Titel: Einiges über die Verbrennung des Steinkohlentheeres. Von Hrn. J. O. N. Rutter.
Fundstelle: Band 54, Jahrgang 1834, Nr. XXXVIII., S. 189
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XXXVIII. Einiges uͤber die Verbrennung des Steinkohlentheeres. Von Hrn. J. O. N. Rutter. Aus dem Mechanics' Magazine No. 567. Rutter, uͤber die Verbrennung des Steinkohlentheeres. Hr. William Witty hat im Mechanics' Magazine No. 545 S. 269 einen Aufsaz uͤber die Theorie der Kerzenflamme und einige Bemerkungen uͤber meine Methode Steinkohlentheer in Verbindung mit Wasser als Brennmaterial zu verwenden niedergelegt. Ich will hier nicht auf eine Widerlegung seiner Theorie der Flamme, mit der ich mich nicht befreunden kann, eingehen, sondern mich in dieser Hinsicht nur auf meine vor einiger Zeit erschienene Abhandlung uͤber diesen Gegenstand beziehen; dafuͤr will ich aber versuchen, die Bemerkungen, die Hr. Witty uͤber meine Heizmethode machte, etwas naͤher zu beleuchten.Unsere Leser finden hie Abhandlung des Hrn. Rutter, auf welche sich hier bezogen wird, im Polytechn. Journale Bd. L. S. 174, 253 mitgetheilt; wir bemerken nur, daß derselbe Verf. in No. 564 des Mechanics' Magazine einen kleinen Nachtrag hinzufuͤgte, aus welchem jedoch nichts weiter hervorgeht, als daß er nun auch die Abhandlungen Simm's und Thomson's eingesehen und gefunden habe, daß diese Auctoren großen Theils mit seinen Ansichten uͤbereinstimmen. – Was den hier angezogenen Aufsaz des Hrn. Witty betrifft, so haben wir denselben nicht mitgetheilt, indem er rein theoretisch und weder auf Erfahrungen noch Versuche begruͤndet war. Wir machen nur noch darauf aufmerksam daß Hr. Witty in das Mechanics' Magazine No. 570 neuerlich wieder einen Aufsaz einruͤken ließ, in welchem er einige der Rutter'schen Ansichten uͤber de Natur der Flamme zu widerlegen sucht. Wir werden hierauf zuruͤkkommen, in Falle Hr. Rutter eine Erinnerung dagegen und eine weitere Reihe von Versuchen folgen laͤßt, wie er dieß versprochen. A. d. R. Hr. Witty beantwortet die Frage: „Ist es also moͤglich, den Steinkohlentheer zu verbrennen, ohne daß Rauch erzeugt werde?“ mit folgenden Worten: „Fuͤr Jemanden, der nur einige Kenntniß in der Chemie hat, ist nichts leichter als dieß. Man lasse aus feuerfesten Baksteinen einen langen, an einen Rauchfang fuͤhrenden Canal bauen, und erhize die Seitenwaͤnde dieses Canales mittelst eines Steinkohlenfeuers bis zur Weißgluͤhhize. Wenn dieß geschehen, so leite man einen kleinen Strom Steinkohlentheer in denselben; dieser wird sich dann entzuͤnden, und da die dadurch freigewordenen Kohlenstofftheilchen ihre Hize nicht verlieren koͤnnen, und in einer bis zur Rothgluͤhhize erhizten Luftschichte (?) schweben werden, so muͤssen sie sich mit dem Sauerstoffe verbinden, vorausgesezt, daß mit dem Steinkohlentheer zugleich auch eine hinlaͤngliche Menge atmosphaͤrische Luft eintritt.“ Hr. Witty sagt uns hiebei nicht, ob das Steinkohlenfeuer auch dann noch unterhalten werden soll, wenn die Waͤnde des Canales bereits weißgluͤhend, und der Strom Steinkohlentheer in denselben eingeleitet worden, was doch zur Vergleichung der Kosten dieses Verfahrens mit jenen anderer Methoden von hohem Werthe waͤre. Daß die chemische Vereinigung von Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff bei dem Verbrennungsprocesse von Waͤrmeentwikelung begleitet ist, und daß die Quantitaͤt oder Intensitaͤt der Hize, welche bei der Verbrennung