent oder der vierte Theil gehen also noch immer fuͤr die Nahrung des Menschen verloren, und auf dem Lande, wo die Muͤllerei noch viel weiter zuruͤk ist, belaͤuft sich dieser Verlust selbst oft auf 50 Procent. Was ist nun aber die Kleie? Enthaͤlt sie Bestandtheile, welche der Mensch als Nahrungsmittel benuzen koͤnnte, und in welchem Verhaͤltnisse ist die Kleie in dem Korne enthalten? Dieß sind Fragen von hoͤchster Wichtigkeit, uͤber welche ich eine Reihe von Versuchen angestellt habe, uͤber die ich nun Bericht erstatten will. 1. Physische Untersuchung des Getreides und der Kleie. A. Wenn man das Getreidekorn mit einem Mikroskope genau untersucht, so wird man finden, daß es aus dreierlei verschiedenen Substanzen besteht, naͤmlich: 1) aus der Huͤlle oder aus der Rindensubstanz, welche man gewoͤhnlich Kleie nennt; 2) aus einer unmittelbar unter dieser Rinde befindlichen, gelblichen, durchsichtigen Substanz, welche sich bis gegen den Mittelpunkt des Kornes hin verlaͤngert, beinahe die Haͤlfte des Umfanges des Kornes ausmacht, und Gries (gruau) genannt wird; 3) endlich aus dem Sazmehle, welches sich in der Mitte des Kornes befindet, und eine weiße Masse voll glaͤnzender, krystallinischer Punkte bildet. B. Wenn man die Rinde oder die Huͤlle des Kornes sorgfaͤltig abloͤst, so zeigt sich, daß dieselbe aus drei sehr duͤnnen Haͤutchen besteht, welche ein Gefaͤßgewebe oder ein Nez bilden, welches aus kleinen, neben einander befindlichen, und durch zahlreiche Anastomosen oder Verbindungen mit einander communicirenden Roͤhren besteht. Diese kleinen Gefaͤße sind mit vegetabilischem Safte und mit Substanzen erfuͤllt, die den im Inneren des Kornes enthaltenen aͤhnlich sind. Zwischen der zweiten und dritten Haut befindet sich eine Schicht einer klebrigen, dem Gummi aͤhnlichen Substanz, welche das Korn rings um umgibt. Da nun die Kleie aus einer großen Menge kleiner, mit den Nahrungssaͤften der Pflanze erfuͤllten Gefaͤßen besteht, so ergibt sich schon hieraus, daß dieselbe im Verhaͤltnisse ihres Gehaltes an mehligen und gummigen Bestandtheilen naͤhrend seyn muß. Andererseits kann aber die Kleie nur zum Theil nahrhaft seyn, weil die Substanz, welche das Gehaͤuse der Rinde und der kleinen Roͤhren bildet, nichts weiter als Holzfaser oder Stroh ist, welches sich wohl fuͤr pflanzenfressende Thiere, keineswegs aber fuͤr den Menschen als Nahrungsmittel eignet. C. Um zu erfahren, in welchem Verhaͤltnisse die Kleie in dem Weizen enthalten ist, verfuhr Poncelet Siehe dessen Histoire naturelle du froment. S. 179. auf folgende Weise: Ich nahm 7 der schoͤnsten Weizenkoͤrner, die ich finden konnte, nagte ein Korn nach dem anderen ab, und fand, daß sie saͤmmtlich von gleichem Gewichte waren, d.h. daß jedes Korn einen Gran Markgewicht wog, so daß folglich alle 7 Koͤrner zusammengenommen 7 Grane Markgewicht hatten. Ich nahm mir dann die Muͤhe von diesen Koͤrnern mittelst der Spize eines Federmessers die drei Haͤutchen abzuziehen, aus denen die Rindensubstanz besteht. Bei jedem Messers schnitte untersuchte ich mit der Luppe, ob ich weder zu viel noch zu wenig weggenommen hatte, so wie ich vorzuͤglich auch darauf sah, daß nichts von der Substanz, die ich abloͤste, verloren ging. Alle die auf diese Weise abgeloͤste und gesammelte