Titel: Einiges über die Runkelrübenzuker-Fabrikation und über die Verbindung des Macerationsprocesses mit der alten Fabrikationsmethode. Von Hrn. J. S. Clémandot.
Fundstelle: Band 54, Jahrgang 1834, Nr. LXXIV., S. 452
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LXXIV. Einiges uͤber die Runkelruͤbenzuker-Fabrikation und uͤber die Verbindung des Macerationsprocesses mit der alten Fabrikationsmethode. Von Hrn. J. S. Clémandot.Wir geben diesen Artikel als Anhang zu der Abhandlung des Hrn. de Beaujeu, damit man auch die ansichten der Gegenpartei vernehme. Wir bemerken bloß, daß Hr. Clémandot irriger Weise zwischen dem Verfahren des Hrn. de Beaujeu und jenem des Hrn. de Dombasle nicht den gehoͤrigen Unterschied zu machen scheint. A. d. R. Aus dem Journal des connaissances usuelles. October 1834, S. 193. Ueber die Runkelruͤbenzuker-Fabrikation und die Verbindung des Macerationsprocesses etc. Nachdem es ein Mal erkannt war, daß man den Runkelruͤbenzuker nur aus dem Safte der Runkelruͤben gewinnen koͤnne, war es natuͤrlich, daß die Fabrikanten ihr Streben hauptsaͤchlich dahin richteten, die moͤglich groͤßte Menge Saft aus den Ruͤben auszuziehen. Der vielen verbesserten Pressen ungeachtet, die beinahe jaͤhrlich erfunden wurden, blieb man dennoch weit von diesem Zweke entfernt denn in den besten Fabriken gewann man hoͤchstens 70 Proc. Saft, und in den meisten gar nur 50 bis 60 Proc., waͤhrend die Runkelruͤben nach Clement Desormes bekannten Untersuchungen doch 97 bis 98 Proc. fluͤssige Theile enthalten. Dieser große Verlust an Runkelruͤbensaft und folglich auch an Zuker veranlaßte Hrn. Mathieu de Dombasle auf Mittel zu sinnen, welche die Zukerfabrikation eintraͤglicher machen wuͤrden. Er kam in Folge seiner Forschungen auf eine Methode, welche er im Jahre 1832 in einer Broschuͤre bekannt machte, die unter dem Titel: Premier Bulletin du Procédé de macération erschien. Diese Methode laͤßt sich im Wesentlichen auf folgende drei Punkte zuruͤkfuͤhren: 1) Zerstoͤrung des Lebensprincipes der Runkelruͤben durch einen gehoͤrigen Grad von Waͤrme; 2) Zerstoͤrung der Blaͤschen, in denen der Saft enthalten ist, durch die Einwirkung der Waͤrme; und 3) Ausziehung aller aufloͤslichen Theile und namentlich des Zukers durch Wasser. Das Verfahren des Hrn. de Dombasle, welches zuerst von Markgraff angedeutet worden seyn soll, wurde anfaͤnglich von den wenigsten Fabrikanten beachtet, bis endlich Hr. de Beaujeu durch seinen nach eben diesem Principe erbauten Apparat ihre Aufmerksamkeit darauf lenkte. Dieser Apparat liefert, wenn man den Versicherungen seines Erfinders Glauben schenken darf, die vorzuͤglichsten Resultate; allein Hr. de Beaujeu fand furchtbare Nebenbuhler; denn auch die Methode des Hrn. de Dombasle wird außerordentlich geruͤhmt, so daß die Runkelruͤbenzuker-Fabrikanten nun keine andere Aufgabe mehr haben duͤrften, als zu untersuchen, welchem Apparate sie den Vorzug geben sollen. Bei diesem Stande der Dinge, und um eine seit 30 Jahren befolgte, und gegenwaͤrtig noch von vielen der groͤßten Fabrikanten betriebene Methode nicht ohne allseitige Pruͤfung aufzugeben, sey es mir erlaubt, das Verfahren des Hrn. de Dombasle mit der sogenannten alten Methode zu vergleichen. Da ich bei dieser Pruͤfung ganz ohne persoͤnliches Interesse bin, so hoffe ich dieselbe ganz unparteiisch durchzufuͤhren. Hr. de Dombasle bezwekt bei seiner Methode alle aufloͤslichen Theile der Runkelruͤben mit Wasser, welches auf einen gewissen Temperaturgrad gebracht worden, auszuziehen. Er benimmt den Runkelruͤben 15/16 