einer bestimmten Quantitaͤt Brennmaterial entwikelt wird, großen Theils von der Beschaffenheit des Brennmateriales und von der Behandlung, der man dasselbe unterwirft, abhaͤngt; dieß sind Thatsachen, mit denen jeder Chemiker vertraut seyn muß. Jene Arten von Brennstoffen, deren entzuͤndliche Elemente in solchen Verhaͤltnissen mit einander verbunden sind, daß sie am leichtesten mit dem Sauerstoffe eine Verbindung eingehen koͤnnen, geben bei einer gleichen Gewichtsmenge eine der Quantitaͤt oder Intensitaͤt nach groͤßere Hize, als man aus einem gleichen Gewichte eines Brennstoffes, in welchem die einen Elemente in Ueberschuß, die anderen hingegen in zu geringer Menge enthalten sind, erzeugen kann. Es erhellt dieß offenbar aus folgenden Versuchen Dalton's, die, wenn ihre Resultate vielleicht auch nicht streng genau sind, doch der Wahrheit sehr nahe kommen duͤrften. Textabbildung Bd. 54, S. 189 1 Pfd. verzehrte bei der Verbrennung; Sauerstoff in Pfd.; Geschmolzenes Eis in Pfd.; Verhaͤltniß der Hize; Wasserstoffgas; Gekohltes Wasserstoffgas; Oehlerzeugendes Gas; Kohlenoxydgas; Olivenoͤhl; Wachs; Talg; Terpenthinoͤhl; Weingeist; Schwefelaͤther; Phosphor; Holzkohle; Schwefel; Kampher; Kautschuk Hieraus ergibt sich, daß Olivenoͤhl, Wachs und Talg durch ihre Verbindung mit Sauerstoff nach dem Wasserstoffgase die groͤßte Hize geben, und daß, waͤhrend 1 Pfd. Wasserstoffgas zu seiner vollkommenen Verbrennung 8 Pfd. Sauerstoffgas erfordert, 1 Pfd. Olivenoͤhl nur 3,033 Pfd. Sauerstoffgas bedarf. Hieraus laͤßt sich schließen, daß 3 Pfd. Olivenoͤhl durch die Verbindung mit etwas mehr dann 9 Pfd. Sauerstoffgas eben so viel Hize geben, als 1 Pfd. Wasserstoffgas durch die Verbindung mit 8 Pfd. Sauerstoffgas. Es verdient ferner bemerkt zu werden, daß gerade jene Koͤrper, in welchen ein Ueberschuß von Kohlenstoff enthalten ist, wie z.B. das Terpenthinoͤhl, die Holzkohle und der Kautschuk bei der Verbrennung weit weniger Hize geben, als andere Koͤrper, in denen der Wasserstoff und Kohlenstoff in genaueren Verhaͤltnissen mit einander verbunden sind. Ein Pfd. Olivenoͤhl und 3,033 Pfd. Sauerstoffgas erzeugen z.B. so viel Hize, als noͤthig ist, um 104 Pfd. Eis zu schmelzen, waͤhrend 1 Pfd. Terpenthinoͤhl durch die Verbindung mit 3,14 Pfd. Sauerstoff nur 60 Pfd. Eis zu schmelzen vermag. Wenn man auch fuͤglich annehmen kann, daß 1/3 des Terpenthinoͤhles als Lampenschwarz unzersezt davon ging, so wuͤrde, wenn sich auch das ganze Pfd. Terpenthinoͤhl in Folge irgend einer eigenthuͤmlichen Einrichtung mit Sauerstoff verbinden ließe, zur vollkommenen Verbrennung statt der 3,14 Pfd. Sauerstoff doch nur 4,71 Pfd. erforderlich seyn, und folglich wuͤrden statt der 60 Pfd. Eis 90 Pfde. geschmolzen werden, so daß das Verhaͤltniß der Hize immer noch geringer stuͤnde, als beim Olivenoͤhle. 1 Pfd. Terpenthinoͤhl braucht naͤmlich 4,71 Pfd. Sauerstoff = 3,71 Pfd., und schmilzt 90 Pfd. Eis. 1 Pfd. Olivenoͤhl braucht 3,033 Pfd. Sauerstoff = 4,033 Pfd., und schmilzt 104 Pfd. Eis. Nimmt man jedoch fuͤr das Terpenthinoͤhl jene Zahlen an, die in obiger Tabelle stehen, – und diese Annahme ist nicht mehr als billig, da die Verbrennung saͤmmtlicher Materialien unter gleichen Umstaͤnden vorgenommen wurde, so ergibt sich folgendes Verhaͤltniß: Olivenoͤhl und Sauerstoff 4,033 Pfd. schmelzen 104 Pfd. Eis. Terpenthinoͤhl      – 4,14     –          –   60   –    – Verhaͤltniß zu Gunsten des Olivenoͤhles wie 5,2 zu 3. So