Kleie wog genau einen Gran, waͤhrend die uͤbrig gebliebenen abgeschaͤlten Koͤrner zusammen 6 Gran Markgewicht wogen. Ich wog ferner auch die Kleie und die abgeschaͤlten Koͤrner mitsammen, und erhielt dadurch wieder meine 7 Gran. Ich glaube also hieraus schließen zu duͤrfen, daß die Kleie in dem nicht durchgebeutelten Mehle den siebenten Theil ausmacht, wobei jedoch die der Kleie immer anhaͤngende gummiharzige Substanz mitgerechnet ist. D. Um auf eine genaue und von dem eben beschriebenen Verfahren verschiedene Weise das Verhaͤltniß der Rindensubstanz oder der Kleie in dem Korne zu bestimmen, nahm ich selbst zu folgendem Mittel meine Zuflucht. Ich waͤhlte 30 schoͤne Koͤrner, und weichte dieselben, nachdem ich sie vorher genau gewogen, einige Augenblike in heißes Wasser, um sie anschwellen zu machen. Dann nahm ich die Rinde ab, die nun oft in einem Stuͤke abging; diese Rinde wusch ich mehrere Male in Wasser aus, um sie dann, nachdem sie einige Tage an der Luft getroknet worden, neuerdings wieder zu waͤgen. Das Gewicht der auf diese Weise abgeloͤsten Huͤllen oder Rinden belief sich nicht auf 5 Procent von dem urspruͤnglichen Gewichte der Koͤrner. Zu bemerken ist hierbei, daß die Kleie durch das Auswaschen noch nicht alles klebrigen Stoffes entledigt worden, indem dieselbe beim Troknen einen thierischen Geruch von sich gab. Man kann daher hieraus mit aller Sicherheit schließen, daß die Kleie oder die Rindensubstanz nicht uͤber 5 Proc. oder nicht uͤber den zwanzigsten Theil des Kornes betraͤgt. Man sieht daher, daß also selbst die vollkommenste unserer gegenwaͤrtigen Mahlmethoden nichts weniger als bis zu einer vollkommenen Abscheidung der Kleie von dem Mehle gediehen ist, indem dieselben immer noch 20 Proc. Kleie geben. E. Wenn man den inneren Theil der Kleie mit dem Mikroskope untersucht, so zeigt sich, daß dieselbe mit einer diken Schichte Sazmehl und einer Substanz uͤberzogen ist, die der im Inneren des Kornes befindlichen aͤhnlich ist. F. Die im Handel vorkommende Kleie ist nicht immer gleich, sondern in Hinsicht auf ihre Beschaffenheit und ihr specifisches Gewicht wesentlich verschieden. Ich habe unter ganz gleichen Umstaͤnden mit groͤßter Sorgfalt einen Liter verschiedener Sorten grober magerer Kleie, die von verschiedenen Gegenden kamen, gewogen, und gefunden, daß sie in Hinsicht auf ihr Gewicht, obschon sie dem Aussehen nach einander sehr aͤhnlich waren, Unterschiede von 10, 15 und selbst 20 Proc. gaben. Das Gewicht eines Liters sehr magerer Kleie wechselt naͤmlich von 145 bis zu 190 Grammen (von 5 bis zu 6 Unzen). Es gibt fette Kleien, die bis an 320 Grammen (10 Unzen) per Liter waͤgen; d.h. jeder Decaliter dieser Kleie enthaͤlt um 1600 Grammen (50 Unzen) mehr Mehl, als die gewoͤhnliche magere Kleie; und diese 50 Unzen Mehl koͤnnten 2 1/2 Kilogr. (5 Pfd.) vortreffliches Brod geben. Denn jener Theil des Kornes, der an der Kleie haͤngen bleibt, besteht aus Gries, der, wie man weiß, gerade der nahrhafteste und jener Theil des Getreides ist, der das schoͤnste und beste Brod gibt. Es ist uͤberdieß noch zu bemerken, daß diese fette Kleie, welche die Haͤlfte ihres Gewichtes Mehl enthaͤlt, kaum theurer verkauft wird als jene Kleie, die viel weniger Mehl enthaͤlt, da die Kleie nicht nach dem Gewichte, sondern nach dem Maße verkauft wird. Kurz das Gewicht eines Decaliters Kleien wechselt von 1 Kilogr. 