Titel: Bericht, welchen Hr. Dumas der Pariser Akademie der Wissenschaften über eine Abhandlung der HH. Payen und Persoz erstattete: betreffend die Diastase, eine im Gerstenmalz entdekte Substanz, und das Stärkmehlgummi (oder Dextrin), so wie deren technische Anwendung.
Fundstelle: Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XLIII., S. 195
Download: XML
XLIII. Bericht, welchen Hr. Dumas der Pariser Akademie der Wissenschaften uͤber eine Abhandlung der HH. Payen und Persoz erstattete: betreffend die Diastase, eine im Gerstenmalz entdekte Substanz, und das Staͤrkmehlgummi (oder Dextrin), so wie deren technische Anwendung. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Julius 1833, S. 230. Dumas, Bericht uͤber die Diastase und das Staͤrkmehlgummi. Die Akademie hat Hrn. Robiquet und mich beauftragt, ihr uͤber oben genannte Abhandlung Bericht zu erstatten; wir unterwarfen daher die wissenschaftlichen und technischen Resultate, welche sie enthaͤlt, einer aufmerksamen Pruͤfung, und wollen nun der Akademie sowohl die Thatsachen, welche wir selbst in Gesellschaft jener Chemiker zu beobachten Gelegenheit hatten, als auch die Folgerungen, die man daraus ableiten kann, mittheilen. Noch vor kurzer Zeit betrachteten die Chemiker das Staͤrkmehl als eine einfache organische Substanz, und glaubten daran sogar mit bloßem Auge Anzeichen von Krystallisation bemerken zu koͤnnen: heut zu Tage weiß man, daß das Staͤrkmehl ein Organ und noch dazu ein sehr complicirtes ist. Hr. Raspail brachte durch seine Beobachtungen die Frage auf ihren richtigen Standpunkt, und brach dadurch fuͤr alle Entdekungen, die man in der neuesten Zeit in Betreff des Staͤrkmehls und seiner Produkte machte, die Bahn. Wir wollen hier nur ganz kurz die Theorie des Hrn. Raspail anfuͤhren; sie muß jezt allgemein bekannt werden, denn sie wird schon seit mehreren Jahren in den Vorlesungen uͤber Chemie auseinandergesezt und von allen Chemikern in Paris angenommen. Man nimmt gegenwaͤrtig als erwiesene Thatsache an, daß das Staͤrkmehl aus einem haͤutigen Sak besteht, der eine dike und gleichsam gummiartige Substanz einschließt. Durch die Einwirkung der Hize und der Saͤuren zerreißen die Haͤutchen, und die gummige Substanz fließt dann aus. Die Chemiker kannten diese Wirkung jener Agentien sehr wohl, nahmen aber an, daß das Gummi erst erzeugt werde, waͤhrend die Erscheinung in der That bloß eine mechanische ist, und nur ein schon vorhandenes Gummi in Freiheit gesezt wird. Das aus dem Staͤrkmehl abgeschiedene Gummi besizt eine merkwuͤrdige Eigenschaft, die man als eine rein chemische Erscheinung betrachten kann; es verwandelt sich naͤmlich unter verschiedenen Einfluͤssen in einen wirklichen Zuker, welcher lange fuͤr Traubenzuker gehalten wurde, aber nach den neuen Versuchen Biot's von demselben verschieden ist. Alle diese Thatsachen waren seit mehr oder weniger langer Zeit bekannt, und man hatte es oͤfters vergebens versucht, die gummige Substanz des Staͤrkmehls zu zarten technischen Operationen anwendbar zu machen; nur zur Noth konnte man daraus behufs der Verdikung der Beizmittel in den Kattundrukereien einigen Nuzen ziehen: man wandte naͤmlich dazu geroͤstetes Staͤrkmehl an, d.h. Staͤrkmehl, dessen (Gummi enthaltende) Haͤute durch Einwirkung der Hize zerrissen worden waren; da das Roͤsten aber ungleich Statt fand, so blieben einerseits viele Koͤrner unberuͤhrt, waͤhrend andererseits die gummige Substanz zum Theil veraͤndert wurde. Hr. Couverchel, welcher schon seit langer Zeit die wahre Natur der Reactionen des Staͤrkmehls sehr wohl erkannt