Titel: Ueber die Vorsichtsmaßregeln, welche die Behörden zu befolgen haben, damit die Arbeiter beim Reinigen von Brunnen, Cisternen, Ausgüssen, Schwindgruben, beim Graben von Brunnen etc. nicht verunglüken. Von Hrn A. Chevallier, Mitglied der konigl. Akademie der Medicin und Sanitätsrath.
Fundstelle: Band 51, Jahrgang 1834, Nr. LXXI., S. 294
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LXXI. Ueber die Vorsichtsmaßregeln, welche die Behoͤrden zu befolgen haben, damit die Arbeiter beim Reinigen von Brunnen, Cisternen, Ausguͤssen, Schwindgruben, beim Graben von Brunnen etc. nicht verungluͤken. Von Hrn A. Chevallier, Mitglied der konigl. Akademie der Medicin und Sanitaͤtsrath.Gegenwaͤrtiger Aufsaz des Hrn. Chevallier enthaͤlt zwar weitere neue Beobachtungen, noch auch neue Rathschlage, allein in Faͤllen, wo das Alte und Bekannte zum Nachtheile Aller und zum Verderben Einzelner gerade von denjenigen ganz vergessen oder gar nicht gekannt zu seyn scheint, in deren Beruf und Pflicht es liegt dem Uebel zu steuern, scheint es uns Pflicht das Alte wieder ins Gedaͤchtniß zu bringen. Wir legen daher jenen Behoͤrden, die mit der Aufrechthaltung der Sanitaͤtspolizei beauftragt sind, dringend ans Herz, den Aufsaz des Hrn. Chevallier aufmerksam zu studiren, damit sie wenigstens so viel daraus lernen, daß man da, wo man selbst nichts weiß, wenigstens doch Sachverstaͤndige zu Rathe ziehen und nicht glauben soll: Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. A. d. R. Aus dem Journal de connaissances usuelles. December 1833, S. 34. Vorsichtsmaßregeln beim Reinigen von Brunnen etc. Die Mittheilung, die uns einer unserer Correspondenten, Hr. Bar, uͤber einen Ungluͤksfall machte, der sich kuͤrzlich zu Clene-Ba bei Valancy beim Reinigen eines Brunnens ereignete, und die an uns gerichtete Anfrage, was in dergleichen Faͤllen zu thun sey, veranlaßt uns zur Bekanntmachung des nachfolgenden Aufsazes, der, wie wir hoffen, doch Einiges zur kuͤnftigen Verhuͤtung aͤhnlicher Unfaͤlle beitragen duͤrfte. Das traurige Ereigniß, welches am oben angefuͤhrten Orte vorfiel, ist folgendes. Es versiegte einer der Brunnen der Gemeinde, und da sich diese Unannehmlichkeit auch nach dem erstmaligen Ausgraben und Raͤumen wiederholte, so nahm man die Arbeit neuerdings auf. Man arbeitete zwei Tage lang, kam aber nicht weit vorwaͤrts, weil man auf sehr festes Gestein getroffen war. Man wollte nun eine Mine springen lassen, wurde aber daran verhindert, weil das aus den Spalten des Felsens herausdringende Wasser das Pulver und die Wike benezte. Man kam daher auf die Idee brennendes Stroh und gluͤhende Kohlen in den Brunnen zu werfen, um das Wasser dadurch zu verdampfen und das Pulver zu entzuͤnden; allein auch dieß mißlang, und man ließ daher Alles in diesem Zustande. Der erste Arbeiter, der nun den naͤchsten Morgen darauf in den Brunnen hinabstieg, beklagte sich uͤber den uͤblen Geruch in demselben; man trug ihm an wieder heraufzusteigen, er wollte aber durchaus arbeiten, und fuͤllte selbst einen Kuͤbel mit Wasser und Unreinigkeiten. Nachdem dieser Kuͤbel herauf gefoͤrdert, versuchte der Arbeiter, wahrscheinlich weil er sich unwohl fuͤhlte, gleichfalls heraufzusteigen; er war jedoch kaum bis auf die vierzigste Stufe gekommen, als er herabstuͤrzte und sich die Hirnschale zerschellte. Vier Tage spaͤter bot sich ein anderer Arbeiter an, der den Brunnen bloß reinigen wollte; auch dieser beklagte sich uͤber den uͤblen Geruch; er arbeitete aber doch 3/4 Stunden, worauf er sich neuerdings uͤber den Geruch beklagte. Man rieth ihm heraufzusteigen; allein man vernahm nichts weiter von ihm, und da sich Niemand fand, der es gewagt haͤtte, zu dessen Beistand und Rettung in den Brunnen hinabzusteigen, so schikte man einen reitenden Noten an die Behoͤrde zu Valençay, welches eine halbe Stunde entfernt war. Die Behoͤrde fand endlich nach langer Zeit Mittel; nach 5 Stunden wurde der ungluͤkliche Arbeiter aus dem Brunnen herausgezogen, allein in entseeltem Zustande! Dergleichen Unfaͤlle sind schon unzaͤhlige vorgefallen, und noch immer, und aller Warnungen und Nachschlage ungeachtet, liest man deren haͤufig in den Tagesblaͤttern erzaͤhlt. Wir halten es daher fuͤr dringend noͤthig, dieselben neuerdings zu wiederholen, und sie besonders unseren Polizei- und sonstigen Verwaltungsbehoͤrden ans Herz zu legen. §. 1. Von der Luft und den Veraͤnderungen, die sie erleidet. Die Luft besizt, wie alle uͤbrigen gasartigen Fluͤssigkeiten, eine aufloͤsende Eigenschaft, welche sie besonders durch Vermittelung des Waͤrmestoffes ausuͤbt, weil sie die aufgeloͤsten Koͤrper bei einer Verminderung der Temperatur zum Theil wieder fallen laͤßt. Sie kann daher von den schaͤdlichen Substanzen, auf denen sie verweilt, eine mehr oder minder große Menge von Theilchen aufnehmen. Eine zweite Quelle des Mephitismus oder der Verderbniß der Luft beruht auf der chemischen Verwandtschaft jenes Theiles der atmosphaͤrischen Luft, der zur Unterhaltung der Verbrennung und der Respiration geeignet ist, d.h. des Sauerstoffes, mit einigen saͤurefaͤhigen Substanzen, z.B. dem Kohlenstoffe. Eine dritte, sehr reichhaltige Quelle ist die Zersezung, welche die organischen Koͤrper erleiden; und endlich nimmt selbst die reinste atmosphaͤrische Luft, wenn sie laͤngere Zeit