500 Grammen bis zu 4 Kilogr. (von 3 bis zu 8 Pfunden), und der mittlere Preis des Decaliters belaͤuft sich auf 25 Centimen. 2. Chemische Untersuchung der Kleie. A. Ich habe oben gesagt, daß aus meinen Versuchen hervorgehe, daß die Rindensubstanz des Weizens oder die Kleie kaum den fuͤnften Theil des Gewichtes des Weizens betraͤgt, waͤhrend wir bei unserer gegenwaͤrtigen Mahlmethode wenigstens den vierten Theil des Getreides verlieren. Es war daher von groͤßter Wichtigkeit zu erforschen, auf welche Weise der Kleie das ihr anhaͤngende Mehl entzogen werden koͤnnte; ich unternahm deßhalb in dieser Hinsicht eine Reihe von Versuchen, deren Resultate ich hier mittheilen will. Ich wog mit aller Genauigkeit 100 Grammen grobe magere Kleie ab, die ich von einer unserer besten, nach englischem Systeme erbauten Muͤhle erhielt. Diese Kleie brachte ich mit 2 Kilogrammen Wasser in eine große Flasche, in der ich das Gemenge mehrere Male schuͤttelte, um es dann nach einigen Stunden Ruhe auf ein sehr feines Sieb zu werfen, und das Mark leicht auszudruͤken. Am Grunde des Bodens des Gefaͤßes, in welchem alle die Fluͤssigkeit gesammelt worden, sezte sich bald eine weiße pulverige Substanz ab, die wir als Staͤrkmehl in Verbindung mit einer geringen Quantitaͤt Kleber erkannten. Dieses Staͤrkmehl wog, nachdem es mit großer Sorgfalt bei geringer Waͤrme getroknet worden, 25 Grammen 5 Decigrammen (beinahe die Haͤlfte ihres urspruͤnglichen Gewichtes). Das Waschwasser war suͤßlich, leicht getruͤbt und seifenartig; es ließ, nachdem es filtrirt und in einer Porcellanschale abgedampft worden, einen gummigen, schwach zukerigen, braunen Ruͤkstand von 18 Grammen. Das Resultat dieses Versuches ist also kurz folgendes: 100 Theile magere Kleie verloren durch Auswaschen 45 Theile und diese 45 Theile bestanden aus: Saz- oder Staͤrkmehl 25 1/2 Theilen Gummigem, im Wasser enthaltenen Extracte 18          – Verlust   1 1/2    – –––––––––––       Summa 45.         – Folgende Tabelle enthaͤlt die vergleichsweise Analyse verschiedener Kleienarten. Textabbildung Bd. 50, S. 56 Art und Beschaffenheit der Kleien. Gewicht der Kleie, womit der Versuch angestellt wurde. Gewicht des Sazmehles od. des Bodensazes nach vollkommenem Troknen; Gew. des Rükstandes od. des troknen Extractes, welches durch Abdampfen des Waschwassers gewonnen wurde. Gewicht der ausgewasch. Kleie nach vollkommenem Troknen. Gewicht der Substanzen, die der Kleie durch Auswaschen entzogen wurden. Unzen; Quent. Gran; Grobe Kleie; Mittlere; Kleine; Grobe Afterkleie; recoupettes; Feine; Schwarze Grüzenkleie; remoulages; Bastard; remoulages bâtards; Weiße Grüzenkleie; Summa Ich verdanke diese verschiedenen Muster der Guͤte des Hern d'Arblay, einem der ersten Getreidehaͤndler zu Paris und Mitgliedes der Société centrale d'agriculture, der mich bei seinen Versuchen auch mit seinen Erfahrungen und ausgebreiteten Kenntnissen unterstuͤtzte. Die Muster die er mir lieferte, kamen von einer unserer besten Muͤhlen, in der Kleie am vollkommensten von dem Mehle abgeschieden wird. A. d. O. Das Waschwasser wurde vor dem Abdampfen filtrirt. A. d. O. In der Gesamtsumme der Producte der einzelnen