ihres Zukers, indem er dieselben erst dann aufgibt, wenn sie dem warmen Wasser nur mehr 1/2 Grad abgeben. Dieser kuͤnstlich aus den Runkelruͤben entzogene Saft enthaͤlt also allen in ihnen enthaltenen Zukerstoff weniger 1/16 eine groͤßere Quantitaͤt Wasser, als in dem natuͤrlichen Safte enthalten ist, weniger Eiweißstoff als dieser leztere, indem derselbe in Folge der Waͤrme geronnen in dem Ruͤkstande zuruͤkbleibt, alle aufloͤslichen Salze, und endlich eine groͤßere Quantitaͤt eines den Bierhefen aͤhnlichen, allein durch die Einwirkung der Waͤrme etwas veraͤnderten Gaͤhrungsstoffes. Da es sich bei dieser Methode lediglich um eine einfache Aufloͤsung der in den duͤnnen Runkelruͤbenschnitten enthaltenen aufloͤslichen Theile mittelst Wasser, dessen Temperatur dem Siedepunkte nahe kommt, handelt, so bedarf man hier weder der kostspieligen Ruͤben, noch der Saͤke und Geflechte, deren Unterhaltung so viele Kosten verursacht, noch auch jenes zahlreichen Personales. Man erhaͤlt ferner auch eine groͤßere Menge Zuker, als bei der alten Methode, und deßhalb scheint die neue Methode den Vorzug zu verdienen. Dafuͤr glaubt man aber auch folgende Nachtheile bei deren Befolgung entdekt zu haben. Man braucht eine nicht unbedeutende Menge Brennmaterial, um das Wasser, womit die Ruͤben ausgewaschen werden sollen, beinahe siedend zu erhalten; der gewonnene Saft enthaͤlt eine groͤßere Menge Wasser, als der natuͤrliche, und erfordert daher zum Eindiken gleichfalls eine groͤßere Menge Brennmaterial; die Klaͤrung macht mehr Schwierigkeiten, als bei dem alten Verfahren, weil der kuͤnstliche Saft nicht so viel Eiweißstoff enthaͤlt, als der natuͤrliche; und weil sich der Schaum daher hier nicht in jene feste, zusammenhangende Masse vereinigt, die so leicht abzunehmen ist, und welche alle Unreinigkeiten so vollkommen wegschafft. Zu wundern ist es ferner, daß das Verfahren des Hrn. de Dombasle selbst nach den Versicherungen seiner eifrigsten Anhaͤnger nur 8 Proc. Zuker abwirft, waͤhrend die Runkelruͤben nach Hrn. Payen's Untersuchung doch 10 bis 11 Proc. Zuker enthalten. Wie kommt es also, daß 2–3 Proc. Zuker bei den Operationen verschwinden, wenn man nicht einige Unvollkommenheiten der Eindampfapparate oder einige mit der Maceration selbst in Verbindung stehende Fehler zugeben will? Faßt man demnach die Vortheile und Nachtheile des Verfahrens des Hrn. de Dombasle zusammen, so ergibt sich, daß dasselbe beilaͤufig um 2 Proc. mehr Zuker abwirft, als das alte; daß das zur Fabrikation erforderliche Geraͤth unendlich wohlfeiler ist; daß der Arbeitslohn um Vieles vermindert wird, und daß die bedeutenden Kosten der Sake und Geflechte wegfallen. Dagegen braucht man aber beinahe um ein Viertheil mehr Brennmaterial; der Ruͤkstand ist, man mag sagen was man will, eben weil er weniger Zukerstoff enthaͤlt, weniger zur Viehmastung geeignet; und endlich braucht man, um sich 100 Hectoliter kuͤnstlichen Saft zu verschaffen, wenigstens 110 Hectoliter Wasser. Was nun das alte Verfahren betrifft, so kennt Jedermann dessen Unvollkommenheiten; Jedermann weiß, daß man selbst in den besten Fabriken von den 98 Proc. Saft, welche in den Ruͤben enthalten sind, nur 70 Proc. auszieht; daß die Reiben und Pressen noch vieler Verbesserungen beduͤrfen; daß der Ankauf der noͤthigen Geraͤthschaften große Ausgaben veranlaßt; daß die Unterhaltung der Saͤke und Geflechte sehr kostspielig und das Personal enorm ist. Dagegen glauben wir aber, daß wenn die alten Fabrikanten, die ihre bereits eingerichteten Fabriken doch nicht ploͤzlich aufgeben