hatte, versuchte von der Wirkung der Saͤuren, besonders der Schwefelsaͤure auf dasselbe, eine Anwendung zu machen; der hohe Preis des so bereiteten Productes gestattete aber die technische Anwendung desselben im Großen nicht. Waͤhrend alle diese Arbeiten uͤber das Staͤrkmehl unternommen wurden, waren andererseits die Fabrikation von Bier und Kornbranntwein Gegenstand sehr eifriger Forschungen. Jedermann weiß, daß das Bier auf die Art bereitet wird, daß man eine Infusion von gekeimter Gerste mit Hopfen kocht, und die Fluͤssigkeit dann in geistige Gaͤhrung uͤbergehen laͤßt. Die Chemiker erklaͤrten sich diese Fabrikation durch die Beobachtung, daß die gekeimten Koͤrner an das Wasser eine bedeutende Menge Zuker abgeben koͤnnen; und sie betrachteten das Staͤrkmehl und die anderen Producte der Gerste als unwirksam bei den Reactionen, durch welche das Bier erzeugt wird. Die Englaͤnder hatten jedoch eine besondere Wirkung, welche die gekeimte Gerste auf die mehligen Stoffe ausuͤbt, beobachtet; sie zogen daraus nuͤzliche Folgerungen fuͤr die Bierfabrikation. Ein geschikter Techniker, Hr. Dubrunfaut, trieb diese Untersuchung noch weiter, und benuzte bei verschiedenen Gelegenheiten die specifische Eigenschaft der gekeimten Gerste, besonders bei der Bereitung des Branntweins und Biers aus Staͤrkmehl. Schon im Jahre 1785 zeigte Dr. Irvine, daß die ungekeimte Gerste 'vortheilhaft bei der Bierfabrikation angewandt werden kann, wenn man ihr eine gewisse Menge gekeimter Gerste beifuͤgt; er uͤberzeugte sich, daß dieses Gemenge durch die Einwirkung heißen Wassers bald einen suͤßen Geschmak erhaͤlt, zur Gaͤhrung geeignet wird, und jedes Mal mehr Alkohol liefert, als eine Quantitaͤt gekeimter Gerste, die eben so viel wiegt wie das angewandte Gemenge. Dr. Irvine schrieb, wie es scheint, die Verwandlung des rohen Korns in Zuker dem Zukerstoffe zu, welchen die gekeimte Gerste enthaͤlt: solche Gemenge von rohem und gekeimtem Korn wendet man nun gewoͤhnlich in England an. Im Jahre 1823 machte Hr. Dubrunfaut in einer Abhandlung, welcher der landwirtschaftliche Verein des Seinedepartements den Preis zuerkannte, folgende Thatsachen bekannt, die nicht nur Dr. Irvine's Beobachtung bestaͤtigen, sondern auch alle ihre Details aufklaͤren, und sie unter einem neuen Gesichtspunkte darstellen. Man wußte in den Kuͤnsten, daß man das Getreide behufs der Fabrikation von Kornbranntwein dadurch in Zuker verwandeln kann, daß man vier Theile rohes Korn mit einem Theile gekeimtem vermengt; man wußte auch, daß sich Kartoffelbranntwein dadurch fabriciren ließ, daß man die Kartoffeln vorlaͤufig mit einem Zwanzigstel ihres Gewichtes gekeimter Gerste (aus den Brauereien) auf weichte; diese bekannten Thatsachen suchte nun Hr. Dubrunfaut zu erklaͤren. Bei seinem ersten Versuche bildete Hr. Dubrunfaut mit 500 Grammen Kartoffelstaͤrke und 4 Kilogrammen Wasser einen Kleister, welchen er mit 125 Grammen gekeimter Gerste versezte. Indem er die Masse auf einer Temperatur von 62 bis 69° C. (49 bis 55° Reaumur) erhielt, bemerkte er, daß sie nach Verlauf einer Viertelstunde ganz fluͤssig geworden war. Zwei Stunden spaͤter war bei gleichgebliebener Temperatur die Fluͤssigkeit in einen Syrup verwandelt, der, mit Wasser verduͤnnt, in Gaͤhrung uͤbergehen konnte, und woraus man 38 Centiliter Branntwein von 19 Grad erhielt: die angewandte gekeimte Gerste lieferte davon nur 9 Centiliter, das Uebrige ruͤhrte vom Staͤrkmehl her. Hr. Dubrunfaut uͤberzeugte sich dann, daß durch gekeimten Roken, gekeimten Hafer und gekeimten Weizen das Staͤrkmehl ebenfalls fluͤssig gemacht