Operationen ergibt sich ein kleines Deficit, welches von einem starken Troknen des Staͤrkmehles herruͤhrt. A. d. O. Ich versuchte es vergebens, die Kleie von der weißen Gruͤzenkleie abzuscheiden. Das Verhaͤltnis der Gruͤze und folglich auch des Klebers ist in dieser Art von Kleie so groß, daß die Kleie nicht davon geschieden werden kann. man koͤnnte die weiße Gruͤzenkleie fuͤglich unter das Erdaͤpfel-Sazmehl mengen, und dann aus diesem Gemenge Brod baken. A. d. O. Das Auswaschen geschah bei jeder Art von Kleie mit 3 Pfund destillirten Wassers von 12° C. Temperatur. Aus diesen verschiedenen Versuchen, die ich sehr oft und mit aller moͤglichen Genauigkeit und Sorgfalt wiederholt habe, ergibt sich, daß man durch einfaches Auswaschen mit kaltem Wasser aus allen Arten von Kleien, und selbst aus jenen, die unsere besten Muͤhlen liefern, folgende Substanzen gewinnen kann: 1) im Durchschnitte dem Gewichte nach 25 Proc. Saz- oder Staͤrkmehl; 2) 18 bis 24 Proc. eines gummigen, zukerhaltigen Extractivstoffes, welcher, wie ich gleich zeigen werde, mit großem Vortheile zur Fabrikation von Brod und zu anderen Zweken benuzt werden kann; 3) 50 bis 52 Proc. ausgewaschene Kleie, die beinahe die Haͤlfte ihres Gewichtes animalisirten Nahrungsstoff enthaͤlt, so daß sie sehr gut als Viehfutter benuzt werden kann. Dieser ausgewaschenen Kleie, die die Haͤlfte ihres Gewichtes Nahrungsstoff enthaͤlt, kann dieser Stoff nur durch sehr complicirte chemische Operationen, die folglich außer dem Bereiche der Oekonomen liegen, entzogen werden. Die Resultate meiner Versuche sind also: 100 Kilogrammen Kleien von verschiedenen Sorten enthalten: Trokenes Staͤrkmehl 23 Kilogr. Aufloͤslichen Extractivstoff 18 bis 25   – Trokene ausgewaschene Kleie 52   – 100 Kilogrammen Kleie enthalten also wenigstens 60 Kilogr. weißes Brod von erster Guͤte.100 Kilogr. Mehl geben 125 Kilogr. Brod; die 48 in der Kleie zuruͤkgebliebenen Kilogr. Gruͤze geben wenigstens 60 Kilogr. Brod.A. d. O. B. Der Roken gibt beim Mahlen gleichfalls den vierten Theil seines Gewichtes Kleien, und diese Rokenkleie verliert durch Auswaschen gleichfalls die Haͤlfte ihres Gewichtes. Wenn nun unsere besten Muͤhlen in den Kleien noch 50 Proc. oder beinahe die Haͤlfte ihres Gewichtes eines Mehles zuruͤklassen, welches durch einfaches Auswaschen leicht daraus gewonnen werden kann, um wieviel groͤßer muß dieses Verhaͤltniß nicht da seyn, wo die Mahl- und Beutelmethode noch auf einer niedrigeren Stufe steht, wie dieß auf dem Lande wenigstens gewoͤhnlich der Fall ist, da man aus 100 Kilogr. Korn kaum 50 Kilogr. Mehl gewinnt? C. Ich habe gesagt, daß das Wasser, welches zum Auswaschen der Kleie und dazu gedient hat, derselben die in ihr enthaltenen Nahrungsstoffe zu entziehen, mit Vortheil zur Brodbereitung verwendet werden kann. Dieses Wasser ist naͤmlich nur Mehl in fluͤssiger Form, denn, 1) verlieren 100 Kilogr. Kleie durch das Auswaschen außer den 23 Kilogr. Sazmehl, die sich absezen, 18 bis 25 Kilogr. eines Extrac, tivstoffes, der jenem vollkommen aͤhnlich ist, den man in dem Mehle findet, und zur Brodbereitung verwendet; und 2) lassen meine eigenen Erfahrungen, und jene Versuche, die bereits vor langer Zeit angestellt wurden, keinen Zweifel daruͤber, daß sich das