interessant und wichtig diese Versuche des Hrn. Dalton auch sind, so deuten sie doch bloß jene Resultate an, die sich aus der Anwendung des Sauerstoffes ergeben; um sie vollkommen nuͤzlich und noch werthvoller zu machen, sollten sie mit atmosphaͤrischer Luft wiederholt werden, wobei die Quantitaͤt Sauerstoff, die dieser unter verschiedenen Umstaͤnden entzogen wird, genau angegeben werden muͤßte. Daß der Steinkohlentheer in quantitativer Hinsicht in seinen Bestandtheilen dem Terpenthinoͤhle sehr nahe komme, laͤßt sich nicht laͤugnen; die bei dessen Verbrennung bemerkbaren Erscheinungen deuten offenbar auf einen Mangel an Wasserstoffgas, und dafuͤr auf einen Ueberschuß an Kohlenstoff. Soll daher der Steinkohlentheer mit Vortheil als Brennmaterial angewendet werden, so ist zur Erreichung eines gewissen Resultates offenbar eine groͤßere Quantitaͤt von diesem Koͤrper und von Sauerstoffgas noͤthig, als von einem anderen Koͤrper, dessen Elemente sich leichter mit Sauerstoff verbinden, zu demselben Zweke erforderlich waͤre. Die Praxis bewahrt dieß. In einigen englischen Gaswerken verwendet man naͤmlich den Steinkohlentheer als Brennmaterial, und zwar in einigen in Verbindung mit festen Brennstoffen, in anderen ohne dieselben. Er ist jedoch in lezterem Falle nichts weniger als ein oͤkonomisches Ersazmittel von festem Brennmaterial, und daher wird er auch an mehreren Orten nur verbrannt, weil man dieses laͤstigen Koͤrpers auf andere Weise nicht besser los werden kann. Der Steinkohlentheer enthaͤlt nicht so viel Wasserstoff, als noͤthig ist, um durch seine Entzuͤndung und Verbrennung allein jene Scheidung und Wiedervereinigung seiner Elemente zu erzeugen, welche eine wesentliche Bedingung zur vortheilhaften Anwendung eines jeden Heizmittels ist. Es laͤßt sich zwar aller Kohlenstoff der Steinkohle mit Sauerstoff verbinden, allein dieß kann, wie Hr. Witty sagte, nur durch eine eigenthuͤmliche Vorrichtung und bei einer sehr hohen Temperatur geschehen. Je vollkommener die auf diese Weise bewirkte Verbindung, um so groͤßer wird die Quantitaͤt des angewendeten Sauerstoffes, und um so groͤßer wird folglich auch die Quantitaͤt Stikstoff seyn, welche erhizt werden muß: eine Bedingung, die einen großen Aufwand an Brennmaterial mit sich bringt. Die in obiger Tabelle verzeichneten Versuche stehen mit einem Umstande in Verbindung, der nicht mit Stillschweigen uͤbergangen werden darf. Ich erinnere mich naͤmlich nicht, daß auf den Grundsaz, der sich hierin offenbar erkennen laͤßt, je direct angespielt worden waͤre: ich meine hier die Hize, welche das Resultat der chemischen Wirkung ist. Wenn wir z.B. das oͤhlerzeugende Gas nehmen, in welchem, wie man meinen sollte, die Elemente, aus denen es besteht, durch die vorlaͤufige Behandlung auf eine Weise zusammengesezt sind, die ihrer Verbindung mit Sauerstoff und der daraus folgenden Waͤrmeentwikelung sehr guͤnstig sind, so finden wir, daß 1 Pfd. oͤhlerzeugendes Gas 4,375 Pfd. Sauerstoff zu seiner Verbrennung braucht, und dadurch 85 Pfd. Eis zu schmelzen im Stande ist, waͤhrend 1 Pfd. Olivenoͤhl doch nur 3,033 Pfd. Sauerstoff verbraucht, und damit 104 Pfd. Eis schmilzt. Sollte sich hieraus nicht schließen lassen, daß die Verdampfung, wenn sie zugleich und unmittelbar mit Entzuͤndung, Zersezung und Wiederzusammensezung von Statten geht, durchaus kein abkuͤhlender, sondern vielmehr ein Waͤrme entbindender Proceß ist? Hr. Witty sagt in Bezug auf meinen Vorschlag, eine kleine Quantitaͤt Wasser mit dem zu verbrennenden Theere zu vermengen: „daß hier zwei kraͤftige chemische Wirkungen durch ein Volumen Luft unterhalten werden, welches jede dieser Wirkungen schon einzeln fuͤr sich erfordert.