koͤnnen, das alte Verfahren mir dem neuen verbinden wuͤrden, sie aus dieser Verbindung sehr großen Nuzen ziehen, und leichter abwarten koͤnnten, auf welche Weise sich das neue Verfahren in der Praxis gestalten und nach und nach mehr ausbilden wird. Ich empfehle daher folgendes Verfahren zur Beruͤksichtigung. Nachdem die Runkelruͤben auf die gewoͤhnliche Weise gerieben und so stark als moͤglich ausgepreßt worden, soll man den Inhalt der Saͤke in Koͤrbe aus Weidengeflecht leeren. Andererseits soll man sich drei Bottiche verschaffen, in welche der Dampf eines Dampferzeugers geleitet werden kann. In diese Bottiche soll man einige Hectoliter Wasser schaffen, und wenn dieses Wasser mittelst des frei eintretenden Dampfes auf 80° des hundertgradigen Thermometers erhizt worden, soll man die erwaͤhnten Korbe in das Wasser haͤngen, und nachdem man den Ruͤkstand gut umgeruͤhrt, damit alle Theilchen gehoͤrig erwaͤrmt werden, 12 bis 15 Minuten lang darin weichen lassen. Nach einigem Abtropfen soll man endlich auch den auf diese Weise behandelten Ruͤkstand in Saͤken und zwischen Geflechten in eine starke Presse bringen. Bei dieser Operation werden die Saftzellchen erweicht und durch die Presse zerrissen, so daß der Saft leicht ausfließen kann. Selbst wenn man einen bereits zwei Mal ausgepreßten Ruͤkstand auf diese Weise behandelt, werden 100 Pfd. Ruͤkstand noch einen Gewichtsverlust von 45 Pfd. erleiden. Nach diesen Resultaten, die ich als gewiß angeben kann, werden sich in einer Fabrik, in der man taͤglich mit 20,000 Pfund Runkelruͤben arbeitet, folgende Details ergeben: 20,000 Pfd. zerriebene Runkelruͤben geben, wenn man 70 Proc. ausgepreßten Saft annimmt, 14,000 Pfd. Saft, welcher zu 6 Proc. gerechnet 1200 Pfd. Zuker abwirft. Der Ruͤkstand, welcher 6000 Pfd. wiegen muß, gibt aber zu 45 Proc. gerechnet auch noch 2700 Pfd. Saft, aus welchem sich, indem 70 Pfd. Saft 6 Pfd. Zuker geben, noch 231 Pfd. Zuker gewinnen lassen. Man erhaͤlt also auf diese Weise aus der angegebenen Quantitaͤt Runkelruͤben nicht 1200, sondern 1431 Pfd. Saft. Da man hiezu nur um 4 Arbeiter und um einige Hectoliter Kohlen mehr braucht, waͤhrend der taͤgliche Mehrertrag an Zuker einen Werth von 115 Fr. 50 Cent. vorstellen wuͤrde, so ergibt sich hieraus hinreichend das Vorteilhafte dieses Verfahrens fuͤr aͤltere Fabriken. Die Anschaffungskosten der Geraͤthe sind unbedeutend; denn es handelt sich bloß um drei Bottiche, von denen jeder gegen 3 Hectoliter faßt, und um eine dreiarmige Roͤhre, welche den Dampf in diese Bottiche leitet. Sehr bemerkenswert ist bei meiner Methode, daß das warme Wasser, in welchem der Ruͤkstand macerirt wird, beinahe gar keinen Zukerstoff aus demselben aufnimmt, waͤhrend der ausgepreßte Saft am Araͤometer 3 bis 4° andeutet. Die Staͤrke dieses Saftes ließt sich leicht erhoͤhen; man braucht denselben nur das zweite Mal statt Wasser in den Bottich zu bringen, und dieses Verfahren so oft zu wiederholen, bis der Saft die gehoͤrige Staͤrke erlangt hat. Ich habe, indem ich diesen Vorschlag mache, durchaus nicht die Absicht die Fabrikanten von der Annahme des Verfahrens durch Maceration abwendig zu machen; allein ich glaube, daß jene, die ihre Fabriken nicht gleich neu einrichten koͤnnen, auf diese Weise wenigstens mehr Zuker gewinnen koͤnnten, als bisher. Gegenwaͤrtig wo man eine bedeutende Zukerernte in den Colonien und mithin ein merkliches Fallen der Zukerpreise zu erwarten hat, muͤssen die Runkelruͤbenzuker-Fabrikanten ihre Anstrengungen naͤmlich verdoppeln, um gehoͤrig in Concurrenz treten zu koͤnnen.