Kleienwasser mit Vortheil zur Brodbereitung verwenden laͤßt. Im Jahre 1770 kuͤndigten die Damen de la Jutais ein Verfahren an, nach welchem die Quantitaͤt gutes Brod, die das Mehl gewoͤhnlich gibt, um den vierten und selbst um den dritten Theil vermehrt werden koͤnnte. Es wurden damals in Gegenwart des Polizeiministers, einer von der Administration der Spitaͤler ernannten Commission und einer großen Anzahl von Baͤkern Versuche hieruͤber angestellt. Das Brod wurde mit einer eigenen Essenz bereitet, in der das Geheimniß bestand, und die nichts weiter als ein Kleienabsud war.Auf 320 Pfunde Mehl nahm man 12 Mezen grobe Kleie, welche man eine Stunde lang mit 124 Pinten Wasser kochte, das Gemenge wurde hierbei gut umgeruͤhrt, die Fluͤssigkeit durchgeseiht und frisch angewendet. (Bibliothèque physico-économique, October 1808.)A. d. O. Es fand sich hierbei bewaͤhrt, daß eine und dieselbe Quantitaͤt Mehl bei diesem Verfahren um 1/5, 1/4, und sogar beinahe um 1/3 mehr Brode gab, als bei dem gewoͤhnlichen Verfahren; und uͤberdieß fand man das Brod schmakhafter und von solcher Beschaffenheit, daß es sehr lange frisch erhalten werden konnte. Rozier, Parmentier, Chaptal, Lasteyrie, Julia Fontenelle und andere Agronomen haben dieses Verfahren angegeben und empfohlen.Mein Verfahren, nach welchem die Kleie mit kaltem Wasser ausgewaschen und nicht abgesotten wird, unterscheidet sich von obigem wesentlich in seinen Resultaten. Laͤßt man die Kleie naͤmlich in Wasser sieden, so verwandelt sich das darin enthaltene Staͤrkmehl in Kleister, der an der Kleie haͤngen bleibt, und eine feste, gallertartige Masse damit bildet, so daß der Absud also nur das aufloͤsliche Extract enthaͤlt, waͤhrend alles Staͤrkmehl in dem Ruͤkstande bleibt. Geschieht die Operation hingegen kalt und auf gehoͤrige Weise, so scheidet sich das Sazmehl leicht von der Kleie und sezt sich auf dem Boden des Gefaͤßes ab, waͤhrend das Wasser die aufloͤslichen Theile aufnimmt. Man kann also auf diese Weise 25 bis 40 Proc. Sazmehl sammeln, die nach dem anderen Verfahren verloren gehen, und darin besteht hauptsaͤchlich der unendliche Vorzug, den mein Verfahren vor der aͤlteren Methode voraus hat. Das Auswaschen der Kleie kann naͤmlich hiernach ein eintraͤgliches und nuͤzliches Gewerbe werden, wodurch eine bedeutende Menge Staͤrkmehl oder troknes Mehl gewonnen und in den Handel gebracht werden koͤnnte. A. d. O. Parmentier benuzte mit Vortheil einen Kleienabsud, um die Guͤte eines mit schlechtem Mehle bereiteten Brodes zu verbessern, und beobachtete dabei, daß der Kleienabsud auch die Menge des Brodes vermehre. Sehr vorteilhaft fand er die Anwendung des Kleienabsudes auch bei der Brodbereitung aus Erdaͤpfel-Staͤrkmehl. Ich habe selbst mehrere Versuche hieruͤber angestellt, und gefunden, daß das Abwaschwasser der Kleie zum Anmachen des Brodteiges verwendet werden kann, und habe dadurch an vortrefflichem Brode um ein Fuͤnftel mehr erhalten, als das Gewicht des in diesem Wasser enthaltenen Extractes betraͤgt; d.h. wenn das Abwaschwasser 20 Kilogr. aufloͤslichen Extractes enthaͤlt, so werden diese 20 Kilogr. um 25 Kilogr. mehr Brod geben, als man erhalten wuͤrde, wenn man den Brodteig bloß mit gewoͤhnlichem Wasser angemacht haͤtte. Wohlfeiles Verfahren die Kleie