an einem und demselben Orte eingeschlossen bleibt oder stagnirt, schaͤdliche Eigenschaften an, die sich nicht selten schon durch Betaͤubung und wirklichen Tod derjenigen, die sich unvorsichtig an solche Orte verfuͤgten, kundgaben. Bei einer aufmerksamen Beobachtung der Erscheinungen, welche sich an jenen, die in solcher verdorbener Luft verungluͤkten, wahrnehmen lassen, ergibt sich, daß das Nervensystem zuerst davon ergriffen wird, und daß dann hierdurch die Thaͤtigkeit einer oder mehrerer Verrichtungen des Koͤrpers aufgehoben wird; so z.B. das Athmen, wodurch die sogenannte Asphyxie (eine tiefe Ohnmacht) erzeugt wird; der Herzschlag, dessen Aufhoͤren eine Syncope (Ohnmacht) veranlaßt; die Gehirnthaͤtigkeit, durch deren Stillstand eine Apoplexie (Schlagfluß) entsteht. Kehrt nach einem solchen Anfalle die Sensibilitaͤt wieder zuruͤk, so zeigen sich gewoͤhnlich Convulsionen, heftiges Kopfweh, und nicht selten bleibt ein oder der andere Theil des Koͤrpers, vorzuͤglich die unteren Extremitaͤten oder die Geschlechtsorgane gelaͤhmt. Alles dieß ist ein deutlicher Beweis, daß der Mephitismus der Luft zuerst auf das Nervensystem und vorzuͤglich auf das Ruͤkenmark wirkt, ein Umstand, der in Hinsicht auf die Behandlung der Verungluͤkten von hoͤchster Wichtigkeit ist. Es gibt wohl auch Falle, in welchen der Scheintod nur Folge des Mangels des Athmens zu seyn scheint, wo man den Kranken dann leicht zu sich bringen kann; allein selbst in diesem Falle ist die Nerventhaͤtigkeit unterbrochen, und nur durch Wiederbelebung derselben laͤßt sich die aufgehobene Verrichtung wieder herstellen. §. 2. Von den Gasen, welche die Ungluͤksfaͤlle erzeugen. Die vorzuͤglichsten Gasarten, welche die Ungluͤksfaͤlle, mit denen wir uns hier beschaͤftigen, erzeugen, sind folgende: 1. Das Stikgas, welches man in der Atmosphaͤre faulender Koͤrper und in dem Dampfe der Abtritte findet, wo es in Frankreich unter dem Namen plomb bekannt ist. Nicht selten erzeugt sich dieses Gas auch in Bergwerken oder in Brunnen oder Schachten, in welchen mit Schießpulver gesprengt wird. Der Vorgang hierbei ist gewoͤhnlich folgender. Wenn das Sprengloch geladen ist, so brennt man die zur Entzuͤndung der Ladung bestimmte Lunte an. Dabei geschieht jedoch die Verbrennung nicht immer schnell und ploͤzlich, sondern der Feuchtigkeit wegen erfolgt sie langsam, und die Folge dieser langsamen Verbrennung ist, daß der zum Athemholen und zur Verbrennung noͤthige Bestandtheil der Luft nach und nach aufgesaugt wird, und daß also nur mehr ein Gemenge zuruͤkbleibt, welches aus dem zum Athmen untauglichen Theile der Luft, dem Stikgase, und aus einem anderen eben so untauglichen Gase, der Kohlensaͤure, besteht. 2. Das kohlensaure Gas, welches sich in den Brauereien, in den Kellern aus den Gaͤhrungsbottichen, und aus den mit jungem Weine gefuͤllten Faͤssern entwikelt, und welches man in gewissen Mineralwaͤssern, in vielen Brunnen und Hoͤhlen, und auch um die Kalkoͤfen herum in großer Menge antrifft. 3. Das Ammoniakgas, welches sich aus den Schwindgruben entwikelt, und eine Art von Augenentzuͤndung erzeugt, die unter den franzoͤsischen Abtrittfegern unter dem Namen Mite bekannt ist. 4. Das gekohlte Wasserstoffgas, welches die sogenannten Irrwische oder Irrlichter oder das wilde Feuer bildet, und sich aus dem Schlamme der Suͤmpfe und aller stehenden Gewaͤsser entwikelt. 5. Das Schwefelwasserstoffgas, welches in mehreren Mineralquellen enthalten ist und sich in den Steinkohlengruben, in den Schwindgruben, und an allen Orten, an welchen thierische Koͤrper verwesen, erzeugt. 6. Das arsenikhaltige Wasserstoffgas, welches sich in den Zinn-, Silber- und allen Bergwerken erzeugen kann, in welchem diese Metalle mit Arsenik vererzt sind. §. 3. Von den Brunnen. Aus vielen Brunnen, besonders aber aus jenen in den Hauptstaͤdten, entwikeln sich Gasarten, welche weder zur Unterhaltung der Verbrennung, noch zur Unterhaltung des Lebens geeignet sind. Wenn sich die Brunnen, was leider nur zu oft der Fall ist, in der Nahe von Suͤmpfen, von Pfuͤzen mit stehendem Wasser, von Ausguͤssen, Duͤngerhaufen, mit einem Worte in der Nahe von Orten befinden, an welchen eine groͤßere Menge verwesender vegetabilischer oder thierischer Stoffe angehaͤuft ist, so koͤnnen diese Stoffe von dem Wasser aufgeloͤst und fortgefuͤhrt werden, und auf diese Weise in die Brunnen gelangen, wo sie dann in Gaͤhrung uͤbergehen und zur Entwikelung schaͤdlicher Gasarten Anlaß geben, so daß die Brunnenraͤumer verungluͤken muͤßten, wenn sie ohne gehoͤrige Vorsichtsmaßregeln in dergleichen Brunnen hinabsteigen wuͤrden. Wir selbst trafen in Paris und in den benachbarten Gemeinden Brunnen, welche durch das aus den Abtritten, Branntweinbrennereien, Fleischereien etc. abfließende Wasser verunreinigt waren, und eben so Brunnen, die mit keiner aͤhnlichen Substanz verunreinigt waren, und die dennoch Stikgas und kohlensaures Gas entweichen ließen. Bei dem Zweke der Brunnen, d.h. bei dem taͤglichen Gebrauche des in ihnen enthaltenen Wassers, ist es daher von groͤßter Wichtigkeit, daß die Behoͤrden darauf sehen, daß die Brunnen an keinem Orte angelegt werden, an welchen das Wasser derselben durch die Infiltration schaͤdlicher Substanzen verdorben werden kann. Um allen den Unfaͤllen, in welche ein Arbeiter