“ Diese Stelle ist aus dem fruͤher von mir gegebenen Prospectus entnommen, sie ist entstellt und unverstaͤndlich; es sey mir daher erlaubt, sie durch folgende Einschaltungen deutlich zu machen. „Bei meinem hier beschriebenen Processe oder Verfahren wird der Sauerstoff nicht von Außen eingefuͤhrt (wie dieß noͤthig ist, wenn unter gewoͤhnlichen Umstaͤnden die gaͤnzliche Verbindung der Elemente der Steinkohle oder des Steinkohlentheeres erzielt werden soll), sondern er wird in dem Ofen selbst erzeugt (und zwar durch die Zersezung der Wasserdaͤmpfe in Verbindung mit dem Steinkohlentheere), und statt daß der auf diese Weise in dem Ofen erzeugte Sauerstoff von Stikstoff begleitet ist, wodurch die Verbrennung verzoͤgert und die Flamme ausgeloͤscht wuͤrde, besteht dessen Begleiter aus Wasserstoff, einem der brennlichsten Gase, die es gibt.“ Der praktische Werth und Nuzen meines Verfahrens ist bereits vollkommen bewahrt und hergestellt; er wird sich gewiß von selbst Allen empfehlen, die sich die Muͤhe geben wollen, sich mit dessen Bedingungen bekannt zu machen, und besonders denen, die bei Gasoperationen betheiligt sind; denn die Gaswerke sind der Geburtsort meiner Erfindung, und sie sind es, die gegenwaͤrtig auch als dessen Heimath betrachtet werden koͤnnen. Bei einem zwekmaͤßig eingerichteten Ofen duͤrfte mein Verfahren jedoch auch an den Dampfkesseln, und uͤberhaupt uͤberall, wo in einer eingeschlossenen Feuerstelle ein sehr hoher Hizgrad erreicht werden soll, anwendbar seyn. Die Theorie des ganzen Processes scheint mir außerordentlich einfach und auf folgende Weise erklaͤrlich. Der Steinkohlentheer enthaͤlt einen Ueberschuß an Kohlenstoff, allein zu wenig Wasserstoff; das Wasser wird in Verbindung mit den Elementen des brennenden Theeres leicht zersezt, und gibt dadurch 2 Volumen Wasserstoff und 1 Volumen Sauerstoff. Der Wasserstoff verbindet sich in bestimmten Verhaͤltnissen mit dem Kohlenstoffe, und erzeugt dadurch oͤhlerzeugendes und gekohltes Wasserstoffgas, welche Gase durch das Hinzutreten des Sauerstoffes aus der atmosphaͤrischen Luft zersezt werden, indem sich deren Elemente mit bestimmten Quantitaͤten Sauerstoff verbinden, und Wasserdampf (1 Vol. Sauerstoff und 2 Vol. Wasserstoff) und Kohlensaͤure (1 Vol. Sauerstoff und 1 Vol. Kohlenstoff) bilden. Der bei der Zersezung des Wassers frei werdende Sauerstoff dient nicht zur Unterhaltung der Verbrennung, sondern er bildet, indem er sich mit Kohlenstoff verbindet (1 Vol. Kohlenstoff und 1/2 Vol. Sauerstoff), Kohlenoxyd, und dieses verbindet sich bei der Entzuͤndungshize leicht mit noch einem halben Vol. Sauerstoff, um dann Kohlensaͤure zu bilden. Die Waͤrme, die bei dem eben kurz beschriebenen Processe frei wird, ist nicht ganz den Qualitaͤten der in Behandlung kommenden Materialien zuzuschreiben, sondern ein Theil derselben kann fuͤglich auf Rechnung verschiedener chemischer Agentien und Verwandtschaften, die unter den der Zersezung und Wiedervereinigung verschiedener Elemente guͤnstigsten Umstaͤnden in Wirksamkeit kommen, geschrieben werden. Worin steht die Zersezung des Wasserdampfes, wenn derselbe in inniger Verbindung mit dem Kohlenstoffe befindlich ist, mit der Analogie