auszuwaschen und das in ihr enthaltene Staͤrkmehl, so wie die uͤbrigen Nahrungsstoffe leicht daraus zu gewinnen. Man verschaffe sich ein irdenes Gefaͤß von der Form eines Decaliters, oder einen Eimer, dessen Boden mit einem feinen durchsichtigen Zeuge ausgestattet ist; oder besser noch, man verschaffe sich ein Gefaͤß aus Eisenblech, welches am Boden und an einem Theile seiner Seitenwaͤnde wie ein Seiher durchloͤchert ist. Dieses Gefaͤß fuͤlle man mit der Kleie, die man auswaschen will, und das Ganze tauche man in einen anderen Kuͤbel, der etwas groͤßer ist, und in welchen man reines Wasser oder geklaͤrtes Flußwasser gebracht hat. Dann ruͤhre man die Kleie um, und nehme das Gefaͤß mehrere Male aus dem Wasser, um es jedes Mal wieder einzutauchen. Ist dieß geschehen, so lasse man das Gefaͤß eine oder zwei Stunden in dem Wasser stehen, damit sich das Sazmehl auf den Boden des Kuͤbels sezen kann. Nach Ablauf dieser Zeit nehme man das Gefaͤß wieder heraus, tauche es sachte nochmal ein, und lasse es dann abtropfen, indem man stark auf die Oberflaͤche der Kleie druͤkt. Das Staͤrkmehl, welches sich am Boden des Kuͤbels abgesezt hat, wird dann herausgeschafft, nachdem man das daruͤberstehende klare Wasser abgegossen. Das Abwaschwasser muß sogleich, d.h. innerhalb eines Tages oder 24 Stunden zum Anmachen des Teiges verwendet werden, denn es gaͤhrt sehr schnell. Der aus Staͤrkmehl und Kleber bestehende Bodensaz kann unter das zur Brodbereitung bestimmte Mehl gemengt werden, in welchem Falle man ihn noch an demselben Tage oder den Tag darauf anwenden muß; will man das Staͤrkmehl hingegen aufbewahren, um es dann verkaufen zu koͤnnen, so muß man es einige Stunden lang auf Zeugen und in Koͤrben, die der Luft ausgesezt werden, anziehen lassen, und dann in einem maͤßig erhizten Ofen oder in einer Trokenstube troknen. Wenn der Boden des Kuͤbels eine gewisse Neigung haͤtte, oder wenn man an der abhaͤngigsten Stelle desselben eine Oeffnung anbraͤchte, oder wenn der Boden des Gefaͤßes verkehrt kegelfoͤrmig geformt waͤre, und an seinem Scheitel mit einem Pfropfe oder Hahne versehen waͤre, so koͤnnte man das Staͤrkmehl von Zeit zu Zeit, und in dem Maße, in welchem es sich absezt, entweichen lassen. Wenn man naͤmlich den Hahn verschloͤsse, sobald alles Sazmehl ausgetreten, wuͤrde in dem Kuͤbel das Wasser, welches zu einer zweiten Operation noͤthig ist, zuruͤkbleiben, und auf diese Weise eine groͤßere Menge von Nahrungsstoffen aufnehmen. Kann das Auswaschen der Kleie der Gegenstand einer vorteilhaften industriellen Ausbeutung oder Unternehmung werden? Ich glaube, daß eine Unternehmung dieser Art im Allgemeinen, besonders aber in jenen Provinzen eintraͤglich werden muͤßte, in welchen die Muͤllerei noch weit zuruͤk ist, und in welchen man die Abwaschwaͤsser und die Ruͤkstaͤnde der Fabrikation benuzen koͤnnte. Am besten waͤre es eine Anstalt dieser Art mit einer Mahlmuͤhle, einer Baͤkerei, einer Brauerei oder einer Branntweinbrennerei in Verbindung zu bringen. Ueberdieß muß sich aber in der Nachbarschaft auch ein hinreichender Viehstand befinden, damit man alle Ruͤkstaͤnde nuͤzlich verwerthen koͤnnte. Die wesentlichsten Theile einer solchen Anstalt sind: 1) eine Art von Haͤngeboden oder Schoppen zu ebener Erde, in welchem sich die zum Auswaschen der Kleie bestimmten Buͤtten unter bringen ließen, und in welchen entweder durch eine Pumpe oder durch den Mechanismus der Muͤhle selbst die gehoͤrige Quantitaͤt Wasser geschafft wuͤrde; 2) eine Trokenanstalt mit einer Trokenstube.' Die Kosten der Errichtung einer Kleien-Waschanstalt, welche taͤglich 250 Kilogr. trokenes Staͤrkmehl zu liefern im Stande ist, lassen sich folgender Maßen anschlagen. 