Titel: Ueber die Mittel, wodurch man die Respirationswerkzeuge so vorbereiten kann, daß man den Athem lange an sich zu halten im Stande ist, und über die Anwendung dieser Mittel in gewissen Fällen. Von Hrn. Professor Michael Faraday Esq., D. C. L. F. R. S. etc.
Fundstelle: Band 50, Jahrgang 1833, Nr. LXXXVIII., S. 382
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LXXXVIII. Ueber die Mittel, wodurch man die Respirationswerkzeuge so vorbereiten kann, daß man den Athem lange an sich zu halten im Stande ist, und uͤber die Anwendung dieser Mittel in gewissen Faͤllen. Von Hrn. Professor Michael Faraday Esq., D. C. L. F. R. S. etc. Aus dem London and Edinburgh Philosophical Journal and Journal of Science; auch im Repertory of Patent-Inventions. November 1833. Mittel, die Respirationswerkzeuge so vorzubereiten, um den Athem laͤnger an sich halten zu koͤnnen. Es geschieht nicht, selten, daß sich Leuten, die einigen Beobachtungsgeist besizen, Thatsachen aufdraͤngen, welche ihnen sonder bar, interessant und neu vorkommen, die ihnen aber doch nicht Wichtigkeit genug zu haben scheinen, um oͤffentlich bekannt gemacht zu werden. Ich habe mich von den Nachtheilen dieser Ansicht schon oft uͤberzeugt, und bin der Meinung, daß es weit besser ist, solche neue, oder selbst bekannte, aber in einer neuen Gestalt erscheinende Thatsachen bekannt zu machen, wenn es nur kurz, deutlich, und nicht mit mehr Anmaßung geschieht, als sich mit der Wichtigkeit des Gegenstandes vertraͤgt. Diese meine Ansicht veranlaßt mich nun auch zur Mittheilung folgender Notiz. In einer der wissenschaftlichen Versammlungen, welche bei dem Praͤsidenten der Royal Society, Sr. koͤnigl. Hoheit dem Herzoge von Sussex, gehalten werden, erzaͤhlte mir Sir Graves C. Haughton, als von einem Manne die Sprache war, der mittelst einer eigenen zum Athmen dienenden Vorrichtung unter dem Wasser herumgehen konnte, folgende von ihm beobachtete Methode, nach welcher man den Athem zwei Mal so lange an sich halten kann, als unter gewoͤhnlichen Umstaͤnden. Wenn Jemand tief einathmet, bemerkte mir Sir Graves Haughton, so wird er unmittelbar darauf im Stande seyn, den Athem laͤngere Zeit uͤber anzuhalten, und diese Zeit wird nicht bloß von seinem Gesundheitszustande, und vorzuͤglich von dem Zustande seiner Respirationsorgane, sondern auch davon abhaͤngen, ob er in diesem Augenblike eine Bewegung macht, oder ob er sich ganz ruhig verhalt. Ein Mann, der im Zustande vollkommener Ruhe, auf einem Stuhle sizend oder im Bette liegend, 1, 1 1/2 oder 2 Minuten lang den Athem an sich zu halten im Stande ist, wird, wenn er schnell gegangen ist, das Athmen kaum eine halbe Minute lang unterdruͤken koͤnnen. Wenn sich aber dieselbe Person durch ein tiefes und schnelles Athmen (aͤhnlich dem Athmen nach dem Laufen) vorbereitet, und den Athem dann mit gefuͤllten Lungen anhaͤlt, so wird sie das Athmen zwei Mal so lang und selbst laͤnger unterdruͤken koͤnnen, als sie dieß unter den gewoͤhnlichen Umstaͤnden konnte. Ich habe diese Beobachtung des Sir Graves Haughton an meiner Person wiederholt, und deren Resultate bestaͤtigt gefunden. Waͤhrend ich meine Brust auf die angegebene Weise zum Anhalten des Athems vorbereitete, hatte ich jedes Mal ein Gefuͤhl, welches in geringem Grade jenem Gefuͤhle aͤhnlich war, welches durch das Einathmen einer geringen Quantitaͤt Stikstoffoxydulgas hervorgebracht wird; d.h. ich bemerkte am Ende eine leichte Betaͤubung und Sinnesverwirrung, die jedoch allmaͤhlich verschwand, wenn ich zu athmen aufhoͤrte, und die durchaus keine uͤblen Folgen zuruͤkließ. Ich konnte