beim Reinigen eines Brunnens gerathen kann, vorzubeugen, hat man Folgendes zu beobachten. Man muß sich zuvoͤrderst von der Beschaffenheit der in ihm enthaltenen Luft versichern, und sich uͤberzeugen, daß dieselbe zur Unterhaltung der Verbrennung und des Athemholens geeignet ist. Man laͤßt zu diesem Behufe gewoͤhnlich ein brennendes Licht bis an die Oberflaͤche des Wassers hinab; loͤscht dieses nicht aus, so haͤlt man dieß fuͤr einen Beweis, daß der Arbeiter ohne Scheu an seine Arbeit gehen kann. Diese Probe ist zwar im Allgemeinen gut, allein doch nicht unfehlbar; denn schon in mehreren Faͤllen war die Luft in den Brunnen im Stande, die Verbrennung zu unterhalten, und doch war sie zum Athemholen untauglich. Das sicherste Mittel ist, ein lebendes Thier in den Brunnen hinabzulassen; lebt dieses in der Tiefe fort, so kann der Arbeiter ohne alle Furcht gleichfalls hinabsteigen. Allein selbst wenn das Licht im Brunnen nicht ausloͤscht, und selbst wenn ein hinabgelassenes Thier in der Tiefe ungestoͤrt, wie in freier Luft fortlebt, soll man noch folgende Vorsicht gebrauchen: 1) soll man den Arbeiter mit Riemen versehen, welche um dessen Mitte und unter den Achseln durchgehen, und an deren oberem Theile ein Ring angebracht ist, durch welchen man ein Seil gehen laͤßt, damit man ihn, im Falle ihn ein Unwohlseyn uͤberrascht, sogleich an die freie Luft Heraufziehen und die gehoͤrige Huͤlfe leisten kann. Dieses Riemenwerk wird die Arbeiter zwar anfangs etwas geniren, doch werden sie sich leicht daran gewoͤhnen. Beim Raͤumen der Kloaken von St. Martin wurden mehrere Arbeiter von Scheintod befallen; wir waren jedoch in Folge dieser einfachen Vorsichtsmaßregel jedes Mal im Stande, sie schnell zu retten, wie heftig auch die Zufalle waren. Ja, diese Maßregel ist um so nothwendiger, als ein Brunnen oder ein Schacht, in welchem sich durchaus keine Gefahr kund gibt, ploͤzlich mit schlechter Luft erfuͤllt werden kann, wenn der Arbeiter zufaͤllig Hoͤhlen oͤffnet, in denen sich die schaͤdlichen Gase angesammelt hatten, oder wenn sich in Folge des Aufruͤhrens des Schlammes in den Brunnen eine groͤßere Menge solcher Gase aus demselben entwikeln. So kamen z.B. in den Jahren 1810 und 1811 in den Steinkohlenwerken zu Anzin Arbeiter in einem Gase um, in welchem das Licht nicht verloͤschte, und welches wahrscheinlich aus einem Gemenge von atmosphaͤrischer Luft und Schwefelwasserstoffgas bestand. 2) soll sich oben uͤber dem Brunnen immer ein zweiter Arbeiter befinden, der lediglich dazu bestimmt ist, dem im Brunnen beschaͤftigten Arbeiter Huͤlfe zu leisten, wenn dieser durch ein Zeichen zu erkennen gibt, daß er ihrer bedarf. 3) endlich soll man laͤngs der Mauer des Brunnens Lampen anbringen, aus deren dunklerer Flamme oder aus deren Erloͤschen man sogleich erkennt, daß das Gas, welches sich entwikelt, zum Athemholen nicht geeignet ist, und daß sich der Arbeiter also zuruͤkziehen muß. §. 4. Von den Mitteln die schaͤdlichen Gasarten zu erkennen. Wenn das Licht, welches man in den Brunnen hinabgelassen, nur schwach brennt, oder ganz verlischt, so muß man sich, um die Natur der darin befindlichen Luft ermitteln zu koͤnnen, etwas von dieser Luft verschaffen. Man bedient sich zu diesem Behufe eines kleinen Eimers aus Eisenblech, welcher von drei eisernen Armen getragen wird, die durch ein Stuͤk Holz, durch welches sie gehen, zusammengehalten werden. Dieses Stuͤk Holz muß in seiner Mitte ein Loch haben, durch welches eine Eisenstange geht, deren Laͤnge je nach der Tiefe des Brunnens verschieden ist, die sich in dem Holze reibt, und die sich in eine Art eines umgestuͤrzten Gehaͤuses endigt. Dieses Gehaͤuse befestigt man dann an einer Flasche, die mit dem Halse nach Abwaͤrts gekehrt ist. Will man nun mit diesem Apparate Gas aus dem Brunnen heraufschaffen, so fuͤllt man den kleinen Eimer 3 bis 4 Zoll hoch mit Wasser oder Queksilber. Wir wendeten hierzu auch eine gesaͤttigte Aufloͤsung von schwefelsaurer Bittererde an, indem diese nichts von dem Gase aufnimmt, wie dieß das gewoͤhnliche Wasser thut, und indem dieselbe in den meisten Faͤllen leichter zu haben ist, als eine hinreichende Menge Queksilber. Mit derselben Fluͤssigkeit fuͤllt man dann auch die Flasche, und wenn dieß geschehen, so taucht man deren Hals in den Eimer unter. Den auf diese Weise zugerichteten Apparat laͤßt man hierauf so tief in den Brunnen hinab, als man will, und ist er daselbst angelangt, so zieht man den Eisenstab, der durch die Mitte des Holzes geht, gegen sich an, und hebt dadurch die Flasche so empor, daß sich deren Muͤndung uͤber der in dem Eimer enthaltenen Fluͤssigkeit befindet. In diesem Zustande fließt nun die in der Flasche enthaltene Fluͤssigkeit aus, und statt ihr dringt die Luft, in der sich die Flasche befindet, in dieselbe. Ist die Flasche auf diese Weise gefuͤllt, so schiebt man den Eisenstab wieder zuruͤk, damit der Hals der Flasche wieder in die Fluͤssigkeit untergetaucht wird; dann zieht man den Apparat sogleich zuruͤk, und verschließt die Flasche, um das Gas zur Untersuchung aufzubewahren. Das Verfahren, welches man zu befolgen hat, um zu erkennen, welche von den oben verzeichneten Gasarten vorhanden ist, ist folgendes. Das Stikgas ist, wenn es rein ist, farb- und geruchlos; mit Wasser geschuͤttelt verliert es nicht