Titel: Ueber Morins und Penots Analyse des Kuhmistes.
Fundstelle: Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XXXIV., S. 131
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XXXIV. Ueber Morins und Penots Analyse des Kuhmistes. Aus dem Temps, 2. October 1833. Ueber Morin's und Penot's Analyse des Kuhmistes. Hr. Robiquet hat in Vereinigung mit den HH. Chevreul und Dumas der Pariser Akademie der Wissenschaften einen Bericht uͤber zwei Analysen des Kuhmistes erstattet; die eine davon wurde von Hrn. Penot, Professor der technischen Chemie in Muͤlhausen und die andere drei Jahre fruͤher von Hrn. Morin, Apotheker in Rouen, angestellt. Der Kuhmist ist bekanntlich fuͤr die Kattunfabriken, wo man ihn seit sehr langer Zeit schon anwendet, eine sehr nuͤzliche Substanz. Bis auf die neueste Zeit hatte man aber uͤber seine Wirkungsart keine Theorie; einige Personen meinen er enthalte eine Art Schleim, welcher hauptsaͤchlich dazu diene, den Faserstoff gewisser Maßen zu animalisiren, wodurch derselbe mehr Anziehungskraft zu den Farbestoffen erhalte; andere glauben seine Wirkung bestehe nur darin, daß er dem Zeuge das uͤberschuͤssige Beizmittel entziehe. Wenn aber diese beiden Ansichten auch richtig waren, so bliebe doch noch immer zu erklaͤren uͤbrig, wie diese Wirkung durch das Kuͤhkothen hervorgebracht wird, und gerade in der Absicht, diese interessante Frage zu loͤsen, haben die HH. Penot und Morin ihre Versuche angestellt. Beide sahen wohl ein, daß es hiezu noͤthig ist, die Zusammensezung des Kuͤhkothes genau zu kennen. Nachdem Hr. Penot sich uͤberzeugt hatte, daß der frische Kuͤhkoth bald neutral und bald alkalisch ist und daß er ungefaͤhr 70 Procent Wasser enthaͤlt, behandelte er ihn mit siedendem Wasser, filtrirte die Aufloͤsung und dampfte sie dann ab. Er erhielt dadurch einen braͤunlichen Ruͤkstand, welchem er den Namen Bitter (amer) beilegt. Dieses Product verbreitet beim Brennen den Geruch des verbrannten Horns. Man findet in seiner Asche verschiedenartige Salze, die mit ihm niedergeschlagen wurden, wie salzsaures Natron, schwefelsaures Kali, schwefelsauren Kalk, endlich einige Spuͤren Eisen. Die Aufloͤsung des Bitters in Wasser schlaͤgt die Metallsalze nieder. Der durch Wasser erschoͤpfte Kuͤhkoth wird dann mit kochendem Alkohol behandelt, welcher sich durch ihn stark braungruͤn faͤrbt; die filtrirte geistige Aufloͤsung sezt beim Abdampfen eine schwaͤrzliche Masse ab, welche sich in Aether zum Theil aufloͤst und ihn gruͤn faͤrbt. Der Ruͤkstand hat einen aromatischen Geruch und suͤßen Geschmak; in Wasser ist er aufloͤslich und schlaͤgt die Metallsalze nieder. Auf die Behandlung mit Wasser und Alkohol folgt diejenige mit Aether, welcher aus dem Kuͤhkoth noch eine geringe Menge einer gruͤnen Substanz auszieht, die nach Hrn. Penot Chlorophyll ist. Der Ruͤkstand wird endlich mit caustischer Natronlauge gekocht; neutralisirt man dann das Alkali durch eine Saͤure, so fallen einige Floken nieder, welche nach Hrn. Penot Eiweiß sind. Was zulezt von dem Kuͤhkoth noch uͤbrig bleibt, betrachtet der Verfasser als Holzstoff, in dessen Asche man verschiedene Salze und ein wenig Kieselerde findet. 500 Grammen Kuͤhkoth enthalten nach Hrn. Penot: Wasser 347,90 Faserstoff 130,95 Gruͤne fette Substanz     1,40 Geronnenes Eiweiß     3,15 Bitter     3,70 Chlornatrium     0,40 Schwefelsaures Kali     0,25 Schwefelsauren Kalk     1,25 Kohlensauren Kalk     1,20 Phosphorsauren Kalk     2,30 Kohlensaures Eisen     0,45 Kieselerde     0,70 Verlust     0,70 Hr. Morin, welcher seine Versuche drei Jahre fruͤher anstellteSeine Abhandlung findet man vollstaͤndig im Polyt. Journ., Bd. XXXIX. S. 394.A. d. R., zieht den Kuͤhkoth zuerst mir kaltem Wasser aus, bis er nichts mehr an dasselbe abgibt; die Aufloͤsung liefert bei vorsichtigem Abdampfen ein Extract, das er zuerst mit Aether und dann mit Alkohol behandelt, welcher leztere eine dem Pikromel aͤhnliche Substanz auszieht; nachdem diese zukerige Substanz aus dem waͤsserigen Extract abgeschieden und