oder mit der Erfahrung in Widerspruch? Der Wasserdampf ist mit ein Bestandtheil des Weingeistes und selbst des Aethers, und nach dem Verhalten eines jeden dieser beiden Koͤrper zu schließen, laͤßt sich annehmen, daß der Kohlenstoff weit entzuͤndlicher ist, wenn er mit Wasserdampf verbunden ist, als unter irgend anderen Umstaͤnden. Es laͤßt sich nun wohl unmoͤglich behaupten, daß die Theorie der Verbrennung des Steinkohlentheeres wesentlich von jener des Weingeistes oder Aethers abweicht; ja ich glaube sogar, daß lezterer die geeignetste Parallele fuͤr den Theer bildet, obschon die vorbereitenden Bedingungen wesentlich verschieden sind. Wasser in Beruͤhrung mit einer oxydirbaren Oberflaͤche in geschlossenen Gefaͤßen zu zersezen, ist ein langweiliger und schwieriger Proceß. Die Wahlverwandtschaften der Elemente der Koͤrper, und besonders jener, mit deren Untersuchung wir uns hier beschaͤftigen, haͤngen sehr materiell von verschiedenen Umstaͤnden ab; wir wissen z.B. aus taͤglicher Erfahrung, welchen Einfluß Veraͤnderungen der Form und der Temperatur auf dieselben uͤben, und bei jedem Schritte, den wir in den Experimentalwissenschaften machen, finden wir neue Thatsachen, die dieses wichtige Princip bestaͤtigen. In der Praxis lassen sich die Verhaͤltnisse des Steinkohlentheeres oder anderer aͤhnlicher Koͤrper zu dem Wasser nicht mit mathematischer Genauigkeit und in solcher Art bestimmen, daß jedes Atom Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff geschieden und wieder verbunden wird. Daß jedoch bei weitem der groͤßere Theil der Bestandtheile diese Veraͤnderungen wirklich eingeht, erhellt aus der Quantitaͤt oder Intensitaͤt der Hize, die sich mit einer Verhaͤltnißmaͤßig geringen Quantitaͤt entzuͤndlicher Stoffe erzeugen laͤßt, und durch andere Umstaͤnde, die ich hier nicht anzufuͤhren brauche, beweisen. Hr. Witty erwaͤhnt, wie wir oben gesehen haben, einer zum Rothgluͤhen erhizten Luftschichte; ich erlaube mir zu fragen, ob er sich je von dieser Erscheinung mit eigenen Augen uͤberzeugt habe? Der sel. Wedgwood stellte mehrere, sehr interessante Versuche uͤber diesen Gegenstand an; er erhizte atmosphaͤrische Luft so weit, daß sie metallene Koͤrper, die mit ihr in Beruͤhrung kamen, schnell zum Gluͤhen brachte; allein alle seine Bemuͤhungen, die Luft selbst gluͤhend oder auch nur im leisesten Grade leuchtend zu machen, waren vergebens. Es laͤßt sich durch einen sehr einfachen Versuch beweisen, daß die Luft bei einer Temperatur, bei welcher metallene und feste kohlenstoffhaltige Koͤrper gluͤhen, durchaus nicht leuchtet. Wenn man einen angezuͤndeten Wachsstok unter einen Brenner haͤlt, durch welchen Steinkohlengas stroͤmt, so wird das Gas durch den erhizten Luftstrom, der von dem Wachslichte aus emporsteigt, entzuͤndet werden, ohne daß es wirklich mit der Flamme in Beruͤhrung kommt. Derselbe Versuch laͤßt sich auch anstellen, indem man einen Strom Steinkohlengas quer durch die von einem Gasbrenner emporsteigende, erhizte Luftsaͤule stroͤmen laͤßt, wo das Gas gleichfalls entzuͤndet wird. Auf gleiche Weise kann ein Wachslicht in einer Entfernung von mehreren Zollen von der Gasflamme entzuͤndet werden. Da nun allgemein angenommen ist, daß das Steinkohlengas von keinem festen Koͤrper, dessen Temperatur sich unter der Rothgluͤhhize befindet, entzuͤndet werden kann, so laͤßt sich annehmen, daß die von einem Wachslichte emporsteigende Luftsaͤule, obschon sie nicht