an Umfang, und Kalkwasser wird von ihm nicht getruͤbt. Brennende Koͤrper loͤschen darin aus, ohne daß es sich selbst hierbei entzuͤndet. Erzeugt es, wenn man es mit Kalkwasser schuͤttelt, eine Truͤbung, so ist dieß ein Beweis, daß es mit kohlensaurem Gase vermengt ist; sezt man dieses Schuͤtteln jedoch einige Zeit uͤber fort, so wird alle Kohlensaͤure absorbirt, das Gas nimmt an Umfang ab, und der Ruͤkstand verhalt sich dann auf die eben angegebene Weise. Die Kohlensaͤure ist sehr leicht zu erkennen; sie loͤst sich naͤmlich in einem gleichen Volumen Wasser auf; wird durch Schuͤtteln mit Kalkwasser absorbirt, und macht dasselbe dabei milchig. Brennende Koͤrper loͤschen darin aus; es laͤßt sich selbst nicht entzuͤnden, und hat einen schwachen, aber stechenden Geruch. Das Ammoͤniakgas gibt sich leicht durch seinen stechenden Geruch und durch das Beißen in den Aͤugen, welches es erzeugt, zu erkennen. Es loͤst sich leicht in Wasser auf, und theilt demselben seinen Geruch mit; das sogenannte fluͤchtige Alkali ist nichts weiter, als ein mit diesem Gase gesaͤttigtes Wasser. Das Schwefelwasserstoffgas erkennt man sehr leicht an seinem Geruche nach faulen Eiern. Es loͤst sich leicht in Wasser auf, und theilt demselben seinen uͤblen Geruch mit, wie man dieß am besten an den Schwefelquellen, die eine große Quantitaͤt davon enthalten, sieht. Brennende Koͤrper loͤschen in diesem Gase aus; es entzuͤndet sich aber selbst, wenn man der Muͤndung des Gefaͤßes, aus welchem es entweicht, ein brennendes Hoͤlzchen naͤhert. Das gekohlte Wasserstoffgas gibt sich durch seinen Geruch zu erkennen. Es ist in Wasser unaufloͤslich; brennende Koͤrper verloͤschen darin; es brennt aber selbst, und entzuͤndet sich in Beruͤhrung mit der Luft beim Annaͤhern eines brennenden Koͤrpers mit einer schwachen Detonation, wie man dieß beim Anzuͤnden der gewoͤhnlichen Gaslampen bemerkt. Diese Detonation wird aͤußerst lebhaft, wenn man das Gas mit einer gewissen Menge atmosphaͤrischer Luft vermengt, und dann entzuͤndet. Auf diese Weise entstehen die Explosionen in den Steinkohlenbergwerken, die oft so großes Unheil anrichten. Die Untersuchung dieses Gases ist also nicht ganz gefahrlos, da nicht leicht ein Gefaͤß der Explosion zu widerstehen vermag; man soll daher, wenn man die Gegenwart desselben vermuthet, die Gefaͤße, in welchen man die Untersuchung vornimmt, jedes Mal mit einem mehrfach zusammengelegten starken Lappen umwikeln. §. 5. Von den Mitteln zur Neutralisation dieser schaͤdlichen Gasarten oder ihrer Wirkungen. Hat man die Natur des schaͤdlichen Gases nach der eben angegebenen Methode erkannt, so handelt es sich um die Anwendung jener Mittel, durch welche ihre Natur veraͤndert und ihre schaͤdlichen Wirkungen entfernt werden koͤnnen. Von der Kohlensaͤure. Ist die Luft eines Brunnens mit Kohlensaͤure verdorben, so ruͤhrt man ungeloͤschten Kalk mit Wasser zu Kalkmilch an, besprengt damit die unteren Theile der Waͤnde des Brunnens, und schleudert selbst auf den Boden des Brunnens mit Gewalt eine Portion davon. Nach einiger Zeit untersucht man dann mit einer Lampe, ob die Luft im Brunnen zur Unterhaltung der Verbrennung tauglich ist, und ist dieß der Fall, so laͤßt man den Arbeiter in den Brunnen hinabsteigen. Von dem Stikgase. Gegen diese Gasart laͤßt sich nur durch gehoͤrige Ventilation, die man durch Feuer, durch eine Puzmuͤhle oder durch einen Ventilator hervorbringt, wirken, indem man auf diese Weise die am Grunde des Brunnens befindliche schlechte Luft aus der Stelle zu treiben, und durch frische Luft zu ersezen sucht. Der selige Cadet de Veau, dem die Menschheit so viel verdankt, schlug dieses Mittel im Jahre 1784 vor, und legte auf dem Hôtel-de-Ville einen sehr einfachen Apparat vor, dessen sich die Brunnenraͤumer zu Paris bedienen sollten.Einen aͤußerst einfachen und sehr zwekmaͤßigen Ventilirapparat gab neuerlich der Brunnengraͤber Pottiar zu Paris an. Wir haben denselben im Polytechnischen Journal Bd. XLIX. S. 132 beschrieben und abgebildet. A. d. R. Von dem Schwefelwasserstoffgase. Enthaͤlt der Brunnen Schwefelwasserstoffgas oder gekohltes Wasserstoffgas, so ruͤhrt man 4 bis 5 Pfd. trokenen Chlorkalk mit 20 Pfd. Wasser an, besprizt damit die Waͤnde des Brunnens in einer Hoͤhe von 1 oder 2 Fuß uͤber der Wasserflaͤche, und wartet hierauf einen Tag, bevor man den Arbeiter in den Brunnen hinabsteigen laͤßt. Noch besser und sicherer ist aber auch hier die Anwendung eines Ventilators, weil der Arbeiter auf diese Weise immer frische Luft von Außen erhaͤlt. Sehr gut dient hierzu auch der Krumm- oder Aermelofen des Hrn. Cadet de Veau; nur muß hier das Feuer in dem Ofen immer gehoͤrig unterhalten werden, weil sonst mit dem Erloͤschen des Feuers auch die Ventilation zu Ende waͤre. Ein lebhaftes mit Holz unterhaltenes Feuer taugt zu diesem Behufe besser, als ein Kohlenfeuer. §. 