und in Zuker verwandelt werden kann, aber nicht so gut wie durch gekeimte Gerste. Fluͤssig gemacht wird das Staͤrkmehl auch durch die Saͤgespaͤne von Buchenholz, rohen Flachs und die Huͤlsen der Gerstenkoͤrner, welche man in den Brauereien von der gekeimten Gerste absondert. Diese Substanzen scheinen aber nicht geeignet zu seyn, das Staͤrkmehl in Zuker zu verwandeln, und machen es auch erst nach einigen Stunden fluͤssig, waͤhrend dieß die geleimte Gerste in einigen Minuten thut. Nachdem Hr. Dubrunfaut diese Beobachtungen gemacht hatte, schlug er vor, bei der Fabrikation von Kornbranntwein das Staͤrkmehl oder die zerriebenen Kartoffeln in Kleister zu verwandeln, diesem die erforderliche Quantitaͤt gekeimter Gerste zuzusezen, um ihn fluͤssig zu machen und in Zuker zu verwandeln, und dann seine Gaͤhrung wie gewoͤhnlich zu erregen. Hr. Dubrunfaut suchte diese Resultate auch auf die Bierfabrikation anzuwenden: ein Kilogr. Staͤrkmehl lieferte ihm 10 Liter Wuͤrze von 6 Grad Beaumé, und diese Wuͤrze, gehoͤrig gehopft, gab ein dem Pariser aͤhnliches Bier; wenn man den Hopfen wegließ, erhielt man ein Weißbier, und als man ein Zehntel rohen Honig zusezte, ein dem Louvainer aͤhnliches Bier. Hr. Dubrunfaut schrieb diese Erscheinungen anfangs der Substanz zu, welcher Proust den Namen Hordein beigelegt hatte, spaͤter aber (in seinem Traité de Distillation) der Rolle, welche der in Essigsaͤure aufgeloͤste Kleber spielt, und darauf wurde er durch die bekannten Versuche Kirchhof's uͤber die Verwandlung des Staͤrkmehls in Zuker vermittelst Kleber, geleitet. Hr. Raspail bringt diese Ansicht in einem neuen Werke wieder vor.Nouveau systéme de Chimie organique. Paris, 1833. Die neuen Versuche der HH. Payen und Persoz geben uns aber eine ganz andere Ansicht von dieser Sache. Diese Chemiker verfahren folgender Maßen: In eine bestimmte Menge Wasser bringt man gekeimte, getroknete und gemahlene Gerste, so wie sie die Braͤuer anwenden: nachdem man die Fluͤssigkeit auf 40° C. (32° Reaumur) erwaͤrmt hat, sezt man eine gehoͤrige Menge Staͤrkmehl zu; lezteres hat die Eigenschaft Kleister zu bilden verloren, wenn anders die Fluͤssigkeit nicht hoͤher als bis auf 70 oder 75° C. (56–60° R.) erhizt wird. Unterhaͤlt man die Masse waͤhrend zehn Minuten oder einer Viertelstunde auf dieser Temperatur, so sieht man, daß die Fluͤssigkeit, welche anfangs ein wenig diker geworden war, allmaͤhlich duͤnnfluͤssiger und klarer wird; zulezt wird sie so fluͤssig, daß man sie durch Papier filtriren koͤnnte: die Kleie der gekeimten Gerste schwimmt oben auf derselben, die Haͤutchen der Staͤrkmehlkoͤrner aber fallen auf den Boden, und die klare Fluͤssigkeit enthaͤlt alle gummige Substanz des Staͤrkmehls, dieselbe, fuͤr welche Hr. Biot den Namen Dextrin in Vorschlag brachte.Vergl. Polyt. Journ. Bd. XLIX. S. 36.A. d. R. Wenn man die Kleisterbildung vermeidet, wird das Staͤrkmehl fluͤssiger, und die Operation geht schneller von Statten, als nach Dubrunfaut's Verfahren. Beide Methoden unterscheiden sich dadurch, daß jene Chemiker die gekeimte Gerste zuerst in das lauwarme Wasser bringen, Hr. Dubrunfaut aber vorher das Staͤrkmehl: ersteres scheint besser. Die Verfasser finden, daß man auf hundert Theile Staͤrkmehl vierhundert oder fuͤnfhundert Theile Wasser und fuͤnf oder zehn Theile gekeimter (getrokneter und gemahlener) Gerste anwenden muß, je nach ihrer guten oder schlechten Bereitung. Wenn das Dextrin ein Mal aus seinen Huͤlsen abgesondert ist, so wird es durch dasselbe Verfahren in einen Zukerstoff verwandelt. Man braucht naͤmlich nur die Temperatur von 