leuchtet, doch eine Temperatur besizt, die jener rothgluͤhender fester Koͤrper gleichkommt, oder sie sogar uͤbertrifft. Die Entzuͤndung und Zersezung gasartiger Koͤrper haͤngt daher unter anderen Umstaͤnden von der specifischen Temperatur ab, und es hat keinen Einfluß, ob sich der entzuͤndliche Koͤrper in unmittelbarer Nachbarschaft (denn eine wirkliche Beruͤhrung laͤßt sich nicht denken) eines leuchtenden Koͤrpers, oder in einer solchen Entfernung von demselben befindet, daß eine gewisse Temperatur erhalten wird. Hr. Witty sagt: „2 Gallons Wasser duͤrften vielleicht mehr seyn, als 1 Gallon Steinkohlentheer zu zersezen im Stande sind.“ Ich wende beide Substanzen gewoͤhnlich so an, daß auf ein Volumen Theer 1 1/2 Volumen Wasser kommen; ich habe jedoch auch schon 3 Volumen Wasser mit einem Volumen Theer in den Ofen gebracht, und habe auch hiemit genuͤgende Resultate erhalten; dieß ist jedoch nur dann moͤglich, wenn die auf den Roststangen befindliche Kohksschichte aufs lebhafteste brennt, und wenn der ganze Flaͤchenraum des Ofens beinahe in weißgluͤhendem Zustande begriffen ist. Um saͤmmtliche Bedingungen, die mit der Theorie dieses Processes in Verbindung stehen, richtig zu erfassen, ist eine genaue Analogie des Steinkohlentheeres noͤthig; mir ist noch keine solche bekannt, und es wuͤrde mich hier zu weit fuͤhren, wenn ich gegenwaͤrtig in eine Eroͤrterung meiner hieruͤber angestellten Versuche und Beobachtungen eingehen wollte. Nur so viel will ich bemerken, daß man eine weit groͤßere Menge Wasser mit Vortheil und in Verbindung mit dem Steinkohlentheere anwenden kann, als man nach unseren gewoͤhnlichen Ansichten uͤber die Bestandtheile dieser Koͤrper glauben sollte. Unter vortheilhafter Anwendung verstehe ich eine solche Operationsweise, bei welcher sich durch eine Erhoͤhung der relativen Verhaͤltnisse des Wassers zum Steinkohlentheere eine successive Vermehrung der Hize genuͤgend beurkundet. Hr. Witty sagt endlich, indem er von den Dampfkesseln spricht: „meiner Erfahrung nach sind die Seitenwaͤnde der Dampfkessel oft um mehrere 100 Grade heißer, als das in ihnen enthaltene Wasser, und zuweilen sind sie sogar an der aͤußeren Flaͤche rothgluͤhend.“ Ist Hr. Witty wohl auch ganz sicher, das, was er hier angibt, auch wirklich gesehen zu haben?Hr. Witty sucht dieß in dem zulezt angefuͤhrten Aufsaze durch folgende Bemerkungen zu beweisen: „Daß die Oberflaͤchen der Dampfkessel manchmal rothgluͤhen, davon kann man sich uͤberzeugen, wenn man an Kesseln, in welchen man die Dampfentwikelung sehr hoch treibt, und wenn das Feuer ganz hell brennt, durch ein Loch in dem Feuerzuge hineingukt; in diesem Falle sah ich wenigstens deutliche Zeichen des Rothgluͤhens. Ein anderer Beweis duͤrfte auch noch darin liegen, daß der Kohlenstoff, der dem Metalle anhangt, wenn das Feuer zuerst angezuͤndet wird, verschwindet, sobald das Feuer lebhaft zu brennen, und das Wasser zu sieden beginnt.“ Wir zweifeln sehr, daß diese Beweise genuͤgen duͤrften. Eben so wenig Glauben verdient es, wenn Hr. Witty sagt: „das Gluͤhen der Luft ist zwar sehr schwer zu beweisen, allein es duͤrfte sich vielleicht aus der Lichtsaͤule, die man des Nachts aus manchen Schornsteinen emporsteigen sieht, darauf schließen lassen.“ Er scheint dieß auch selbst zu fuͤhlen, denn er bemerkt gleich darauf selbst, daß man dagegen einwenden koͤnne, dieses Licht ruͤhre von dem Feuer her, und werde bloß von der Luft zuruͤkgeworfen. A. d. R.