Titel: Ueber die Zeichen, an welchen man sogleich erkennen kann, ob ein Baum reif und schlagbar, oder schon dem Absterben nahe ist. Von Hrn. Baudrillart.
Fundstelle: Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XLVIII., S. 229
Download: XML
XLVIII. Ueber die Zeichen, an welchen man sogleich erkennen kann, ob ein Baum reif und schlagbar, oder schon dem Absterben nahe ist. Von Hrn. Baudrillart. Aus dem Journal des connaissances usuelles. August 1833, S. 78. Ueber die Zeichen, ob ein Baum reif und schlagbar etc. ist. Die Eigenschaften der verschiedenen Holzarten haͤngen großen Theils von dem Alter ab, welches sie bei ihrem Wachsthum erreicht haben. Die Versuche Hartig's haben gezeigt, daß jene Baͤume, welche ihren hoͤchsten Wachsthum erreicht, und noch keine Ruͤkschritte gemacht haben, das beste Brennholz liefern. So verhaͤlt sich z.B. der Werth des Holzes einer 100jaͤhrigen Ulme zu jenem einer 30jaͤhrigen, wie 12 zu 9; jener einer 100jaͤhrigen Esche zu einer 30jaͤhrigen, wie 15 zu 11. Wenn sich das Holz ein Mal zu veraͤndern oder zu verderben am faͤngt, so vermindert sich dessen Werth als Brennholz bedeutend. Wenn z.B. eine 200jaͤhrige Eiche 15 Franken per Klafter gilt, so gilt eine Eiche von gleichem Alter, wenn deren Holz sich bereits zu veraͤndern beginnt, nur mehr 12 Franken. Noch groͤßer ist der Werth eines gesunden und ausgewachsenen Holzes im Vergleiche mit verdorbenen oder jungen, wenn es sich um eine andere Benuzung desselben als zu Brennmaterial handelt. Die gewoͤhnliche Ulme erreicht in einem guten Boden und als Hochholz gezogen, mit 150 Jahren ihren vollen Wachsthum; sie kann uͤbrigens mehrere Jahrhunderte und bis an 600 Jahre alt werden. Man schlaͤgt daher die Ulmen am besten mit 100 bis 130 Jahren, wo sie eine große Menge gutes, besonders zum Schiffbaue taugliches Bauholz liefern. Uebrigens haͤngt dieß sehr von dem Boden ab; denn auf einem schlechten duͤrren Boden ist die Ulme schon mit 50 bis 60 Jahren alt. Jene Ulmen, welche oͤfter ausgehauen werden, leben nicht so lange, und liefern selten gutes Bauholz; fuͤr Wagnerarbeiten und zu verschiedenen anderen Zweken taugt ihr Holz aber selbst dann gut. Die an den Straßen gezogenen oder einzeln stehenden Ulmen haͤlt man mit 60 bis 80 Jahren fuͤr schlagbar. Im Allgemeinen ist der Wachsthum der Holzarten mit hartem Holze, wie z.B. der Eiche und Ulme, in den ersten Jahren gering; es nimmt dann bis zu 20–25 Jahren zu: bleibt hierauf bis zu 60–80 Jahren gleichmaͤßig, und nimmt dann allmaͤhlich wieder ab. Wenn der Wachsthum so abnimmt, daß die Zunahme des lezten Jahres nicht mehr dem mittleren Durchschnitte der Zunahme aller fruͤheren Jahre gleichkommt, so hat der Baum seine Reife und jenen Zeitpunkt erreicht, den die Natur als den zur Faͤllung geeignetsten bezeichnet. Die Reife darf jedoch durchaus nicht mit dem bereits begonnenen Absterben verwechselt werden, bei welchem sich der Tod bereits an mehreren aͤußeren oder inneren Theilen des Baumes zeigt, und bei welchem die Veraͤnderung, die in seinem Holze vorgeht, immer mehr und mehr uͤberhand nimmt. Eine ganz ungegruͤndete und nachtheilige Verordnung ist es aber, wenn es in den franzoͤsischen Forstgesezen heißt, daß Hochholz und einzeln stehende Baͤume erst dann gefaͤllt werden sollen, wenn sie bereits im Absterben begriffen sind. Es ist allerdings weit leichter zu erkennen, ob ein Baum reif oder bereits im Absterben ist; die Zeichen fuͤr lezteres sind zahlreich und auffallend; jene fuͤr die Reife hingegen sind weniger zahlreich und weniger ausgesprochen. Die Forstbeamten, welche die Waͤlder besichtigen, die der Eigenthuͤmer schlagen lassen will, halten sich daher nicht mehr streng nach dem Buchstaben des Gesezes; sondern sie geben die Zustimmung zum Schlagen der Waͤlder, wenn die Baͤume ihren hoͤchsten Wachsthum erreicht haben, worunter sie jenen Zeitpunkt verstehen, wann der Baum nicht mehr zunimmt. Dieß ist offenbar eine Verbesserung in der Anwendung und Auslegung des Gesezes; allein diese Verbesserung genuͤgt noch nicht: denn, damit ein Baum nicht mehr zunehme, muß sich dessen Wachsthum schon mehrere Jahre hindurch von Jahr zu Jahr vermindert haben, so daß der Eigenthuͤmer bereits einen bedeutenden Verlust erlitten haben kann, wenn er diesen Zeitpunkt abgewartet hat. Ich glaube daher, daß das Gesez heut zu Tage