1. Kosten der ersten Einrichtung. 1) Ein Schoppen   300 Frank. 2) Vier Faͤsser oder Buͤtten, jedes zu 4 Hectoliter     80   – 3) Eine Pumpe, und Agitatoren in den Faͤssern   100   – 4) Ein Trokenboden und eine Trokenstube   400   – 5) Koͤrbe, Zeuge und kleinere Ausgaben   120   – ––––––––– Summa 1000 Fr. 2. Kosten der taͤglichen Arbeit. 1) 36 Hectoliter Kleien, in 9 Ladungen auf die 4 Buͤtten vertheilt, welche zusammen 1000 Kilogr. waͤgen, den Hectoliter zu 2 Fr. 50 Cent. 90 Frank. 2) Der Lohn zweier Arbeiter   3   – 3) Das Heizen der Trokenstube   2   – 4) Unterhaltung und allgemeine Kosten   3   – –––––––– Summa 98 Fr. 3. Taͤglicher Ertrag. 1) 250 Kilogr. troknes Sazmehl, den Kilogr. zu 30 Cent.   75 Frank. 2) 250 Kilogr. fluͤssiges Mehl oder troknes Extract, dasKilogr. zu 10 Cent., dem mittleren Preise der Kleie   25   – 3) 500 Kilogr. ausgewaschene Kleie, welche wir trokenannehmen, und welche noch mehr als die Haͤlfte ihresGewichtes an Kleber und anderen Nahrungsstoffenenthaͤlt; das Kilogr. zu 6 Cent   30   – –––––––– Summa 130 Frank. Mithin ergibt sich fuͤr den Tag ein wahrscheinlicher Gewinn von 32, und fuͤr das ganze Jahr ein wahrscheinlicher Gewinn von 10,000 Franken. Nimmt man an, daß man taͤglich 15 Kilogr. trokene ausgewaschene Kleie per Kuh verfuͤttert, so waͤren also beilaͤufig 35 Kuͤhe noͤthig, um die 500 Kilogr. Ruͤkstand zu verzehren. Man wird bemerkt haben, daß ich den in den Waschwaͤssern enthaltenen Zukerstoff, der sich wahrscheinlich weit vortheilhafter als zur Fuͤtterung fuͤr das Vieh verwenden ließe, sehr niedrig angeschlagen habe. Denn 1) koͤnnen die 250 Kilogr. Extract oder fluͤssiges Mehl beinahe 300 Kilogr. Brod liefern; 2) ist das Waschwasser, besonders wenn dasselbe zwei Mal hinter einander zum Auswaschen verwendet worden, mit so vielen Nahrungsstoffen beladen, daß es sehr gut zur Bierfabrikation verwendet, und auf dem Lande auch zur Bereitung verschiedener wohlfeiler Getraͤnke benuzt werden koͤnnte.Man sehe hieruͤber die Arbeiten des Hrn. Dubrunfaut uͤber die Saccharification des Staͤrkmehles, und jene des Hrn. Barons Silvestre uͤber die oͤkonomischen Getraͤnke, die sich im Jahrgange 1823 der Mémoires de la Société royale et centrale d'Agriculture befinden.A. d. O. Endlich kann man durch Destillation auch eine ansehnliche Quantitaͤt Branntwein daraus gewinnen, indem die 250 Kilogr. zukerhaltiges Extract, wie man glauben sollte, wenigstens 200 Liter Branntwein von 20° gehen muͤßten. Man muß uͤbrigens bemerken: 1) daß wir bei der Berechnung angenommen haben, daß in der Kleie nur der vierte Theil ihres Gewichtes Mehl enthalten ist, waͤhrend es doch erwiesen ist, daß viele Kleie die Haͤlfte ihres Gewichtes und daruͤber an gutem schoͤnem Mehle enthaͤlt; 2) daß der Preis der Kleie im Allgemeinen sehr niedrig steht, wenn das Korn theuer ist; denn da der hohe