6. Von den aufgelassenen Brunnen, Schachten und Bergwerken etc. Nie soll man nach Gewittern in alte Brunnen, Keller und unterirdische Gewoͤlbe hinabsteigen; denn man hat bemerkt, daß die Luft an diesen Orten hauptsaͤchlich nach Gewittern sehr verdorben ist, weil der durch eine große Menge Wassers verduͤnnte Koth und Unrath dann leichter in das Innere der Erde eindringt, und sich uͤberall ansammelt, wo er leere Raͤume trifft. Uebrigens ist es auch bekannt, daß die Pfuͤzen und Kloaken nie einen uͤbleren Geruch verbreiten, als zur Zeit von Gewittern. Die allergefaͤhrlichsten Schachte oder Brunnen sind jene, in welchen sich Salzwasser befindet, wenn dasselbe lange Zeit uͤber nicht wehr ausgeschoͤpft worden. Es entwikelt sich naͤmlich aus demselben ein so erstikendes und so fuͤrchterlich stinkendes Gas, daß es Jeden, der hinabzusteigen wagt, beinahe augenbliklich toͤdtet. Auch wenn ein Gemenge von suͤßem und gesalzenem Wasser laͤngere Zeit ruhig stehen bleibt, entwikeln sich Daͤmpfe von unertraͤglichem Gestanke, welche großen Theils aus Schwefelwasserstoffgas bestehen.Die an manchen Seekuͤsten herrschende hoͤchst ungesunde Luft, die beruͤchtigte Malaria der Romagna, ist gleichfalls das Resultat der Vermischung von salzigem Wasser mit suͤßem Wasser an Orten, an welchen das Gemisch mehr oder weniger still steht. Die aus dieser Vermischung entstehende Zersezung und Faͤulniß des Wassers ruͤhrt hauptsaͤchlich davon her, daß eine große Menge thierischer und vegetabilischer Substanzen absterben, wenn sie aus suͤßem. Wasser in salziges Wasser kommen und umgekehrt. A. d. Red. So ist dieß z.B. in dem Kielraume oder in dem Schiffsgrunde der Fall, wo sich Seewasser und verschiedene Unreinigkeiten ansammeln, die durch die Waͤrme schnell in Verwesung uͤbergehen. Soll sich nun ein Arbeiter an solche verdaͤchtige Orte begeben, so hat man dieselben Vorsichtsmaßregeln, die eben angegeben wurden, zu beobachten. Zur Verhuͤtung der Explosionen, welche das Kohlenwasserstoffgas in den Bergwerken, und besonders in den Steinkohlenbergwerken nur zu haͤufig veranlaßt, soll man sich der bekannten Davy'schen Sicherheitslampen bedienen. Da sich das verderbliche Gas uͤbrigens oft ploͤzlich entwikeln und ansammeln kann, so soll man die Arbeiter, wenn einen oder mehrere Tage lang in der Grube gefeiert worden, nie in dieselbe hinabsteigen lassen, ausgenommen man schikt einen derselben, mit nassen Kleidern angethan, und mit einer langen Stange, an deren Ende sich ein brennendes Licht befindet, voraus, und zwar mit dem Auftrage, langsam und auf dem Bauche liegend vorwaͤrts zu kriechen. Ist ein explodirendes Gas vorhanden, so wird dasselbe eine lebhafte Detonation verursachen, nach welcher die Luft so gereinigt ist, daß man sich ohne Gefahr in die Grube begeben kann. Am sichersten laͤßt sich jedoch allen diesen Unfaͤllen vorbeugen, wenn man zur Erneuerung der Luft in gehoͤrigen Entfernungen von einander Schachte anbringt. §. 7. Von den Schwindgruben, Cisternen und Kloaken. Das Raͤumen der Schwindgruben und der Cisternen soll auf dieselbe Weise geschehen. Man kann zuerst die Beschaffenheit der Luft an diesen Orten untersuchen, und soll die Arbeiter erst dann an denselben arbeiten lassen, wenn man die gehoͤrigen Vorsichtsmaßregeln getroffen hat. Was das Raͤumen der Kloaken betrifft, so soll man auf folgende Weise dabei verfahren. 1) Soll man sich einen Plan der Kloake mit ihren Verzweigungen und mit Angabe der Raͤumstuben verschaffen. 2) Wenn der Zwischenraum von einer Raumstube zur anderen 150 bis 200 Meter betraͤgt, so soll man das Gewoͤlbe der Kloake in der Mitte zwischen beiden durchbrechen, und eine Oeffnung bilden, welche sowohl zur Ventilation, als zur Herausschaffung des Unrathes dient. 3) Soll man die Beschaffenheit des Kothes, der sich in der zu raͤumenden Kloake befindet, des Wassers, welches darin laͤuft, und der Gase, die sich aus diesen Dingen entwikeln oder entwikeln koͤnnen, untersuchen. 4) Wenn die Analyse der aus der Kloake genommenen Luft, entweder vor oder nach der Entfernung des Unrathes, diese Luft als mephitisch erweist, so soll man nur mit groͤßter Vorsicht in die Kloake eindringen, und sich mit allen Apparaten versehen, die die Gase entweder neutralisiren, oder deren Eindringen in die Respirationswerkzeuge verhindern koͤnnen. Diese Apparate bestehen in Masken oder Helmen, in denen sich Schwaͤmme mit Kalkmilch getraͤnkt, oder auch Roͤhren befinden, die mit der aͤußeren atmosphaͤrischen Luft in Verbindung stehen. Diese lezteren muͤssen vorzuͤglich dann angewendet werden, wenn die Luft in der Kloake keinen Sauerstoff enthaͤlt; denn wenn man auch die nachtheiligen Einwirkungen der Kohlensaͤure und des Schwefelwasserstoffes durch Kalk oder Chlorkalk verhindern kann, so ist dieß doch bei dem Stikgase, und bei einer Luft, welcher die zur Unterhaltung des Athmens noͤthige Menge Sauerstoffgas fehlt, nicht der Fall: denn die Anwendung von Kalk oder Chlor wuͤrde hier nichts nuͤzen. 5) Wenn die Luft verdorben ist, so muß sie gereinigt werden, indem man seine Zuflucht zum Feuer oder zu einer anderen Art von Ventilation nimmt. Man laͤßt zu diesem Behufe einen an einem Seile befestigten Arbeiter in die erste Raͤumstube der Kloake Hinabsteigen, und laͤßt von diesem mittelst eines mit Oehl getraͤnkten Zeuges von gehoͤriger Groͤße eine Scheidewand anbringen, indem er diesen Zeug so an das Gemaͤuer der Kloake annagelt, daß dadurch aller Zutritt der Luft gehindert ist. Diese Scheidewand muß beilaͤufig 1 1/2 Fuß weit von der Oeffnung der Raͤumstube, und zwar abwaͤrts angebracht werden. Ist sie gehoͤrig festgemacht, so sendet man in die zweite Raͤumstube einen Arbeiter mit dem Auftrage, daselbst eine zweite solche Scheidewand zu errichten, die jedoch 1 1/2 Fuß weit von der Muͤndung der Raͤumstube aufwaͤrts angebracht werden muß. Sollten die Arbeiter hierbei durch die verdorbene Luft belaͤstigt werden, so schafft man eine Buͤtte mit nassem Heu, auf welches man trokenen Chlorkalk gestreut hat, hinab. 