so lauten soll, daß Hochholz und einzeln stehende Baͤume nicht eher geschlagen werden duͤrfen, als bis sie reif sind, d.h. bis ihr jaͤhrlicher Wachsthum so abgenommen hat, daß jener des lezten Jahres nicht mehr dem mittleren Durchschnitte des Wachsthumes aller fruͤheren Jahre gleichkommt. Eine Verordnung dieser Art waͤre den Interessen der Holzeigenthuͤmer und einer verstaͤndigen Forstwirthschaft entsprechend; obschon man uͤbrigens gestehen muß, daß die Ausfuͤhrung derselben weit schwieriger ist, als die Befolgung jener, nach welcher der zu faͤllende Baum bereits im Absterben begriffen seyn muß, indem die Bestimmung der Reife durchaus nicht so leicht ist. Das sicherste Mittel um zu erkennen, ob die lezten Holzschichten in Hinsicht auf den Durchmesser keinen so großen Wachsthum zeigen, wie die fruͤheren, besteht darin, daß man einige große Aeste abschlagen laͤßt. Man muß daher wohl zu unterscheiden wissen, welche Zeichen die volle Kraft eines Baumes beurkunden, aus welchen Zeichen man die Reife desselben erkennt, und welche Zeichen das Absterben anzeigen. Diese Zeichen sind nun folgende: 1. Von den Zeichen der vollen Kraft. Die Aeste, besonders jene des Gipfels, sind kraͤftig; die Jahrestriebe sind stark und lang; die Blaͤtter lebhaft gruͤn und dik, besonders am Gipfel, auch fallen sie im Herbste spaͤt ab. Die Rinde ist rein, zart, glatt, und vom Boden bis zu den großen Aesten beinahe von gleicher Farbe. Wenn man im Grunde Adern oder Spruͤnge bemerkt, welche von Unten bis Oben der Abweichung der Fasern folgen, und wenn sich im Grunde dieser Adern eine lebhafte Rinde zeigt, so ist dieß ein Zeichen, daß der Baum zunimmt, und daß er sogar sehr kraͤftig ist. Keine Beachtung verdient es, wenn einige der unteren Aeste, die von den anderen erstikt werden, gelb, krank und selbst abgestorben sind; denn dieß deutet durchaus nicht auf eine Schwaͤche oder Krankheit des Baumes. Als ein Zeichen der Kraft betrachtet man es endlich, wenn man am Gipfel des Baumes einige emporgeschossene und viel groͤßere Aeste bemerkt; uͤbrigens ist zu bemerken, daß alle Baͤume mit runder Krone nicht so lebhaft treiben. 2. Von dem Zeichen der Reife. Die Krone rundet sich gewoͤhnlich zu; die Triebe nehmen jaͤhrlich an Laͤnge ab, und die lezten Jahrestriebe verlaͤngern die Aeste nur um die Laͤnge der Knospen. Der Baum schlaͤgt im Fruͤhjahre fruͤh aus; allein die Blaͤtter werden im Herbste fruͤhzeitig gelb, und dabei wird der Gipfel fruͤher gelb, als die unteren Theile. Die Aeste neigen sich gewoͤhnlich gegen den Boden herab, und bilden dabei Winkel, die manchmal 60 bis 70° betragen. Diese offenbaren Zeichen und die geringe Dike des Splintes deuten an, daß der Baum nur mehr schwache Fortschritte in seinem Wachsthume macht, und daß er den Zeitpunkt erreicht hat, in welchem er gefaͤllt werden muß. Man hat uͤbrigens auch noch auf das Erdreich und auf die Holzart selbst zu sehen, um mit Gewißheit bestimmen zu koͤnnen, ob der Baum noch zunehmen kann, oder ob es am vorteilhaftesten ist ihn zu faͤllen. Es laͤßt sich unmoͤglich fuͤr jede Holzart ein bestimmtes Alter festsezen. 3. Von den Zeichen der Abnahme oder des Absterbens. Die Zeichen des Absterbens eines Baumes sind fast jedes Mal auch mit einer in dem Holze desselben vorgehenden Veraͤnderung verbunden, und daher muͤssen die Baͤume gefaͤllt werden, ehe sie abzusterben beginnen. Wenn sich der Baum kroͤnt, d.h. wenn einige der obersten Aeste absterben, so ist dieß vorzuͤglich bei einzeln stehenden Baͤumen ein unfehlbares Zeichen, daß sich der Kern des Holzes zu veraͤndern beginnt, und daß der Baum abnimmt. Wenn sich die Rinde von dem Holze abloͤst, oder wenn sie sich in gewissen Zwischenraͤumen durch Querspruͤnge trennt, so befindet sich der Baum bereits auf einem hoͤheren Grade von Verschlimmerung. Wenn die Rinde mit Moosen, Flechten, Schwaͤmmen uͤberladen, oder mit schwarzen oder rothen Fleken besezt ist, so darf man schließen, daß die Veraͤnderung im Innern des Holzes nicht viel geringer ist, als jene, die man in der Rinde bemerkt. Wenn durch die Spruͤnge der Rinde Saft auslaͤuft, so ist dieß ein Zeichen des baldigen Todes der Baͤume. Was die Krebsgeschwuͤre und die Furchen betrifft, so koͤnnen dieselben durch ein oͤrtliches Uebel hervorgebracht werden, ohne daß sie deßhalb ein Zeichen des Alters des Baumes sind.