70° C. (56° R.), an Statt sie auf einige Minuten zu beschraͤnken, drei Stunden lang anzuwenden. Will man die Operation unterbrechen, wenn bloß das Dextrin (Staͤrkegummi) gewonnen ist, also die Zukerbildung vermeiden, so muß man die Fluͤssigkeit zum Sieden bringen, sobald alle Staͤrkmehlkoͤrner geborsten sind. Bei 100° C. (80° R.) verliert die Gerstensubstanz alle ihre Eigenschaften, und wird unfaͤhig das Dextrin in Zuker zu verwandeln. Man kann also auf diese Art das Dextrin (Staͤrkegummi) und den Staͤrkmehlsyrup, zwei Producte, welche fuͤr die Industrie von großer Wichtigkeit sind, ohne Schwierigkeit im Großen darstellen, ohne daß eine fremdartige oder gar schaͤdliche Substanz in dieselben gelangt. Man haͤtte schon laͤngst mittelst Schwefelsaͤure Dextrin bereiten koͤnnen, wenn diese Fabrikation wirklich Gewinn abgeworfen haͤtte. In gewissen Faͤllen wendet man dieselbe Saͤure an, um das Staͤrkmehl in Zuker zu verwandeln; man muß aber in beiden Faͤllen in der Folge die Schwefelsaͤure in schwefelsauren Kalk verwandeln, wovon immer ein Theil in der Fluͤssigkeit aufgeloͤst bleibt, so daß sie die bekannten Nachtheile des gypshaltigen Wassers besizt: diesem Uebelstande ist durch die neuen Verfahrungsarten ganz begegnet. Wir werden nun auf die zahlreichen Anwendungen, welche das so bereitete Dextrin gestattet, so wie auf die nicht weniger wichtigen des Staͤrkmehlsyrups uͤbergehen. Vorher wollen wir aber den rein chemischen Theil obiger Abhandlung durchgehen. Die Verfasser suchten auch den wirksamen Bestandtheil der gekeimten Gerste abzuscheiden: diesem legten sie den Namen Diastase bei. Die Diastase, so wie sie dieselbe erhalten, ist wahrscheinlich keine ganz reine Substanz, verdient aber dessen ungeachtet die Aufmerksamkeit der Chemiker und Physiologen: sie ist ein fester, weißer, unkrystallisirter, in Wasser aufloͤslicher Koͤrper; in schwachem Alkohol loͤst sie sich auf, aber nicht in concentrirtem. Die Verfasser haben leztere Eigenschaft zu ihrer Darstellung benuzt. Man erhaͤlt sie, wenn man gekeimte Gerste zerreibt und in kaltem Wasser aufweicht. Die Fluͤssigkeit, filtrirt und auf 75° C. (60° R.) erhizt, truͤbt sich, indem eine eiweißartige Substanz, die sich aufgeloͤst hatte, gerinnt. Man filtrirt neuerdings, und versezt die Fluͤssigkeit mit so viel Alkohol, daß die Diastase niederfaͤllt. Der Zuker, welcher in der gekeimten Gerste vorhanden war und sich mit ihr aufgeloͤst hatte, bleibt in der Fluͤssigkeit zuruͤk. Die so erhaltene Diastase ist nicht rein; sie enthaͤlt noch eine stikstoffhaltige Substanz, welche man davon absondert, indem man die unreine Diastase mehrmals in Wasser aufloͤst und mit Alkohol niederschlaͤgt. Die Reinigung der Diastase ist also bei diesem Verfahren nur annaͤhernd, und die reinste, welche die Verfasser darstellen konnten, muß noch etwas stikstoffhaltige Substanz enthalten: sie vermuthen daher auch, daß die Diastase kein stikstoffhaltiger Koͤrper ist, denn sie fanden, daß ihr Stikstoffgehalt immer geringer wird, je oͤfter sie dieselbe in Wasser aufloͤsten und wieder mit Alkohol niederschlugen. Die Diastase kommt nicht nur in dem Samen der gekeimten Gerste, sondern auch in dem des gekeimten Hafers und Weizens vor, und ohne Zweifel in vielen oder allen mehligen Samen, welche gekeimt haben. Sie fanden sie auch in den Knospen von Aylanthus glandulosa. Sie kommt auch, wie sich dieß erwarten ließ, in den Keimen der Kartoffel vor, und die Verfasser sezen ihre Untersuchungen uͤber diesen Gegenstand fort, um die genaue Lage der Diastase in der Kartoffel, und die Zeit ihres Erscheinens