6) Nach Errichtung dieser Scheidewaͤnde sezt man uͤber die zweite Raͤumstube einen blechernen Rauchfang von mehreren Metern Hoͤhe und einem Meter Weite. Dieser Rauchfang ist 1) in seiner Mitte mit einer durch dessen Durchmesser gehenden Stange versehen, welche als Traͤger fuͤr einen Kessel dient, in welchen man, wenn es die Umstaͤnde erfordern, ein zu Chlorraͤucherungen geeignetes Gemenge bringen kann; 2) sind an dem unteren Theile desselben auch noch zwei Eisenstangen angebracht, die als Traͤger eines cylindrischen Ofens, in welchem man mit Holz ein lebhaftes Helles Feuer unterhaͤlt, dienen. Außerdem befinden sich in dem Rauchfange auch noch zwei Thuͤren, von denen die eine zum Eintragen des Holzes in den Ofen, die zweite hingegen zur Anbringung des Gefaͤßes bestimmt ist, in welchem man die Raͤucherungen erzeugt, die man zur Desinficirung des durch den Zug des Feuers nach Außen getriebenen Gases anwendet, damit die Voruͤbergehenden dadurch nicht belaͤstigt werden. Außen an dem Rauchfange sind zwei Henkel oder. Handhaben befestigt, mit denen man denselben wegtragen kann. 7) Wenn der Rauchfang auf die zweite Raͤumstube gesezt worden, hat man sich zu versichern, ob der Zug gehoͤrig Statt findet. Man zuͤndet zu diesem Behufe an dem ersten Raumloche eine Handvoll Stroh oder eine Prise Pulver an; zieht der dadurch entstehende Rauch gegen den Rauchfang, so ist dieß ein Beweis, daß der Apparat gehoͤrig arbeitet, und daß die Arbeiter in die erste Raumstube hinabsteigen koͤnnen, um daselbst ihre Arbeit zu beginnen. 8) Die Entfernung der Unreinigkeiten aus den Kloaken soll immer stromaufwaͤrts geschehen, besonders, wenn man gezwungen ist, den natuͤrlichen Abfluß des Wassers nicht zu unterbrechen. Man arbeitet dabei auf folgende Weise. Ein oder mehrere Arbeiter schaffen den Koth in Buͤtten oder Troͤge, welche unter das Raͤumloch der Kloake getragen, daselbst aufgezogen oder emporgehoben, und alsogleich ausgeleert werden, und zwar nicht auf den Erdboden, sondern in einen Mistkarren, welcher gut verschlossen ist, und der nichts durchlaufen laͤßt, und der sogleich, wie er gefuͤllt und mittelst eines Kuͤbels Chlorwasser desinficirt worden, fortgefahren wird.Man sollte nicht glauben, daß es noͤthig seyn koͤnnte, auch auf das schnelle Wegschaffen des aus den Kloaken heraufgeschafften Unrathes aufmerksam zu machen, und doch scheint man dieses nicht aller Orten zu fuͤhlen oder zu wissen. Wir kennen z.B. eine benachbarte Hauptstadt, in welcher jeden Herbst die Kloaken und Canaͤle geraͤumt werden, und wobei man volle 3 Wochen lang nach folgendem Verfahren arbeitet. Man schikt die Arbeiter ohne irgend eine Vorsichtsmaßregel beobachtet zu haben in die Canaͤle hinab, laͤßt sie daselbst im Unrathe wuͤhlen, und denselben, so gut es geht, in hoͤlzerne Schaffet, Troͤge oder dergl. fuͤllen. Diese gefuͤllten Gefaͤße werden von Maͤnnern oder Weibern auf die Straße heraufgeschafft, und daselbst nichts weniger, als sogleich in wasserdichte Karren geleert, sondern auf dem Boden oder Straßenpflaster ausgeleert. Wenn der Unrath hier halbe und ganze Tage und Nachts an der Luft gelegen, wenn der fluͤssigere Theil desselben zur Verewigung des Gestankes bei jedem Regenwetter in den Boden eingedrungen, wenn die Luft weit und breit mit den schaͤdlichsten Ausduͤnstungen verpestet, und manche Straße Tage lang ganz ungangbar gemacht worden, so wird der Koth endlich neuerdings aufgeruͤhrt, und mit Schaufeln auf Wagen geladen, die nicht nur offen, sondern auch so schlecht zusammengefuͤgt sind, daß man meinen sollte, sie seyen darauf berechnet, die Straßen, durch welche sie fahren muͤssen, gehoͤrig zu duͤngen; wenigstens kann man deren Spuren mit dem Auge sowohl, als mit der Nase lange Zeit uͤber verfolgen. Dieser schaͤndliche Unfug wird unter den Augen und Nasen der Behoͤrden bereits seit Jahren getrieben, und selbst die Choleraangst, die doch in Hinsicht auf Straßen- und Sanitaͤtspolizei an vielen Orten manches Gute bewirkte, war nicht im Stande, demselben ein Ende zu machen! Man kommt wahrlich in Versuchung, zu glauben, es herrsche hierbei mehr boͤser Wille, als Unverstand. A. d. R. 9) Die Arbeiter sollen nie den Koth weiter oberhalb angreifen, sondern immer allmaͤhlich vorwaͤrts schreiten und das aufladen, was ihnen zunaͤchst ist, ohne in den weiter oberhalb befindlichen Koth zu treten. Sie sollen eine leinene Kleidung haben, welche bloß zur Arbeit in den Kloaken bestimmt ist, und mit wasserdichten Stiefeln, welche taͤglich geschmiert werden muͤssen, versehen seyn. Sie sollen sich reinlich halten, gehoͤrig naͤhren, und vor dem Hinabsteigen in die Kloaken ihre Haͤnde jedes Mal mit einer Aufloͤsung von Chlorkalk versehen; auch sollen sie immer ein Flaͤschchen mit Chlorkalk bei sich fuͤhren. Die Aufseher haben darauf zu achten, daß der Rauchfang waͤhrend der Arbeit immer in gehoͤriger Thaͤtigkeit ist, was sie leicht daran erkennen koͤnnen, wenn die Flamme der Lampen nicht gerade emporsteigt, sondern sich gegen die zweite Raumstube, uͤber welcher der