Preis des Korns am haͤufigsten durch ein Uebermaß von Regen hervorgebracht wird, wodurch andererseits der Ertrag an Viehfutter groͤßer wird, so faͤllt unter diesen Umstaͤnden der Preis der Kleie. Der Gewinn beim Auswaschen der Kleie wird also in jenen Jahren, in denen das Brod theuer ist, groͤßer seyn, weil man die Haͤlfte des Gewichtes der Kleie in Brod verwandeln kann, und weil das Sazmehl dann 40 bis 50 Cent. per Kilogramm gilt. Man kann annehmen, daß in Frankreich taͤglich 20 Mill. Kilogr. Getreide verzehrt werden, welche 5 Mill. Kilogr. Kleie geben. Man koͤnnte also, wenn man die Kleie gehoͤrig benuzte, aus derselben Quantitaͤt Getreide taͤglich um 3 Mill. Kilogr. Brod mehr bereiten, als man gegenwaͤrtig daraus bereitet, und dieß wuͤrde, den Kilogr. Brod zu 25 Cent. gerechnet, taͤglich einen Gewinn von 750,000 Fr., monatlich einen Gewinn von 90 Mill. Kilogr. Brod oder 22 Mill. Fr., und jaͤhrlich einen Gewinn von 164 Mill. Fr. geben: eine Summe, welche groͤßer ist, als die Gesammteinkuͤnfte der Vereinigten Staaten von Nordamerika, und als jene von Belgien und Holland zusammengenommen! In Paris allein wuͤrde man aus der Quantitaͤt Getreide, die jaͤhrlich daselbst verbraucht wird, um 10 bis 11 Mill. Kilogr. mehr Brod erzeugen koͤnnen, als gegenwaͤrtig erzeugt wird, was monatlich einen Mehrwerth von 260,000 Fr. geben wuͤrde. Aus meinen Versuchen und Beobachtungen ergibt sich also als Endresultat: 1) daß die Huͤlle oder die Rindensubstanz des Kornes kaum 5 Procent oder den zwanzigsten Theil von dem Gewichte des Kornes ausmacht; 2) daß dessen ungeachtet bei den gewoͤhnlichen Mahlmethoden der vierte Theil des Gewichtes des Kornes in Kleie verwandelt wird; 3) daß man gegenwaͤrtig in den Kleien dem Gewichte nach mehr als 75 Proc. Nahrungsstoffe unbenuzt laͤßt; 4) daß man mittelst eines sehr einfachen Verfahrens, mittelst einfachen Auswaschens mit kaltem Wasser, 50 Proc. oder die Haͤlfte ihres Gewichtes Nahrungsstoffe aus der Kleie gewinnen koͤnnte, naͤmlich: zu Paris 23 bis 25 Proc., und auf dem Lande 23 bis 50 Proc. sehr weißes Saz- oder Staͤrkmehl, und 22 bis 23 Proc. eines zukerhaltigen Extractivstoffes, der in dem Waschwasser aufgeloͤst bleibt. Dieses Wasser kann sehr gut zur Bereitung von Brod, Bier und anderen Ge traͤnken verwendet werden; auch kann man eine ansehnliche Menge Branntwein aus demselben gewinnen, oder es in Syrup verwandeln; 5) daß man auf diese Weise um 15 Proc. mehr Brod aus dem Getreide gewinnen kann, als bisher daraus gewonnen wurde; 6) daß, wenn man den jaͤhrlichen Verbrauch an Getreide auf 100 Mill. Hectoliter anschlaͤgt, man aus eben derselben Quantitaͤt Getreide taͤglich um 3 Mill. Kilogr. oder 6 Mill. Pfunde mehr Brod erzeugen koͤnnte, als gegenwaͤrtig daraus erzeugt wird, was einen jaͤhrlichen Gewinn von 160 Mill. Fr. und eine beinahe sichere Garantie gegen Hungersnoth geben wuͤrde. Wenn man die Bevoͤlkerung eines jeden unserer Departements im Durchschnitte zu 372,000 Einwohnern annimmt; wenn man annimmt, daß jeder dieser Einwohner taͤglich ein halbes Kilogr. oder ein Pfund Roken oder Gerste verzehrt, so wird man in jedem Departement taͤglich 46,000 Kilogr. Kleie auszuwaschen haben, so daß also 46 solcher Anstalten, wie ich sie oben beschrieben habe, noͤthig waͤren.