und Verschwindens zu bestimmen. Die Pflanzenphysiologie kann dadurch nur gewinnen. Aus diesen lezteren Resultaten ersieht man, daß das Keimen oder die Vegetation der Knospen, wenn die junge Pflanze oder die Knospe sich naͤhren muß, was gewoͤhnlich mittelst des Staͤrkmehls geschieht, unter dem Einflusse der Diastase vorgeht. Diese Substanz praͤexistirt nicht, was auch nicht der Fall seyn koͤnnte, weil sie das Staͤrkmehl zerstoͤren wuͤrde; sie bildet sich in dem Maße, als sich die Vegetation einstellt, und wirkt in dem Maße auf das Sazmehl, als es berstet: das Dextrin fließt dann aus und dient entweder als solches, oder nach seiner Umaͤnderung in Zuker, zur Ernaͤhrung der Organe. Die Wirkung der Diastase auf das Staͤrkmehl laͤßt sich nicht erklaͤren; in der organischen Chemie gibt es aber so viele Geheimnisse, daß man sich daruͤber nicht sehr verwundern kann. Diese Substanz macht das Staͤrkmehl fluͤssig und verwandelt es in Zuker, gerade so, wie die Schwefelsaͤure und das Wasser selbst. Man weiß in der That, daß sich der Kleister nach und nach von selbst in Zuker umaͤndert. Vermittelst der Diastase konnten sich die Verfasser das Dextrin in einem bisher noch nicht gekannten Zustand von Reinheit verschaffen. Die Wirkung der gereinigten Diastase auf das Dextrin ist gewiß einer der merkwuͤrdigsten chemischen Versuche, die man sehen kann: ein Theil dieser Diastase reicht hin, um das Bersten von wenigstens zwei Tausend Theilen Kartoffelstaͤrkmehl zu veranlassen, und diese Reaction stellt sich in einigen Minuten mit einer Quantitaͤt Wasser ein, welche das Gewicht des Staͤrkmehls nicht vier Mal uͤbersteigt. Wir haben gesehen, daß man die Diastase noch nicht in chemisch reinem Zustande kennt: dasselbe gilt von dem Dextrin; die Verfasser uͤberzeugten sich, daß es immer ein wenig Zuker und eine in der Kaͤlte unaufloͤsliche Substanz enthaͤlt. Hr. Guérin Varry hatte schon aͤhnliche Beobachtungen gemacht und außerdem gefunden, daß die Huͤlsen und der in der Kaͤlte unaufloͤsliche Theil des Dextrins ganz dieselbe Elementarzusammensezung haben, wie der Holzstoff. Bekanntlich wird das Staͤrkmehl durch Jod blau gefaͤrbt, und Hr. Raspail hat schon vor langer Zeit sich uͤberzeugt, daß sein aufloͤslicher Theil diese Eigenschaft nicht besizt. Diese Ansicht wurde sehr bestritten, die Verfasser haben aber bewiesen, daß sie gegruͤndet ist, obgleich sie eine etwas davon abweichende aufstellen: sie fanden, daß sehr reines Dextrin und gut ausgewaschene Huͤlsen durch Jod nicht gefaͤrbt werden, waͤhrend der in der Kaͤlte unaufloͤsliche Stoff eine schwarz-blaue Farbe annimmt. Wir haben also hier zwei Substanzen, die Diastase und das Dextrin, von denen noch keine in so reinem Zustande dargestellt wurde, daß sie als eigenthuͤmlicher Pflanzenstoff betrachtet werden koͤnnte, die aber doch aus verschiedenen Gruͤnden alle Aufmerksamkeit der Chemiker verdienen. Wir laden die Verfasser ein, ihre Versuche uͤber diese beiden Koͤrper fortzusezen, um sie, wenn es anders der gegenwaͤrtige Standpunkt der Chemie erlaubt, in vollkommen reinem Zustande zu erhalten, damit man ihnen ihre Stelle im System anweisen kann. Wenn aber die Diastase und das Dextrin unter dem rein chemischen Gesichtspunkte auch Einiges zu wuͤnschen uͤbrig lassen,Die der franzoͤsischen Akademie, uͤbergebene Abhandlung der HH. Payen und Persoz, worauf sich dieser Bericht von Dumas bezieht, ist nicht im Druk erschienen. Diese Chemiker haben aber ihre Versuche noch fortgesezt, und erst nachdem Hr. Dumas diesen Bericht erstattet hatte, unten folgende Abhandlung in den Annales