Rauchfang angebracht ist, wendet. Obschon der Rauchfang vor dem Ventilator im Allgemeinen den Vorzug verdient, so laͤßt sich derselbe doch in einigen Faͤllen, wie z.B. bei Kohlenniederlagen, wegen Feuersgefahr nicht anwenden. Man kann auf den Unrath in den Kloaken auch trokenen oder fluͤssigen Chlorkalk streuen oder schuͤtten, oder die Kloaken mit fließendem Wasser auswaschen; doch muß das Wasser in diesem Falle rein seyn, und keine Saͤuren etc. enthalten, wie dieß bei dem aus den Fabriken, Werkstaͤtten etc. abfließenden Wasser sehr oft der Fall ist. Man hat endlich bei dem Baue der Kloaken hauptsaͤchlich auch noch darauf zu sehen, daß sie einen gehoͤrigen Fall haben, und daß sie keine Kruͤmmungen machen; auch soll man eine gehoͤrige Menge von Luftloͤchern an denselben anbringen, damit hinreichende Luft in dieselben eindringen kann, und damit dem Gase, welches sich entwikelt, Austritt verschafft wird.Die Art von Luftloͤchern, wie man sie zu Paris an den Kloaken und Canaͤlen anbringt, haben das Unangenehme, daß sie oft eine große Menge schaͤdlicher Ausduͤnstungen entweichen lassen, wodurch nicht nur die Luft im Allgemeinen sehr verdorben, sondern auch den benachbarten Laden oder Werkstaͤtten, in denen sich silberne oder sonstige metallene Gegenstaͤnde befinden, durch das Anlaufen großer Schaden zugefuͤgt wird. Da nun diese Luftloͤcher doch nicht hinreichend sind, um die Luft in den Kloaken zu reinigen, so hat man neuerlich im Journal des connaissances usuelles vorgeschlagen, die Oeffnungen, durch welche das Wasser und die Unreinigkeiten von den Straßen in die Canale abfließen, nach demselben Principe einzurichten, nach welchem sie zu London erbaut sind, und bei welchem sie durchaus keine schaͤdlichen Gasarten entweichen lassen. In London fließen die Unreinigkeiten und das Wasser naͤmlich an bestimmten Stellen durch eine große gußeiserne Roͤhre in die Kloake, in welcher diese senkrecht herabsteigende Roͤhre bis auf 6 Zolle vom Boden eines steinernen, uͤber einen Fuß tiefen Troges untertaucht. Wenn nun der Trog voll ist, so entleert sich die Fluͤssigkeit in den Canal der Kloake, und die Muͤndung der Roͤhre ist auf diese Weise durch eine Art von hydraulischer Klappe geschlossen. Der Trog selbst wird durch das fortwaͤhrend nachfließende Wasser immer so gereinigt, daß die in ihm enthaltene Fluͤssigkeit wenigstens nie so sehr verderben und in Faͤulniß gerathen kann, wie jene in der Kloake selbst. Man hat diese einfache Vorrichtung bisher in England noch immer bewahrt gefunden. A. d. R. §. 8. Von verlassenen Kellern, unterirdischen Gewoͤlben etc. Es geschieht nicht selten, daß sich in schlecht geluͤfteten, schlecht gehaltenen Kellern, deren Mauern feucht sind, so viel Kohlensaͤure anhaͤuft, daß man mit keinem Lichte eintreten kann, ohne daß dasselbe erlischt, und daß man folglich beim Eintreten Gefahr laͤuft zu erstiken. Kohlensaures Gas entwikelt sich aus allen in Gaͤhrung befindlichen vegetabilischen Stoffen, und bildet eine Luftschichte, die sich durch ihre Dike sehr leicht zu erkennen gibt. Nicht bloß gaͤhrender Most, sondern auch junger Wein (besonders wenn die Trauben nicht sehr reif waren), Weintrester, die in Faͤssern, Kufen oder in einem Winkel des Kellers aufbewahrt sind, junges Bier etc., entbinden Kohlensaͤure. Nicht selten geschieht es, daß die Gaͤhrung die Boden der Faͤsser hinausschleudert; nach einem solchen Ereignisse in einen Keller zu treten ist aͤußerst gefaͤhrlich. Das erste Gefuͤhl, welches sich des Koͤrpers bemaͤchtigt, wenn man ihn in solche Daͤmpfe bringt, ist ein Einschlafen der Arme und Beine, eine Beengung der Brust und der Kehle, worauf bald eine Betaͤubung und ein Erloͤschen der Besinnung, des Athmens, der Blukcirculation, und in kurzer Zeit der Tod erfolgt. In den Kellern laͤßt sich diesem gefaͤhrlichen Zustande der Dinge am besten durch gehoͤrige Ventilation, oder auch dadurch abhelfen, daß man den Boden und die Waͤnde des Kellers mit Kalkmilch oder verduͤnntem fluͤchtigen Ammonium besprizt. Sind die Keller auf diese Weise zugaͤnglich gemacht, so soll man die Luftloͤcher vergroͤßern, und immer offen lassen, und die Waͤnde mit einer doppelten Schichte Aezkalk uͤberziehen. Mit diesen Mitteln reichte man in einem der ungesundesten Keller der Halle zu Paris vollkommen aus. Bei den Gewoͤlben finden dieselben Mittel ihre Anwendung. Hat das Gewoͤlbe zwei Thuͤren, oder eine Thuͤre und ein Fenster, welche einander gegenuͤber liegen, so geschieht die Ventilation von selbst am besten, wenn man Thuͤren und Fenster oͤffnet. Die Luft in den großen Gaͤhrungsbottichen wird am fuͤglichsten erneuert, wenn man an deren oberem Theile einen Ofen anbringt, oder wenn man eine geringe Menge verduͤnnten Ammoniaks in dieselben gießt. Dieses leztere Mittel ist sehr leicht anwendbar, und bringt dem Producte, welches man aus den Weintrestern gewinnt, leinen Nachtheil. Uebrigens sollten die Behoͤrden wegen der haͤufigen Ungluͤksfaͤlle, die sich jaͤhrlich ereignen, durchaus auf folgenden Maßregeln bestehen. 1) Soll es nicht erlaubt seyn, eine zu große Menge von Bottichen in den Gewoͤlben unterzubringen, und diese Bottiche so hoch zu machen, daß sie beinahe bis oben an die Ballen reichen, wie man dieß auf dem Lande oͤfter trifft. 