lezteres wieder in Wasser aufgenommen ist, erhaͤlt man ein Product, dessen Aufloͤsung die Metallsalze, die Gallaͤpfeltinctur, den Alaun etc. reichlich faͤllt. Diesem Koͤrper nun schreibt Hr. Morin die Haupteigenschaften des Kuͤhkoths zu; er betrachtet ihn als einen besonderen Stoff und nennt ihn Bubulin. Den Ruͤkstand von dem mit kaltem Wasser extrahirten Kuͤhkoth kocht Hr. Morin mehrmals mit Alkohol aus. Das Extract, welches die Tinctur beim Abdampfen hinterlaͤßt, gibt an den Aether eine fette Substanz ab, die nach Hrn. Morin aus Talgsaͤure, Oehlsaͤure, einem gruͤnen Harze und einer der Buttersaͤure aͤhnlichen Saͤure besteht; der Aether sondert, indem er sich dieser fetten Substanz bemaͤchtigt, eine braune, pulverige Substanz ab, die wenig schnieft, nach Galle riecht und harziger Natur scheint. Der holzige Ruͤkstand hinterließ beim Einaͤschern mehrere Salze mit Kalkerde als Basis, ein wenig salzsaures Kali, und einige Spuren Kieselerde, Thonerde und Eisenoxyd. Hr. Morin erhaͤlt als Resultat seiner Versuche folgende Zusammensezung des Kuͤhkothes: Wasser 350 Faserstoff 120,4 Gruͤne fette Substanz     7,6 Zukerige Substanz     3 Geronnenes Eiweiß     2 Bubulin     8 Braune harzige Substanz     9 Morin's analytisches Verfahren scheint den Berichterstattern zwekmaͤßiger zu seyn, als Penot's. Die beiden Arbeiten klaren uͤbrigens die Frage bei Weitem nicht vollstaͤndig auf. Hr. Morin schreibt zwar dem Bubulin die wirksamen Eigenschaften des Kuͤhkothes zu und glaubt daß es vortheilhaft waͤre, es an Statt desselben anzuwenden, unterstuͤzt aber seine Meinung durch keinen directen Versuch. Seinerseits glaubt Hr. Penot, daß die waͤsserige Aufloͤsung des Kuͤhkothes der einzige nuͤzliche Theil bei dem Kuͤhkothen ist. Er uͤberzeugte sich, daß diese Fluͤssigkeit die Beizen, deren Basis Alaunerde oder Eisen ist, reichlich niederschlaͤgt; daraus schloß er, daß bei dem Kuͤhkothen die aufloͤslichen Theile sich des uͤberschuͤssigen, nicht mit dem Zeuge verbundenen, Mordants bemaͤchtigen und unaufloͤsliche Verbindungen bilden, welche keine Verwandtschaft zu den Geweben haben. Es scheint uns wenig wahrscheinlich, sagen die Berichterstatter, daß dieß der Hergang der Sache ist. Der Zwek des Kuͤhkothens ist vielmehr, allen uͤberschuͤssigen Mordant abzuziehen, damit nur derjenige Theil zuruͤkbleibt, welcher wirklich mit der Faser verbunden ist; es soll dadurch zwischen dem Mordant, dem Faͤrbestoff und der Faser eine feste Verbindung, in den wahren Verhaͤltnissen, erleichtern. Wenn aber der aufloͤsliche Theil des Kuͤhkothes, wie Hr. Penot behauptet, allein wirken wuͤrde und seine Wirkung einzig darin bestuͤnde, daß er unaufloͤsliche Verbindungen mit den Mordants hervorbringt, so wuͤrde nothwendig der Ueberschuß des Mordants, an Statt in das Kuͤhkothbad uͤberzugehen, im Gegentheil auf dem Gewebe befestigt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß waͤhrend gewisse Bestand, theile des Kuͤhkoths zusammenwirken, um den uͤberschuͤssigen Mordant aufzuloͤsen, andere sich desselben bemaͤchtigen, ihn unaufloͤslich machen und ihn dadurch verhindern, sich wieder mit dem Zeug zu verbinden. Die Holzfaser, welche die beiden Verfasser als ganz unwirksam beim Kuͤhkothen betrachten, scheint zu dieser wichtigen Rolle sehr geeignet zu seyn, und es ist sehr zweifelhaft, ob diese Operation denselben Erfolg hat, wenn man nur die aufloͤslichen Theile des Kuͤhkothes dabei anwendet. Aus den interessanten Versuchen des Hrn. Daniel Koechlin uͤber die Anwendung der Kleie zum Puzen der gedrukten ZeugePolyt. Journal Bd. XXXIII. S. 110.A. d. R. geht hervor, daß keiner ihrer Hauptbestandtheile so wirksam ist, wie die ganze Kleie. Da man nun bei dieser Operation ohne merklichen Unterschied in den Resultaten den Kuͤhkoth an Statt der Kleie anwenden kann, so ist es hoͤchst wahrscheinlich, daß diese beiden Substanzen auf dieselbe Art wirken. Die HH. Penot und Morin muͤssen sich hiedurch aufgefordert fuͤhlen neue Thatsachen aufzufinden, um ihre theoretischen Ansichten zu rechtfertigen.