bei diesem Verfahren den Athem sehr leicht 1 bis 1 1/2 Minuten lang anhalten, und dabei zugleich flink auf und nieder gehen. Ich glaube nun, daß die Bekanntmachung dieses Verfahrens von großem Nuzen werden koͤnnte, indem es viele Faͤlle gibt, in welchen Jemand, der den Athem 1 bis 2 Minuten lang anzuhalten im Stande ist, das Leben eines seiner verungluͤkten Mitmenschen retten kann. Wenn z.B. ein Individuum in dem Gaͤhrungsbehaͤlter einer Brauerei oder in einem Canale oder einer Schwindgrube etc. durch das Einathmen einer schaͤdlichen und erstikenden Luft besinnungslos liegen bleibt, so wird jeder besonnene Mann nach der angegebenen Vorbereitung seiner Brust im Stande seyn, sich an den schaͤdlichen Ort zu begeben, und den Verungluͤkten ohne Gefahr fuͤr sein eigenes Leben aus demselben zu retten. Bei Feuersbruͤnsten, wo in einer oder in zwei Minuten so unendlich viel geleistet werden kann, wird der Unterschied in der Huͤlfe, die Jemand leisten kann, der seine Brust vorbereitet hat, im Vergleiche mit jener, die sich von einem Menschen erwarten laͤßt, der mit einer zur Haͤlfte erschoͤpften Brust in die brennenden Gemaͤcher tritt, und der, wenn er nur etwas von den empyreumatischen Duͤnsten einathmet, schnell zum Ruͤkzuge gezwungen wird, so groß seyn, daß gewiß Jedermann den großen Werth dieser Beobachtung erkennen wird. Eben dieser guͤnstige Erfolg duͤrfte sich auch aus der Benuzung derselben bei der Rettung Ertrunkener ergeben. Ich mußte mich selbst schon einige Male an Orte begeben, an welchen die Luft mit Kohlensaͤure, Schwefelwasserstoffgas und mit den Daͤmpfen, die sich bei der Verbrennung entwikeln, uͤberfuͤllt war, und ich weiß nur zu gut, wie angenehm es mir gewesen waͤre, wenn ich damals dieses einfache Mittel gekannt haͤtte. Da ich hiernach hoffe, daß dasselbe fuͤr Andere von Nuzen seyn duͤrfte, so erlaube ich mir noch ein Paar Vorsichtsmaßregeln beizufuͤgen, welche ich denen, die sich dieses Verfahrens bedienen wollen, empfehle. Man vermeide, wenn man den Athem an sich halten will, alle unnoͤthige Bewegung; denn durch die Bewegung wird die in den Lungen enthaltene Luft schneller ihres Lebensprincipes beraubt, und mit unbrauchbaren Substanzen uͤberladen. Man begebe sich besonnen, gelassen und ruhig an den Ort, an welchem Huͤlfe geleistet werden soll, thue nicht mehr, als noͤthig ist, und lasse alles das, was von jenen, die sich in einer unschaͤdlichen Atmosphaͤre befinden, gleichfalls geschehen kann. Man befolge außerdem auch alle die Vorsichtsmaßregeln, die bei bestimmten Gefahren als nuͤzlich bewahrt worden; d.h. man gehe z.B. an einem Orte, an welchem sich schwere, erstikende Daͤmpfe befinden, mit moͤglichst erhobenem Kopfe; an einem Orte hingegen, an welchem es brennt, halte man den Kopf so niedrig als moͤglich. Wenn ein Strik zur Hand ist, so lasse man diesen um die Person binden, welche Huͤlfe leisten will, damit man dieselbe leichter retten kann, wenn ihr allenfalls ein Unfall zustoßen sollte. Es ist wahrhaftig wunderbar und unglaublich, wie viele Personen durch die Vernachlaͤssigung dieser so einfachen Vorsichtsmaßregel in den Brunnen, Schwindgruben etc. zu Grunde gehen. Man sollte glauben, daß es laͤcherlich ist in solchen Faͤllen zu empfehlen, ja da nicht zu athmen, wo man helfen soll, und doch gehen viele bloß durch Vernachlaͤssigung dieses Rathes zu Grunde. Wenn man der Neigung Athem zu schoͤpfen nur etwas nachgibt, so nimmt die Nothwendigkeit zu athmen zu, und der Helfer geraͤth hiermit selbst in die groͤßte Gefahr. Man leiste dem Drange Widerstand und ziehe sich bei Zeiten zuruͤk. Man