2) Sollen Fenster und Thuͤren immer auf einander gehen, damit auf diese Weise in den Wein-, Cider- und Bierkellern immer ein gehoͤriger Luftzug unterhalten wird. 3) Sollen die Arbeiter darauf aufmerksam gemacht werden, daß sie immer aufrecht stehen bleiben, und nie den Kopf gegen den Boden senken. 4) Soll man die Arbeiter nie einzeln und ohne Aufsicht in schlecht geluͤsteten oder solchen Kellern lassen, in welchen vegetabilische Substanzen gaͤhren. §. 9. Von den Schwindgruben. Die Abtrittfeger werden beim Oeffnen der Schwindgruben wegen der mephitischen Gase, die sich daraus entwikeln, haͤufig ohnmaͤchtig und scheintodt; man nennt dieß die sogenannte Dunstkrankheit (plomb). Diesem Unfalle laͤßt sich auf folgende Weise vorbeugen. 1) Man soll saͤmmtliche Abtritte in allen Stokwerken eines Hauses verschließen, ausgenommen jenen im hoͤchsten Stokwerke, auf welchen lezteren man einen Ofen sezt, dessen Boden offen ist, und der mit brennenden Kohlen angefuͤllt ist. Dieser Ofen, den man den Ventilirofen nennt, zieht die aͤußere, durch die Eroͤffnung der Schwindgrube eintretende Luft an sich. Oefter ist man genoͤthigt auch noch einen zweiten Ofen auf einem Dreifuße, den man in die Schwindgrube selbst stellt und der durch eine Roͤhre mit freier Luft gespeist wird, anzubringen. 2) Nachdem diese Oefen angebracht sind, soll man die Kruste nur mit Vorsicht und von Weitem her, und mit abgewendetem Gesichte durchbrechen. 3) Soll man beim HinabsteigenHinabsteigeigen in die Gruben weder den Mund oͤffnen, noch sprechen, noch husten. 4) Soll waͤhrend des Raͤumens außen am Rande der Schwindgrube ein Ofen, in welchem ein lebhaftes Feuer brennt, angebracht werden. 5) Endlich soll man die Schwindgrube wenigstens schon 24 Stunden vor dem Raͤumen oͤffnen. Die mephitischen Gase werden zerstoͤrt, indem sie mit zur Verbrennung der Kohlen beitragen, die dadurch nicht nur nicht verhindert, sondern noch lebhafter wird. Der Dampf entzuͤndet sich selbst nicht, wenigstens geschieht dieß nur sehr selten; allein er umgibt die Gluth glich einer beweglichen Wolke. Die Abtrittfeger nennen dieß das Verbrennen des Stikdampfes (plomb), welcher nichts weiter, als ein mit einer fetten Substanz beladenes Stikgas, und keineswegs schwefelwasserstoffsaures Ammoniak ist, wie einige Chemiker behaupteten. Es kommt uͤbrigens in den Schwindgruben allerdings auch Schwefelwasserstoffgas und Ammoniakgas vor, wogegen die oben angegebenen Mittel zu gebrauchen sind. §. 10. Von den bei dem Baue der Abtritte zu befolgenden Vorsichtsmaßregeln. Man soll bei dem Baue der Abtritte vorzuͤglich folgende Punkte beobachten. 1) Sollen sie sich immer so weit als moͤglich von den Brunnen, Cisternen und Kellern entfernt befinden. 2) Sollen sie immer rund und nie vierekig seyn, weil sich die schaͤdlichen Duͤnste vorzuͤglich in den Winkeln ansezen, und den Arbeitern daher bei allenfallsigen Ausbesserungen etc. gefaͤhrlich werden koͤnnen. 3) Muß das Mauerwerk sehr fest und der Boden mit Steinplatten belegt seyn, damit der fluͤssige Theil des Koches nicht in die Erde und in die benachbarten Mauern eindringe, und nach dem Raͤumen der Schwindgruͤbe wieder in die Grube zuruͤkfließe. 4) Muͤssen die Roͤhren oder Schlauche immer senkrecht seyn und keine Winkel bilden; gußeiserne sind besser als bleierne. Zu bemerken ist auch wohl, daß die Abtritte um so ungesunder werden, je mehr andere Dinge, als Koch, noch in dieselben geworfen oder gegossen werden; z.B. Seifenwasser, Kuͤchenabfaͤlle, vegetabilische Ueberreste, Duͤnger, ja selbst Stroh und Papier. Um diese Koͤrper haͤuft sich naͤmlich gleichsam wie um einen Kern eine sehr ungesunde und uͤbelriechende Substanz an, welche die Abtrittfeger gewoͤhnlich Pyramiden (heurtes ou pyramides) zu nennen pflegen. Ein Gemenge von vegetabilischen und thierischen Substanzen erzeugt weit schaͤdlichere und unertraͤglichere Daͤmpfe, als sich bei der Zersezung jeder dieser Substanzen einzeln entwikeln; denn jede dieser Substanzen erleidet ihre eigene Art von Zersezung und gibt dabei auch eigene Gase von sich. §. 11. Von den Vorsichtsmaßregeln, die man beim Graben eines Brunnens, einer Cisterne, einer tiefen Grube etc. zu nehmen hat. Es ereignet sich beim Graben von Brunnen, Stollen etc. nicht selten, daß das Erdreich, welches anfangs ziemlich fest zu seyn schien, sandig wird, und keinen Widerstand mehr leistet, wo dann oft ploͤzliche Einstuͤrze erfolgen, deren Opfer die Arbeiter nicht selten werden. Die Behoͤrden sollten daher immer, so oft in ihrem Bereiche dergleichen Arbeiten unternommen werden, darauf bestehen, daß die Waͤnde mit Dielen und gehoͤrigen Stuͤzen ausgekleidet werden. Man befolgte dieses Verfahren bei dem Baue der Kloaken zu Paris wo viele unterirdische Gange gegraben werden mußten, und wo dessen ungeachtet auch nicht ein einziger Arbeiter durch Einstuͤrze verungluͤkte. Was in Bergwerken zu geschehen hat, wissen die Vorstaͤnde und Bergbeamten am besten. Wenn durch einen ungesunden Morast Abzugscanaͤle gezogen werden sollen, um denselben troken zu legen, so soll man die Arbeiter vor dem Beginne der Arbeit immer unter den Wind stellen, und oben auf die Oberflaͤche der Erde eine ansehnliche Menge Aezkaltstreuen. Von der Huͤlfe, die man jenen zu leisten hat, die in einem der angegebenen Gase verungluͤkten, werden wir in einem anderen Artikel handeln.