de Chimie et de Physique bekannt gemacht, welche ihre neuesten Resultate enthaͤlt, die aber mehr fuͤr die theoretische Chemie von Wichtigkeit sind. Wir glaubten dessen ungeachtet den Bericht von Dumas unseren Lesern nicht vorenthalten zu duͤrfen, weil er mehrere Thatsachen mittheilt, welche fuͤr die Industrie von Wichtigkeit und in Deutschland nicht gehoͤrig bekannt sind, weil er ferner sehr klar abgefaßt ist, und die Entdekungen jener beiden Chemiker mehr aus dem technischen Gesichtspunkte behandelt. A. d. R. so bieten sie doch hinsichtlich der technischen Anwendung schon ein großes Interesse dar. Was die Fabrikation des Dextrins, selbst betrifft, so erhaͤlt man diese Substanz leicht nach dem oben beschriebenen Verfahren. Die Fluͤssigkeit liefert beim Abdampfen einen Ruͤkstand, welcher zu einer durchsichtigen Masse erstarrt, die gerade so wie arabisches Gummi aussieht. Das Dextrin hat man in verschiedenen Industriezweigen mit dem festen Erfolg anzuwenden versucht: man bediente sich desselben an Statt arabischen Gummi's zum Verdiken der Beizmittel und Farben in den Kattun- und Tapetendrukereien, zur Verfertigung von Buchdrukerwalzen etc. Man hat es auch bei der Tintenfabrikation versucht, und Hr. Renaudiére, einer unserer geschiktesten Fabrikanten, stellte damit eine sehr gute Tinte dar, die wohlfeiler als unsere gewoͤhnliche ist. Bei weitem die wichtigste Anwendung, welche man bisher von dem Dextrin gemacht hat, ist aber diejenige zur Brodbereitung. Man hat in dieser Hinsicht Versuche mir dem besten Erfolg angestellt und konnte in das Brod 33 und sogar 45 Procent Dextrin bringen, ohne daß es den Consumenten auffiel. Das so bereitete Brod besizt im Gegentheil sehr nuͤzliche Eigenschaften; es ist besser aufgegangen, viel leichter, und haͤlt sich laͤnger frisch. Bei den ersten Versuchen schmekte es ein wenig suͤß, dieser Uebelstand verlor sich aber, als das Dextrin mit groͤßerer Sorgfalt bereitet wurde. Auf den ersten Blik moͤchte es gleichguͤltig scheinen, ob man in das Brod das Staͤrkmehl als solches oder das aus ihm dargestellte Dextrin bringt; die Verfasser fanden aber, daß das Dexrtrinbrod besser ist, und suchten dann diese Thatsache zu erklaͤren. Sie glauben, daß dieß daher ruͤhrt, daß das ekelhafte Oehl, welches sich im Kartoffelbranntwein vorfindet, nicht dem Dextrin, sondern den Huͤlsen des Staͤrkmehls angehoͤrt. Sie fuͤhren zur Bekraͤftigung dieser Ansicht verschiedene Thatsachen an, welche dieß zu erweisen scheinen; wir wollen davon nur folgende ausheben. Es gelang ihnen auf keine Weise, dieses Oehl aus dem Dextrin abzuscheiden, sie erhielten es aber leicht aus den Huͤlfen mittelst Alkohol. Dieß zeigt auch, worin der wirkliche Vortheil besteht, wenn man das Dextrin bei der Bereitung von Kornbranntwein und in der Bierbrauerei anwendet. Bei der Fabrikation des Kornbranntweins verhindert z.B. nur dieses Oehl die Anwendung einfacherer Verfahrungsarten. Bei der Bierbrauerei erhielt man bereits ein vorteilhaftes Resultat, indem man in die Wuͤrze ein Viertel ihres Gewichtes Staͤrkmehlsyrup brachte, der mit gekeimter Gerste bereitet war. Das so bereitete Bier ist feiner, wie sich die Braͤuer auszudruͤken pflegen. Dieses Verfahren wurde ungeachtet der schon ziemlich alten Versuche Dubrunfaut's erst durch die Bemuͤhungen der Verfasser in den Bierbrauereien eingefuͤhrt, und zwar zu einer Zeit, wo ihre taͤglichen Arbeiten ihnen nicht erlaubten, die Versuche zu vervielfaͤltigen. Hoͤchst wahrscheinlich werden aber im naͤchsten Jahre unsere auf sichere Thatsachen gegruͤndeten Hoffnungen sich verwirklichen.