leiste nie Huͤlfe, ausgenommen die Lungen sind mit Luft gefuͤllt und nicht leer. Dieser Rath mag sehr laͤcherlich klingen, allein ich muß denselben doch geben, weil ich viele Leute sah, die den Versuch machen wollten, indem sie die Vorbereitung damit endigten, daß sie den Mund und die Nasenloͤcher nach einer Ausmattung verschlossen! Es scheint mir nicht noͤthig in eine Erlaͤuterung der Art und Weise einzugehen, auf welche man durch die angegebene Vorbereitung in Stand gesezt wird, den Athem so bedeutend laͤngere Zeit an sich zu halten. Die ganze Sache beruht naͤmlich nur darauf, daß in den Lungen ein Vorrath des zur Erhaltung des Lebens noͤthigen Principes angelegt wird. Diejenigen, welche den Zustand der Luft in den Lungen waͤhrend des gewoͤhnlichen Athmungsprocesses und den Unterschied derselben von der atmosphaͤrischen Luft nicht kennen, moͤgen denselben aus folgendem Versuche abnehmen. Man fuͤlle ein Quartglas uͤber dem pneumatischen Apparate mit Wasser, und treibe dann durch eine Roͤhre die beim Ausnehmen ausgestoßene Luft in dieses Glas; dann tauche man ein angezuͤndetes Kerzchen in diese Luft, und man wird finden, daß dasselbe augenbliklich ausloͤscht. Eine sehr sonderbare, auf das Anhalten des Athems bezuͤgliche Beobachtung, welche, so viel ich weiß, noch nirgendwo bekannt gemacht wurde, machte Hr. Brunel der juͤngere. Er stieg naͤmlich nach dem Einbruche des Wassers in den Tunnel bei Rotherhithe mit einem Begleiter in einer Tauchergloke hinab, um die Durchbruchstelle zu untersuchen. Die Gloke erreichte in einer Tiefe von 30 Fuß den Boden, und befand sich uͤber dem Durchbruchloche, in welches sie aber wegen der Kleinheit dieses Loches nicht hinabgelangen konnte. Hr. Brunel band sich daher ein Seil um den leib, und ließ sich, nachdem er tief eingeathmet hatte, aus der Gloke hinab, um mit den Fuͤßen das Gemaͤuer zu erreichen, und weiteren Aufschluß uͤber den Durchbruch zu erhalten. Er blieb hierbei so lange ohne ein Zeichen zu geben unter dem Wasser, daß ihn sein Gefaͤhrte, der dadurch beaͤngstigt wurde, fruͤher heraufzog, als er es wuͤnschte und bedurfte. Bei Wiederholung des Versuches zeigte sich's, daß Beide, nachdem sie unter der Tauchergloke tief eingeathmet hatten, zwei Mal so lange unter dem Wasser bleiben konnten, als sie dieß unter gewoͤhnlichen Umstaͤnden zu thun im Stande waren. Man erklaͤrte dieß dadurch, daß die Luft bei der Tiefe von 30 Fuß einen doppelt so großen Druk hatte, und daß die Lungen daher zwei Mal so viel Luft fassen konnten, als unter gewoͤhnlichen Verhaͤltnissen. Es ist jedoch offenbar, daß zugleich auch noch andere guͤnstige Umstaͤnde obgewaltet haben muͤssen, und daß die Luft in den Lungen auch von besserer Qualitaͤt und dichter und besser war, als sie an der Oberflaͤche des Wassers gewesen seyn mochte. Denn gesezt die durch das Athemholen bewirkte Verschlechterung bleibe in gleicher Zeit eine und dieselbe, so erhellt offenbar, daß bei jedem Einathmen zwei Mal so viel reine Luft in die Lungen eintrat, als unter den gewoͤhnlichen Umstaͤnden eingetreten seyn wuͤrde. Die verdorbene Luft mußte daher schneller entfernt worden seyn, und folglich mußte die zu jeder Zeit in den Lungen enthaltene Luft an Guͤte zugenommen haben. Rechnet man hierzu noch die Wirkung der doppelten Quantitaͤt, so erklaͤrt sich hieraus die Zunahme der Faͤhigkeit, den Athem an sich zu halten. Wuͤrde unter diesen Umstaͤnden zugleich auch noch die in dieser Notiz mitgetheilte Vorbereitung der Lungen in Anwendung gebracht worden seyn, so haͤtte man den Athem wahrscheinlich noch viel laͤnger anhalten koͤnnen.